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»Eurer Majestät spreche Ich den herzlichsten und wärmsten Dank aus im Namen Ihrer Majestät der Kaiserin und in Meinem für vie gnädigen Worte, die Sie soeben an Uns gerichtet haben, und für den freundlichen Empfang, den Wir seitens Eurer Majestät, Ihres ganzen Hauses und Ihres Volkes haben ent­gegennehmen können. DieStuttgarterundJch, Euer Majestät, sind alte Bekannte, und Ich habe unter den verschiedensten Gelegenheiten die Möglichkeit gehabt, zu beobachten, in wie warmer undherzlicherWeisedaswürttembergische Volk an seinem Königshause und auch am DeutschenReichehängt, seiesbei Veranstaltung froher Festlichkeiten, sei es auch unter dem Ausdrucke tiefen Schmerzes über einen Heimgegangenen geliebten Souverän. Stets hat das württembergische Volk der hohen Eigenschaft entsprochen, deren sich einst schon ein großer Vorfahre Eurer Majestät rühmen konnte, daß er überall, wo es sei, sein Haupt getrost in den Schoß seiner Unterthanen legen könne. Der heutige Tag hat aber zu gleicher Zeit den bewehrten Teil der württembergischen Söhne vor unseren Augen vorbeiziehen lassen, und es erfüllt mich mit hoher Freude, daß das rückhaltlos beifällige Ur­teil MeineshochseligenHerrnGroßvaters von damals von Mir heute an derselben Stelle hat wiederholt werden können. Ich wünsche Eurer Majestät und dem württembergischen Armeekorps von Herzen Glück zu dem heutigen Tage. Das Corps steht auf der Höhe der Aus­bildung und wird auch so bleiben: dafür sorgt der militärische Sinn und Eifer Eurer Majestät, Ihrer Generale und Offiziere. DasCorpssteht indemKranze der Armeecorps, die zum Schutze des Deutschen Reiches, zum Schutze des euro­päischen Friedens stets gewärtig sind, glänzend da. Ich hoffe und wünsche, daß zu allen Zeiten dem Corps diese herrlichen und guten Eigen­schaften bewahrt bleiben mögen. Ich trinke auf das Wohl Eurer Majastät, Ihrer Majestät der Königin, des gesamten Hauses und aller württembergischen j kampferprobten Söhne. Die Alten und die Jungen, Hurrah! und nochmals Hurrah und zum drittenmal Hurrah!"

Stuttgart, 16. Sept. Kaisermanöver. Der Kaiser hat sich gestern beim Paradediner sehr anerkennend über die Leistungen des württ. Armee­korps von denen er sich bei der großen Parade am Vorm, überzeugen konnte, ausgesprochen. Am heutigen Tage war das Armeekorps dazu berufen, sich diesen kais. Worten auch als Feldsoldaten würdig zu zeigen. Die Truppen marschierten heute in aller Frühe aus ihren Quartieren zum Manöverfeld zwischen Feuerbach und Pflugfelden. Das Südkorps, im Marsch von Metzingen und Tübingen gedacht, hat am 15. Sep­tember Cannstatt und Stuttgart erreicht und mit Vortruppen Mühlhausen, Zazenhausen und Zuffen­hausen besetzt. Das Nordkorps, von Heilbronn und Oehringen her im Vormarsch, ist am Abend des 15. Sept. mit seinen Spitzen in Ludwigsburg und Oßweil eingetroffen. Die Süddivision kommandierte General- Lieutenant v. Lindequist, die Norddivision General- Lieutenant v. Nickisch-Nosenegk. Um 8'/- Uhr hörte man auf dem Manöverfeld vereinzeltes Patrouillen­

feuer vom rechten Flügel der Süddivision. Gegen '/-IO erschienen der Kaiser und der König, sowie eine glänzende Suite zu Pferde, von den zahlreichen Zuschauern, die sich inbesondere auf dem Knöbel vor­sammelt hatten, überall freudigst begrüßt. J.J. M.M. dieKaiserin und die Königin mit Gefolge fuhren zum Römerhügel, von wo aus die hohen Herrschaften dem Verlauf des Manövers folgten. Um 10 Uhr eröffnet« die Artillerie gegenseitig das Feuer. Die Truppen der 26. Division rückten immer mehr in der Richtung nach Pflugfelden vor. Die Infanterie feuerte auf beiden Parteien sehr lebhaft. Kurz vor 12 Uhr kam es vor Pflugfelden zu einem heftigen Zusammenstoß zwischen der Infanterie der Süd- und Norddivision. Die Infanterie der Norddivision konnte ihre Stellung nicht mehr behaupten und mußte den Rückzug unter dem Feuer der nachfolgenden Truppen der Süddivision antreten. Punkt 12 Uhr wurde das ganze Halt!" geblasen. Das Feuer wurde ein­gestellt. Das Kaisermanöver hatte mit dem Sieg der Süddivision sein Ende erreicht. Die Truppen setzten die Gewehre zusammen und legten ihr Gepäck ab, während die berittenen Offiziere sich zur Kritik, die beim Römerhügel gehalten wurde, begaben. Wäh­rend des Gefechts führte der Kaiser mit dem Drag.- Regt. Königin Olga Nr. 25 und dem Ul.-Regt. König Karl Nr. 19 eine gelungene Attake auf die Artillerie des linken Flügels der Norddivision beim Römerhügel aus. Nach der Kritik begaben sich der Kaiser und der König und die übrigen Fürstlichkeiten am Kaiserstein vorüber direkt nach dem Bahnhof Kornwestheim, von wo aus die Rückkehr nach Stutt­gart erfolgte, während das Gefolge u. s. w. von Ludwigsburg aus nach Stuttgart zurückkehrte. Die Kaiserin und die Königin haben während ihres Ver- weilens beim Römerhügel den Kaiserstein besichtigt, wobei Frau Oberbürgermeister v. Abel und Frau General v. Gleich die Honneurs machten. Der heutige Tag war bei dem heißen Wetter für die Truppen sehr anstrengend. Jeder that seine Pflicht und Schuldigkeit.

Heilbronn, 14. Sept. Heute mittag wurde ein hiesiger Hausknecht verhaftet und auf die Polizeiwache verbracht. Daselbst benützte er einen günstigen Augenblick und entsprang. Verschiedene Schutzleute setzten ihm sofort nach, und nun begann ein Rennen durch die Straßen, das einem Wettlauf glich. Der Flüchtling wandte sich dem Neckar zu, und als er sah, daß er nicht mehr entrinnen konnte, stürzte er sich in der unteren Neckarstraße in den Neckar. Erst nach vieler Mühe gelang es, ihn mittelst Nachens herauszufischen und in sicheren Gewahrsam zu verbringen.

Der Kaiser trifft derDanziger Ztg." zufolge, am 1. Oktober 7'/2 Uhr früh mittelst Sonder­zuges auf Bahnhof Trakehnen ein. Von dort fährt der Kaiser im Wagen nach Jagdhaus Rominten. Um 11 Uhr findet in Gegenwart des Kaisers die feierliche Einweihung der bei dem Jagdhause neu­erbauten Kapelle statt.

Münster, 14. Sept. Der fremde Bett­ler, welcher am 7. d. Bits, unerwartet dadurch in den Besitz von 800 hier gelangte, daß in dem­selben Augenblicke, als er bei einem Fabrikanten vor­

sprach, dieser eine für einen Angestellten bestimmte Geldrolle aus dem Comptoirfenster reichte, heißt, Augustin Kopf, ist im Jahre 1847 in Sulz (Kreis; Gebweiler) geboren, war dort vom 3. bis 7. d. Mts., im Hospital und ist am letztgenannten Tage um 7. Uhr früh aus demselben entlassen und direkt über die- Berge nach Münster gekommen. An der linken Hand­fehlt dem Mann der Daumen, den er sich abgeschossen- hatte. In Stemlisberg, unterhalb des Kahlenwasens,. ließ er seine Habseligkeiten in der Eile zurück.

Straßburg, 15. Sept. An der Nußbaum-.. brücke hatte heute Morgen ein Mann in einem Käfig, zwei Kreuzschnäbel und nicht weit davon an der Pariserbrücke eine Frau in einem Käfig zwei Sittiche aufgestellt. Vor den Käfigen war ein Plakat mit einer Inschrift angebracht, wonach dieseWunder­vögel" in der Lage seien, jedem die Zukunft vor­auszusagen. Kostenpreis 10 Pfennig. In einem Kasten waren dann bunte kleine Briefchen auf­gespeichert. Sobald nun jemand 10 Pfg. spendete,, pickte ein Vogel einen Brief an, der dann die Nach­richt über die Zukunft des um 10 Pfg. erleichterten Neugierigen enthielt. Die kleinen Vögel haben ihren Eigentümern heute eine hübsche Tageseinnahme ver­schafft. Alle Welt lief hin und ließ sich für 10 Pfg. die Zukunft verkündigen. Hoffentlich haben die Vögek. viel Gutes anzuzeigen gewußt!

Eingesandt.

An die Mitglieder des Nezirks-Wirtsvereins.

Der Süddeutsche Gastwirtsverband hat eine Sterbekasse gegründet mit der Bestimmung, daß diejenigen, welche noch vor dem 1. Oktober ein- treten, eine Aufnahmegebühr von nur 2 ^ zu be­zahlen haben, während später eintretende 20 ^ zu. bezahlen haben. Der Verein hat in den 7 Monaten seines Bestehens eine Mitgliederzohl von 3200 er­reicht nebst einem Neservefond von 22.000 Die Hauptbestimmungen sind folgende: Für jedes ver­storbene Mitglied des Vereins hat jedes Mitglied 50 ^ , zu bezahlen, während die Hinterlassenen so viel mal 50 ^ erhalten, als es Mitglieder sind abzüglich in den ersten 2 Jahren 50°/» und vom 9. Jahr an 10°/» für Verwaltungskosten. Es würden also beim wirk­lichen Mitgliederstand von 3200 Mitgliedern die Hinter-. lassenen 800 ^ erhalten und bei einer Mitgliedschaft von 9 Jahren und mehr 1440 Der engere Aus­schuß glaubt die Mitglieder auf dieses so vorteil­hafte Unternehmen aufmerksam machen zu müssen und den Beitritt zu empfehlen. L-olche, welche Lust haben, wollen dies dem Vorstand oder Kassier melden, von welchem alsdann die Antragbogen zugesendet werden, oder was noch besser ist, nächsten Freitag mittag an einer Sitzung in derKanne", welche zu diesem Zweck abgehalten wird, beizuwohnen.

Verdorbener Magen, Mangel an Appetit

und noch manche andere Erscheinung stellen sich ein, wenn durch unregelmäßigen und ungenügenden Stuhl­gang der Verdauungsapparat in Unordnung kommt. Deshalb sorge man stets für tägliche Oeffnung durch Gebrauch der ächten Apotheker Itichard Brandt'schen. Schweizerpillen mit dem weißen Kreuz in rotem Grunde. Erhältlich nur in Schachteln ä 1 in den Apotheken.

Er brach ab, als sei es ihm leid geworden, das auszusprechen, was er hatte sagen wollen.

Ich Hab' heut keinen glücklichen Tag", fuhr er dann fort,noch nichts erlegt, will sehen, ob's da drüben auf der Heid' besser geht."

Er drückte mir die Hand, pfiff seinem Hunde und schritt weiter. Ich sah ihm eine Weile nach. Wie schön und stattlich war er! Wie gut stand ihm die graugrüne Jägertracht! Ja, wenn er Käthe lieben würde, es war kein Zweifel sie mußte ihn wieder lieben. Aber es war doch Thorheit, zu glauben, daß er sich jemals um sie bewerben werde, und mit ihr zu spielen, dazu hielt ich ihn nicht fähig. Meine eigene wachsende Neigung zu dem Mädchen, das mir noch so ferne stand, spiegelte mir da eine Besorgnis vor, die grundlos und unsinnig war. Auf meinem Rückwege schlug ich nicht den Weg durch die Schlucht, sondern wieder den Pfad ein, der oben unter den Tannen herabführte. Sollte ich Käthe wohl noch sehen? Ich blickte hinab an der Stelle, wo ich vorhin gestanden, und wirklich, da saß sie wieder auf dem moos­bewachsenen Steine, sie hatte den Kopf in die Hand gestützt, ihre Brust hob und senkte sich, sie schluchzte und weinte.

Mir war, als müßte ich zu ihr gehen sie zu trösten in ihrem unbekannten Weh, ihre Hand ergreifen und ihr sagen, daß ich ihr Freund und glücklich sein würde, ihr zur Seite zu stehen in Freud' und Leid. Ich hatte eine Bewegung gemacht, ein Ast knackte unter meinen Füßen, erschrocken sprang sie auf, nahm ihren Korb und schritt dem Dorfe zu.

Einige Tage darauf brachte ich dem Kleinen die versprochenen Bücher und Bilder. Ich fand ihn in der Stube bei seinem Vater. Derselbe arbeitete jetzt nicht mehr; obgleich er noch fortwährend Halme, Binsen und feine Weidenruten ineinander flocht, war er doch nicht mehr im stände, einen bestimmten Gegenstand zu vollenden. Sein Geist hatte sich noch mehr umnachtet, aber er war still unv geduldig, und ein milder, zufriedener Ausdruck lag auf seinem Gesichte. Mit blödem, irren Lächeln

schaute er zu mir auf und zeigte mir das Band, das er soeben geflochten hatte, aber auf alle meine Fragen hatte er nur ein verständnisvolles Nicken.

Käthe traf ich diesmal nicht zu Hause; bei meinem nächsten Besuche jedoch fand ich sie in der kleinen Küche beschäftigt. Sie führte mich in die Stube und dankte mir mit herzlichen Worten für meine Teilnahme an dem Bruder. Ihr Wesen hatte etwas sehr einnehmendes, all ihre Bewegungen waren von jener leichten An­mut, die man sonst selten bei Landmädchen findet.

Meine Aufwärterin war eine arme Witwe, die in der Nähe des Schulhauses wohnte und als Botenfrau und Händlerin mit Butter, Eiern u. s. w. ihren Unterbalb erwarb. Sie brachte meine Stuben in Ordnung, holte mir mittags und abends das Essen aus dem Wirtshause herüber, und mochte sie auch noch so weite Wege gemacht haben, an jedem Abend war sie pünklich da, um noch alles Nötige zu besorgen. Ich hatte die rüstige Alte gern wegen ihres treuherzigen Wesens, nur wenn ich beschäftigt war, durfte ich ihr keine Gelegenheit geben, die Schleusen ihrer Beredsamkeit zu öffnen, denn sie wußte stets alle Neuigkeiten meilenweit in der Runds, weil sie in so viele Häuser kam und überall das eine oder andere erfuhr.

Eines Abends war sie noch nicht da zur gewohnten Stunde, und ich be­fürchtete schon, es müsse ihr auf ihren Gängen irgend ein Unfall zugestoßen sein. Endlich kam sie ganz atemlos und aufgeregt herbei.

Was werden Sie wohl gedacht haben, daß ich noch nicht hier war!" begann sie sich zu emichuldigen.

Ei, Mutter Bell, ich fürchtete, es sei Ihnen etwas Schlimmes begegnet, draußen >m Busch oder im Felde, nun ist's gut, daß dem nicht so war."

Nun, mir ist nichts passiert, aber der Käthe am Ginsterberg drüben; wissen Sie. die d imals Schützenköniain war, weil sie der Hermann Reinberg zum Spaß geholt halte, die mit den roten Haaren, wissen Sie, und die Jungens im Dorf schrieen ihr früyer immer nach, Sie haben sie sicher auch schon gesehen . . ."

(Fortietzung folgt.)