103. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
68. IahrMß.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt iur Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Donnerstag, Len 7. September 1893.
AbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stabt 90 Pfg. »»tz > TrLgerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 1b, sonst i»
L0 Pfg. .....
ganz Württemberg Mk. 1. 35.
Tages-Neuigkeiten.
X. Nagold, 4. Sept. Das Kneip'sche Bad von Fröhlich in nächster Nähe hies. Stadt und malerisch gelegen, erfreut sich bester Frequenz. Erst dieses Frühjahr wurde die ganz neu erbaute Anstalt eröffnet und ist seitdem von Luftkurgästen, besonders aber von Kranken aller Art, welche durch Kneip'sche Güsse und Bäder Linderung und Heilung suchen, so stark besucht, daß der Besitzer der Anstalt sich veranlaßt sah, ein größeres Seitengebäude herzustellen, das nächstdem fertig ist, außerdem aber will er auch das Hauptgebäude ums doppelte vergrößern. Die vorhandene Restauration, der Speisesaal, die einzelnen Zimmer, namentlich aber auch die Baderäume, Bad- und Gußvorrichtungen sind aufs beste eingerichtet. Unmittelbar neben der Anstalt ist ein schöner Wiesen- platz^um Barfußgehen. In allernächster Nähe ermöglichen herrliche Tannenwaldungen den Spaziergängern den Genuß gesunder sauerstoffreicher Waldesluft. Die Kranken, welche bis jetzt von den Bädern dieser Anstalt Gebrauch gemacht haben, sind mit der Kur und ihrem Erfolge sehr zufrieden. Bei Epileptischen, Gicht- und Nheumatismuskranken, Lungen- und Leberleidenden, bei Nierenkranken rc. hat Fröhlich bis jetzt glänzende Resultate erzielt.
^ Z Alten steig, 4. Septbr. Die Gemeinde
Grömbach, voll Freude über die Fertigstellung ihrer Quellwasserversorgung, hielt gestern ein Wasserfest, zu dem auch nach auswärts Einladungen ergangen waren. Sieben Feuerwehren aus benachbarten Orten waren zur Feier erschienen. Der Festzug ging mit Musik aus Altensteig durch die Straßen des Orts zum Reservoir. Hier wurde der Choral „Nun danket-
alle Gott" gesungen, worauf der Ortsgeistliche Roller die Festrede hielt über Psalm 118. Der Gesangverein vom Ort trug den Chor „Die Himmel rühmen die Ehre Gottes" von Beethoven vor, dann gings auf den Festplatz, wo bald rege Fröhlichkeit herrschte. Eigentümlich ists, daß der Schultheiß des Orts von der Feier wegblieb, ja dieselbe sogar zu verhindern gesucht hat. Die Leitung ist nach Gröber'schem System und funktioniert trotz des trockenen Jahrgangs gut. Erwähnt sei noch, daß Grömbach schon 1837 und 1851, dann wieder 1889 eine Quellwasseroer- sorgung angestrebt hat. Endlich ist das Projekt ausgeführt. ---
Stuttgart, 3. Sept. Hopfenmarkt. Der heutige Markt war mit 22 Ballen, größtenteils vorjähriger Ware, beschickt, und von Eignern, Händlern und Bierbrauern ziemlich gut besucht. Wenn trotzdem keine Abschlüsse zu verzeichnen waren, so lag dies hauptsächlich an dem Mangel an diesjähr. Produkt, welches in erster Linie begehrt ist. Für die nächsten Märkte sind von verschiedenen Seiten Zufuhren böhmischen Hopfens in Aussicht gestellt und ist anzunehmen, daß hierdurch-und durch die zu erwartenden größeren Zufuhren neuer inländischer Ware sich ein lebhafteres Geschäft entwickeln wird. Die Preisforderungen waren gegen den Vormarkt unverändert.
Vom Bottwarthal, 4. Sept. Nunmehr sind auch die Arbeiten des 2. Arbeitsloses zur Ausführung derEisenbahn vonMarbach nach Beil- stein zur Bewerbung ausgeschrieben. Das genannte Arbeitslos beginnt bei Steinheim und endigt auf Markung Großbottwar; diese Strecke ist 5238 m lang; nach dem Voranschläge betragen die Gesamtarbeiten dieses Loses, abgesehen von den Bahnhof
gebäulichkeiten, welche rasch ihrer Fertigstellung ent» gegengehen, 115,944 42 -rZ. — Der 2. und 3.
Sept. brachte kühle und regnerische Witterung, welcher heute starker Nebel, der sich jedoch bald legte, folgte; überhaupt hat man bei uns schon ziemlich kühle Nächte gehabt. Die Störche sind schon abgezogen und die Schwalben sammeln sich zum Abzug.
Rosenfeld, 31. Aug. Der heutige Pferde- und Viehmarkt war ungewöhnlich stark befahren, namentlich auch seitens der Händler. Dementsprechend ging der Handel sehr lebhaft. Was aber die Preise si-anbelangt, so stand der Markt vollständig im Zeichen der Futternot. Es war mehr Ausverkauf als Markt, Denn „um damit zu räumen" verkaufte man um halbe und Drittelspreise, nur um vor dem Winter und bei der Ungewißheit, wie das kommende Früh» -jahr sich gestaltet, seinen Viehstand aufs allernotwendigste zu beschränken. „Was darüber ist, ist vom Uebel", sagt sich Heuer der Bauer. Es wäre bester,, er dürfte es nicht sagen. Ob übrigens bei solch nie» drigen Viehpreisen, wie sie der heutige Markt auf» weist, der in seiner Art ein Gradmesser für viele andere ist, die Fleischpreise entsprechend sinken werden? Bis jetzt zahlt man dem Metzger für ein halbes Kilo Kalb- und Rindfleisch 50 -H.
Vom Echatzthal,4.Sept. Bei einigermaßen günstiger Witterung dürfte die Schienenlage auf der Zahnradstrecke Honau-Lichtenstein bis Anfangs nächster Woche fertig werden. Die Strecke Honau» Mün singen wird voraussichtlich noch im Laufe dieses Monats eröffnet. Zur Bewältigung des Ver» kehrs auf der ganzen Strecke Reutlingen-Münsingen sind 4 Maschinen bestimmt, welche die Namen Achalm, Lichtenstein, Honau und Münsingen führen. Die
Ileuicieton.
Brandkäthe.
Nachdruck verboten.
Aus den Papieren eines Dorfschulmeisters.
Von K. Linden.
(Fortsetzung.)
„Der Reinberg?" frag ich verwundert, „der wohnt nicht mehr hier, der hat ffich ein neues, großes Haus drüben vor dem Dorf gebaut."
Der Junge dreht sich um und sagt das seinem Vater; da sah ich den genau an und auf einmal erkannt ich ihn, und doch war's mir wieder, als könnt's nicht sein. Der blasse, elende, gebrochene Mensch war doch nicht der Konrad, der frische, muntere Bursch mit den lustigen Augen und den roten Backen?
Der Mann sagte wieder ein paar Worte zu dem Jungen. Dann fragte der mich: Wollt Ihr nicht so gut sein und uns eben weisen, wo der Ohm wohnt?"
Der Ohm? Da mußt' ich'S sicher, ich hatte Recht gehabt, Ihr könnt wir's glauben, Herr Lehrer; eS ging mir durchs Herz. „Konrad!" sagte ich, indes ich zu ihm ging und ihm die Hand geben wollt', „bist Du's wirklich und sind das Deine Kinder?"
„Ja!" sagte er und sah mich dabei groß an; aber es war etwas Totes, Gebrochenes in seinen Augen, als wenn die Seele, die sonst d'raus geleuchtet, gestorben wäre.
„Ich bin's und ich komm' jetzt heim. Draußen könnt' ich nicht mehr bleiben, ich mußte nach Haus." Er sagte das so still fort, als wenn er mit sich selber sprach', und eS klang so traurig und müd'.
„Dein Bruder hat dies Haus verkauft und ein schönes, neues gebaut, wenn Du dorthin willst kann ich Dir's zeigen. Er nickte bloß. Der Junge und das
Mädchen zogen wieder den Wagen und ich ging mit ihm nebenher. Die Leute, di« vom Feld heimkamcn oder unterm Thor standen, schauten gar verwundert auf unS. Der Konrad aber sah sie gar nicht an, sondern schaute immer vor sich auf d« Boden und ging dahin, wie einer, der träumt oder im Schlaf wandelt, sprach auch weiter nichts mit mir. Da merkt' ich wohl, daß es mit ihm nicht richtig und « verstörten Geistes sei, wohl durch all' das Unglück, was über ihn hereingebroche» war da draußen.
„Konrad," sagte ich, als wir nahe an dem Hause waren, „Deines Bruders Frau, Herrn Sallert'L Schwester, ist ein stolzes Frauenzimmer, ich weiß nicht, ob fi« Euch freundlich aufnehmen wird. Wollt ihr nicht hier warten, dann rufe ich dm Heinrich her und ihr kennt mit ihm reden, dort drüben ist sein Haus."
Er nickte wieder und sagte nur: „Ich will heim!"
In dem Augenblick that sich die Thüre auf bei ReinbergS und die Frau kam heraus mit vier oder fünf Stadtdamen, die sie wohl zum Kaffee bei sich gehabt hatte; auch die Lena kam über den Weg gelaufen und wollte in den Garten, di« ftug ich nach ihrem Vater und sie sagte, der sei nicht m Haus, sondern am Nach» mittag nach Halmstädt gefahren. Wie ich nun noch überlegte, was zu thun, w« die ganze Gesellschaft mtt dem Fuhrwerk bis nahe vor die HauSthür gekommen, d'rin stand noch die Frau Reinberg und sprach mit den Fremden. AIS sie daS Fuhrwerk sah, rief sie laut: „Ach, seh'n Sie doch die armen Leute, wir blaß und krank sieht der Mann aus und erst die Frau da drin! Kommt einmal her, Kinder!* Dann griff sie in die Tasche und holte zwei blanke Markstücke heraus, die sie de» Jungen reichen wollte. „Dafür kauft Eurer Mutter etwas zur Stärkung!" sagt« sie, und that, als ob sie's hätte verbergen wollen, was sie gab, machte eS aber so» daß all' die Fremden es sehen mußten.
Der Junge warf den Kopf zurück und strich sich die schwanen Haare aus der Stirn. „Wir sind keine Bettler!" sagte er, „wir wollen nur den Ohm aufsuchm und heimkehren in unser Haus."