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zum Brandplatz, deutete auf einige eben ausgegrabene Knochenteile und sagte:Da ist euer Schwesterlt!" Im Schulhaus griff das Feuer so wütend um sich, daß Lehrer Uhl nur darauf bedacht sein mußte, sich mit seiner Frau und dem neugeborenen Kinde zu retten. Vom Rathaus konnten nicht mehr alle Akten in Sicherheit gebracht werden, ebenso verbrannten mehrere Feuerwehrgerätschaften; 8 Familien sind ob­dachlos, und der Schaden beträgt nahezu 100,000 Verschiedene Umstände lassen darauf schließen, daß das Feuer durch böse Hand gelegt worden ist.

Cannstatt, 35. August. Zur Vorsicht beim Baden mahnt nachstehender Fall: Trotz wiederholter Verwarnung seitens des städtischen Bade­wärters begab sich gestern Mittag zwischen 12 und 1 Uhr ein am hiesigen Brückenbau beschäftigter Maler aus Stuttgart über die Grenze des öffentlichen Neckar- badeplatzes hinaus, wo er, des Schwimmens unkundig, plötzlich versank. Dem sofort herbeigefahrenen Bade­wächter Epple gelang cs, mittelst des Rettungshakens den Badenden noch lebend aus der Tiefe zu ziehen.

Eßlingen, 28. Aug. In den letzten Tagen kamen hier zwei Unglücks fälle vor, die beide alsbaldigen Tod zur Folge hatten. Am Samstag abend überschritt ein Bahnhoftaglöhner trotz der War­nung seines Nebenmannes das Schienengeleise, als eine Rangiermafchine daher fuhr, die den Unglücklichen erfaßte und zu Boden warf; der Aschenkasten drückte demselben die Wirbelsäule ab. Gestern nachmittag belustigten sich einige junge Leute im Freien mit Schießen, wozu sie einen alten Gewehrlauf benützten. Als dabei ein Schuß nicht sogleich erfolgte, da sah ein 15jähriger Lehrling nach dem Geschoß; plötzlich entlud sich nun dasselbe mit solcher Gewalt, daß der Lauf zersprang. Ein Stück desselben, das rückwärts schlug, fuhr dem Unvorsichtigen in den Hals und riß eine so tiefe Wunde, daß der Tod nach wenigen Augenblicken erfolgte.

Rottenburg, 25. August. Unsere Hopfen­felder widerstehen noch der andauernden Hitze. Das Aussehen der Pflanzen ist gesund. Die Dolden wach­sen trotz der Trockenheit rasch heran und haben die normale Größe. Das Produkt wird, wenn nicht noch ganz unvorhergesehene Naturereignisse eintreten, ein vorzügliches werden. Nachdem die Ernte nach wie vor klein ausfallen wird, ist es erfreulich, daß das Produkt in höchst befriedigendem Zustande in den Handel gelangen wird. Hoffentlich werden gute Preise den Ausfall beim Quantum decken. Nächste Woche gedenken einige Pflanzer mit der Ernte zu beginnen.

Pforzheim. Gestern vormittag 10 Uhr entstand Feuerlärm. In der Neustadt- Brötzingen brannte das Haus Gärtnerstraße 142, dem Rentner Heinrich Müller in Freiburg ge­hörend. Die im Hause wohnende 23jährige Frieda Kraut, eine etwas geistesschwache Person, hatte ihr Bett in der Mansarde mit Petroleum begossen, es

angezündet und sich hineingelegt. Das Feuer griff schnell um sich und bald stand der ganze Dachstuhl in Brand. Die Frieda Kraut konnte dem Feuerherd noch entrissen und ins Freie gebracht werden, doch hat sie gräßliche Brandwunden erlitten, die den Tod im Gefolge haben dürften. Die Feuerwehren von Brötzingen und Pforzheim waren bald zur Stelle, trotzdem brannten außer dem Dachstuhl sämtliche teils bewohnten 8 Mansardenzimmer vollständig und der 3. Stock (ca. 3 Wohnungen) der beiden Häuser nahe­zu vollständig ab. Die Stiegen sind zum größten Teil ebenfalls verbrannt und es werden wohl sämt­liche Zimmerdecken, welche durch die Wassermasien sehr Not gelitten, Herabbrechen. Auch die anderen Stockwerke sind beschädigt, so daß sie jedenfalls von neuem aufgebaut werden müssen. Der Schaden ist ein bedeutender. In den Häusern wohnen 9 Familien, und zwar Kriminalschutzmann Bernhardt, Frau Rickert Witwe, die Goldschmiede Schäfer, Goßweiler, Kraut, zwei Burkhardt, und der Landwirt Kuhni.

Coburg, 28. August. Der Kaiser traf heute vormittag 10 Uhr 40 Min. hier ein. Nach 11 Uhr langte der Bahnzug mit der Leiche des Herzogs an. Zwölf Oberförster hoben den Sarg auf den Leichenwagen. Um 11'/< Uhr setzte sich der Leichenzug in Bewegung. An der Spitze der Leid­tragenden schritt Herzog Alfred, rechts von ihm der Kaiser, links der König von Sachsen. Es folgten der Herzog von Connaugth, Erbprinz Alfred und der Prinz von Wales; hierauf Prinz Wilhelm von Baden, Prinz Philipp von Coburg und der Großherzog von Baden. Der Zug bewegte sich nach der Moritzkirche. Der ganze Weg, den der Leichenzug nahm, war mit Trauerschmuck, Fahnen, Obelisken und Flaggenmasten ausgezeichnet. Krieger­und Landwehrvereine bildeten Spalier; die Straßen waren von Tausenden dicht besetzt.

Berlin, 28. Aug. Nach amtlichen Angaben über den Cholerastand befanden sich im städtischen Krankenhause in Moabit heute früh um 11 Uhr zwei wirklich cholerakranke und eine choleraverdächtige Per­son. Die in voriger Woche als cholerakrank einge­lieferte Emilie Schlüsselburg ist gestorben. Ein neuer Fall von wirklicher Cholera ist seit Samstag nicht eingetreten.

Berlin, 29. August. Mehrere hundert Per­sonen erwarteten abends 10 Uhr 40 Min auf dem Anhalter Bahnhof die Ankunft bezw. die Durchreise des Fürsten Bismarck. Der Fürst hat jedoch wegen eines heftigen Rheumatismusanfalls seine Abreise von Kissingen noch aufgeschoben.

Berlin, 28. August. Die Post meldet aus Kiel: Die Lustyacht Insekt, welche die englisch« Flagge führt, ist, nachdem sie bei Helgoland und Kuxhaven angelegt und den Nord-Ostsee-Kcmal pas­siert hatte, hier eingetroffen. Zwei Franzosen, welche die Jacht gechartert, wurden wegen Verdachts der Spionage inhaftiert.

Kiel, 29. August. Die verhafteten beiden Franzosen heißen nach ihren Pariser Pässen Raoul DuboiS und Maurice Daguet. Elfterer will Grund­besitzer, letzterer Geschäftsreisender sein. Gefunden wurden bei den Verhafteten Zeichnungen der Festungs­werke Wilhelmshavens, Helgolands und der Kieler Forts. Nach einem Telegramm derKöln. Ztg." befinden sich unter den beschlagnahmten Sachen der zwei Franzosen Skizzen, eine Beschreibung von Helgo­land, der Befestigungswerke und des PanzersKaiser." Die Verhafteten behaupten, die Anfertigung zum Ver­gnügen gemacht zu haben. Die Durchsuchung der Lustyacht wurde um 12'/- Uhr beendet. Zwei photo­graphische Apparate, Aufnahmen und Platten sind beschlagnahmt. Um 3 Uhr wurde ein Verhör ange­stellt, zu dem beide Franzosen getrennt von je zwei Polizeibeamten vorgeführt wurden.

Ueber die heurige Saison in der Schweiz schreibt man: Die Meinungen über den Erfolg der heurigen Fremdensaison sind geteilt. Die Hotels in den Bergen, deren Gäste Heuer des heißen Juni wegen früher kamen und welche die Hitze noch immer auf den Höhen gebannt hält, sind vom Sommer 1893 entzückt. Hingegen klagt man allgemein in den Hotels der Ebene. Genf hat bis jetzt eine schlechte Saison zu verzeichnen, auch in Bern, Zürich, Basel und Chur rc. hat man starken Grund zur Unzu­friedenheit. Einzig Luzern ist überfüllt, und zwar beherbergt es meist Gäste aus Deutschland. Für die Hotels in den Schweizer Städten gestaltet sich die Saison erfahrungsgemäß nur dann erfolgreich, wenn zeitweilige Regenperioden die Fremden von den Höhen­kurorten in die Thäler treiben; dieser Regen aber fehlt Heuer, daher die Dürre auch in den Hotelkassen. Der Entgang amerikanischer Gäste macht sich auch ziemlich fühlbar, desgleichen hat England viele seiner Söhne und Töchter Heuer statt in die Schweizer Berge nach Chicago entsendet. Nun, da die fran­zösischen Wahlen vorüber, hofft man auf eine Sep­tember-Saison, die unter frischem Zuzug von fran­zösischen Ferienreisenden den Schaden teilweise wieder gut mache.

In der Wallfahrtskirche zu Ein siede ln im Kanton Schwyz wurde am 24. während des Gottes­dienstes ein Attentat gegen einen Geistlichen versucht, und zwar von einem Wahnsinnigen, der sich dann selbst tötete. Professor Meinrad Kälin vom Kolle­gium Mariahilf in Schwyz las an einem Seitenaltar die Messe. Plötzlich ertönte ein Schuß, der dem Pro­fessor gegolten hatte; doch traf ihn die aus einem Revolver abgegebene Kugel nicht. Gleich darauf krachte ein zweiter Schuß; diesmal hatte der Atten­täter, ein 40jähriger Schustergeselle, Peter Schäubli aus Baden, gegen sich selbst gefeuert und sank auch tot nieder. Wie man später feststellte, war Schäubli unzurechnungsfähig. Heute morgen wurde die Kirche vom Abte des Klosters Einsiedeln neu geweiht.

Rom, 28. Aug. Ein Cyklon hat im Dorf Geuere (Region Aquila) große Verheerungen an-

Froh schien sie darüber nicht zu sein, ich glaube, sie that's aus Trotz; der Hermann aber freute sich. Sie saate, wir sollten uns ein wenig setzen, dann lief sie in den Garten und fuhr den Johann in seinem Wägelchen herein, ging in die Kammer und über ein Weilchen kam sie wieder. Sie hatt' ihr bestes schwarzes Kleid angezogen und eine Blum' an die Brust gesteckt, und das muß ich sagen, wenn sie auch nichts von Goldschmuck an sich hat wie die andern, sieht sie doch noch viel vornehmer aus als sie. Einige von den weißen Astern und ein paar Zweiglein von dem Epheu steckte sie sich ins Haar. Der Hermann schaute sie ganz verwundert an und rief: ,O, wie scbön bist Du, Käthe! Aber mach' Deine Zöpfe los, Dein prächtig Haar mußt Du offen tragen wie die Stadtdamen!"

Sie that schweigend, wie er sagte, aber als er ihr dabei helfen wollt', litt sie's nicht und blitzte ihn ganz zornig an mit den schwarzen Augen.

Und icb sag' Euch, n»e sie da an seinem Arm herauskam und in den Wagen stieg, da hat kein einziger gelacht von all' den jungen Burschen, so stolz und vor­nehm sah sie aus und noch keinmal ist in Nordenkirch eine Schützenkönigin gewesen so schön wie d e Käthe!"

Bordwann sah seinen Sohn unruhig forschend an.Junge, Du bist ja ganz hin. das Frauenzimmer wird D r doch nicht den Kopf verdreht haben?" fragte er drohend.

Nein, Vater, die ist'- doch nicht!" entgegnet« Bernhard lackend, und seine klaren Augen sahen erst d > Vat>r groß urd voll an, dann wandten sie sich zu mir und ein glücks ligcs Lcuckt" iah ich darin.Aber ich Hab' mich schon viel zu lang auf erhalten, ich muß nun m ct»n daß wir hier fertig werden!" Er wandte sich zum Gehen, da ruf ihn sein Vaier nockn als zurück.

Hör' mal. Bernhar w-n> Tu Adjutant bist, mußt Du ja auch ein Mädchen nehmen. Hol' die Lena, t ö » D» ? Das ist ja auch dem Hermann seine Schwester und sie paßt am besten sw D ct .'

Nein, Vater, das et, j.tz> nicht mehr, ich Hab' schon eine."

Hast Du schon eine? Wen denn?"

Die Webermarie!"

Die Webermarie? Was?" schrie Bordmann,kannst Du denn keine aus Deinem Stand kriegen oder willst Du's nun dem Hermann nachthun?"

Das weiß ich nicht, Vater, aber g'rad die Marie wollt' ich haben und sonst ^ keine," antwortete Bernhard fest.Ade, bis nachher!"

Er wandte sich und ging. Bordmann sprang zornig auf.

Sind denn die Jungens all' verrückt geworden? Der Bernhard hat sich den tollen Streich von dem Reinberg zum Muster genommen und will's machen wie der! Die Webermarie! S' ist ja ein ordentlich Mädchen, brav und gut, aber wenn mein Junge sie heut nimmt, könnten sich gleich die Leute was denken und das Mädchen wird sich auch vielleicht in den Kopf setzen. das doch nicht sein kann. Bleibt Ihr nur noch hier, Herr Schulmeister, wenn's Euch gefällt, m r ist die Freud' verdorben, ich mag die dummen Geschichten nicht mit ansehn, ich geh nach Haus."

Er reichte mir die Hand, nickte dem Alten kurz zu und stampfte mit großen Schritten davon. Ich wollte gern noch bleiben, meine Neugier auf die Schützcn- königin war zu rege geworden.

Der alte Mann sah ihm lächelnd nach.Ja, ja, Herr Lehrer, der Boidman« ist sonst ein vernünftiger Mensch, ehrlich und bieder, aber der Bauernstolz steckt doch noch so tief in ihm, den werden Sie auch noch gründlich kennen lernen, wenn Sie mal länger hier sind."

In diesem Augenblick hallten von neuem die Böllerschüsse; d-e Musik näherte sich und bald erblickte man den festlichen Zug. Voran der Fahnenträger, dann die Musikanten und nun folgte von Reitern geleitet, der Wagen mit dem Schützenkönig und der Königin. Wahrlich, ein wirkliches Königspaar schienen die beiden, die einander gleich waren an jugendlich blühender Körperschöne. Neben Hermann, der stolz und doch freundlich aussah, erblickte ich die, von der ich bisher