«nhr es ist ein schwacher Trost, daß sich wenigstens die stürd. Bolkspartei in Württemberg wacker genug gehatten hat, um gleich im ersten Wahlgang eine Lrytchl von Mandaten zu erringen. Die Richter'sche Zeitung schreibt:Die Strömung nach links haben wir unterschätzt, die Stimmung gegen die Militär­vorlage kam mehr der Sozialdemokratie als der frei­sinnigen Volkspartei zu gute.* Nach den neuesten Resultaten haben die Richter'schen Freisinnigen be­reits 21 Mandate verloren. Zentrum und Kon­servative scheinen dieselbe Zahl zu behalten. Das Schicksal der Militärvorlage läßt sich noch nicht über­sehen. Die Stichwahlen sollen erst am 26. Juni stattfinden.

Die schärfste Verurteilung des demokratischen Treibens im letzten Wahlkampfe enthält, so schreibt derSchw. M." wer sollte es glauben? die Freisinnige Zeitung E. Richters. Um den Mißerfolg der Freis. Volkspartei zu beschönigen, spricht dieses Blatt, nachdem es im Wahlkampfe die demokratische Aufwühlung aufs Aeußerste getrieben, nachdem es das Seinige gethan, um kein gutes Haar an der Militärvorlage, an der Regierungspolitik, am alten und neuen Kurs zu lassen, jetzt unumwunden das Geständnis aus, daß diese Arbeit nur den Sozial­demokraten zu Gute gekommen sei. Man traut seinen Augen kaum, wenn man in Richters Blatt liest:Diese oppositionelle Stimmung (die Erregung gegen die Militärvorlage) ist am Wahl­tage selbst in weit höherem Maße der Sozialdemo­kratie als der freisinnigen Volkspartei zu Gute ge­kommen." DieStrömung nach links" habe den Sozialismus gefördert, vom Sozialismus sei der Freisinnüberholt" worden u. s. w. Also haben mit uns alle diejenigen Recht gehabt, die, nicht erst in den letzten Wochen, sondern seit Jahren schon, vor dem Abgleiten nach links unablässig gewarnt haben, weil es mit Naturnotwendigkeit erst unten bei der Sozialvemokratie und endlich bei dem, was auf sie noch folgen kann, endigen werde! Nie­mand laste sich übrigens einreden, daß nur die Ab­neigung gegen die Militärvorlage jene Er­scheinung, über die jetzt geklagt wird, hervorgerufen habe. Die Abneigung gegen die Militärvorlage ist den Leuten erst zuletzt eingeredet worden, während sie mit dem Haß gegen» die Regierung und alles höher Stehende schon längst vorher reichlich getränkt waren. Da stehen nun die Führer, die das Unheil angerichtet haben, schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und klagen beweglich, aber nicht, weil sie wirklichdes Volkes jammert", sondern weil sie fühlen, wie ungeschickt sie ihre Sache gemacht haben, weil sie sehen, wie ihnen der Stab, mit dem sie die Menge bisher geleitet, aus der Hand genom­men wird. Und es war so schön zu herrschen, wenn auch nur in dröhnenden Volksversammlungen, die man mit wildem Haß oder faulen Witzen, je nach­

dem, so lange zu traktieren verstand, bis einige er­hitzte, Lberdankbare Jünglinge bereit waren, sich selbst, anstatt der Pferd«, an den Wagen des Tribunen zu spannen. Ach nun walten die Andern, die das Handwerk noch bester verstehen, walten da, wo einst Richter, Baumbach, Munckcl und Genossen wohl­feile Triumphe gefeiert. Und auch Ahlwardt ist unter den Nachfolgern, auch Fusangel und dazu eine neue muntere Erscheinung: Dr. Sigl: sie alle, die unausbleiblichen Erzeugnisse eines Prozesses, der wie ein Naturprozeß verlauft: des berühmten Um­schwungs nach links. Ob es noch Zeit ist, auf diesem Wege Halt zu machen, umzukehren? Ja wohl; in wenigen Tagen werden die Stichwahlen dazu Gelegenheit bieten.

Berlin, 17. Juni. Bisher ist entgegen früheren Wahlberichten kein einziges Mitglied der freisinnigen Partei Richter, sondern nur 5 Mitglieder der süddeutschen Volkspartei als gewählt festgestellt. Die freisinnige Volkspartei büßt 23 Wahlkreise de­finitiv ein. Mit dem bisherigen Freisinnigen Wöll- mer im Kreise Jerichow kommt Herbert Bismarck in die Stichwahl.

Berlin, 17. Juni. Hinze ist, wie gemeldet, in seinem früheren Wahlkreise durchgefallen. Es findet dort Stichwahl zwischen dem Sozialisten und dem Nationalliberalen statt. Die Aussichten für A n- nahme der Militärvorlage dürfen heute be­reits durch den Mahlausfall wesentlich gebessert bezeichnet werden, wenn auch sichere Mehrheit rech­nungsmäßig b s jetzt nicht feststeht. Nationalliberale sind endgiltig gewählt: 17, Konservative 23, Frei­konservative 12, Polen 9, Freisinnige Vereinigung 2, Klerikale für die Militärvorlage 4, Zentrum 33, Sozialisten 27, Demokraten 6, Deutschfrei­sinnige Volkspartei keiner. Dazu 6 El­sässer, 1 Däne; zusammen 140. Nationalliberale kommen bis jetzt in 63 Stichwahlen.

Tayes-Neuigkeiten.

Ein Bericht über das Gau fest des Enz- und Nagold-Gau-Sängerbundes in Unterreichen­bach mußte für die nächste Nummer zurückgestellt werden.

Der NagolderGesellschafter" enthält ein Eingesandt, in dem besprochen ist, daß angesichts der landw. Notlage viele Bauern gerne die Kosten tragen würden, wenn durch die Mannschaften der Feuerwehr auch der Brand auf Wiesen und Aeckern längs der Nagold gelösrt würde. Die Idee ist nicht zu mißachten, wir glauben aber, daß die Ausführung derselben nur dann Nutzen brächte, wenn die Gutsbesitzer mit ihren Leuten die anstrengende Arbeit selbst übernehmen. Durch Schwellen von zu Thale gehenden Quellen, die bisher noch nicht alle versiegt waren, und Längsleitung in die Wiesen,

hätte an manche» Orten schon mehr geschehen oder verbessert werden können.

Eßlingen, 15. Juni. Die Obstdiebe fangen bereits an, ihr Unwesen zu treiben. Am Sonntag abend machte der Weingärtner Diehl von Serach einen Spaziergang auf sein beim städtischen Hopfengarten gelegenes Baumgut und fand da auf einem seiner Kirschbäume einen jungen Mann, der die reifen Kirschen nicht einzeln pflückte, sondern geradezu die Zweige mit den Früchten abknickte und solche auf den Boden warf, wo sein Begleiter die­selben sammelte und in ein Kinderwägelchen legte, das bereits halb mit Zweigen angefüllt war. Als der Eigentümer die beiden wegen ihres Treibens zur Rede stellte, griffen sie ihn an und mißhandelten ihn unbarmherzig, und darauf ergriffen sie mit ihrer Beute die Flucht. Die Sache ist nun der Polizei übergeben, der es wohl gelingen wird, die Thäter zu ermitteln, damit dieselben zur Strafe gezogen werden können.

In Reutlingen kam es am Abend des Wahltages zu groben Ausschreitungen. Eine joh­lende Menge füllte den Marktplatz und warf unter dem Rufe:Payer hoch!" die Fensterscheiben im Polizeigebäude ein. Fortgesetzter Zuspruch, von dem Skandal abzustehen und den Platz zu verlassen, war erfolglos. Schließlich mußte die Schutzmannschaft und die zur Hilfe beibezogene Landjägermannschaft blank ziehen, um den Platz zu räumen. Untersuchung ist eingeleitet.

Aus Reutlingen, 13. Juni, schreibt man dem Neuen Tagbl.: Wie wir hören, erregt die Ausstellung der hiesigen Frauenarbeitsschule in Chicago, deren Kosten sich auf etwas über 1000 belaufen werden, dort großes Interesse. Dies ist um so erfreulicher, als es Heuer gerade 25 Jahre sind, seit die Frauenarbeitsschule auf Anregung des Zeichenlehrers Lachenmayer durch die Kgl. Zen­tralstelle und die Stadt Reutlingen gegründet wurde.

Vaihingen a. E., 16. Juni. Heute früh ließ ein Bauer selbstgeschlachtetes gesundes Rind­fleisch, das Pfund zu 30 gleich darauf em Metzger das Pfund sogar zu 25 ^ ausrufen.

Heilbronn, 16. Juni. Wie vorauszuseheir war, ist das Ergebnis unserer Wahl eine Stichwahl zwischen Mayer und Haag. Als die Zahle» aus der Stadt bekannt wurden, glaubte man einen Augenblick an eine Stichwahl zwischen Mayer und Kittler, die einen Sieg des ersteren bedeutet hätte. Möglich ist nun, daß Haag als Sieger aus der Stichwahl hervorgeht, denn die Sozialisten wer­den ohne Zweifel für ihn eintreten, obgleich sie irr ihren Versammlungen kein gutes Haar an ihm ließen. Krttler erhielt noch einmal so viel Stimmen wie bei der vorletzten Wahl, nämlich 4949 gegenüber von 2416. Auch Gröber erhielt die doppelte Stimmen-

liche Hülfe zu leisten, wie in früheren Jahren. Tabak und Spirituosen hatte cs gewöhnlich als Lohn von Seite der Schmuggler dabei abgesetzt, oder auch einen hübschen Sattel, eine fremdartig aussehende kostbare Pfeife und für die Frau Pächterin einen seidenen Stoff und Spitzen. Auf diese Weise hatten die Schmuggler die Bewohner der ganzen Umgegend zu heimlichen Freunden gehabt und wären nicht in Verlegenheit gewesen, sich zu verstecken, wenn die Küstenwächter sie nicht zu hart verfolgt hätten.Wie es damals war, wird es wohl heute noch sein," dachte Eleonore. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, daß es noch einen andern Eingang in die Höhlen gab, als denjenigen, den sie gefunden. Sie schauderte, wenn sie an die Gefahr dachte, in der sie geschwebt.

Eleonore erinnerte sich in diesem Augenblick lebhaft daran, daß sie vor ein paar Jahren mit einer fröhlichen Gesellschaft junger Leute aus Westringham einen Nachmittag auf dem grasbewachsenen Uferstreifen zugebracht hatte. Man hatte auf dem kleinen Feuerherd, der sich dort befand, Thee gekocht und Schauergeschichten vom Piraten Goss erzählt, dissen Geist um Mitternacht auf der Klippe umher irren sollte. Als man sich m>1 Essen und Trinken gehörig gestärkt, war man auf die Klippe hinauf gestiegen, um die herrliche Aussicht auf die See zu genießen und dann hotte die ganze Gesellschaft unter Lachen und Scherzen die Klippe, so weit dies möglich war, von ollen Seiten untersucht, um einen geheimen Eingang in die sagenhaften Felsenhöhlen zu finden, welche in dem Keller des roten HausaS aus­münden sollten. Die Töchter Mr. Hastings, des damaligen Besitzers des roten HauseS, waren mit bei der Partie gewesen und hatten lachend erklärt, daß für sie diese Entdeckungsreise gewiß am interessantesten sei, vielleicht fänden sich in den Kellern noch allerlei verlassene und vergessene Schätze, auf welche sie den ersten Anspruch hätten. Eleonore hatte damals herzlich gelacht über die vergebliche Expedition und jetzt sah sie mit eigenen Lugen, daß die Felsenhöhlen existierten. Einen AuSgang mußten sie haben, wenn auch nicht in dem Keller de» roten Hauses, so doch an einer andern Stelle, denn wie brächte« dir Schmugler ihre Waren her­aus und landeinwärts?

Wie sie noch darüber nachfinnend in der «eiten Felsenhöhle stand, hörte sie

plötzlich menschliche St'wmen, die aus den Eingeweide» der Erde zu kommen schienen», sie blickte nach der Richtung hin, von welcher dieselben ertönten und gewahrte jetzt erst, daß noch eine Öffnung in dem Felsen war, die augenscheinlich tiefer hinab­führte. Die menschlichen Stimmen kamen näher und Eleonore erkannte die eine derselben als die einer Frau, die andere, eine männliche Stimme, schien ihrer auf­geregten Phantaüe diejenige Harolds zu sein. Klopfenden Herzens verbarg sich Eleonore hi» ter einem großen Waarenballen und da sie ein dunkles Kleid trug und die Laterne sehr trübe brannte, so war sie beinahe gar nicht sichtbar, wenigstens nicht für einen flüchtig vorüberstreifenden Blick. Die beiden Sprechenden, ein Herr und eine Dame, traten im nächsten Augenblick aus der dunklen Öffnung des Felsens" Eleonore strengte alle ihre Sehkreft an, den Herrn zu erkennen. Er war schlank gewachsen und blond wie Harold und seine Stimme glich derjenigen des Geliebten auffallend, die Züge seines Gesichtes konnte sie nicht genau erkennen, sie schienen ihr aber auch denjenigen Harolds ähnlich zu sein, dennoch lag in der ganzen Art und Weise des jungen Mannes etwas ihr Fremdes, was nicht an Harold erinnerte. Eleonores Herz wurde von den nagendsten Zweifeln gequält. War dies Harold oder war er es nicht? Hätte sie nur ein Wort von dem verstanden, was die beiden zusammen sprachen. Es war für sie unmöglich, denn das Gespräch wurde in portugiesischer Sprache geführt. Hatte nicht Harold ihr einmal erzählt, daß er seine Kindheit in Potugal zugebracht? Kein Zweifel, eS war doch Harold. Wer war die schöne junge Dame, um die er jetzt zärtlich den Arm schlang? Eleonores. Herz loderte in wilder Eifersucht. Fast wäre sie aus ihrem Versteck herausgestürzt und hätte sich trennend zwischen die beiden gestellt. War es denn möglich, daß Harold so falsch gegen sie sein konnte? Diese Dame war also das Hindernis, welches plötzlich zwischen sie und den Geliebten getreten? Sie war wahrscheinlich eine Ge­liebte aus seinen ersten Jugendjahren? Aber wenn die Dame im roten Hause wohnte, wie Edward Bayüs ihr gesagt, so konnte sie Niemand anderes als Mrs.. Clärens sein, die Gattin des gegenwärtigen Besitzers desselben. Sie war alsdann ebenfalls die Treulose, denn sie hielt hier im Keller heimliche Zusammenkünfte mit-

einem Liebhaber.

(Fortsetzung folgt.)