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— Auf dem Offenburger Bahnhof Wurde ein Amerikaner verhaftet, der eine große Summe Geldes bei sich Halle. Der Verhaftete hat sich in Haslach, wo er sich einige Tage aufhielt, gegen erwachsene und unerwachsene Personen unsittlich benommen und Mädchen zur Reise mit ihm nach Amerika zu verleiten gesucht. Man glaubt, daß man in dem Betreffenden einen sogenannten „Seelenverkäufer* erwischt hat.
— Fürst Bismarck wird in nächster Woche nach Kissingen reisen.
Berlin. Ahlwardt polemisierte gestern in einer Antisemitenversammlung gegen Stöcker und nannte ihn einen Heuchler, der das Christentum zur Verfolgung egoistischer Zwecke benutze, worauf stürmischer Beifall ertönte. — Wegen Beleidigung des Finanzministers Miquel wurde gegen Ahlwardt das Strafverfahren eingeleitet. Die Beleidigung wird in einem Vortrag Ahlwardt's über die dem Reichstag vorgelegten Akten gefunden.
Stockholm, 20. Juli. Das Kaiserpaar traf abends 7*/s Uhr in Tullgarn ein, begleitet von dem schwedischen Kronprinzenpaar, welches der Hohenzollern entgegengefahren war und derselben um 6'/r Uhr begegnete. Der Kaiser trug schwedische Admiralsuniform, der Kronprinz deutsche Generalsuniform. Am Landungsplatz war eine dichte Menschenmenge, auf der Brücke wurden beim Passieren des Kaiserpaares von jungen Mädchen Blumen gestreut.
Frau Lebaudy in Paris, die steinreiche Witwe des bekannten Zucker-Raffineurs, die mit 6000 Franken jährlich lebt und nahezu sechs Millionen bei Seite legt, hat den Prozeß gegen ihren verschwenderischen Sohn Max gewonnen. Der „Mit snorier", der ein Vermögen von 27 Millionen besitzt, aber keine 300,000 Franken jährlich für Pferde und „Kreaturen" ausgeben darf, erhält einen Kurator in der Person des Notars seiner Mutter.
Vermischtes.
— Vorsicht beim Unterschreiben. Seit ca. 1'/- Jahren suchen Firmen aus Berlin, Leipzig und Dresden namentlich kleinere Ladenhalter auch in den entlegensten Straßen und unbedeutendsten Städtchen in folgender Weise zu beschwindeln. Ein gewandter Reisender erscheint bei den Ladenbesitzern mit der Bemerkung, daß ihr Geschäft ihm empfohlen worden sei als geeignet, um den Alleinverkauf seiner bestrenommierten Seifen und Parfümerien zu übernehmen. Seine Firma würde die Reklamekosten (Annoncen) allein tragen und da er 50"/» Rabatt gewähre, sei ein sehr schöner Verdienst für den Besteller sicher. Zuerst ist eigentlich bloß die Rede von Seifen und erst wenn der Besuchte sich zu einem „kleinen Versuch" bereit erklärt hat, wird darauf gedrungen, auch „versuchsweise" eine „Kleinigkeit" in den „so viel begehrten" Parfümerien mit aufzugeben, deren Umtausch gegen Seife zugestanden wird. Der Reisende hat gedruckte — mit „Schlußnota" überschriebene — Zettel, auf denen seine Artikel alle verzeichnet sind und auf denen er rasch eine ihm beliebige Zahl vor jeden Artikel setzt und den Besteller bittet, „er möge nun, damit es wegen des Annoncierens keinen Irrtum gebe, seine Firma selbst darauf schreiben." Ist dies geschehen, so verläßt der Reisende unter Hinterlassung einer gleichlautenden Kommissions-Kopie so schnell wie möglich das Lokal und den Ort selbst. Wenn nachher der Besteller die Kommissions-Kopie näher ansieht, so findet er, daß er nicht für 20 bis 30 Seife, das Dzd. L 50 oder 60 --Z, bestellt hat, wie er meint, sondern daß als dritter Artikel 10—15 Dzd. Seifen ä ^ 6, dann 6—10 Dzd. Parfume-Flaschen L ^ 12 und ^ 18 notiert sind, alles im Betrage von ^ 225 bis ^ 350. Alle Versuche, den Auftrag zu annullieren, sind vergeblich, das Haus besteht auf der Lieferung und der Besteller muß innerhalb drei Monaten bezahlen, sonst wird er gerichtlich dazu gezwungen. Will er strafrechtlich Vorgehen, so kann er nur gegen den Reisenden als Betrüger, nicht gegen das Haus, dessen Schlußnota er unterschrieben hat, den Strafantrag stellen. — Also Vorsicht im Unterschreiben von Aufträgen!!
— Der im Frühjahr 1891 gegründete Verein „Seemannsheim" in Stuttgart, welcher sich die Fürsorge für deutsche Seeleute in ausländi
schen Häfen durch Errichtung von „Seemannsheimen" zur Aufgabe gemacht hat, veröffentlichte kürzlich einen Bericht über seine bisherige Thätigkeit, der in weiteren Kreisen Beachtung verdient und daraus wir unseren Lesern nachstehende Mitteilungen machen. Durch seine Einnahmen ward der Verein in die Lage versetzt, die aus Mangel an Mitteln ernstlich in Erwägung gezogene Aufhebung des deutschen Seemannsheims in Antwerpen zu verhindern durch eine Gabe von 1000 Frks., durch welche die Vertreter desselben zur Weiterarbeit ermutigt und deren Bemühungen um Gewinnung der weiter nötigen Mittel erfolgreicher gemacht wurden. Aehnlich war es beim deutschen Seemannsheim in South Shilds (England), dem der Verein mit einem Beitrag von 20 St. (408 ^ 60 eine sehr willkommene Hilfe leisten durfte. Eine dringende Bitte um Stiftung einer deutschen Bibliothek für die im neuen Seemannsheim zu Stockholm verkehrenden deutschen Seeleute wurde gerne gewährt mit einem Aufwand von ca. 400 wobei manche wertvolle Bücherspende des Stuttgarter Buchhandels nicht mitgerechnet ist; die sorgfältig ausgewählte, stattliche Büchersammlung hat in Stockholm große Freude bereitet und ist ein wirksames Mittel zur Pflege deutschen Sinnes und Geistes im fernen Norden geworden. Der Verein bedauert, daß ihm nicht größere Mittel zu Gebot stehen, da das Bedürfnis thatsächlich Jahr um Jahr als ein größeres und dringenderes sich erweist und es Ehrensache Deutschlands ist, auf diesem Gebiete nicht länger hinter anderen Nationen zurückzublciben. England z. B. hat für seine Seeleute in den Hasenplätzen trefflich gesorgt und ein großes Netz von Seemannsheimen für dieselben geschaffen. Wie verschwindend wenig ist's, was Deutschland in dieser Beziehung bis jetzt seinen Söhnen bietet, die täglich und stündlich ihr Leben einsetzen im Dienste des deutschen Handels! Nicht weniger als 50,000 deutsche Seeleute waren's, die im vorigen Jahre allein in 7 englischen Häfen auf deutschen Schiffen verkehrten! Je größer die Gefahren sind, welche dem deutschen Seemann ebenso wie jedem anderen nach mühevoller Seefahrt in fernen Hafenplätzen nach Leib und Seele drohen und deutsche Art und deutsche Sitte, deutschen Geist und deutsche Zucht ihm rauben, um so mehr hat das Vaterland die Pflicht, seinen Söhnen draußen in der Fremde Stätten zu bereiten, in denen sie vor solchen Gefahren geschützt sind und Heimatluft atmen. Der Verein bittet daher aufs Angelegentlichste um Zuwendung weiterer Gaben, welche vom Rechner, Kaufmann Eberhard Fetzer jun. in Stuttgart, Kanzleistraße 20, dankbar in Empfang genommen werden. Von demselben sind auch die bisher erschienenen Berichte, sowie zwei gedruckte interessante Vorträge über die Seemannsfrage und Seemannspflege kostenfrei erhältlich. In Calw ist Herr Emil Zöppritz zur Empfangnahme von Gaben für die genannten Zwecke bereit.
—.Das Radfahren und seine hygienische Bedeutung, lieber dieses zeitgemäße Thema veröffentlicht Dr. Kühner aus Frankfurt a. M. im neuesten Heft der „Hygiea" eine beachtenswerte Studie, der wir folgende Sätze entnehmen: Das Radfahren ist von unendlich großem Wert für die, welche sich den Luxus eines Reitpferdes nicht gestatten können, oder welche das Spazierengehen in der Ausdehnung, daß es von Nutzen wäre, nicht genießen können. Wie kann das Gemüt eines Menschen, der täglich dieselbe Nahrung erhält, täglich dieselben Bilder sieht, dieselbe Umgebung hat, beständig dieselbe Luft atmet, anders werden, als verkümmert, unmutig, unzufrieden, mürrisch. Seine Geistesrichtung verliert die Elasticität, die Spannkraft, wird furchtsam, schwach, einseitig, mit einem Worte nervös. Das Radfahren hat in diesem Zustande eine Aenderung gebracht. Es giebt jetzt Hunderte von Großstädtern, welche das Land besser kennen als die Landbewohner selbst. Diese Veränderung ist in einer Zeit von ungefähr 16 Jahren vor sich gegangen. Auch in vielen Krankheitsfällen, insbesondere bei allen Folgezuständen sitzender Lebensweise, ist die Ausübung des Radfahrens von großem Werte. („Deutscher Radfahrer-Bund".)
— Eine hochwichtige Frage muß das „Berliner Tagebl." entscheiden. Von einer in der Sommerfrische weilenden Berlinerin geht dem Blatte nämlich ein Schreiben zu, worin Klage geführt ist, daß unsere deutsche Sprache bedeutsame Lücken und Mängel auf
weist. Die betreffende Dame ist nämlich genötigt, an ihr in der Wohnung zurückgebliebenes Dienstmädchen zu schreiben. „Wie soll ich nun," fragte sie, „meine Köchin im Briefe oder auf der Karte anreden? „Liebe Marie!" widerstrebt meinem Gefühl, da sie mir bei all ihrer Tüchtigkeit doch auch schon viel Niederträchtigkeiten geboten hat. Das bloße „Marie" geht doch auch nicht, ebenso wenig wie „Geehrte" oder gar „Geschätzte". Offen gestanden, ist mir die Adresse „Fräulein" auch nicht bequem; was soll ich thun?" Vielleicht weiß einer unserer Leser Rat? — so bemerkt hiezu das „B. T."
— Mit zwölf Jahren bereits weiße Haare zu haben, ist gewiß eine Seltenheit. In der letzten Sitzung der „Berliner Medizinischen Gesellschaft" stellte Dr. Flatau ein 12jähriges Mädchen vor, bei welchem, vermutlich infolge nervöser Einwirkungen, seit fünf Jahren eine Bleichung verschiedener Hautstellen und der darüber befindlichen Haare auftrat. Nur an ganz vereinzelten Stellen des weißlockigen Kopfhaares zeigen sich dunkel gefärbte Büschel; auch die übrigen behaarten Stellen des Körpers beteiligen sich an diesem Bleichungs- prozeß, der auf einem Verlust des Haarfarbstoffes beruht.
Ein neues Gewerbe. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." erzählt, wurde kürzlich der Sohn eines höheren Beamten in Berlin, welcher sich, von einer Kneiperei kommend, auf eine Bank im Tiergarten gesetzt hatte und eingeschlafen war, von „Leichenfledderern" bis auf das Hemd entkleidet. In einer Droschke setzte der Gefledderte den Weg nach der elterlichen Wohnung fort.
— (Gemütsruhe). Ein Bauer treibt seinen Ochsen auf einem für Spaziergänger reservierten Wege. Da kommt ein feiner Herr und spricht: „He, Bauer, wißt Ihr nicht, daß auf diesem Wege keine Ochsen gehen dürfen?" — Gelassen nimmt der Bauer seinen Ochsen am Horn und spricht: „Komm Bläß, 's wöllet andere her!"
Jur Muttern ot.
Nachdem in Folge des schlechten Ausfalles der Heu-Ernte als Ersatz verschiedene andere Kraft-Futtermittel eingekauft werden müssen, dürfte es für unsere Landwirte von großem Interesse sein, den Nährstoffgehalt derselben in Form von Geldeswert nach den Aufstellungen des Herrn Professor Wolf in Hohenheim kennen zu lernen.
Nimmt man nun, den gegenwärtigen Verhältnissen entsprechend, den Wert eines mittelguten Wiesenheus auf ^ 6 p. Zentner an, so würde sich der Wert der verschiedenen Futterartikel folgendermaßen
stellen:
a. Heu Luzerne Rotklee Wicken Spörgel Senf
(Dürrfutter):
Stroh:
6.64
6.22
6.44
6.42
6.17
4.62
4.23
3.55
3.92
Hafer Gerste Dinkel Weizen
b. Grünfutter: Luzerne 1.95
Rotklee „ 1.47
Wicken „ 1.49
Spörgel „ 1.50
Senf „ 1.30
Buchweizen „ 1.20
Futterroggen „ 1.84
Pferdezahnmais „ 1.12
Rüben:
Stupfelrüben ^ 0.98 Angersen „ 1.36
dto. -blätter „ 0.81 e. Körnerfrüchte: Dinkel 6.72
Gerste „ 8.48
Hafer „ 7.80
Mais „ 9.62
Ackerbohnen „ 12.02 ä. Brauerei-Abfälle: aetr. Biertreber ^ 9.46 Malzkeime „ 11.— 6. Oelkuchen: Erdnußkuchen 10.90
Leinkuchen „ 12.46 Palmkuchen „ 12.10 Mohnkuchen „ 13.22 Repskuchen „ 11.50
Standesamt Kalw.
Gestorbene:
15. Juli. Helene Braun, Tochter des Jakob Braun, Cigarrenmachers hier, 14 Tage alt.
18. . Christian Wochele, Tuchmachers Ehefrau.
Christiane Wilhelmine geborene Mayer hier, 77 Jahre alt.
Gottesdienst
am Sonntag, den 23. Juli.
Vom Turm: 604. Prdigtlied: 421. Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. Christenlehre mit den Söhnen. Nachm.-Predigt um 2 Uhr:: Herr Dekan Braun.
Dienstag, den 25. Juli. Aeiertag Jakovi. Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun.
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