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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 68. Jahrgang
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Di- EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Psg. die Zeile, sonst 12 Psg.
Donnerstag, den 21. September 1893.
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt SO Pfg. asb 20 Pfg. Lrägerlohn, durch die Post bezogen ML 1. 15, sonst t» ganz Württemberg Mr. 1. 35.
Nagold, 18. September. Eine Nacht des Schreckens und Jammers liegt hinter uns. Um */-1 Uhr brach in der Scheuer des Ochsenwirts Böckle Feuer aus. Die Stadt ist in dieser Gegend sehr eng gebaut, so daß in einer Viertelstunde 4—6 Häuser brannten. Da die Wasserleitung und die Brunnen infolge der anhaltenden Trockenheit nur wenig Wasser spendeten, mußte die ziemlich entfernte Nagold benützt werden, wodurch die Löscharbeiten sehr beeinträchtigt waren. Von 2 Uhr ab traf auswärtige Hilfe ein: die Feuerwehren von Rohrdorf, Ebhausen, Haiterbach, Jselshausen, Emmingen, Wildberg, Altensteig und Calw kamen mit der Bahn. Wasserträgerinnen und Fuhrwerke hatten schwere Arbeit, das nötige Wasser herbeizuschaffen. Ein kräftiger Regen that jetzt auch gut? Dienste. Unter größter Anstrengung gelang es bis 8 Uhr morgens, das Feuer auf das Dreieck Marktstraße—Hirschgasse—Alter Kirchenplatz zu beschränken; Hirsch und Apotheke, das Heller'sche und G. Wagner'sche Haus waren schwer zu retten. Schauerlich-schön war es, wie der altehrwürdige, noch einzeln stehende alte Kirchenturm (1330 erbaut) Feuer fing und ausbrannte. Die Glocken, die noch den Brand angezeigt hatten, schmolzen und fielen herab. Das elektrische Beleuchtungswerk, das im alten Kirchturm die Zentralstation hatte, ist fast vollständig vernichtet. Von wichtigeren Gebäuden, die abgebrannt find, nennen wir ferner: dieZaiser 'sche Buchdruckerei und Buchhandlung, das Gasthaus zum Ochsen, die Häuser von Kaufmann Schiler, Sattler Braun, Metzger Burkhardt, Schmied Brezing, Schlosser Zimmermann, Fuhrmann Hauser, Tuchmacher Reich, Tuchmacher Günther, Mechaniker Brezing
u. s. w. Abgebrannt sind im ganzen 29 Gebäude, die von 45 Familien bewohnt waren. Brandstiftung wird allgemein angenommen. Möge es gelingen, endlich den hier so oft vorkommenden Brandfällen zu steuern! N. Tagbl.
Herrenalb, 17. Sept. Die Badesaison geht ihrem Ende entgegen. Sie hat alle vorangehenden Jahre in der Frequenz überholt; wohl 3000 Kurgäste waren während des Sommers hier.
Stuttgart, 19. Sept. Kartoffelmarkt. Zufuhr 300 Zentner. Preis per Zentner 3 ^ 20 --Z bis 3 50 -rZ. — Krautmarkt. Zufuhr 2800
Stück. Preis 18 bis 22 per 100 Stück. — Most ob st mar kt. Wilhelmsplatz. Zufuhr 10,000 Ztr. Mostobst. Preis per Zentner 2 50 iZ bis
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Tübingen. In der Nacht vom 13. auf 14. Sept. wurde in der Nähe von Weilheim der 38 Jahre alte Zigeuner August Weiß aus Asbach im Elsaß, als er einen andern, hinter seinem Wagen sich herumtreibenden Zigeuner verjagen wollte, von diesem aus nächster Nähe in das Gesicht geschossen, so daß er bewußtlos in das hiesige Krankenhaus geschafft werden mußte. Nachdem er soweit zum Bewußtsein gekommen war, um notdürftig gehört werden zu können, wollte er den Thäter nicht kennen. Die in der Umgegend kampierenden Zigeuner sind alle verschwunden. Untersuchung ist eingeleitet.
Vom Fuße des Roßbergs, 17. Septbr. In unserer Gegend hat man seit 1847 keinen solch reichen Obstsegen mehr gesehen. Die Bewohner der benachbarten Alborte, sowie Großhändler kaufen das Obst derzeit zu 2 40 pr. Ztr. auf; die Preise
werden mit Beginn der eigentlichen Obsternte wohl
etwas steigen, da man hier, abgesehen von der Mostbereitung, sehr viele Aepfel bricht und aufbewahrt und Birnen und Zwetschgen in großen Mengen dörrt. Da bei uns an Futtergewächsen kein Mangel und die Getreide-Ernte gut ausgefallen ist, können wir im Gegensatz zu anderen Landesteilen den heurigen Jahrgang als einen recht gesegneten preisen.
Heilbronn, 17. Sept. Anläßlich der gestem abend erfolgten Durchfahrt I. M. der Kaiserin wurde der Turm der St. Kilianskirche bengalisch beleuchtet und der hohen Frau hievon auf der Station Nordheim Mitteilung gemacht.
Gaildorf, 16. Sept. Gestern wurde in Rothenhaar (l'/s Stunden von hier entfernt) ein lediger Mann von einem verheirateten bei einem Wortwechsel mit einem Zündholzstein so auf den Kopf geschlagen, daß er sofort den Geist aufgab. Der Thäter stellte sich dem Amtsgericht.
Crailsheim, 17. Sept. Großen Auflauf verursachte heute nachmittag der Brand eines teilweise mit Stroh angefüllten Gartenhauses im Garten des Kaufmanns L. Kinder, die ein Feuerte machten, waren schuld daran; durch sofortige Hilfe wurde all« weitere Gefahr beseitigt. — Daß Fütterung mit Kartoffelkraut nicht immer ratsam ist, mußte eine Bäuerin in Unteraspach erfahren. Derselben verendet« gestem ein Stück Vieh (sehr schöne Kuh), welche zu viel Kartoffelkraut fraß; ein anderes Stück Vieh liegt aus gleicher Ursache krank darnieder.
Ulm, 18. Sept. Die heute begonnene Leder» messe ist bis Vorm. 9 Uhr wieder gut befahren. Gr sind von Backnang und Altensteig Wagenladungen unterwegs, welche wohl bis Mittag einlaufen werden. Die Verzögerung dürfte der starken Jnanspruchnahm«
Jeuicteton.
Brandkäthe.
Aus j>en Papieren eines Dorfschulmeisters.
Von A. Linden.
(Fortsetzung.)
„Ja wohl, Frau Bell, was ist denn mit ihr?" drängte ich ungeduldig, indeß Die Alte aufräumend im Zimmer hin und her lief.
„Ja, das hätten Sie mal sehen! Wie ich diesen Nachmittag von Ellingen komme, da war Viehmarkt und ein arger Spektakel, und wie ich da oben an der Buchenheid' bin, hör' ich so ein Gesing und Rufen, wie ich nun um den Berg her- umkomme, seh' ich vor mir den Heinrich aus der Thalmühle und den Christian vom Buntenhof, das sind so ein paar richtige Kumpane, die wüstesten und wildesten weit «nd breit, und daß sie betrunken waren, merkt ich auch an ihrem ganzen Wesen. Grad denk' ich: S'st doch gut, daß die ein Stück vor mir sind, und du nicht an ihnen vorüber zu gehen brauchst! Da kommt auf dem Fußweg durch die Sträuche» die Käthe Schirmer daher, und wie die Burschen die sehen, da geht erst recht der Spektakel los. „Käthe! Du bist doch das schönste Mädchen im Dorf, wenn Du auch brandrote Haare hast, ich muß Dir etwas sagen, Schätzchen, Hab' schon lange d'rauf gepaßt, komm'!' schreck der Heinz und faßte sie am Arm. Das Mädchen stieß ihn zurück und wollt' sich losreißen, aber der Christian kam von der andern Seck' und sie wollten sie nicht fortlassen. Ich lauf, daß mir der Atem ausgeht, und rus' ihnen zu, sie sollten das Mädchen in Ruhe lassen. Aber der Christian schreck: „Halt's Maul, alte Buttertonne, ich will der Käthe nichts thun, die Pfeif' ist mir -ausgegangen, die will ich mir bloß wieder anstccken an ihren feurigen Haaren."
Die Käthe macht sich los, aber sie kann nicht vorwärts und nicht rückwärts und weil sie keinen andern Ausweg wußte, klettert sie in der Angst, flink wie 'ne Katzr den steilen Dorenberg herauf, der ist grad' wie 'ne Wand, bloß, daß hier und da ein Stein hervorsteht oder ein Strauch dranhängt. An solchem Strauch hätt sich die Käthe fest hoch oben, dahin konnten ihr die Burschen nicht Nachkommen, mir wurd' ganz schwindlig zu Mut, als ich's sah. Der Heinz versucht' es wohl, aber er könnt' sich auf dem ebenen Boden kaum auf den Beinen halten und platsch, lag er. da, so lang wie er war, und als er dann aufstand, fing er an, gräulich auf di« Käthe zu schimpfen. Dann hob er Steine auf vom Boden und warf nach ihr. Da» könnt' ich nicht mit ansehen und zum Glück sah ich unten auf der Chaussee dm Hermann Reinberg daher kommen. Er hatte uns nicht gesehen, aber ich rief ih» und schrie, was ich könnt', er solle kommen und helfen. Da sollten sie mal scherz, wie flink der kam, s' war grad', als wenn er Flügel gehabt hätte, wie ein Blitz stand er da.
„Schämt Ihr Euch nicht, Ihr wüsten Burschen," sagte er zu den Beiden und damit stieß er den Heinz, der eben wieder 'nen Stein aufgehoben hatte, vor die Brust, daß er sich noch einmal überschlug.
Die Käthe hatte sich nach ihm umgesehen, als sie seine Stimme hörte, dabei rutschte der Stein auf dem sie gestanden hatte, unter ihren Füßen weg und sie w«? sicher den steilen Berg hinuntergefallen, wenn sie sich nicht mit beiden Händen i» den Zweigen festgehalten hätte.
„Halt aus, Käthe, nur noch einen Augenblick, ich helfe Dir! rief Hermann und dann stieg er hinauf umfaßte das Mädchen und half ihr herunter.
Die Zwei hatten sich indes aus dem Staub gemacht, aber wie sie unten auf der Chaussee waren, drehten sie sich nochmals um und schrieen allerlei Schimpfname» und schändliche Wörter herauf gegen den Hermann und die Käthe.
Die stand ganz blaß da und zitterte und der Hermann hat sie gestützt, sonst wäre sie niedergesunken; nun sahen wir erst, daß sie blutete am Arm, da hatte»