108. Amts und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 68. IahrglHl-.
Erscheint Di-nstag, Donn-r»t», und S-mSt-g. Die Einrürkungsgcbühr betritt im Bezirk und nSchster Umgebung 9 Psg. di- Zeile, sonst 12 Psg.
Donnerstag, den 14. September 1893.
AbonnementSpret» vierteljährlich in der Stadt SO Psg. »»h 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst ßM ganz Württemberg Mk. 1. 35.
Tages-Neuigkeiten.
Calw. Aus Anlaß der Kaiserparade bei Cannstatt werden am Freitag, den 15. Sept., außerordentliche, für hier in Betracht kommende Personen-
züge ausgeführt
früh
Nagold
ab
2.°°
Emmingen
„
2."
Wildberg
„
2 SS
Thalmühle
„
2."
Teinach
2."
Calw
3.°°
Althengstett
3."
Schafhausen
3?'
Weil d. Stadt
4.0S
Menningen
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4 22
Leonberg
4 22
Höfingen
4 «°
Ditzingen
4 4»
Kornthal
4 27
Zuffenhausen
5°°
Stuttgart
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Cannstatt
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früh
Stuttgart
ab
abends
Feuerbach
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Zuffenhausen
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Kornthal
^ 14
Ditzingen
„
7 22
Höfingen
^ 22
Leonberg
^ 42
Renningen
^ 28
Weil d. Stadt
8.°°
Schafhausen
„
8."
Althengstett
8."
Calw an
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9.°°
ab
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Teinach
an
9."
Thalmühle
9."
Wildberg
9."
Emmingen
§
10.°'
Nagold
an
10?°
* Liebenzell, 11. Sept. Nachdem furchtbaren Brandunglück, das in letzter Zeit benachbarte Gemeinden heimgesucht hat, in einigen sogar Menschenleben hinraffend, nicht bloß Hab und Gut der betroffenen Hausbewohner, — war in hiesiger Stadt der Schrecken groß als am gestrigen Sonntag abends zwischen 9 und 10 Uhr Feuer ausbrach. Es brannte in der hinten in der Gaisgaste am Fuß des Schlayer- bergs gelegenen Scheuer des Krämers und Schmieds Georg Decker, die außer dem eingeheimsten Heu und Oehmd dessen Warenvorräte und namentlich auch
viel Oel enthielt, wo also das Feuer reichliche Nahrung fand. Abgesehen von dem Schaden, der für den Eigentümer ohne Zweifel sehr empfindlich ist, und von der Beängstigung, derer sich die Umwohner nicht erwehren konnten, wur es für solche, die der Brandstätte ferner standen, ein wunderbares Schauspiel, wie die gewaltige Flamme lichterloh zum Himmel loderte und zugleich eine Beleuchtung der nahen Berge, besonders aber der Schloßruine und der Schlayer- burg, herstellte, wie Liebenzell sie bei den wiederholten Veranstaltungen des hiesigen Verschönerungsvereins nicht schöner gesehen hat. Bald stand auch die Schmiedwerkstätte Deckers in Hellen Flammen. An ein Löschen war nicht zu denken. Sehr günstig aber war die herrschende Windstille, die von Anfang an die Hoffnung gab, es werde möglich sein, die benachbarten Wohnhäuser zu schützen. Den Bemühungen der Feuerwehr, die seitens der übrigen Einwohner, besonders aber der Frauen und Töchter, durch Herbeischaffung von Wasser unterstützt wurden, gelang es denn auch, das Feuer auf die beiden Gebäude zu beschränken und größeres Unglück zu verhüten. Ueber die Entstehung des Brandes hört man, daß der Lehrling des Schmieds Decker, dem es zur Erlernung des Handwerks an Lust und wohl auch an Kraft fehlte, in Abwesenheit seines Meisters das Feuer angezündet habe, hoffend, die Unterbrechung des Geschäfts, die der Brand nach sich zieht, werde ihm Erlösung aus der Lehre bringen. Der Knabe, der von Unterreichenbach stammt, wurde heute verhaftet.
Stuttgart, 11. Sept. Die Ankunft ves Kaisers ist auf Donnerstag Nachmittag 5 Uhr festgesetzt. Die Kaiserin trifft eine Viertelstunde später ein. Am Freitag findet nach der Kaiserparade
Frühstückstafel in der Villa Berg und abends im Weißen Saale des Residenzschlosses die Paradetafel statt. Am Samstag ist Kaisermanöver und abends Familientafel im Schloß. Für 9 Uhr abends ist dis Abreise des Kaiserpaares geplant.
Stuttgart, 11. Sept. Der israelitischen Feiertage halber war der heutige Hopfenmarkt von Händlem nur wenig, von Brauern dagegen ziemlich gut besucht. Die Vorräte an neuer Ware waren immer noch gering und fanden zu den Preisen von 230—250 ^ pr. Ztr. leicht Abnehmer. Im Laufe dieser Woche werden die ersten Sendungen böhmischer Hopfen für den nächsten Markt — am Montag den 18. ds. Mts. — eintreffen.
Stuttgart, 12.Sept. Kartoffelmarkt. Zufuhr 600 Zentner. Preis pr. Ztr. 3 20 H
bis 3 ^ 50 -H. — Krautmarkt. Zufuhr 3600 Stück. Preis 18 bis 22 ^ pr. 100 Stück. — Mo st obstmarkt. Wilhelmsplatz. Zufuhr 5000 Ztr. Mostobst. Preis pr. Ztr. 2 ^ 70 bis 2 90 -H.
Cannstatt, 9. Sept. Heute zwischen 11 und 12 Uhr vormittags konnte man vom Austeg als Zeuge eines interessanten, aber keineswegs erfreulichen Schauspiels sein. In einer dem Neckar benachbarten Fabrik lief infolge einer Beschädigung des Kestels Salmiak in großer Menge aus und ergoß sich durch den in den Neckar mündenden Bach in den Fluß, dessen Wasser alsbald auf eine weite Strecke weiß gefärbt wurde. Die Folge war, daß sogleich eine allgemeine Vergiftung der Fische zu konstatieren war, welche massenhaft tot ans Land gespült wurden. Größere Exemplare sah man noch längere Zeit hin-
Jerritcetorr.
Brandkäthe.
Aus den Papieren eines Dorfschulmeisters.
Von A. finden.
(Fortsetzung.)
Ich brachte das Gespräch auf etwas anderes, indes die Frau ging, das Abendbrot aufzutragen.
Peter Bordmann mußte wohl am anderen Morgen seinen Vorsatz, dem Bernhard, wie er sagte, gehörig den Kopf zu waschen, ausgeführt haben; denn während ich mich ankleidete, hörte ich in der unter meinem Schlafzimmer gelegenen Wohnstube ihn laut und unwillig reden. Bernhard schien sich's doch nicht arg zu Herzen zu nehmen; gleich nachher traf ich ihn im Hof, als er gerade im Begriff war, die zwei prächtigen Braunen in den Pflug zu spannen; er trat zu mir und reichte mir die Hand zum Abschied, weil er gehört habe, daß ich sogleich fort wolle.
„Schade, daß Sie gestern nicht dablieben, Herr Lehrer, eS war doch schön und viel Freud' haben wir gehabt."
„Aber Ihrem Vater gefiel's nicht," wandte ich lächelnd ein.
„Ja," meinte er errötend, „Sie haben's wohl gemerkt, dem war mein Mädchen nicht reich genug, aber ich denke, so rin frisches anmutiges Gesicht, so eine geschickte, fleißige Hand und ein Herz so fromm und rein und treu, die zieren noch mehr als Sammet und Seide und sind mehr wert als Sibrr und Gold. Jst's nicht so?" fragte er treuherzig.
„Sie haben Recht," mußte ich erwidern, „und ich wünsche Ihnen von Herzen, Haß Ihr Vater auch bald zu solcher Einsicht gelange."
„Das wird noch 'nen harten Streit kosten, aber wir lasten drum den Mut uicht sinken, Marie und ich. Soll ich sie grüßen von ihnen Herr Lehrer?"
Ich nickte lächelnd. Er trieb die Pferde an und fuhr zum Thors hinaus die Dorfstraße hinunter, munter ein Liedchen pfeifend. Und die Marie hatte seinen Gruß gehört, alsbald erschien drüben am Fenster zwischen den Blumen ihr hübsches, lächelndes Gesicht und zwei braune Augen blickten leuchtend zu dem Geliebten herüber.
Eigentümlich zog mir'S dabei durchs Herz. Ich beneidete fast den jungen Burschen um sein heimliches Liebesglück, welches gleich einem Röslein, dornumhegt, doch so frisch und fröhlich erblühte. Vor meiner Seele stand das Bild jenes Mädchens, das ich gestern zum erstenmale und nur so kurze Zeit gesehen, und das doch so tiefen Eindruck auf mich gemacht hatte. Des Alten Erzählung gestern Abend hatte meine innige Teilnahme für sie noch gesteigert und leise erwachte der Wunsch in mir: könnte doch ich auch von ihr jetzt so Abschied nehmen, wie Bernhard von seiner Marie!
Bordmann hatte mich am Abend nicht gefragt, ob ich Klärchen gesehen und gesprochen, weil der Ärger über den Verlauf des Festes und Bernhards Handlungsweise ihn wohl zu sehr in Anspruch genommen hatte. Vor meiner Abreise nun sagte ich ihm, daß mir das junge Mädchen wohl sehr gefallen habe, ich mich aber hinsichtlich der Wahl meiner künftigen Gattin nicht binden könne und lieber ganz auf die Stelle verzichten wolle; zugleich bat ich ihn, dies den andern mitzuteilen. Er meinte die Sache würde sich doch vielleicht schon machen, ich sollte nur getrost kommen, wenn ich auch noch nicht zusagen könne.
. * .
Ein halbes Jahr war vergangen. Seit einigen Monaten hatte ich meine Stelle in Nordenkirch angetreten, und mich nun schon etwas eingelebt in dem neum Wirkungskreis, in dem ich mich mit jedem Tage heimischer fühlte.
Wohl waren die Kinder im Anfang etwas wild und unbändig, das legte sich aber schnell und bald hatte ich die Freude, zu sehen, wie aus all' diesen Hellen Augen, die so offen und klar zu mir aufgeschlagen waren, der warme Strahl der Liebe mich grüßte.
Unter den größeren Schülerinnen war mir ein Mädchen aufgefallen, di» mich