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sch, der auch dieses Jahr einen recht befriedigenden Stand aufweist. Das hiesige Schultheißenamt richtete angesichts der Futternot an das K. Kameralamt das Gesuch, es möchten die Erträge von etwa 50 Morgen um den Durchschnittspreis der letzten Jahre der Gemeinde zuerkannt werden. Die K. Domänendirektion hat diesem ihr vorgelegten Gesuch entsprochen und die Gemeinde hat nun das Futter an die bedürftigsten Viehbesitzer, bei denen die Erhaltung eines normalen Viehbestandes sehr in Frage stand, um den Selbstkostenpreis abgetreten. Der K. Domänendirektion zollt die ganze Gemeinde aufrichtigsten Dank für dieses Entgegenkommen. Bei der heutigen Versteigerung der übrigen 70 Morgen wurden bei überaus starker Nachfrage pro Morgen durchschnittlich 70 ^ bezahlt und so bei diesem Komplex ein Mehrerlös gegen das Vorjahr von 3400 ^ erzielt.
Saulgau, 28. Juni. Vorgestern wurde der Taglöhner Konrad Blaich er von Beizkofen wegen versuchter Brandstiftung vom Schwurgerichtshof Ravensburg zu 2 Jahren und 6 Monaten Gefängnis, 600 ^ Geldstrafe und fünfjährigem Ehrenverlust verurteilt. Gestern nun stellte sich der Sohn des Verurteilten in Ravensburg mit dem Geständnis, sein Vater sei unschuldig und er der Brandstifter. Untersuchung gegen den sofort Inhaftierten ist eingeleitet.
8. 6. Pforzheim, 29. Juni. Das furchtbare Gewitter, das sich gestern Abend über unserer Stadt entlud, hatte 2 Blitzschläge in einige hiesige Häuser im Gefolge, glücklicherweise ohne zu zünden.
Pforzheim, 29. Juni. Die hiesige Bijouterie-Fachausstellung neigt sich ihrem Ende zu, indem es nach Ueberwindung verschiedener Schwierigkeiten noch gelungen ist, den Schluß bis zum Montag, 3 Juli hinauszuschieben. Am Sonntag, 2. Juli hat die Generaldirektion der badischen Eisenbahnen in zuvorkommender Weise den Besuchern dadurch eine bedeutende Fahrpreisermäßigung eingeräumt, daß die auf badischen Stationen nach Pforzheim gelösten und mit dem Ausstellungsstempel versehenen einfachen Fahrkarten als Rückfahrkarten giltig sind. Der Erfolg der Ausstellung ist infolge der Vielseitigkeit und der außerordentlich geschmackvollen Ausführung der Ausstellungsgegenstände, welche in der letzten Zeit noch durch höchst interessante Schmucksachen Pforzheims aus alter Zeit vermehrt wurden, ein unerwartet großer und das Lob über die Leistungen und das Arrangement in Fach- und Laienkreisen ein ungeteiltes. Besonders ehrend für die Ausstellung war der Besuch des Großherzogs und des Erbgroßherzogs von Baden, welche dieselbe mit großem Interesse einer eingehenden Besichtigung unterzogen und derselben ihre volle Anerkennung zu Teil werden ließen. Ferner wollen wir noch erwähnen den Besuch des Prinzen Hermann
von Weimar aus Stuttgart, verschiedener Minister und Ministerialvertreter aus Karlsruhe und Stuttgart, der Vertreter verschiedener höherer Schulbehörden, zahlreicher Kunstgewerbrvereine und Kunstinstitute u. s. w. Jeder Besucher trug den Eindruck mit sich fort, daß die Ausstellung der Bedeutung der Pforz- heimer Bijouterie-Weltindustrie in jeder Weise entsprach.
Berlin, 28. Juni. Bis Mittag sind 392 von 397 Wahlen bekannt, davon 75 Konservative, 23 Reichspartei, 53 Nat.-Lib., 13 freis. Vereinigung, 25 freisinnige Volkspartei, 11 süddeutsche Volkspartei, 92 Zentrum, 2 bayr. Bauernbund, 7 Welfen, 19 Polen, 1 Däne, 10 Elsäßer, 17 Antisemiten, 44 Sozialdemokraten. Danach haben gewonnen die Konservativen 11, die Reichspartei 5, die Nationalliberalen 12, die Antisemiten 12, die Sozialdemokraten 8, die Polen 3, die süddeutsche Volkspartei 1 Sitz. Verloren haben das Zentrum 9, beide freisinnige Gruppen zusammen 28, die Welfen 3. — Rechnet man die Elsässer zur Hälfte für, zur Hälfte gegen die Militärvorlage, so ergeben sich 205 Stimmen für und 187 gegen die Vorlage. Dabei ist das Zentrum als geschloffener Gegner, die freisinnige Vereinigung, die Polen und die Antisemiten geschlossen für die Militärvorlage gerechnet.
Berlin, 29. Juni. Alle 397 Wahlen sind nun bekannt; davon 75 Konservative (bisher 68), 23 Reichspartei (bisher 18), 53 Nat.-Lib. (bisher 42), 14 freisinnige Vereinigung und 24 freis. Volkspartei (zus. 38, bish. zus. 67), 11 süddeutsche Volkspartei (bish. 10), 96 Zentrum (bish. 103), 3 bayr. Bauernbund, 7 Welfen (bish. 10), 19 Polen (bish. 17), 10 Elsässer (ebenso), 17 Antisemiten (bisher 6), 44 Sozialdemokraten (bish. 36).
Das „Elf. Journal" schreibt: Ein Schweinehändler in Rosheim hat in der Umgegend von Schlettstadt gegen ein junges Schwein ein noch ziemlich brauchbares Pferd eingehandelt. Und ferner: Ein Ackersmann von Schiltigheim wollte vorige Woche zwei junge Pferdchen, die er nicht mehr ernähren konnte, ertränken. Eine barmherzige Seele trat noch rechtzeitig ein und kaufte die beiden Tiere für 4 Ein Doppelgespann für 4 <^!
Wien, 29. Juni. Die Distanzradfahrt von Wien nach Berlin begann heute Früh in Anwesenheit eines zahlreichen Publikums. Von 150 genannten Radfahrern starteten 117 in 15 Gruppen in Zwischenräumen von 5 Minuten.
Wien, 27. Juni. Hier feierte gestern ein Deutschmeisterveteran seinen hundertsten Geburtstag. 1813 wurde er ausgehoben, machte die Franzosenkriege mit, diente bis 1825 in der Polizeiwache und betrieb dann bis zu seinem 88. Lebensjahre die Schusterei. Seit vielen Jahren verwitwet, lebt der alte Herr notdürftig von der Unterstützung,
die ihm die Commune Wien gewährt. Er wohnt bei einer Frau Steffel, 3. Bezirk, Kainergaffe Nr. 25. Mit großer Lebhaftigkeit, sagt das „N. Wiener Tagbl.", erzählt er Erinnerungen aus seinem Leben. Auf die Frage, ob ihn das Leben noch freue, er- wiederte er: „Gewiß! So a zwanzig Jahrln möcht' ich noch gern' leben!"
Zum Untergang der Viktoria. An dem Kriegsgericht, das in Malta nach Verlauf von drei Wochen abgehalten werden soll, wird ein Mitglied des Londoner Marineamts teilnehmen. Admiral Markham und die Offiziere des Camperdown werden auf der Anklagebank sitzen. Augenblicklich heißt cs, daß an dem Unfall die neue, von Admiral Tryon eingeführte Signalordnung die Schuld getragen; die Flaggensignale werden darin durch einen Kegel am Maste ersetzt. Die „Times" hat einen Sonderberichterstatter an Ort und Stelle gesandt; er ermittelte, daß zwischen Zusammenstoß und Untergang nur 11 Minuten lagen. Admiral Tryon gab der Viktoria die Richtung gegen das Land, um sie festzufahren. Die an Bord befindlichen Kranken und Gefangenen, sowie die ganze Besatzung wurden auf die Schiffsbrücke beordert. Durch das große Leck drang das Wasser rasch ein; das Schiff sank mit dem. Bug voran. Tryon befahl: „Rette sich, wer kann!" und alles stürzte sich in die Wogen hinab, Tryon allein blieb auf der Kommandobrücke stehen. Die Viktoria nahm, in der Bewegung fortfahrend, immer mehr eine senkrechte Stellung ein, das Hinterteil über dem Wasser. Darauf legte das Schiff sich zur Seite, sank mehr und mehr und war nach 10 Minuten im Wirbel verschwunden. Zwei Explosionen verrieten die letzten Spuren der Viktoria. England ist in den letzten 30 Jahren von Schiffsunglücken in seiner Flotte stark verfolgt worden. Nach einer Zusammenstellung der „Times" sind von 1863 bis 1893 nicht weniger als 11 Schlachtschiffe verloren gegangen mit einem Menschenverlust von im ganzen 1795 Mann.
Paris, 28. Juni. Auf der Sekundärbahn bei Monpellier fand ein Zusammenstoß zweier Eisenbahnzüge statt, 22 Personen sind verwundet, darunter mehrere tötlich.
Standesamt Kaln».
Geborene:
23. Juni. Anna Frieda, T. d. Jakob Schneider, Maschinenstrickers hier.
Gestorbene:
23. Juni. Wilhelm Kolb, Kleiderhändlers Ehefrau Christine geb. Deisinger hier, 57 I. a.
Gottesdienst
am Sonntag, den 2. Juli.
Vom Turm: 385. Predigtlied: 385.
Vorm.-Predigt: Herr Stadtpfarrer Ey tel. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 2 Uhr Vortrag im Ver- einshans: »Die Uebergabe der Augsburgischen Konfession": Herr Stadtpfarrer Eytel. Das Kirchenopfer ist für den ev. Kirchenbau in Sontheim bei Heilbronn bestimmt. Mittwoch früh 7 Uhr Betstunde im Vereinshaus.
Kirchenbuchs nahm? Nun, Mylord, ich will es ihnen sagen. Weil kurz vor dem Tode Sir Bernards ein Brand im Pfarrhause des kleinen Dorfes ausbrach und sämtliche Bücher im Archive desselben verbrannten, also auch das Kirchenbuch. Das Schicksal scheint Sie wirklich zu begünstigen, Mylord, so daß Sie unangefochten Lord Brackenburg bleiben können."
„Was hätte ich auch noch zu fürchten, wenn das Kirchenbuch verbrannt, der Geistliche gestorben und der Trauschein vernichtet wurde?" rief Lord Walgram in wegwerfendem Ton.
„Höchstens den verschollenen Matrosen, welcher Zeuge bei der Trauung war. Ich glaube zwar nicht, daß er noch lebt."
„Er wird tot sein," sagte der junge Peer, sich selbst zur Beruhigung. „Nun aber, da Sie Alles so genau wissen, so sprechen Sie. wie alt waren die beiden Söhne meines Onkels, als er starb und was ist aus ihnen geworden?"
„AuS dem Briefe, den Beatrice nach dem Tode ihres Gatten an Mr. Scott schrieb, geht hervor, daß die Knaben damals acht Jahre alt waren. Der eine heißt Felix, der andere Harold. Sie sind natürlich in Portugal erzogen worden, ganz mittellos wird Beatrice nicht zurückgeblieben sein, denn Sir Bernard hatte ein hübsches HauS in Oporto gekauft, das nun seiner Witwe blieb. Von Felix weiß ich nichts, er ging wahrscheinlich zur See; aber Harold, gerade derjenige, der eine Stunde früher das Licht der Welt erblickte, tauchte plötzlich hier in England auf. Harold Charlton kam vor ohngefähr einem Jahre zu mir und fragte nach Beschäftigung in meinem Bureau."
„Und Sie nahmen ihn an?" fragte Lord Walgram mißtrauisch.
„Ich sagte Ihnen bereits. Mylord, daß ich erst vor Kurzem die Briefe fand, auS denen ich die ganze Geschichte erfuhr."
„Weiß Harold von seinen Ansprüchen?"
„Ja, Mylord, ich bin überzeugt, daß er Alles weiß. Vielleicht ist er nur deshalb in mein Büreau gekommen, um im Geheimen nachzuforschen."
Lord Brackenburg begriff, daß es jetzt seine Aufgabe war, den Advokaten auf seine Seite zu bringen. Derselbe mußte ihm die Briefe ausliefern, die, wenn auch gerade kein schlagender gerichtlicher Beweis der Ehe, doch immerhin fatal für ihn sein konnten, fielen sie in Charltons Hände. i
„Baylis", sagte er in vertraulichem Ton, indem er dem Advokaten freundschaftlich auf die Achsel klopfte, „stehen Sie auf meiner Seite, es soll ihr Schade nicht sein. Die Brackenburgs wissen Dienste zu belohnen. Sie werden es doch nicht vorziehen diesem Charlton zu helfen. Lord Brackenburg zu werden?"
„Bewahre, Mylord! Ich Haffe diesen Menschen und habe meine Gründe dafür, er ist mir im Wege."
„So schaffen wir ihn auf die Seite, machen wir ihn unschädlich. Sie sind ein feiner Kopf, Baylis, ersinnen Sie etwas. Es braucht kein Mord zu sein. Wenn er mir nur für immer aus dem Dstge ist."
„Mylord, ich bin der Ihrige. Es giebt noch ein Geheimnis bei dem Aufenthalt Charltons dahier. Ich durchschaue es noch nicht ganz, doch wenn die Sache sich so verhält, wie ich vermute, so hat sich mein Clerk in Dinge verwickelt, die ihn mit den Gesetzen in Konflikt bringen und ihm jedenfalls auf Jahre freie Wohnung in einem Staatsgefängnis verschaffen. Ich habe John Hinkley beauftragt, die Sache auszuspionieren."
„Wer ist John Hinkley?"
„Mein Stallknecht, Mylord. Sie haben ihn gewiß schon gesehen."
„Ja, jetzt erinnere ich mich seiner. Er hat jedoch das Aussehen eines Tölpels."
„Er ist aber kein Tölpel, Mylord, er ist vielmehr ein schlauer Bursche, und wenn er ein Geheimnis ausspüren will, so spürt er cs auf."
„Wenn aber Chattton keine gesetzwidrige Handlung begangen?" fragte Lord" Walgram zweifelnd.
(Fortsetzung folgt.)