Amts und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw
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Erscheint DrenStag, Donnerstag und Samstag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Tayes-Neuigkeiten.
Calw. Der Wahlkampf ist beendet. Das freie „Volk" hat gesprochen und wiederum den alten Vertreter des VII. württ. Wahlkreises, den Kandidaten -er Reichspartei, Landgerichtsrat Freih. Wilh. v. Gültlingen, zu seinem Reichsboten erwählt. Die Wahlbeteiligung war stärker als im Jahr 1890; es wurden diesmal rund 1400 Stimmen mehr abgegeben. Der Kandidat der Sozialdemokratie erhielt 800, der des Zentrums nicht ganz 300 Stimmen. Sozialdemokratie und Zentrum kamen nur als Zählkandidaturen in Betracht, weshalb diese Parteien auch weniger in die Agitation eintraten. Am heftigsten gestaltete sich der Kampf zwischen den reichstreuen Parteien und der Demokratie. Letztere entfaltete eine geradezu fieberhafte Thätigkeit in Wahlreisen und mit Flugschriften; es wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt und namentlich im Oberamt Calw mit Hochdruck gearbeitet, .um endlich einmal den „dunkeln" Wahlkreis zu erobern. Der weitaus größte Teil unserer biederen Landbewohner aber sprach zu diesen Bestrebungen ein energisches Nein! und so hat der Wahlkreis auch beim 9. Mal keinen oppositionellen Abgeordneten gewählt. Er ist der einzige unter allen württemb. Wahlkreisen, der stets durch einen reichs- Ireuen Abgeordneten vertreten war. Wie es eben bei den Wahlen leider zu gehen pflegt, so zeigten sich auch in dem nun beendigten Kampf beklagenswerte Ausbrüche der Parteileidenschaften. Zum Glück nimmt aber alles ein Ende und so hoffen wir, daß sich nun die hochgehenden Wogen der Meinungen legen, die Bürger wieder zu ihrem ruhigen Beruf zurückkehren, die Streitaxt ruhen lassen und den erregten Parteihader vergessen. Jeder achte die Meinung des Gegners und suche in gemeinsainer friedlicher Arbeit zum Wohl des Ganzen sein Bestes beizutragen.
Samstag, den 17. Juni 1893.
2 . Stammheim, 16. Juni. Die gute, konservative Gesinnung der hiesigen Bevölkerung hat sich gestern wieder bewährt. Weder Futter- noch Streumangel, weder die trüben Ernteaussichten noch der gepriesene „Zug nach links" haben vermocht, die Stammheimer in ihrem Urteil darüber, was für des Vaterlandes Wohl nötig ist, irre zu machen; so haben sie dem bisherigen Abgeordneten die alte Treue gehalten und ihm ihr Vertrauen fast mit derselben Stimmenzahl wie vor drei Jahren zu erkennen gegeben. Die Freude hierüber ist eine allgemeine.
K Martinsmoos, 15. Juni. Der Bericht betreff, des Brandes in Neuweiler dürfte noch dahin ergänzt werden, daß es namentlich dem raschen und energischen Eingreifen der hiesigen Feuerwehr zu verdanken ist, daß die Kirche erhalten blieb, wodurch namentlich einem weiteren Umsichgreifen des Feuers Einhalt geboten wurde. — Daß es auf dem Walde auch noch reichstreue Bürger giebt, beweist das Ergebnis der Reichstagswahl in hiesigem Orte, indem von 57 abgegebenen Stimmen sämtliche auf den Kandidaten der deutschen Partei, Freiherrn v. Gültlingen, sielen.
Wie sich in langer Wahlkampagne mitunter der Geist verwirrt, zeigt ein in Gechingen in die Urne geworfener Zettel, der mit folgendem beschrieben war:
Altreichskanzler Fürst o. Bismarck,
Herzog von Lauenburg, König aller Könige.
Weil du nun zerschmettert bist.
Großer, darum wähle ich Dich! ^
Lauffen a. N., 14. Juni. Der Neckar hat Heuer sein erstes Opfer gefordert. Gestern nachmittag 1 Uhr badeten 3 zugereiste junge Männer, welche mit einander in Hamburg gearbeitet hatten und nach Wien wandern wollten; da versank plötzlich einer,
Lbonn«mentr?rn« »iertkljLHEch in der Sinkt SV P!z. unk so Pfg. Trigrrlohn, durch dir Post bezogen Mk. I. IS, sonst t» ganz Württemberg Mr. I. SS.
der Friseur E. H. Kutzsche aus Leipzig, und die Leiche konnte erst mehrere Stunden hernach durch Fischer geborgen werden. Sie wird auf den Wunsch der Eltern, welche beide leidend sind, nach Leipzig übergeführt. — Vom Wetter gilt Heuer: „Einer Red und einer Gais wird's nicht leicht zu heiß". Wir haben zudem morgens fast immer frisch, wie nach fernen Gewittern. Aber die Trockenheit ist trotz einigen leichten Regen groß und wenn das Oehmd den Ausfall am Heu wieder einbrmgen soll, so muß es baltz -regnen. Wässerwiesen sind Heuer besonders im Vorteil. Die Reben haben schön nachgetrieben. Aprikosen und anderes Frühobst hat der Frost fortg«- nommen, bei vielen Bäumen war man froh, wenn sie nur noch grünten.
Gmünd, 13. Juni. In dem See bei der kleinen Schweiz wurde kürzlich die Leiche eines neugeborenen Kindes gefunden. Heute wurde die un« natürlche Mutter in der Person einer dort in der Nähe wohnenden ledigen Fabrikarbeiterin wegen Verdachts des Kindsmords dem Gericht übergeben; auch deren Mutter wurde wegen Verdachts der Beihilfe verhaftet, aber wieder freigelaffen.
Resultate -ee Reichstagswahl.
1. Wahlkreis:
Stuttgart, Stadt und Amt. Stichwahl zwischen Siegle (D. P.) und Kloß (Svz.).
2. Wahlkreis:
Cannstatt, Ludwigsburg, Marbach, Waiblingen.
Stichwahl zwischen Kallenberg, Fabrikant (D. P.) "und Schnaidt, Bankdirektor (Volksp.)
3. Wahlkreis:
Besigheim, Brackenheim, Hellbronn, Neckarsulm.
Oekonomierat Maier (D. P.) 8363, Gemeinderat Haag (Volksp.) 5859, Kittler (Soz.) 4949. Gröber (Zentr.) 2272.
JeuiLteton.
——Nachdruck verboten.
Karotd Kharttons geheime Wege.
Aus dem Amerikanischen von Sophie Freiin v. Zech.
(Fortsetzung.)
Bewegungslos, mit angehaltcnem Atem saß das arme Mädchen da, denn r» hörte Fußtritte oben am Rande der Klippe. Vermutlich beugte sich ihr Angreifer herab und strengte sich vergebens an, mit seinen Augen die Dunkelheit zu durch- dringcn und nach seinem Opfer zu spähen. Eleonore gab keinen Laut von sich, bis sie deutlich hörte, daß die Fußtritte auf der Klippe immer mehr in die Entfernung erstarben. Nun erst getraute sie sich zu regen, und jetzt brach auch der Mond aus dunklem Gewölk hervor und zeigte ihr klar ihre entsetzliche Lage. Sie hing sozusagen an dem wilden Gestrüpp zwischen Leben und Tod. Sie sah, daß unten in der Tiefe die Felsen so nahe zusammen gingen, daß man mit einem Schritt den Zwischenraum überschreiten konnte, und daß am andern Teil der Klippe ein Felsblock so weit vorsprang, um möglicherweise darauf festen Fuß zu fassen. Erreichte sie diesen Punkt, so war sie wenigstens für den Augenblick gerettet. Morgen, wenn eS Tag geworden, wären vielleicht doch Menschen in der Nähe, die ihren Hilferuf vernehmen und sie mit Stricken in die Höhe ziehen könnten, oder vielleicht könnte sie doch einen Punkt erklettern auf dem Felsengeklüft, von wo sie die Aussicht auf die See gewann und einem etwa vorüberkommenden Fahrzeuge zuwinken konnte.
So viel sah Eleonore ein, daß sie hier zwischen den Felsen bis zum andern Morgen aushalten mußte, aber sie fühlte, daß ihre Kräfte nicht ausreichen würden, sich die ganze Nacht an das Gestrüpp amuklammern, dessen Wurzeln sich am Ende noch lockerten durch ihr Gewicht. Es gab keine andere Rettung für sie, als den Punkt zu erreichen, wo die Felsen so nahe zusammengingen. Ihre Seele Gott befehlend, ließ sie langsam und vorsichtig das Gestrüpp loS und rutschte nun, sich mit Händen Füßen dabei ausstcmmend, auf dem feuchten klebrigen Moos, das die
Felsenwand bedeckte, langsam, aber unaufhaltsam hinab, ihrem Ziele in der Tiefe zu, jeden Augenblick befürchtend, daß der Abhang zu steil und sie Hinabstürze» würde. Doch der Himmel nahm sie gnädig in seinen Schutz und ließ sie glücklich ihr Ziel erreichen.
Wie es ihr möglich war, in die Höhe zu kommen und den Fuß auf de» gegenüberliegenden Felsenvorsprung zu setzen, hatte Eleonore nachher selbst nicht zu sagen gewußt. Die Gefahr stählte ihren Mut und ihre Krast. Mit Erstaunen gewahrte sie, daß sie vor der Mündung einer Felsenhöhle stand, die man oben auf der Klippe nicht sehen konnte und die sie auch während ihres todesgesährlichen. ängstlichen Herabrutschens nicht bemerkt hatte. Diese Felsennische gewährte ihr doch Schutz für die Nacht, vor Kälte und Unwetter. Als sie in die Höhle eingetreten und sich gerettet sah, verließen sie ihre unnatürlich angespannten Kräfte und sie fiel bewußtlos auf den Boden nieder. Die Kälte ihres harten Lagers und das Wasser, welches aus den feuchten Felswänden auf ihre Stirn wedertröpfelte, brachte jedoch Eleonore schnell wieder zur Besinnung. Sie erhob sich langsam mit schwindelndem Kopf und blickte um sich. Die Höhle war mehr als eine bloße Nische, wie Eleonore Anfangs vermutet. Unterhalb des Felsenvorsprungs, auf welchem es ihr gelungen festen Fuß zu süssen, gewahrte sie, daß am andern Teile der Klippe, mit einem großen Schritt erreichbar, ein Felsblock lag. Vielleicht lag noch ein anderer im Wege, den man erreichen konnte, um einen Ausblick auf die See zu gewinnen, oder h.nab zu gelangen an das grasbewachsene Gestade. Eleonore wußte zwar nicht, wie weit sich das Letztere ausdehnte, denn es zog sich, wie schon gesagt, nur um den einen Teil der Klippe herum. So viel war gewiß, daß sie sich darein ergebe« mußte, die Nacht hier zuzubringen, denn bei dem ungewissen Licht des Mondes durste sie, nicht wagen, auf Felsblöcken umher zu klettern. Sie sah, daß sie in einer Art Felsenklemme steckte, keine zwanzig Fuß unter ihr schäumte und rauschte das Seewasser. Morgen des Tages wird eS ihr mit Gottes Hülfe gelingen. auf irgend eine Weis« aus dieser Klemme zu kommen. Sie wird ja nicht dazu bestimmt sein, darin z« verschmachten. (Forts, folgt.)