^ 79.
Amts- und Anzeigeblcrlt für den Bezirk (Lalw.
68. Jahrgang.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Samstag, den 8. Juli 1893.
AbonnrmkntiprriS vicrtkljLhrlich in der Stadt So I- Trägerlohn, durch die Post bezvj
L0 Pfg. — ganz Württemberg Mr. l. SS.
bezogen Mk. 1. IS,
Zkg. «»» sonst t»
Amtliche Nekanutmachttngev.
An die OrtsvorÜehrr.
Dieselben werden auf das Reichs-Gesetz vom 19. Juni 1893, betreffend Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher (Reichsgesetzbl. Nr. 24), hin- Hewiesen. Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz wären der K. Staatsanwaltschaft, bezw. soweit es sich um -Z. 367 Z. 16 R.-Str.-G.-B. handelt, dem Oberamt zur Einleitung der Strafverfolgung zu übergeben. Calw, den 6. Juli 1893.
K. Oberamt.
Lang.
K. Amtsgericht Calw.
Bekanntmachung
betr. die Gerichtsferien.
Die Gerichtsferien beginnen am 15. Juli und endigen am 15. September. Während derselben werden nur in Ferien-Sachen Termine abgehalten und »Entscheidungen erlassen.
Ferien-Sachen sind:
1) Straf-Sachen;
2) Arrest-Sachen und die eine einstweilige Verfügung betreffenden Sachen;
3) Meß- und Markt-Sachen;
4) Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern von Wohnungs- und anderen Räumen wegen Ueberlassung, Benützung und Räumung derselben, sowie wegen Zurückhaltung der vom Mieter in die Mietsräume eingebrachten Sachen;
5) Wechsel-Sachen;
6) Bau-Sachen, wenn über Fortsetzung eines an- aefangenen Baues gestritten wird.
Das Gericht kann auf Antrag auch andere Sachen, soweit sie besonderer Beschleunigung bedürfen, «als Ferien-Sachen bezeichnen.
Auf das Mahn-Verfahren, das Zwangsvoll- streckungsversahren und das Konkursverfahren sind die Ferien ohne Einfluß. (Reichsgerichts-Verf.-Gesetz Z 201, 202, 204).
Calw, den 7. Juli 1893.
Oberamtsrichter
Deckinger.
Tayes-Ueuigkeiten.
Calw, 7. Juli. Am Sonntag, den 9. Juli, um 8 Uhr abends, wird im Bad. Hof hier der im Schwabenland bereits wohlbekannte Pianist, Streich- melodion- und Zither-Virtuos M. Ho Huer aus Bamberg ein Conzert geben. Zur Empfehlung des bescheidenen blinden Künstlers diene das im heutigen Blatt enthaltene Programm sowie folgende Notiz der Jagstzeitung aus Ellw-Mgen: Wirklich Ausgezeichnetes leistete gestern abestd der blinde Pianist, Streich- melodion- und Zithervirtous Hr. Hohner aus Bamberg. Die Zuhörer waren sichtlich hochbefriedigt. Die Technik des KlHvierspielS^ist vollendet, der Vortrag korrekt und von tiefem Verständnis. Auf dem Streichmelodion, einer Art Viola mit Stahlsaiten, spielt Herr Hohner mit einer Wärme der Empfindung, die sofort den gottbegnadeten Musiker verrät. Ebenso sind die Zithervorträge etwas ganz Außergewöhnliches, wohl noch nie haben die Zuhörer dieses Instrument so spielen gehört. Beim Anblick des unglücklichen Mannes ist es wohl zunächst das Gefühl des Mitleids das uns ergreift, aber wenn er so hochbegeistert für seine Kunst in die Saiten greift, dann vergißt man, daß man einen Blinden vor sich hat und ergötzt sich nur an seinen Vorträgen.
Zuffenhausen, 4. Juli. Die Diphter- itis grassiert hier seit einigen Wochen und hat schon verschiedene Opfer unter der Jugend dahingerafft;
auch junge Leute über 14 Jahre unterlagen der bös» artigen Krankheit. Auf sanitätspolizeiliche Anordnung wurden die Schulen geschloffen.
Stuttgart, 5. Juli. Dem „Schwäb. Mer» kur" zufolge nimmt der Kaiser im November als Gast des Königs an den Jagden imSchönbuch teil. Das Hoflager wird für diese Zeit wahrscheinlich nach Bebenhausen verlegt.
Stuttgart. Eine Riesenwurst von 2 Meter Länge verdankt einer Wette ihre Entstehung. In einem geselligen Kreise wurde einem der ersten hiesigen Wurstfabrikanten bestritten, daß er eine Wurst in der Länge des Umfanges des Tisches, an welchem die Gesellschaft saß, anfertigen könne. Schon als man sich einige Tage darauf wieder im Restaurant Bechtel traf, lieferte der Wurstfabrikant eine Schinkenwurst von 2 Meter Länge, die sofort verzehrt wurde. Um ein Zerbrechen der Wurst beim Räuchern und dem Transport zu verhindern, war dieselbe mit einem Drahtgestell versehen worden.
Eßlingen. Das XIV. Württ. Landesschießen findet am 16.—18. Juli d. I. in der neu erbauten Schießstätte hier statt. Zahlreiche und wertvoll« Ehrenpreise, worunter Ehrengaben von Ihren Majestäten dem König und der Königin sowie der Stadt- gemeinde Eßlingen sind ausgesetzt.
Vom unteren Echazthal, 5. Juli. Heute in der ersten Mittagsstunde entlud sich ein heftiges Gewitter mit starken Regengüssen und etwas Hagel über unsere Fluren. In Tübingen wurde ein Bauarbeiter vom Blitze erschlagen; im Neckar- und unteren Echazthal wurden vom Sturm di« Früchte niedergelegt und viele Bäume entwurzelt.
Freudenstadt, 2. Juli. Eine schlimme Erfahrung mußte ein Heuer bei der Oberersatzmusterung als tauglich befundener Rekrut machen. Derselb« trank, wohl im Bewußtsein, als Vaterlandsverteidiger
, Iseuikketqn.
- Nachdruck verboten
Karold Kharttons geheime Wege.
Aus dem Amerikanischen von Sophie Freiin v. Zech.
(Fortsetzung.)
„Ich habe ihn selbst weggeschickt", sagte Edward Baylis. «Es gab einen Dringend notwendigen Geschäftsgang."
„Nun dann nichts für ungut, Baylis, das habt Ihr dumm gemacht. Ihr L onntet doch nicht wissen, ob der Bursche nicht zur Unzeit in den Weg kommen würde, wie es auch wirklich der Fall war. So war alle meine Mühe für nicht- und ich habe umsonst die ganze Nacht hinter Stroh und Heuhaufen versteckt im Stalle des Squires gesessen. Ein zweites Mal kann ich das Kunststückche» natürlich nicht aufführen. Ihr müßt mich ohnedies bei dem Squire in Schutz nehmen, der «inen Zorn auf mich hat, daß er mir am liebsten dm Hals umdrehen möchte. Stellt mich meinetwegen als dummen Tölpel hin."
„Das soll geschehen, John," antwortete der Advokat lachend.
John Hivkley trat seinem Herrn näher.
„Nun, wie ist'S?* fragte er. „Kommen wir heute Nacht unter dm drei Eichen am Milford-Hause zusammen, da doch mein Streich mißlungen und die Erbin von Westringham Hall noch frisch und gesund ist."
„Pst!" flüsterte Baylis erschrocken. „Nmne keine Personen. Ja denn, ins Teufels Namen, wir müssen unserm Plan ausführm, es giebt keinen anderen Weg, um Geld zu bekommen. Wenn ich nicht bald zahlen kann, so fallen meine Gläubiger über mich her wie die hungrigen Wölfe. Man pfändet mich aus und meine ganze Stellung ist dahin. So sei es dmn, halte alles bereit, John, was wir brauchen. Du Wirst mich um Mitternacht bei den drei Eiche» finden."
„Ich glaube selbst, daß es für Euch keinen anderen Ausweg giebt," sagte der Bursche mit widerlichem Grinsen. „Man hat eben zu flott gelebt, Maitreff« kosten Geld."
„Schweig, Unverschämter!" antwortete der Advokat zornig, „und thue, was ich Dir sage."
„Wenn die Sache gelungen," murmelte Edward Baylis vor sich hin, indem er in das HauS schritt, „so muß ich mir diesen Burschen vom Halse schaffen, «e wird mir lästig."
12. Kapitel.
Am Abend des Tages, an welchem Eleonore Mostyn durch das durchgegangen« Pferd aufs Neue aus Lebensgefahr errettet worden war, schickte sich Harold Charlto» an sein Quartier zu verlassen, um sich nach der Piratenklippe zu begeben. Als er auf den Hausflur trat, lag auf einem Tischchen, das vor seinem Zimmer stand, ein Brief.
„Dieser Brief ist an Sie, Mr. Charlton," sagte Mary, das Hausmädchen, mit verschmitztem Lächeln. „Der Briefträger hat ihn vorhin gebracht und ich wollt« ihn soeben in ihr Zimmer legen, bin nur vor lauter Arbeit noch nicht dazu gekommen.* Mary war nämlich damit beschäftigt, die Metallknöpfe der Thüren blank zu putzen.
Charlton öffnete den Brief und las ihn beim Licht der Hausflurlampe. Er war sehr kurz und von einer zierlichen Frauenhandschrift in fremder Sprache. Er lautete:
„Liebster, bester Charlton! Bitte, komm doch heute abend ganz gewiß zu uns. Du hast eS nun leichter und brauchst nicht mehr den unangenehmen Weg dulden allen Ziehbrunnen zu machen, um zu uns zu gelangen, denn wir sind jetzt nicht mehr in dem abscheulichen Keller, sondern wieder in dem roten Hause. Heute Abend feiern wir Felix' Wiedergenesung. Du mußt natürlich dabei sein; wenn Du nicht kommst, liebster Harold, dann hol« ich Dich selbst ab. Elma."
(Fortsetzung folgt.)