78. Amts- und Anzeigeblalt für den Bezirk (Lalw. 68. Iahrsaur.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und -Zebung 9 Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Samstag, nächster Um-
Donnersla
S>
den 6. Juli 1893.
Abonxementipni« vierteljährlich so Pfg. Trägerlohn, durch die Post ganz Württemberg MI. l. SS.
in der Stadt so ' bezogen MI. l. iS,
!g. und sonst t»
H e r r e n b e r g.
Krgeöniß der Aeichslagswaht im VII. Württemöergischen Wahlkreis.
Die am 15. d. Mts. vollzogene Wahl eines Abgeordneten zum deutschen Reichstag im VII. Württembergischen Wahlkreis hat nachstehendes 6
Oberamtsbezirk.
Wahl
berechtigte.
Gütige
Stimmen.
Hievon fielen auf
Zer
splittert.
Abstimmende.
Areiherr W. v. Härtlingen.
Meinhard Gleß,
Bauunternehmer in Stuttgart.
HottkieV Mroß,
Handschuhmacher in Eßlingen.
Landrichter Kröver in Heilbronn.
Calw
5093
4172
4162
2239
1679
233
2
9
Herrenberg
4979
3896
3893
1821
1902
12
155
3
Nagold
4925
3820
3816
2123
1637
14
34
8
Neuenbürg
5358
3872
3862
2106
1356
394
2
4
j 20355
15760
15733
8289
6574
653
193
24
Hienach ist Herr Landgerichtsrat Freiherr Wilhelm von Giiltlingen in Stuttgart als gewählt verkündigt worden.
Herrenberg, den 19. Juni 1893.
Wahlkommissär: Oberamtmann Voller.
Deutsches Reich.
Berlin, 4. Juli. Die Blätter besprechen Lie Eröffnung des Reichstags. Die Na- tionalzeitung schreibt, noch herrsche zwar Unsicherheit Uber das Schicksal der Militärvorlage; allein hoffentlich werde der Reichstag Deutschland nicht abermals in heftige innere Kämpfe stürzen. Die Vossische Zeitung hält die Schlacht für die Opposition verloren. Es sei für diese notwendig, sich auf eine veränderte Lage einzurichten. Der Vorwärts meint, noch kein Reichstag sei so wenig nach dem Geschmack der herrschenden Klassen und Parteien gewesen. — Die meisten Fraktionen
hielten gestern Sitzungen ab. Bei den Polen soll die Richtung für die Heervorlage die Oberhand gewonnen haben.
— Ahlwardt hat, wie von verschiedenen Blättern berichtet wird, in einem „Offenen Wort" an die Wähler von Arnswalde-Friedeoerg erklärt:
Sie (die conservativen Gegner) sagen, ich sei schuld an der Ausdehnung der Sozialdemokratie. Das ist unwahr. Die Junker und Juden, die das Volk ausschinden und zur Verzweiflung treiben, sind daran schuld.
Nicht ohne berechtigten Prophetenstolz bemerkt dazu die „Nationalzeitung": Als wir den Conservativen vorhersagten, die Ahlwardt und Genoffen
würden sich als die richtigen Leute für die „Landagitation" der Sozialdemokratie erweisen, haben di« Vorkämpfer der konservativen Tivoli-Politik es nicht geglaubt. Jetzt haben sie es schwarz auf weiß, daß „der Junker dasVolk ebenso ausschindet, wie der Jude" und unter diesem Feldruf werden den Conservativen die sichersten Wahlkreise, nach Arnswalde-Friedeberg z. B. Neustettin, wo früher jeder Angriff auf den konservativen Besitzstand aussichtsloserschien, abgenommen. — Das „Berl. Tagebl." fügt noch eine interessante Meldung hinzu. Danach hat Ahlwardt in einer Volksversammlung die Einführung einer Wappen- und Titelsteuer vorgeschlagen: für einen gewöhnlichen Edelmann
Is erriete ton.
Nachdruck verboten
Karold Kharttons geheime Wege.
Aus dem Amerikanischen von Sophie Freiin v. Zech.
(Fortsetzung.)
„Ja, Geliebte. Halte Dich an mich, ich will Dich herunter heben. Fürchte das Pferd nicht, cs ist nun ganz ruhig."
Er hob sie aus dem Sattel und schloß sie zärtlich in seine Arme.
Nun kam die Farbe in Eleonores Wangen zurück und das glückliche Licht in ihre Augen.
„Wie kommst Du hierher, Harold, zu so gelegener Zeit?" fragte sie.
„Ich hatte in das nächste Dorf einen Geschäftsgang für meinen Chef zu machen," antwortete der junge Mann, „dabei ging ich auf einem Umweg, um an dem Park vorüber zu kommen, in der Hoffnung, Dich zu sehen, Geliebte. Ich hätte Dir so viel zu sagen."
„Was denn?" fragte Eleonore neugierig. „Aber sage e» jetzt nicht, ich höre Papa heransprengen. Er wird im nächsten Augenblick um die Biegung des Weges kommen, Du wirst es mir heute Abend sagen, denn Papa wird Dich zum Esten «inladen, Du bist doch mein Lebensretter, er ist Dir zu großem Dank verpflichtet. -Ein wahres Glück, daß mein Schimmel mit mir durchgegangen ist. Sollen wir nicht jetzt gleich meinem Vater unsere Lieb« gestehen? Sprich rasch, Harold, wir haben keine Zeit zu verlieren."
„Nein, Eleonore, es wäre unckiel von mir, Deines Vaters Dankbarkeit zu benutzen, um sein höchstes Gut von ihm zu verlangen, da» widerstrebt mir."
Eleonore senkte betrübt dm Kopf, aber sie mußte dem Geliebten recht geben.
„Mein teures Kind!" rief der Squire, als er vom Sattel sprang und feine
Tochter auss Tiefste bewegt in die Arme schloß. „Ich hoffte nicht, Dich lebend ui^ unverletzt wieder zu sehen. Ich bin wohl diesem Herrn hier zu Danke verpflichtet."
Er blickte bei diesen Worten Charlton an, der sich mit feinem Anstand verbeugte.
„Mein Verdienst ist nicht der Rede wert," antwortete er. „Was ich grthan habe, hätte jeder andere, der zufällig des Weges gekommen, auch gethan."
Harold Charlton mußte auf jeden Menschen einen gewinnenden Eindruck machen. Wie er so dastand, schlank und doch kräftig gewachsen» mit gerötete» 'Wangen und leuchtenden Augen, denn die Gegenwart des Vaters der Geliebte» versetzte ihn in Auflegung, war er wirklich ein schöner, aristokratisch aussehender junger Mann.
„Wenn ich nicht irre," sagte der Squire, Charlton wohlgefällig betrachtend» „so habe ich Sie schon gesehen. Ihr Gesicht ist mir so bekannt."
„Das kann schon sein," antwortete Harold, „denn ich wohne in Wsstringham und bin erster Clerk im Bureau des Advokaten Baylis. Mein Name ist: Harold Charlton."
Der Squire hielt dem Retter seiner Tochter beide Hände entgegen. „Erlauben Sie mir, Mr. Charlton, Ihnen meinen innigsten Dank auszusprechen", sagte er in warmem Tone. „Ein solcher Dienst läßt sich nicht vergelten. Ich bin zeitlebens Ihr Schuldner, denn ohne Sie war ich der ärmste Mann auf der Welt."
Ein dunkles Rot der Beschämung überflog Charltons Wangen. „Was würde der Squire sagen, wenn er die Wahrheit wüßte", dachte er bei sich. Unwillkürlich blickte er Eleonore verstohlen an, welche ebenfalls verlegen und beschämt mit niedergeschlagenen Augen bei Seite stand.
„Es war Edwards Stallknecht, der wie ein Wilder hinter der Hecke hervor» stürzte und unsere Pferde scheu machte", sagte der Squire zornig. „Ich werde de» dummen Burschen den Kopf tüchtig zurechtsetzen, sobald ich ihn sehe. U-brigens begreife ich gar nicht, was in Deinen Grauschimmel gefahren ist, Eleonore, er ist doch sonst fromm wie ein Lamm. Fühlst Du Dich stark genug, mein Kind, nach