Tage hat die Vergnügungsreisenden wieder in Massen auS der Schweiz, Tirol und Italien nach der deutschen Erde zurückgebracht, und so sind die Gasthöfe der Orte am See, wie auch hier, mit Passanten überfüllt. In Vorarlberg sind gleichwie unsere vio-ä-vio Appenzeller Berge in frische Schneehauben gehüllt, auf dem Säntis herrschte starker Schneesturm, die in leichte Sommerhabits gekleideten Bergfexen wieder zu Thals treibend. Die abgekühlte Seetemperatur mag auch manchem der Stuttgarter Extrazügler vom letzten Sonntag etwas frisch vorgekommen sein; trotzdem sah man nur heitere Gesichter, und bei hohem Wellengang wurde das Lied „Still ruht der See" intoniert.
Z Pforzheim, 1. Aug. Heute Nacht wurde der 60 Jahre alte Schneider Jakob K., wohnhaft auf dem Buckenberg, in einem Garten am Römerweg erhängt aufgefunden.
— Die Baufirma Soenderop u. Cie. in Berlin hat sich bereit erklärt, den Bau und Betrieb einer normalspurigen Bahn von Pforzheim nachBrötzingen-Dietlingen-Ellmendingen-Weiler- Jttersbach - Langensteinbach - Reichenbach -Ettlingen zu übernehmen, einen Teil der Kosten für die Ausarbeitung des Projekts zu tragen und für die Finanzierung zu sorgen. Demnächst sollen Verhandlungen mit der großh. Generaldirektion und der Stadt Ettlingen eingeleitet werden.
Z In Karlsruhe schenkte ein Ungenannter der Stadt zur Verwendung für arme kränkliche Schulkinder 10,000 — Die Kaisermanöver zwischen
Pforzheim und Stuttgart sind definitiv abgesagt.
Heidelberg, 2. Aug. Fürst Bismarck gab auf die Einladung einer Heidelberger Deputation, Heidelberg auf der Rückreise von Kissingen zu besuchen, eine ausweichende Antwort. Leipzig, Stuttgart und Köln hätten infolge früherer Zusicherungen die Priorität.
Konstanz, 1. Aug. Redakteur Karl Okle von der demokratischen „Konstanzer Abendzeitung" wurde in der heutigen Strafkammersitzung wegen einer während der Wahlzeit am Biertisch gefallenen beleidigenden Aeußerung über Offiziere zu einer Gefängnisstrafe von 6 Wochen verurteilt. Die Aeußerung war von einem anwesenden Unteroffizier seinem Hauptmann gemeldet und infolge dessen vom Regimentskommandeur Strafantrag gestellt worden. Die Anklage vertrat Staatsanwalt Uibel, die Verteidigung Anwalt Beyerle.
Mülhausen, 2. Aug. Am Donnerstag in voriger Woche ertrank ein Soldat beim Schwimmen. Nach der „Elsaß-Lothr. Volksztg." hatte der Soldat den ihn im Boot begleitenden Unteroffizieren mehrmals zugerufen „Ich kann nicht mehr". Plötzlich sank er unter und wurde erst nach 20 Minuten wiedergefunden. Wiederbelebungsversuche hatten keinen Erfolg mehr. Der Vorfall unterliegt bereits einer strengen Untersuchung.
Göttin gen, 29. Juli. Auf seiner diesjährigen Reise nach Kissingen hat Fürst Bismarck, wie bereits gemeldet, auch unsere Musenstadt berührt. Am Bahnhof vom Prorector der Universität, Professor Dr. Merkel, begrüßt, erwiderte der Altreichs
kanzler nach einem Berichte der „Magdeb. Ztg." etwa folgendes: Vor sechszig Jahren sei er in die Thore von Göttingen eingezogen als flotter, frischer Student, und er müsse sagen, von allen den Orten, denen er seine Bildung verdanke, sei ihm Göttingen noch jetzt der liebste, da so schöne Jugenderinnerungen ihn an unsere Stadt bänden. Zu viel gearbeitet freilich habe er hier nicht. Jetzt sei die Zeit eine andere, sie erfordere auch von der studierenden Jugend ernsten Fleiß. Man rede jetzt so viel von einem Normalarbeitstag. Auch der Student möge sich einen solchen angcwöhnen, wenn nicht von acht, so doch von vier Stunden. Das mache in vier Studienjahren mehr als 4000 Arbeitsstunden, und in solchen könne man recht viel lernen. Im weiteren Gespräch kam der Fürst auch auf das Duellwesen und sagte: Er habe als hiesiger Student schon eine Umgestaltung des Duellwesens geplant und dem damaligen akademischen Senate eine Denkschrift darüber eingereicht. Daraufhin rief Professor v. Wilamowch-Möllendorf, der vorjährige Prorektor, dem Fürsten zu: „Jawohl, Durchlaucht, diese Denkschrift befindet sich noch, von Ihrer Hand geschrieben, bei unseren Akten." Nach einem Aufenthalt von zwanzig Minuten setzte sich der Zug unter den stürmischen Hochrufen der Volksmenge wieder in Bewegung.
Berlin, 3. Aug. Die großen Anthracit- Bergwerke von Koschkin in Rußland stehen in Flammen. 30 Bergleute werden vermißt; der Schaden ist enorm.
Chicago, 3. Aug. Einer Reutermeldung zufolge hat die North American Provision Company am 2. August falliert. Die Aktiven betragen eine halbe Million Dollars; die Passiven sind noch unbekannt.
Calw. Eingesandt.
Es herrscht so ziemlich in ganz Deutschland und auch in den westlichen Nachbarstaaten infolge lang anhaltender Trockenheit und dadurch eingetretener Futternot unter der ländlichen Bevölkerung ein sehr empfindlicher Notstand und es ist sehr erfreulich, wahrnehmen zu dürfen, wie die einzelnen Regierungen, Bezirke, Gemeinden und die Privatrvohlthätigkeit mit einander wetteifern, um dem in seiner Existenz schwer bedrohten Landwirt so gut als immer möglich, über diese schwere Zeit hinaus zu helfen. — Es liegt nun sehr nahe, daß der Notstand aus dem Lande auch eine sehr nachteilige Wirkung auf den Gang der Geschäfte im Gewerbe, der Industrie und des Handels ausüben wird, ja thatsächlich jetzt schon ausübt und mit Bangen sieht der Gewerbetreibende und der Kaufmann der nächsten Zukunft entgegen. Es wird nur das dringendste Bedürfnis gedeckt und zwar meist auf Kredit und auch die alten Rechnungen bleibt man vorerst schuldig. — Womit soll nun der Geschäftsmann bezahlen, wenn er nicht über außerordentliche Mittel verfügt. Schreiber dieser Zeilen war kürzlich in einigen Städten in der Heuberger Gegend und sagte ihm ein Kaufmann, daß er jetzt in der That Sonntagsruhe habe; während sie sonst Sonntags zu 5 bis 6 Personen zu thun gehabt hätten, werde jetzt der Lehrling ganz gut allein fertig und an verschie
denen Sonntagen mache er gar nicht mehr auf. Ein Notstand wird in nächster Zeit sicher auch unter dem Gewerbe- und Handelsstand eintreten, aber die vielen Hilfsquellen, welche dem Landwirt Hilfe brachten und noch bringen, werden sich ihm nicht erschließen, weshalb für diese Stände die Aussichten für die nächste Zeit recht betrübend sind. — Wir wollen indessen hoffen, daß unser Handels- und Gewerbestand stark genug ist, um diese Krisis überdauern zu können. Eine große Erleichterung könnte geboten werden, wenn die hiesige Einwohnerschaft darauf Bedacht nehmen wollte, allen Bedarf, soweit nur immer möglich, hier am Platz zu decken und so den Austausch, den Quell alles Geschäftslebens, zu heben. Wo Umsatz ist, da kann, wenn der Nutzen auch noch so klein ist, die Not nicht festen Fuß fassen. — Haben z. B. unsere Industrielle, Gewerbtreibende rc. keinen guten Absatz für ihre Produkte, dann können sie nur wenige Arbeiter beschäftigen und diese nicht so gut bezahlen, wie bei einem flotten Geschäftsgang; der wenig oder nichts verdienende Arbeiter aber kann wieder bei dem Bäcker, Metzger, Schneider, Schuhmacher, Kaufmann rc. nichts konsumieren. Hat der Fabrikant, der Gewerbtreibende, der Kaufmann u. s. w. keine Veranlassung, Rohmaterialien und Waren zu beziehen, so verdienen die Güterbeförderer und Fuhrwerksbesitzer weniger und diese können wieder den Schmied, Wagner und Sattler weniger beschäftigen und so greift eines in das andere. Es ist daher die Pflicht eines jeden Einzelnen nach Kräften dahin zu wirken, daß der Austausch von Geld und Maaren am eigenen Platze recht gehoben werde.
Schreiber dieses ist der festen Ueberzeugung, daß eine ganze Menge von Artikeln, die vielfach von auswärts bezogen werden, in gleich guter Qualität und zu noch billigeren Preisen hier am Platz gekauft werden können. Einen sprechenden Beweis hiervon liefert das hiesige „Möbelmagazin von Mitgliedern des Gewerbevereins", dessen recht häufige Benützung dem verehrl. Publikum hiermit ganz besonders anempfohlen werden möchte.
Um dem verehrl. Publikum zu beweisen, daß die oft zu fabelhaft niederen Preisen in Zeitungen, durch Hausierer und Detailreisende angebotenen Waren regelmäßig zu teuer bezahlt sind, hat der Ausschuß des Handels- und Gewerbevereins den Beschluß gefaßt, zeitweilich solche Waren zu beziehen und hier zu jedermanns Ansicht und Ueberzeugung aus zu stellen.
KandwirLschaftl. Cottsum-Uerei«.
Der bestellte Johannisroggen ist angekommen.
Standesamt Kalrv.
Geborene:
28. Juli. Heinrich, Sohn des Heinrich Wohlleber, Hilfswärters hier.
30. „ Ottilie, Tochter des Friedrich Pröschle,,
Wagenwärters hier.
Gottesdienst
am Sonntag, den 6. August.
Vom Turm: 285. Predigtlied: 555. Vorm.-Prcdigt: Herr Dekan Braun. Feier des heiligen Abendmahls. Nachm.-Predigt: Herr Dekan Braun.
hob sie aus dem Waggon und der Mann, der ihr die Thüre beim Einsteigen in den Waggon geöffnet hatte und welchen Eleonore zu ihrem Entsetzen schon längst als einen Wärter der Irrenanstalt erkannte, wollte sie mit Hülfe der Mrs. Black gegen den Ausgang des Bahnhofes hinziehen, wahrscheinlich sollte sie in die dort harrende Equipage befördert werden. — Es war nun gegen 12 Uhr des Nachts. Im Zug befanden sich nur wenige Passagiere, soeben stiegen ein Herr und eine Dame, die auf dem Perron einige Minuten umher gegangen waren, wieder in ihr Koupee.
„Zu Hilfe! Zu Hilfe!" schrie Eleonore in der Verzweiflung ihres Herzens mit gellender Stimme und stemmte sich mit übermenschlicher Kraft gegen ferneres Vorwärtsziehen.
Neugierig schauten die Paffagiere zu den Waggonsenstern heraus. Ein Beamter trat unter die Thüre des Stationsgebäudes und auch der Herr und die Dame, die soeben ihren Platz im Wagen wieder eingenommen, stiegen wieder aus und eilten raschen Schrittes herbei.
„Was geht hier vor?" fragten der Beamte und der eben ausgestiegene Herr wie aus einem Munde.
Waffen wir Miß Mostyn frei, Doktor, das Spiel ist aus," flüsterte Mrs. Black.
Doktor Sabin hörte jedoch nicht darauf.
„Ich bin Doktor Sabin, Irrenarzt, meine Herren," sagte er frech. „Diese junge Dame ist eine Geisteskranke, die meiner Anstalt übergeben werden soll und sich sträubt."
„Glauben Sie ihm nicht, meine Herren," sagte Eleonore. „Ich bin vollkommen gesund, man hat mich heimtückisch hierher gelockt und will mich aus eigennützigen Zwecken ins Irrenhaus sperren."
„Geben Sie nach, Doktor, nun ist Alles verloren, ziehen wir uns geschickt aus der Scklirge," raunte Mrs. Black abermals ihren Komplicen zu.
Ter Beamte stand unschlüssig da und blickte in Eleonores schönes Gesicht,
das keineswegs den Ausdruck des Irrsinns trug, dann warf er einen mißtrauischen Blick auf Doktor Sabin.
„Ich heiße Eleonore Mostyn," fuhr das arme Mädchen zu sprechen fort. „Mein Vater ist Squire Oliver Mostyn, der Besitzer von Westringham Hall, man lasse mich an ihn telegraphieren, wenn man mir nicht glaubt."
„Ist es möglich, Felix?" mischte sich jetzt die fremde Dame ein. „Das ist ja Harolds Liebe. Befreie doch das arme Kind."
„Ich kann für die Wahrheit der Aussage dieser jungen Dame bürgen," sagte Felix Charlton, denn kein Anderer war der fremde Herr. „Ich kenne sie vom Sehen, ihr Vater ist wirklich der Besitzer von Westringham Hall."
Eleonore horchte auf beim Klang dieser Stimme, sie hatte dieselbe schon einmal gehört in der Schmugglerhöhle.
„Es ist Harolds Bruder!" jubelte es in ihr. „Herr deS Himmels, ich danke Dir, nun bin ich gerettet."
Doktor Sabin sah nun freilich ein, daß sein Spiel verloren.
„Ich bin, wie es scheint, selbst getäuscht worden", sagte er, nach Ausflüchten suchend. „Ein Verwandter Miß Mostyns übergab mir die Dame, wie er sagte, auf Wunsch ihres Vaters, um ihre etwas gestörte geistige Gesundheit wieder herzustellen. Mit List werden ja die meisten Geisteskranken in die Heilanstalt gelockt, das werden die Herren selbst zugestehen. Miß Mostyn war so aufgeregt, daß ich in der That kaum an der Wahrheit der Behauptung ihres Vetters zweifeln konnte."
„Wirklich, mein Herr?" fragte der Beamte spöttisch. „Sie scheinen keinen großen ärztlichen Scharfblick zu besitzen. Ich bin nur ein Laie und sehe doch deutlich, daß die Dame bei vollkommen gesunden Sinnen ist. Mag dem übrigens sein wie es wolle, unterstützt von der Bürgschaft dieses Herrn gebe ich nimmermehr zu, daß. Miß Mostyn wider ihren Willen in Ihre Heilanstalt geschleppt wird."
(Fortsetzung folgt.)