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lauglich zu sein, einige Glas Bier über den Durst und legte sich auf dem Heimweg, um sich von den ausgestandenen Strapazen zu erholen, auf eine dicht an der Straße stehende Ruhebank zum Schlafen nieder, nachdem er zuvor seine funkelnagelneuen Stiefel ausgezogen hatte. Wer beschreibt seine Bestürzung, als er beim Erwachen wahrnahm, daß die Stiefel verschwunden waren. Es blieb ihm nun nichts anderes übrig, als seinen Heimweg barfuß onzutreten. Taschenuhr und Schirm, die neben den Stiefeln lagen, hatte der Dieb ihm gelassen.
Waldsee, 4. Juli. Ein etwa 1'/- Jahre altes Kind erwischte ein Fläschchen, welches sogen. Warzentinktur (Essigsäure) enthielt, und trank von demselben so viel, daß es nun hoffnungslos darniederliegt. _
Berlin, 5. Juli. Die Nordlandreise des Kaisers ist für dieses Jahr definitiv aufge- aeben. Es liegt in der Absicht des Kaisers, gegen den 1. August', bis wohin jedenfalls das Schicksal der Militärvorlage entschieden ist, nach Cowes in England sich zu begeben. — Der Kaiser soll ein von heute ab gültiges Ausfuhrverbot auf Stroh, Heu und Haber unterzeichnet haben. — In Reichstagskreisen herrscht die Ansicht, daß die Militärvorlage nicht einer Kommission überwiesen, sondern sofort zur zweiten Beratung im Plenum gestellt werden soll.
Hamburg, 6. Juli. Seit gestern abend 8 Uhr wütet in Altona ein großes Feuer. Dasselbe entstand in der Caffeesortieranstalt von Stucken und Andresen, äscherte den Getreidespeicher von Georg Wohnert ein und dehnte sich bis an die Elbe aus. Die Schiffe wurden rechtzeitig weggeholt. Um Mitternacht hoffte man die Weiterverbreitung hindern zu können. Der Schaden beträgt mehrere Millionen.
London, 5. Juli. Zum Untergang der „Viktoria" wird dem „Bur. Reuter" aus Malta gemeldet: „Jeden Tag kommen neue Thatsachen über die Katastrophe auf der Höhe von Tripolis ans Licht. Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß Kontre-Admiral Markham so fest von der furchtbaren Gefahr überzeugt war, welche mit der ihm befohlenen Schwenkung verknüpft war, daß er seine Leute einige Augenblicke vor der Kollission anwies, ihre für Kollissions-Fälle bestimmten Posten einzunehmen. Auch auf der „Viktoria" erkannte man die Gefahr und eine Minute vor dem Zusammenprall erging der Befehl, die Kollisions-Matten hervorzuholen. Es blieb aber keine Zeit übrig, das Loch damit zu verstopfen. Kommandeur Jellicoe, der vom Fieber erkrankt in seiner Kajüte lag, verdankt sein Leben nur dem Midshipman West. Alle bewiesen die größte Aufopferung, die Kranken zu retten. Das eigentümliche Mißverhältnis zwischen der Zahl der geretteten Offiziere und der Midshipmen wird in Malta viel besprochen. Es heißt, daß Viele an Bord der „Viktoria" waren, die nicht schwimmen konnten und man vermutet, daß mancher gute Schwimmer von seinem hilfloseren Kameraden in die Tiefe gezogen wurde. Die Meldung, daß Admiral Tryon die von ihm erfundenen neuen Signale benutzt habe und dadurch Verwirrung erzeugte,, ist unbegründet.
Er benutzte vielmehr die gewöhnlichen Zeichen." Die „All. Korr." zieht aus den Berichten zwei Schlüffe: „Erstens, daß jedem, sogar dem einfachsten Matrosen, von vornherein klar war, daß die Schiffe keinen Raum zum Einschwenken hatten und zweitens, daß ohne die strenge Disziplin, die auf der Flotte geherrscht hatte, wahrscheinlich kein Menschenopfer zu beklagen gewesen wäre. Gleich nach dem Zusammenstoß der beiden Schiffe machte sich die ganze übrige Flotte daran, Boote aller Art in die See herunterzulassen, aber da kam der Befehl Tryons „Keine Boote aussetzen" und machte ihnen Zuschauen zur Pflicht. Auf der „Viktoria" selbst rührte sich zunächst kein Mann, trotzdem das Wasser rapide von Deck zu Deck stieg. Die Leute versanken eher lautlos im Wasser, als daß sie den schwer verständlichen Kommandos in dieser höchsten Not den Gehorsam weigerten. Und die ganze Flotte mußte zusehen, wie die armen Kerls da auf dem versinkenden Schiffe Ordnung hielten."
London, 5. Juli. Der Prinz und die Prinzessin Heinrich von Preußen sind heute in Buckingham-Palast eingetroffen; auch die Königin Viktoria begab sich dorthin zum Zwecke der Teilnahme an der morgen daselbst stattfindenden Hochzeitsfeier.
Paris, 5. Juli. Die Reiterei, die seit heute früh hier eingetroffen ist, hat ihre Stellungen eingenommen. Am Abend werden mehr als 16000 Mann Cavallerie in Paris versammelt sein. Da die Meuterer aus vier verschiedenen Vierteln, in denen sie sich zusammengerottet hatten, vertrieben wurden, gibt man der Befürchtung Raum, daß sie sich in den Vierteln verbreiten würden, wo sie bisher nicht gesehen wurden. Man ist der Ansicht, daß der Aufstand seit 24 Stunden seinen Charakter geändert habe. Es sind nicht mehr Stutzenden, die in Erregung sind, sondern sozialistische und anarichistische Elemente, die unter dem Drucke der angedrohten Schließung der Arbeitsbörse die Straßen unsicher machen. Das Aussehen von Paris ist andauernd ruhig. Man bemerkte nur Neugierige an den Orten, wo die Schlägereien stattgefunden haben. Die Polizei läßt die Trümmer der niedergebrannten Kioske, der Eisengitter und Pferdebahnwagen fortschaffen, damit die Meuterer sich ihrer nicht bei Gelegenheit bedienen können. Die Thore von Paris werden bewacht, um nötigenfalls die Sozialisten der Bannmeile zu verhindern, rn dieStadt zukommen und gemeinsame Sache mit den dortigen Hetzern zu machen.
Paris, 5. Juli. Eine amtliche Liste giebt die Zahl der verwundeten Polizeiagenten auf 40 an. Die Abendblätter melden die Verhaftung des Polizisten, welcher Nuger tötlich verwundet haben soll. Von den Demonstranten sind insgesamt 140 verhaftet worden. Das Zuchtpolizeigericht hat mit der Aburteilung der Exzedenten begonnen. Einige Studenten und junge Aerzte wurden mit 8—20 Tagen Gefängnis bestraft und das Gericht verweigerte die Anwendung des Gesetzes Verenger über bedingte Verurteilung, die den Verurteilten den Antritt der Strafe
auf Wohlverhalten erlassen hätte. — Die Kammer beschloß nach bewegter Debatte mit 377 gegen 133 Stimmen im Einvernehmen mit der Regierung die Interpellation über die Straßenexesse bis Montag zu vertagen. Ministerpräsident Dupuy erklärte, es hätten sich an den Unruhen viele Fremden beteiligt, denen unbarmherzig der Kehraus gemacht würde.
Paris. Der beklagenswerte Fall Nuger hat nun seinen vorläufigen Abschluß gefunden.. Die Leiche des unglücklichen jungen Mannes ist gestern früh 2 Uhr — wie es der Ministerrat im Einverständnis mit dem Vater Nuger beschlossen hatte — im Galopp nach dem Bahnhof der Paris-Lyon-Mit- tclmehrbahn gebracht und dann auf einer der nächsten Stationen von der Familie in Empfang genommen worden. Der Vater ist bei der Leiche geblieben; als der Sarg aus der Charite in den mit zwei kräftigen Pferden bespannten Leichenwagen gebracht wurde, vergoß der alte Herr heiße Thränen. Die Kränze wurden mit in den Leichenwagen gepackt, worüber die Studenten wütend sind, denn sie wollten, da ihnen der Sarg „gestohlen" war, wenigstens mit den Kränzen einen Umzug halten. Ueber die Verhaftung des mutmaßlichen Totschlägers des bedauernswerten Antoine Nuger wird gemeldet: Ein Polizist, namens Berdelot, der am Samstag in die Brigade des 5. Arrondissements eingetreten war, verschwand am Sonntag, indem er an den Polizeikommissär Lejeune schrieb, der Dienst sei zu hart, er verzichte darauf. Lejeune setzte den Untersuchungsrichter davon in Kenntnis, und jetzt ist Berdelot verhaftet. Man glaubt, Berdelot sei der Polizist gewesen, der Nuger mit dem Zündholzgefäß getötet hat.
Paris, 6. Juli. Um 11 Uhr abends fand ein blutiger Zusammenstoß in der Rue Ecoles statt. Die Polizeisoldaten schossen. Ein Mann wurde durch einen Säbelhieb getötet. Ein Pferdebahnwagen verbrannte vollständig. Man glaubt, er sei mit Petroleum begossen gewesen. Um Mitternacht herrschte Ruhe. Im Laufe des Abends wurden angeblich über 200 Verhaftungen vorgenommen.
" Standesamt Kalw.
Geborene:
30. Juni. Paul Emil, Sohn des Johannes Kling, Cigarrenarbeiters hier.
1. Juli. Helene, T. d. Jakob Braun, Cigarrenarbeiters hier.
Gestorbene:
2. Juli. Leonie Sofie Höfliger, Tochter des Emil Höfliger Technikers hier, 19 Tage alt. 4. „ Friedrich Boley, Schuhmachers Ehefrau
Katharine geb. Böttinger hier, 60 Jahre alt.
4. „ Karoline Riepp, Händlerin hier, 73 Jahre a.
5. Helene Karoline Wid maier, Tochter des
Emil Widmaier, Sattlermeisters hier,
_ 16 Wochen alt. _
Gottesdienst
am Sonntag, den 9. Juli.
Vom Turm: 272.
Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. Feier des heiligen Abendmahls. 2 Uhr Nachm.-Predigt: Herr Stadtpfarrer Eytel.
Mittwoch früh 7 Uhr Betstunde im Vereinshaus.
Amtliche Kekauntmllchmgeu. -
Revier Calmbach.
Arennrinbe-Herkauf.
Am Samstag, den 8. ds. Mts., vormittags 8 Uhr, werden vor der neuen Kälblinghütte 64 Rm. tannene Brennrinde bester Qualität
aus den Abteilungen Steckwinkel und Kälblingswiese verkauft.
Aufgebot.
Der Seifensieder Reinhold Hauber in Calw hat das Aufgebot des angeblich verloren gegangenen Pfandscheins über die von der Unterpfandsbehörde in Calw am 24. November 1865 durch Eintrag in das Unterpfandsbuch Teil IX. Blatt 321 vollzogene Pfandbestellung für die zu 4'/-"/» verzinsliche Darlehensforderung der Pflegschaft des schwachsinnigen Gottlieb Rudolf Kremser von Calw im Betrage von 816 Gulden 19 Kreuzer gegen Johann Christian Köhler, Feilenhauer und dessen Ehefrau Friederike Köhler in Calw, beantragt und ist mit diesem Antrag zu- gelaffen worden. Der Inhaber der Urkunde wird aufgefordert, spätestens in dem auf
Freitag, den 19. Januar 1894, vormittags 9 Uhr,
vor dem Unterzeichneten Gerichte anberaumten Aufgebotstermine seine Rechte anzumelden und die Urkunde vorzulegen, widrigHifalls die Kraftloserklärung der Urkunde erfolgen wird.
Calw, den 4. Juli 1893.
Königliches Amtsgericht. Oberamtsrichter (gez.) Deckin ger. Veröffentlicht durch
Gerichtsschreiber
Nagel.
Calw.
Gläubiger-Aufruf.
In der Nachlaßsache der Louise Seyffer, Postbureaudieners Witwe hier, wurde die Erbschaft mit der Nechtswohl- that des Inventars angetreten. Gemäß Beschlusses der Teilungsbehörde ergeht an die Erbschaftsgläubiger Aufforderung, ihre Ansprüche binnen zwei Wochen hier geltend zu machen, widrigenfalls sie bei dem Auseinandersetzungsverfahren nicht berücksichtigt würden und ihnen nach dessen Durchführung nur das gesetzliche Absonderungsrecht (Art. 40 des Pfandgesetzes) Vorbehalten bliebe.
Am 7. Juli 1893.
K. Gerichtsnotariat.
Sapper.
König!. Amtsgericht Calw.
Aks GerichtsvoMeljer
für die Gemeinde Schmieh wurde der pens. Landjäger Schuhmacher in Calw und als Gerichtsvollzieherstellvertreter daselbst der Gerichtsvollzieher W. Schlee in Calw, je mit dem Wohnsitz in Calw, gewählt und bestätigt.
Den 5. Juli 1893.
Oberamtsrichter D e ckinger.
Dnnkfngun»).
Im Anschluß an die Veröffentlichung durch Hrn. Stadtschultheiß Hoffner in Nr. 77 ds. Bl. erlauben auch wir uns, für alle dort aufgeführten freundl. Gaben an Geld, Kleidungsstücken, Haushaltungsgegenständen u. a. zu Gunsten unserer armen Abgebrannten — namens derselben unfern aufrichtigen und herzlichen Dank auszusprechen, ja vermehrten Dank Jedem und für jede Gabe in dieser sonst so überaus ernsten und sorgenvollen Zeit! Damit verbinden wir die Mitteilung, daß außer den bereits veröffentlichten Gaben uns von Stadt und Bezirk Calw direkt hieher noch zugegangen sind:
A. S. 20 D. Br. 6 Pf. Sch. in Z. 10 E. G. in D. 5 „Ungenannt" Postz. Calw 10 vr. Kl. in H. 3 Teilgemeinde Hofstett 50 Buchb. B. 3 M. Volz, Hünerbg. 10^, Schull. H. in Z. 5-^, N. N., Breitenbg. 3 Stadtpf. E. 5 Not. Sch. in T. 7 Ldjgr. H. in Neuw. 2 Gemeinde Breitenberg 50 Maurer L. in Z. 5 A.-R. F. 5 Gesamtkirch.-Gmde. Zwerenberg 23 H. R. in C. 5 Gemeinde Hornberg 80 N. N. in Z. 2 N. N. Postz. Calw 1 Schulth. G. in H. 3 Verw.-Akt. M. in N. 4 Zus. 317 Auch für diese reichen Gaben unfern herzlichen, innigen Dank!
Neuweiler, 4. Juli 1893.
Hemeinschaftk. Amt.
Pfr. Storz. Schulth. Strehler.