99. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 68. Iahrgallß.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und an, Stag. Di- Einrückungsgebiihr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung » Psg. die Zeile, sonst 12 Psg.

Donnerstag, den 24. August 1893,

Abonnement-preir vierteljährlich in der Stadt SO P?g. n»A 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. IS, sonst 1» ganz Württemberg Mk. 1. SS.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung des Kriegsministeriums, be­treffend den Ankauf volljähriger Zuchtpferde und von Zngremonten für die Feldartillerie.

Unter Bezugnahme auf die imStaatsanzeiger" und imWochenblatt für die Landwirtschaft" ver­öffentlichte Bekanntmachung vom 25. Juli ds. Js. wird hierdurch zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß zunächst an folgenden Orten und Tagen der Aufkauf von Artillerie-Zugpferden stattfinden soll:

am 20. September in Münsingen,

21. Ehingen,

22, Saulgau,

23. Ebingen,

25. Trossingen.

Der Ankauf erstreckt sich hauptsächlich auf voll­jährige Pferde im Alter von 68 Jahren, es werden jedoch auch einige Remonten im Älter von 46 Jahren gekauft.

Weitere Bedingungen sind:

1) Die volljährigen Perde muffen als Stangen­pferde mindestens 1,60, die Remonten 1,57, als Vorderpferde mindestens 1,55 bezw. 1,52 m Stockmaß haben und nach Knochenstärke, Form und Gang sich zu Artillerie-Zugpferden eignen, also Zugfähigkeit mit Beweglichkeit verbinden.

2) Hengste, Spitzhengste, trächtige Stuten, Schimmel und Falben sind vom Ankauf ausgeschlossen.

3) Der Ankauf erfolgt nur von Züchtern oder Pferdebesitzern. Die Abstammung der Remonten ist durch Deckschein nachzuweisen.

4) Der Verkäufer haftet für die gesetzlichen Ge­währsmängel (Regierungsblatt vom 4. Februar 1862).

5) Die angekauften Pferde werden sofort gegen baare Bezahlung abgenommen. Jedem Pferde ist eine Trense und ein Halfter mit je 2 m langen Stricken mitzugeben.

In der ersten Woche des Oktober werden noch weitere Märkte ausgeschrieben.

Stuttgart, den 17. August 1893.

Schott von Schottenstein.

Tayes-Ueuigkeiten.

Nagold, 21. Aug. Der gestrige Sonntag war für uns Nagslder wieder ein Tag der Angst und des Schreckens, denn gegen 4 Uhr nachmittags, als viele sich anschickten, das erste Konzert unserer neuen Stadtkapelle im schwarzen Adler zu besuchen, erscholl Feuerlärm und die Notsignale: es brannte im Schreiner Müller'schen Doppelhause an der alten Emminger Straße bei der Turnhalle. Mäch­tige Rauchwolken zogen anfänglich der Stadt zu, doch zum Glück für das Werkmeister Döser'sche Haus schlug der Nordwind nach Süden um und die Feuer- säul« zeigte sich weniger gefährlich für das letztere Gebäude, das durch mächtige Wasserstrahlen der ge­öffneten Hydranten, die als besonders praktisch sich erwiesen, weiter geschützt wurde. Das Feuer hatte so schnell über das Brandobjekt sich verbreitet, daß man es gleich von Anfang für verloren geben und nur für Rettung des Döser'schen Hauses Bedacht nehmen mußte, was auch nach kurzer Zeit gelang. An Mobiliar konnte viel gerettet werden, da der Brand nur langsam nach unten gegen die Wohnungen sich verbreitete. Die Bewohner des Doppelhauses: Schreiner Müller, Christ. Sautter, Taglöhner und Säger Klumpp wurden von dem Feuer so schnell überrascht, daß die Frau des Letzteren, von dem Mittagsschläfchen erwacht, den Weg nach außen durch das Fenster suchen mußte, wobei sie sich eine nicht unerhebliche Verletzung zuzog. Besonders bedauert wird Herr Schreiner Müller, der sich nach vielen Sorgen und Mühen nun so schön, praktisch und häuslich eingerichtet hatte, daß er nunmehr einen Segen seiner Arbeiten zu ernten Aussicht hatte. Versichert sollen alle drei Abgebrannten

sein. Die Feuerwehr war bis gegen den heutige» Morgen thätig. lieber Entstehung des Brandes hat man noch keine sicheren Anhaltspunkte. (Ges.)

Stuttgart. Die Direktion der Gasbeleuch­tungsgesellschaft hat in Sachen der Errichtung eines städtischen Elektrizitätswerkes an den Gemeinderat eine Denkschrift gerichtet, deren Ausführungen sich in folgende Sätze zusammenfassen:Wir könne» die Einführung der elektrischen Beleuchtung für die Stadt Stuttgart nicht als ein dringendes Bedürfnis ansehen. Vielmehr wird sich ein Aufschub und ein genaueres Studium der ganzen Frage nach dem heutigen Stande der Elektrizität nur als vorteilhaft erweisen. Auch das Bedürfnis nach elektrischen Mo­toren für das Kleingewerbe hat sich bis jetzt nicht geltend gemacht. Will die Gemeindeverwaltung aber den Kleinmotorenbetrieb fördern und ermuntern, so wird wird dies in der wirksamsten Weise vor allem durch Nachlaß oder Ermäßigung der Steuer für NutzgaS geschehen. Ist die Entwicklung der Elektrizität, wie zu hoffen steht, im Laufe der nächsten Jahre soweit vorangeschritten, um mit Ruhe zur Errichtung eines städtischen Elektrizitätswerks zu schreiten, so wird dies am vorteilhaftesten und rationellsten durch Vereini­gung mit dem Gaswerk geschehen. Die Frage der elektrischen Beleuchtung sollte grundsätzlich nach dem allgemeinen Lichtbedürfnis entschieden, nicht aber von der Einführung einer elektrischen Straßenbahn ab­hängig gemacht werden. Will man aber das Inte­resse der letzteren gleichwohl mitreden lassen, so ver­dient der Gasmotorenbetrieb mindestens dieselbe Be­rechtigung wie der elektrische Betrieb. Mag man schließlich die elektrische Beleuchtung mit oder ohne gleichzeitigen elektrischen Betrieb der Straßenbahn einführen, so ist elfteres währenv der Dauer unseres im Jahr 1899 ablaufenden Vertrags nur mit unse­rer Zustimmung möglich; ohne eine Verständigung über ihre vertragsmäßigen Rechte kann und wird die Gasbeleuchtungsgesellschaft an ihrem ausschließlichen Anspruch auf die Beleuchtung der öffentlichen Stra­ßen und Plätze sesthalten."

Ikeuicietorr.

Brandkäthe.

Aus den Papieren eines Dorfschulmeisters.

Von A. /inderr.

(Fortsetzung.)

O, sie wird schon wollen! Die Mädels sind alle froh, wenn sie einen Mann Kriegen, und Ihr paßt grad' zu ihr, das soll sie auch wohl sehen."

Mir erschien der Vorschlag so überaus sonderbar. Ich sollte durch einen solchen Handel in eine Stelle zu kommen suchen. Der Gedanke schien mir uner­träglich. Ich erklärte dies Peter Bordmann. Der aber meinte:

Ihr braucht auch noch nicht sogleich, sobald Ihr herkommt, den Verspruch mit ihr zu halten, daS hat noch Zeit, bis Ihr mal ein Jahr hier gewesen seid. Wenn's Euch nur recht ist, daß das Klärchen mal Frau Schulmeisterin wird."

Später machte ich einen Rundgang durch'- Dorf in Begleitung Bordmanns. Er zeigte mir die Kirche und das hübsch gelegene Schulhaus. An der Westseite des D orfes lag das große, schöne, nach städtischer Art erbaute Wohnhaus der ReinbergS. Neben demselben befanden sich die Hof- und Wirtschaftsgebäude und dicht an diese anschließend lag das kleine, einfache Haus, welches Herr Gallert bewohnte. Ich sprach die Absicht aus, meinen, denselben schuldigen Besuch jetzt zu machen.

Bordmann meinte:Nötig ist'S gerade nicht, daß Ihr hingeht, aber wenn Jhr's einmal wollt, so macht's nur gleich ab, ich geh' indessen schon nach HauS und Ihr kommt dann bald nach, den Weg kennt Ihr ja jetzt. Bis hernach denn!"

Ich schritt über dm Kiesweg, trat zur HauSthür und zog an dem eisernen

Schellenzug. Ein Klingeln ertönte, aber niemand kam zum öffnen, obwohl ich wiederholt schellte. Aus der gegenüber befindlichen Gartenthür trat mit einem schwrrbepackten Gemüsrkorb ein junges, blondes Mädchen, dieselbe, welche ich vorhin auf dem Grummetwagen gesehen. Ihr zartes Gesicht war nicht regelmäßig schöq» aber eine Me Anmut und Lieblichkeit lag darin und der Blick der sanften blaup» Augm hatte etwas Schwermütiges. Aus Bordmanns Worten wußte ich, daß e» Klärchen, meines Vorgängers Tochter, und die mir von den Nordenkirchenem be­stimmte Braut sei.

Ich ging auf sie zu und reichte ihr, mich als wahrscheinlicher Nachfolger ihre» Vaters vorstellend, die Hand. Sie errötete verwirrt, und sah mich verwundert» Es mochte sie wohl befremden, daß ich sie schon kannte.

Mein armer, lieber Vater! Wir lebten so glücklich zusammen, bis er vor sechs Monaten plötzlich starb," sagte sie dann und ein tiefer Schmerz lag im To» ihrer Stimme.

Ich nehme herzlich Teil an Ihrer Trauer, Fräulein Klärchen!" entgegnet« ich bewegt.Von Ihrem seligen Vater hörte ich viel Gutes und es soll mir ein« Freude sein, wenn ich ihnen irgendwie beistehen kann."

Sie sind sehr freundlich! Frau Reinberg hat sich meiner schon angenommen/ antwortete sie verlegen, indes sie sich zum Gehen wandte.

Herr Gallert ist wohl nicht zu Hause ?" fragte ich noch.

Doch wohl," entgegnet« sie, nach den Fenstern schauend,wenn er nicht d» ist, sind stets alle Läden geschloffen. Er wird aber wohl auch beschäftigt sein u»p dann darf die Magd keinen ins Haus lasten," setzte sie im Fortgehen hinzu.

Mich umwendend hörte ich Hufgestampf und erblickte den jungen Reinberg, der eben von seinem Ausritt heimkehrtr. Als er mich gewahrte, stieg er ab, übergap das Pferd einem herbeieilenden Knecht und kam auf mich zu. Er lud mich freundlich