Amtliche Bekanntmachungen.
Kandesgren;vegehung.
Die diesjährige Landesgrenzbegehung findet nunmehr in der zweiten Hälfte des Monats September statt. Der nähere Zeitpunkt wird den Schultheißenämtern durch Herrn Bezirksgeometer Stroh lein rechtzeitig mitgeteilt werden.
Calw, den 19. August 1893.
K. Oberamt.
Lang.
^ 98.
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
68. Iahrganr.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung 9 Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
ienslag, den 22. August 1893.
80
ganz
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt 90 P*g. rr»A Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst 9» irz Württemberg Mr. 1. 95.
Deutsches Reich.
Berlin, 19. Aug. Das „Armeeverordnungsblatt" veröffentlicht eine Kabinetsorvre, wonach die in der Ordre vom 14. Februar getroffenen Anordnungen betreffend größere Truppenübungen abgeändert werden. Nach der Ordre halten das VIII., ^IV. und XV. Armeekorps vor dem Kaffer Manöver ab. Jedes Armeekorps hat für sich eine große Parade. Bei dem VIII. Armeekorps fällt das in der Felddienstordnung 3. Teil Ziffer 12 vorgesehene Korpsmanöver gegen markierten Feind fort. Bei dem XVI. Armeekorps findet statt deS Korpsmanövers gegen markierten Feind ein Korpsmanöoer in zwei Parteien gegeneinander statt. Demnächst haben beide Armeekorps dreitägige Manöver gegeneinander. Bei dem XIV. und XV. Armeekorps fällt ebenfalls das Korpsmanöver gegen markierten Feind aus. Demnächst haben beide Armeekorps dreitägige Manöver gegeneinander. Das XV. Armeekorps hat sich mit Rücksicht auf die kurze Zeit auf die sonstigen Herbstübungen zu beschränken. Die weiteren Anordnungen der Ordre vom 14. Februar bleiben in Kraft.
Berlin, 17. Aug. (Alters- und Jnva-
liditätsgesetz.) Am 14. ds. war in Berlin wieder eine Versammlung selbstständiger Handwerksmeister und Gewerbetreibender einberufen, um auf Abänderung des Alters- und Jnvaliditätsgesetzes im Sinne einer Einschränkung desselben hinzuarbeiten. Es hatten sich, wie der „Frkf. Ztg." berichtet wird, auch Sozialdemokraten und Antisemiten eingefunden und anstatt der von dem einberufenden Verein Berliner Schneidermeister für Damenkonfektion ausgearbeiteten Petition an den Reichstag um Abänderung der ZZ 29 und 30 des genannten Gesetzes in dem Sinne, daß die weiblichen Arbeitskräfte erst vom 30. Lebensjahr an der Ver- ficherungspflicht unterliegen und der Bezug der Altersrente in Zukunft bereits mit dem vollendeten 60. Lebensjahre beginnen solle, gelangte der Antrag eines Maurermeisters Wille zur Annahme, wonach beim Reichstage bezw. der Reichsregierung dahin petitioniert werden soll, daß die Beiträge zur Kranken-, Unfall- und Jnvaliditätsversicherüng durch einen Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben und jeder Dratfchr vdm 60. LeMisjahr ab zum Empfang der Altersrente berechtigt sein solle. Eine in der Versammlung gewählte Kommission von 15 Personen wurde beauftragt, in Gemeinschaft mit dem Vorstande des Vereins Berliner Schneidermeister für Damenkonfektion eine diesem Antrag entsprechende Petition auszuarbeiten.
Berlin, 17. Aug. Die Unabhängigen und Anarchisten, mit denen man auf dem internationalen Sozialistenkongreß zu Zürich so unglimpflich verfahren ist, lassen sich, glücklich wieder daheim angelangt, nicht klein kriegen. Gestern fand hier wieder eine von etwa 2000 Personen besuchte Versammlung dieser Leute statt, in welcher Wilhelm Werner, einer ihrer Führer, über den Züricher Kongreß berichtete. Gegenüber Bebels und Singers Ableugnung hielt er, wie die „Frkf. Ztg." meldet.
die Darstellung aufrecht, daß er und seine Genossen, ohne daß sie Skandal gemacht hätten, auf Singers Kommando geprügelt und hinausgeworfen worden seien. Seine Versicherung, daß sie beim Hauen den Gegnern über gewesen seien, entfesselte großen Beifall, der auch seine und anderer Redner überaus heftige Angriffe gegen die Sozialdemokratie und ihren Personenkultus begleitete. Soviel ist sicher, im „Zukunftsstaate" wird derjenige nicht an übelsten fahren, der die stärksten Fäuste hat. Mlt starken Fäusten läßt sich aber alles beweisen. (St. P.)
— Ueber den Reichsschatz im Juliusturm schreibt das „Sozialpolitische Zentralblatt": Alle bedeutenden Finanztheoretiker sehen in dem Kriegsschatze nur ein unvollkommenes Deckungsmittel, das jedoch den Vorteil habe, den Staat bei der Kontrahierung der auf die Dauer zur Kriegsführung erforderlichen Anleihe unabhängiger zu machen von dem Kapitalmärkte, der sich gerade in den Tagen der Mobilmachung in kopfloser Dervute befindet. Es handelt sich nur um eine kurze Zeit und um einen Nutzen für die Steuerzahler, der selbst einen bedeutenden Zinsverlust aufzuwiegen vermag. Daneben trägt die Ausschüttung des Barvorrats zur Beilegung der Panik wenigstens in etwas bei und ermöglicht kurze schnelle Schläge, die oft das Schicksal des Krieges entscheiden. Um Viesen Zweck zu erreichen, muß die aufgespeicherte Summe natürlich groß genug sein, um auch wirklich die Mobilmachungskosten voll und die Kriegskosten einige Zeit decken zu können. Das ist aber nach der Ausführung des „Sozialpol. Zentralblatts" nicht mehr der Fall. Die Mobilmachungskosten hätten im Jahre 1870 für das preußische Kriegsheer allein etwa 8 Millionen Mark für den Tag betragen. Die Kontingente nach dem Bevölkerungsoerhältnis berechnet.
Jeuikketon.
Brandkäthe.
Aus den Papieren eines Dorfschulmeisters.
Von K. Linde«.
(Fortsetzung.)
„Schöner Grummet!" brummte Peter Bordmann, „der ist!" ... er hielt erschrocken inne. Ein großer Hund, der sich von der Kette losgerissen und dieselbe klirrend nachschleppte, fuhr mit lautem wütenden Gebell zwischen die Pferde, diese gingen scheuend durch und wandten sich im wilden Laufe seitwärts. Eines der beiden Mädchen, die hoch oben auf dem Heu saßen, stieß em gellendes Hilfegefchrei aus. Unfehlbar hätte der Wagen an einer dort befindlichen hohen Gartenmauer vor der eine Schar Kinder spielte, anprallen und Umschlagen müssen, wenn nicht der junge Schmied, der soeben an uns vorübergrkommen, sich ihnen entgegen geworfen und die Pferde mit eiserner Faust zum Stehen gezwungen hätte. Der Knecht, der den Heuwagen geführt, kam zitternd und ratlos hinzu. Auch Bernhard war abgestiegen und trat zu dem Retter, der sich mit einem Taschentuch das Blut aus einer schmalen Stirnwunde strich, welche er bei seiner kühnen That davongetragen. DaS eine der beiden oben sitzenden Mädchen, deren zartes, von blondem Haar umrahmtes Gesicht noch schneeweiß war von dem ausgestandenen Schreck, schaut» angstvoll und besorgt zu ihm nieder, während ihre Gefährtin, eine robuste Dime mit dickem, roten Gesichte, den Knecht kräftig ausschalt, daß er nicht besser auf die Pferde Acht gegeben, und ungeduldig befahl, den Wagen weiter zu führen.
„Na, laß gut sein, Lena, der hat sein Teil schon gekriegt vor Angst, er schlottert ja noch wie ein Beutelsieb!" rief Bordmann, „dem Konrad muß Deine Mutter es danken, daß sie Dich noch hat! Schad', daß der Bernhard nicht so nah
dabei war, der wär Dir auch beigesprungen, das kannst glauben! Von Dir aber war's brav und wacker Konrad," wandte er sich zu dem jungen Schmied, „das werden Dir die ReinbergS nicht vergessen!"
„Die ReinbergS?" wiederholte der Angeredete und ein glühender Haß leuchtete a«S seinen schwarzen Augen. „Um die ReinbergS hätte ich keinen Finger gerührt, 's war nur bloß um die Kinder da drüben und die Pferde!" damit wandte er sich kurz um und ging davon, auch Bernhard nahm seinen Sitz wieder ein und wir fuhren wetter.
„Hm, Hm!" meinte Bordmann kopfschüttelnd, „dem wächst der Haß nicht auS, der ist grad darin so wie seine Schwester, die Bcandkäth'! Nr, ich will sie nicht auch schimpfen, sie hat uns ja doch noch nix arges angethan. — Habt Ihr die Mädchen gesehen da droben auf dem Wagen?" wandte er sich dann frageiü» an mich; „die eine, di« schmale mit dem weißen Gesicht, das war das Klärchen, na. von der reden wir gleich noch mal und die andere das war Lena, dem Hermann seine Schwester. Gelt, die sieht nicht aus wie 'ne Stadtdam' und ihre Mutter hat doch partu ein« draus machen wollen; die ist 'ne rechte deftige Bauerndirn', di« sich vor keiner Arbeit scheut, wenn sie auch weiß, daß sie reich ist. Wär' mir schon ganz recht als Schwiegertochter!" schloß er mit einem forschenden Blick auf seinen Sohn.
Dieser schien die väterlichen Worte nicht gehört zu haben. Laut und lästig knallte er mit der Peitsche und pfiff bann leise di« Melodie eines bekannten LiebeV- liedchens. Dabei schaute er seitwärts in da» offene blumrngeschmückte Fenster eineg kleinen Hause» vor dem wir gerade vorüberfuhren. Ich folgte seinem Blick und sah in das hübsche, dunkel erglühende zu Bernhard aufschaurnde Gesicht eines junge» Mädchens, da» dort am Webstuhl saß. Da stieß mich Peter Bordmann derb i» die Sette.
„Seht, das ist mein Hof! Jetzt find wir daheim!" Er wirS auf das freundliche Bauernhau», vor dem der Wagen hielt. Es war da» stattlichste Gehöft deg