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Amts- und Anzeigebtatt für den Bezirk (Lalw.
68. Jahrgang.'
Er!ch«tnt Dien Stag, Donnerstag nnd Samitag. Die Einrückungsgebühr betrügt im Bezirk und nächster Umgebung S Psg. di- Zeile, sonst IS Psg.
Dienstag, öen 19. September 1893.
AbonnementLpreiS viertel 20 Pfg. TrLgerlohn. durch die ganz Württemberg Mr. 1 . SS.
in der Stadt so Pfg. «ck oft bezogen Mk. 1. 15, sonst 1»
Tages-Neuigkeiten.
Calw, 18. Sept. In vergangener Nacht ist -unsere Nachbarstadt Nagold wieder von einem großen 'Brandunglück betroffen worden. Ein ganzer Häuserkomplex, man zählt 20 Wohngebäude und 7 Scheunen, wurden ein Raub der Flammen. Das Rathaus war sehr bedroht, ebenso die Apotheke. An größeren Gebäuden ist abgebrannt das Kaufmann Schiler'sche Haus samt großem Warenlager sowie die Zaise r'sche Buchdruckerei. Auch der alte Kirchturm, ein Wahrzeichen der Stadt, ist ausgebrannt. Von.allen Orten der Umgegend waren Feuerwehren eingetroffen und auch von Calw ging eine Compagnie mit Spritze und eine Abteilung Steiger mit dem Zug 4 Uhr 45 Min. ab. Die Mannschaft fand noch viel zu thun und wird erst heute nachmittag zurückkehren. Das Feuer ist in der Scheune des Gasthauses zum .„Ochsen" ausgebrochen, man vermutet Brandstiftung.
Stuttgart, 15. Sept. Bei dem heutigen Frühstück in der Villa Berg war der Kronprinz -von Italien der Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit seitens des Kaiserpaares und der Königsfamilie. Der Kronprinz äußerte seine Freude darüber, vom Kaiser auch nach dem schönen Schwabenlande geleitet worden sein. Er nehme unauslöschliche herrliche Eindrücke und Erfahrungen mit in seine Heimat und danke sowohl dem Kaiser wie dem König von Württemberg und dem Großherzog von Baden für die herzliche Aufnahme.
Stuttgart, 15. Sept. Kaiserparade. II. MM. der König und die Königin holten heute früh II. MM. den Kaiser und die Kaiserin im Schlosse zur Parade ab und fuhren mit Aller-' Höchstdenselben gemeinsam dahin. Ihre Majestäten trafen um 9 Uhr 50 Min. auf dem Paradeplatze «in, wo Allerhöchstdieselben von den mittlerweile zu Wagen bezw. zu Pferde dahin gelangten höchsten
Herrschaften nebst Gefolge erwartet wurden. Hierauf stiegen S. M. der Kaiser und S. M. der König zu Pferde, während I. M. die Kaiserin und I. M. die Königin im Wagen verblieben. Die Parade, die vom herrlichsten Wetter begünstigt war, begann um 10 Uhr und dauerte bis gegen 12 Uhr. Zuerst ritten II. MM. der Kaiser und der König, gefolgt von den höchsten Herrschaften und einer glänzenden Suite, die Front der ausgestellten Truppen ab; hierauf defilierten letztere zuerst in Compagnie-, dann in RegimentSkolonen; beidemal setzte sich beim Vorbeimarsch der Regimenter, deren Chef S. M. der König ist, Allerhöchstderselbe an die Spitze und führte die Regimenter dem Kaiser vor, während S. M. der Kaffer das Regiment Kaiser Wilhelm König von Preußen Nro. 120 dem König vorführte. Nach Beendigung der Parade versammelte der Kaiser die Generale und Stabsoffiziere um sich und sprach denselben» seine volle Befriedigung über die heutige Parade aus. II. MM. der Kaffer und der König begaben sich sodann noch zu den Kriegeroereinen, die in der Stärke von etwa 7200 Mann auf dem Paradeplatz Aufstellung genommen hatten, und ritten die Front derselben ab, wobei der Kaiser sich aufs hulvvollste mit einer großen Anzahl von Mitgliedern unterhielt. Unter den stürmischen Hochrufen der Menge verließen der Kaiser und der König den Paraveplatz, um sich nach Stuttgart zurückzubegeben. Nachmittags fand bei I. Kais. H. der Frau Herzogin Wera von Württemberg ein Frühstück auf der Villa Berg statt, an welchem II. MM. der Kaiser und die Kaiserin teilnahmen. Für das Gefolge und den Ehrendienst war Frühstück in den Freskozimmern des Königlichen Residenzschlosses. Nach dem Frühstück kehrten die Allerhöchsten Herrschaften wieder nach Stuttgart zurück. Um 5 Uhr 30 Minuten fand im Weißen Saale des K. Residenzschlosses große Paradetafel statt. An derselben nahmen außer II. MM. dem Kaiser
und der Kaiserin und dem König und der Königin die sämtlichen gegenwärtig hier verweilenden Fürstlichkeiten, sowie die hier anwesenden Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses teil. Gegen den Schluß der Tafel erhob sich S. M. der Köniz und brachte folgenden Toast auf Ihre Kaiserlichen Majestäten aus: „Eure Kaiserliche Majestät wollen gestatten, wenn Ich das Wort ergreife, um Sie und Ihre Majestät die Kaisetin herzlichst willkommen zn heißen von seiten Meines Hauses, Meines Landes, Meines Volkes und in erster Linie Meines Armeekorps, dem der heutige Tag gilt. Zweimal war eS Meinem Armeekorps vergönnt, vor den Augen seines damaligen obersten Kriegsherrn, des unvergeßlicher?, verehrten Kaisers Wilhelm I, Proben seiner.-militärischen Ausbildung abzulegen und anerkennende Worte zu finden. Am heutigen Tage war es ihm vergönnt. Euer Majestät die Probe abzulegen, daß wir nicht gerastet, daß wir weiter auf dem gewonnenen Boden gearbeitet haben. Auch aus dem Munde Euer Majestät Worte der Anerkennung und Zufriedenheit zu vernehmen, war ein hoher Stolz, ein Glück für uns, dessen uns allezeit würdig zn zeigen wir bestrebt sein werden. Aber nicht allem das Armeekorps, nein, das ganze Volk jubelt Euren Majestäten entgegen, wie Sie aus den strahlenden Blicken und den jauchzenden Zurufen entnehmen konnten. Sie erblicken alle in Eurer Majestät den Träger der deutschen Kaiserkrone, den Hort des Friedens, und in Ihrer Majestät der Kaiserin das leuchtende Vorbild der deutschen Frau; unv so haben sie Eure Majestäten begrüßt und willkommen geheißen und oft und zu aller Zeit herzlich begrüßt. Diesen Gefühlen gebe Ich Ausdruck, indem Ich Sie auffordere, mit Mir einzustimmen in den Ruf: Sein« Majestät der Kaiser, unser oberster Kriegsherr, und Ihre Majestät die Kaiserin, sie leben Höcht hoch! hoch!" Hierauf erwiderte S. M. der Kaiser:
Iseuikreton.
Brandkäthe.
Aus den Papieren eines Dorfschulmeisters.
Von K. <Lt«de«.
(Fortsetzung.)
Ich stand schweigend da und wußte nicht, ob ich dem Zuge meines Herzen« folgen und zu ihr hinabgehen oder meinen Weg weiter fortsrtzen sollte. Da näherte sich raschen Schrittes drunten auf dem Waldpfade ein Jäger, in dem ich sofort Hermann Reinberg erkannte. Käthe hatte, in ihre Gedanken versunken, sein Nahen nicht gehört, erst das laute, feindselige Gebell, mit welchem ihr kleiner Spitz dem großen Jagdhunde entgegensprang, der mit stolzem Schweigen an dem winzigen Bläffer vorüberschritt, ließ sie aufschauen. Da stand schon Hermann Reinberg vor ihr.
„Guten Tag, Käthe!' sagte er, ihr die Hand bietend.
„Guten Tag!" entgegnet« sie kurz, indes sie aufsprang und nach ihrem Korbe griff, um hinwegzueilen.
„Nein, Käthe, bleibe! Du mußt mich erst anhören!" rief er ihr zu, den Korb aus der Hand nehmend. „Ich muß mit Dir reden und wäre gern deshalb schon zu Dir gekommen, aber ich fürchtete, Dein Vater und auch Du, Ihr würdet mich fortweisen. Da Hab ich damach getrachtet, Dir hier draußm zu begegnen und heut erst ist's mir gelungen."
Sie stand ungeduldig da, und in ihren Zügen kämpft« Groll und Bitterkeit, indes er fortfuhr:
„Ich muß Dich um Verzeihung bitten, vieles habe ich gut zu machen an Dir! Für das aber, was ich neulich, halb aus Trotz gegen andere halb aus Übermut ge-
than, hast Du Dich selbst ja gerächt, denn glaube mir. Du hast Deinen Zweck erreicht, als Du mich damals auf dem Fest verließest. Es war mir eine arge Kränkung» auch den anderen gegenüber, und sehr zornig war ich anfangs auf Dich, aber ich mußte mir doch sagen, daß die Kränkung nicht unverdient war. Und nun, Käthe» laß den alten Groll fahren, laß uns Freundschaft mit einander schließen."
Er bot ihr seine Hand dar, sie aber nahm dieselbe nicht an.
„Was soll's," entgegnet« sie kurz und bitter, „Ihr seid der jung«, reich« Reinberg, und ich bin dir verachtetste Dirn' im Dorf, die Brandkäthe, wozu wollet Ihr Freundschaft schließen mit mir?" Sie wollte sich wieder abwende» und gehe», er aber hielt sie sanft zurück.
Da litt mich'« nicht mehr auf meinem Lauscherposten, ich wollte nicht läng« horchen und schämte mich vor mir selber, daß ich'« soeben gethan. So schritt ich mit absichtlichem Geräusch durch die Tannenbäume hindurch auf dem schmalen Pfaden der zur Waldschlucht hinabführte, und rief Hermann laut meinen Gruß zu. Er schaute sich um und erwiderte denselben, auf mich zukommend und neben mir weit« schreitend. Zum erstenmal« sah ich eine unfreundliche Miene an chm, es war wohl der Verdruß über die ihm durch mich erfahrene Störung. Ich begleitete ihn noch ein Stück in den Wald hinein, ohne daß einer von uns der Begegnung mit Käthe Erwähnung that. Er schien finster und schweigsam, und ich konnte eine freudig« Regung in meinem Herzen nicht unterdrücken. Das, was ihn jetzt wohl am meist«» kränkte, daß sein Versuch der Versöhnung mit Käthe mißlungen war, gewährt« n«k eine Befriedigung, die zu bekämpfen ich vergebens mich bemühte.
Nur als wir schieden dort, wo am Waldessaum di« braune Heide sich dehnt« und ich wieder zum Dorfe zurüÄehren wollte, hellte sich sein Gesicht auf, und « sagte höflich:
„Verzeihen Sir, ich war heute ein schlechter Gesellschafter, e» ging «l« manches durch den Kopf und Sie haben ja gesehen-"