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^ug Zürich-Stuttgart zwischen Schaffhausen und Herblingen betroffen hat, sind fünf Wagen entgleist. Drei Wagen mit 80 Reisenden stürzten den sechs Meter hohen Bahndamm hinab. Ernstliche Verletzungen sind indeffen nicht vorgekommen. (Straßb. Post.)
Bern, LI.Aug. Die Aufnahme des Schächteverbots in die Bundesverfassung wurde in gestriger Volksabstimmung mit 187,000 gegen 112,000 und mit 11'/- gegen 10'/- Kantonstimmen beschlossen.
— Ueber die Polinnen auf der medizinischen Fakultät in Genf berichtet der Genfer Professor der Anatomie, Dr. Laskowski: „Die an der Genfer Universität Medizin studierenden Polinnen zeichnen sich durch Fleiß aus, der sie aber nicht immer einen günstigen Erfolg erzielen läßt, wegen Mangels einer genügenden Vorbereitung. Der größere Teil der Studentinnen kämpft außerdem mit schwerem Mangel an materiellen Mitteln. Seit 17 Jahren waren an der Genfer medizinischen Fakultät 50 Polinnen und 126 Frauen anderer Nationalität, vorwiegend Jüdinnen aus Rußland, eingeschrieben. Von diesen 50 Polinnen haben aber nur 2 an der Genfer Universität sich das Doktordiplom erworben, während 2 andere sich nach Paris begaben, um daselbst ihre Studien zu vollenden. Von den 125 Frauen anderer Nationalitäten haben nur 10 den Doktorgrad erworben, von diesen 10 ist eine gestorben, 2 heirateten und gaben die Praxis auf, 3 erfreuen sich eines gewissen Rufes, während 4 kärglich vegetieren. Ich glaube nicht, daß ein solcher Prozentsatz für die zukünftigen Kandidatinnen der Medizin ein aufmunternder ist."
Paris, 21. Aug. Amtliches Wahlergebnis. Gewählt sind 312 Republikaner, 30 sozialistische Radikale und Sozialisten, 13 Ralliierte und 56 Konservative. 15 Ergebnisse stehen noch aus. Die Mehrzahl derselben dürfte zugunsten der Republikaner ausfallen. Die Republikaner haben bis jetzt 63 Sitze gewonnen. Von den Deputierten der letzten Kammer kommen in Stichwahl: 50 Republikaner, 6 Sozialisten, 14 Boulangisten und 19 Konservative. Von den ehemaligen Deputierten sind 20 an den Stichwahlen beteiligt. Nicht wiedergewählt wurden von den ausscheidenden Deputierten: 11 Republikaner, 36 Konservative oder Ralliierte, 4 Boulangisten und 2 Sozialisten. Unter den jetzt . zum ersten Male Gewählten sind 48 Republikaner, 10 sozialistische Radikale und 5 Konservative, darunter der Herzog v. Broglie. Von den ehemaligen Deputierten wurden 9 gewählt; 42 Deputierte der ausscheidenden Kammer halten ihre Kandidaturen nicht aufgestellt.
— Die Erregung über die Niedermetzel- ung italienischer Arbeiter durch Franzosen in Aigues-Mortes greift in Italien weiter um sich, zumal schlimme Nachrichten über die Haltung der Krankenhausvorstände in Marseille und über die Lauheit der französischen Behörden eintreffen. Die „Agen- zia Stefani" berichtet aus Marseille: Die italienischen Arbeiter, welche bei den Vorfällen in Aigues-Mortes mit dem Leben davongekommen sind, gaben einstimmig auf dem italienischen Consulat in Marseille die Erklärung ab, daß sie von den französischen Arbeitern ohne die geringste Herausforderung von ihrer Seite
angegriffen worden seien; die Arbeiter berichteten Einzelheiten, die noch viel ernster sind, als die bereits bekannt gewordenen. Dir grausame Verfolgung der Italiener habe Mittwoch und Donnerstag angedauert. Die Krankenhäuser in Marseille hätten sich acht Stunden hindurch geweigert, die von Aigues-Mortes dorthin gebrachten verwundeten Italiener aufzunehmen und für sie zu sorgen; sie hätten dies erst auf ausdrücklichen Befehl des Präfekten gethan.
Die gesamte italienische Presse fordert die Regierung auf, „ihre Pflicht im voasten Umfange zu thun, ohne Schwäch» zu zeigen". Aus Rom liegt noch folgende Meldung vor: Als Samstag abends das übliche Konzert auf der Piazza Colonna begann, verlangte ein Teil der versammelten Menge, nachdem einige Fahnen herbeigeschafft waren, daß als Kundgebung gegen die Vorfälle in Aigues-Mortes die Königshymne und andere patriotische Lieder gespielt werden sollten. Unter lebhaftem Beifall wurde dem Verlangen Folge geleistet; darauf zogen die Patrioten unter lebhaften Rufen vor die französische Botschaft beim Quirinal. Dort hatte aber die Polizei ihre Vorkehrungen getroffen, die Kundgebenden wurden zurückgewiesen und begaben sich nach der Piazza Colonna zurück, wo die Musik auf ihr Verlangen unter erneutem Beifall wiederum die Königshymne und andere patriotische Lieder spielte. Als das Konzert gegen 10'/- Uhr endete, zerstreute sich die Menge. Die Rufe, die bei den Straßenkundgebungen laut wurden, waren zum Teil gegen Frankreich gerichtet. Als der Zug bei der französischen Botschaft auf der Piazza Farnese nahe dem Quirinal ankam, warf man Steine gegen den Botschaftspalast , wodurch einige Fensterscheiben zerbrochen wurden. Eine auf dem Platze stehende Laterne
wurde umgerissen. Nach Schluß des Konzertes auf der Piazza Colonna versuchten die Kundgebenden nach der Piazza Farnese zurückzukehren, wurden § jedoch durch die Polizei, welche die Zugänge zu dem Platze versperrt hatte, zurückgehalten. Ein Teil der Menge zog dann vor das französische Priesterseminar Santa Chiara und riß das päpstliche und das Cardinalswappen herab. Der Urheber dieses Vergehens wurde verhaftet und wird gerichtlich belangt werden. Das Collegium enthält zwar das Seminar für französische Priester, ist aber keine national-französische Anstalt und steht auch nicht unter französischem Schutz. Die Kundgebenden versuchten auch, vor das Gebäude der französischen Botschaft beim päpstlichen Stuhle zu ziehen, wurden aber von der Polizei daran verhindert. Schließlich zerstreuten sie sich. Tagsüber hatten als Zeichen der Trauer über die Vorgänge von Aigues-Mortes verschiedene Geschäfte die Nationalflagge umflort.
Vermischtes.
— Versichert die Ernte ge gen Feuersgefahr! Diese Mahnung ist jetzt zeitgemäß, denn nach alter Erfahrung steigert sich um die jetzige Jahreszeit die Anzahl der Brände. Oft werden sie durch Kinder verursacht, deren Eltern auf die Arbeit gehen und ihre Kleinen allein lassen. Wie oft greifen nun letztere zu den unverschlossenen Streichhölzern als Spielzeug, diese entzünden sich in der Hand der kleinen Ungeschickten — und eine Feuersbrunst ist
die Folge. Aber nicht blos die Ernte versichert^ — viele versäumen es, ihr Hab und Gut bei einer soliden Feuerversicherungs-Gesellschaft zu versichern! Auch an diese sei die Mahnung gerichtet, das Versäumte nachzuholen, um sich den Folgen einer Feuersbrunst gegenüber schadlos zu halten.
Dürfen junge Mädchen Zola lesen? Ein junges Mädchen in Galatz, das in diesem Sommer seine Ausbildung und Erziehung im Pensionat der Schwestern des „LacrS 6oeur" beendigt hat, wandte sich kürzlich an Emile Zola mit der brieflichen Anfrage, ob er ihr das Lesen seiner Werke anempfehle. Der berühmte Schriftsteller ließ darauf dem jungen Mädchen folgende eigenhändig geschriebene Antwort zukommen: „Mein Fräulein! So lange ein junges Mädchen nicht verheiratet ist, steht sie unter der Aufsicht ihrer Eltern; und wenn sie sich verheiratet, dann thut sie gut daran, den Rat ihres Gatten einzuholen. Meine Ansicht ist nun die: Sie können meine Bücher lesen, wenn - ihre Eltern oder ihr Gatte es Ihnen gestatten. Empfangen Sie den Ausdruck meiner ergebensten Gefühle. Emile Zola." Ob die Briefempfängerin von dieser Antwort befriedigt gewesen ist?
Hineingefallen. Einen „künstlerisch vollendet schönen Stahlstich" versendet, wie die Post meldet, ein geriebener Amerikaner, wie er in Zirkularen und Zeitungsanzeigen kundgiebt, für den geringen Preis von 1 Dollar. Ein Berliner Bäckermeister, welcher seiner Gattin zum Geburtstag etwas schenken wollte, wandte sich unter Einsendung des geforderten Obolus an die angegebene Stelle in Boston und erhielt postwendend ein großes Couvert, aus dem er nach und nach eine sauber verpackte Kolumbus-Marke von 2 Cents herausschälte. Das war der Stahlstich. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Dem Bäckermeister hat der „Stahlstich" den Beinamen Kolumbus eingetragen.
— Zum Kapitel der „Titel" noch einige kleine Beiträge: In Wien lebt laut des dortigen Adreßbuches eine „Salamiwursterzeugersgattin". — Von einem Leser erhalten die „M. N. N." eine der jüngst erschienenen Fremdenlisten von Tegernsee. Darin
findet sich ein Herr Josef S.„Betthandlung
mit zwei Kinder"!
Atterarisches.
Ludwigsburg-Marbach-Maulüronn betitelt sich ein neuestes Bändchen, Nro. 216 und 217 der „Europäischen Wanderbilder". Die drei Oert, lichkeiten, der berühmte württembergische Fürstensitz, der Geburtsort des Lieblingsdichters der deutschen Nation und das architektonisch merkwürdige Cisterzien- zerkloster, seit den Tagen der Reformation evangel.- theologisches Seminar, sind alle drei trefflich beschrieben und in einer Weise illustriert, die jedem Besucher Freude bereiten wird und der rührigen Züricher Verlagshandlung alle Ehre macht. Dieses hübsche Bändchen reiht sich dem andern „Stuttgart und Cannstatt" würdig an und läßt auch von den nachfolgenden der Serie „Durch Schwaben" das Beste hoffend.
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glauben gar nicht, wie sehr ich von dergleichen in Anspruch genommen werde und wie viel ich im Stillen thun muß — bitte, Herr Lehrer, wollen Sie mir nicht versprechen. daß Sie niemals irgend einem Menschen davon etwas sagen, wo Sie mich heute gesehen haben?"
„Ich werde nicht davon reden, wenn Sie es nicht wünschen," erwiderte ich. Meine Antwort schien ihr nicht ganz zu genügen, sie wollte noch etwas entgegnen, da trat Hermann wieder em und sie schwieg.
Ein eigentümliches Gefühl des Mißbehagens ob meines Versprechens erfüllte mich, doch es konnte nun nichts mehr helfen, ich hatte ihr einmal mein Wort gegeben,
Dann brach ich auf, um jetzt zu Herrn Gallert zu gehen.
„Der Oheim ist ein wenig Sonderling, finster und fast menschenscheu," sagte Hermann. „Mich wundert nur, daß er die Reise zu Ihnen mitmachte. Möglich, daß er jetzt keine Zeit für Sie hat, er verkehrt hier überhaupt mit niemanden und empfängt gar keine anderen als geschäftliche Besuche."
So erging's mir denn auch. Die alte Magd, welche mir die Thür öffnete, führte mich in ein kleines Gemach mit sehr einfachem, altersdunklen Gerät. Kein Bild, nicht der geringste Schmuck zierte die kahlen, mit fahlgewordenen, altmodischen Tapeten bekleideten Wände. Die Fenster waren ohne Vorhänge nur durch vorge- setztes, grünes Drahtgeflecht für die Blicke der Vorübergehenden undurchdringlich gemacht. So still und öve war's im ganzen Hause, in deffen Räumen schon die tiefen Schatten der Abenddämmerung lagerten. Nur ein schmaler, verlorener Schein des verglimmenden Abendrots fiel durchs Fenster und haftete auf dem dunklen Zifferblatt der großen Schwaizwälder Uhr, deren schwerfälliges Ticken die einzigen Laute erzeugte, welche man wer hörte. Die schlürfenden Schritte der Magd, die ihrem Herrn meine Anweser,«,üt meldete, waren aus dem Hausflur verhallt. Endlich kam sie zurück mit der Antwort, Herr Sallert habe keine Zeit und könne sich jetzt nicht stören lassen. Ich erhob mich und war froh, daß ich nicht länger in diesem Hause zu weilen brauchte, d, ff n Lust sich mir wie ein drückender Alp auf die Brust legte.
Unter der Jugend mußte es indissen wohl bekannt geworden sein, wer ich war, denn als ich nun wieder auf die Dorfstraße trat, sahen mich aus den Kindergruppen, die sich dort bildeten, viele Helle, blaue und schwarze Augenpaare neugierig und erwartungsvoll an.
„Schwarze Haar hätt' er und braune Augen und weiße Backen und ne' lange Nas'," hörte ich'S hinter mir flüstern.
„Ne." sagte eine andere Stimme, „seine Nas' ist nicht so lang, wie dem alten Lehrer seine, aber er ist größer und er wird auch wohl 'nen größern Stock haben."
.Habt Euch ja lang verhalten bei dem alten Sallert!" meint Peter Bordmann, als ich zurückkam, „hätt's nicht gedacht, daß der so viel Zeit für Euch hätl'."
Ich erzählte ihm den Hergang, und er nickte mehrmals verständnisvoll mit dem Kopfe.
„Ja, ja, daS ist ein Unterschied zwischen den Reinbergs und dem Sallert, der ist steinreich, das weiß jeder, und die Reinbergs sollen's auch sein, sieht sich alles darnach an, ich weiß aber nicht, wovon sie's gutmachen bei all' dem Putz und dem Staat. Das gefällt auch dem Sallert nicht, darum steht er gar nicht gut mit seiner Schwester und sie verkehren nicht mitsammen, wenn sie auch noch so nah' bei einander wohnen. Sonst wär auch sicher der Hermann m«t Euch zu seinem Ohm gegangen, wenn sie sich nicht feind wären."
Von meiner Begegnung mit Klärchen schwieg ich noch. Ich fürchtete, man möge schon jetzt d e Entscheidung von mir erwarten oder Bordmann doch wenigstens mich fragen, welchen Eindruck das junge Mädchen auf m-ch gemacht. Und hierüber wußte ich selbst mir noch keine Antwort zu geben. Klärchen schien ja lieb und anmutig zu sein und ein herzliches Wohlwollen empfand ich für sie. Daß ich sie lieb haben könnte wie eine Schwester, das fühlte ich wühl, ob aber auch anders, wußte ich noch nicht.
(Fortsetzung folgt.)