Um den Reichsschulgesetzentwurs
TU. Berlin, 16. Juli. Nachdem nunmehr der Nelchs- schulgesctzentwurf im Wortlaut vorliegt, nehmen mehrere Berliner Zeitungen dazu Stellung, weisen aber gleichzeitig darauf hin, daß sie auf einzelne Pnutte noch ausführlich zurückkvuimen werden.
Die „Tägliche Rundscha u" schreibt, eine Neihc von Wünschen der Deutschen Vvlkc-partei seien in dem Gesetzentwurf noch nicht berücksichtigt. Es werde im Ausschuß Gelegenheit gegeben sein, für sie mit aller Entschiedenheit ein- .ntrcte». Alö Berhandlungögriindlage sei der Entwurf jedenfalls annehmbarer als nach der ursprünglchcn Fassung und nach den parlamentarischen Vorverhandlungen zu erwarten gewesen sei. Der „L v k a l a n z e i g c r" hebt als bemerkenswert hervor, daß der Keudcll'sche Entwurf das Bestreben habe, gleiches Recht für alle Eltern und sonstigen Erziehungsberechtigten zu schassen. In der „Kreuzztg." stellt der Abg. Dr. Mumm als größten Vorzug des Gesetzes fest, daß der Bekenntnisschule im Rahmen der Verfassung freie Entwicklungsmoglichkeit gegeben werde. Das „B e r- liner Tageblatt" schreibt, die Erhebung des unveränderten Entwurfs zum Gesetz würde einen im Interesse des Ideals der einheitlichen Volkserziehung tief beklagenswerten Rückschritt bedeuten. Die „Vossischc Zeitun g" sagt, der Lchielesche Entwurf sei ein Muster von Liberalität gegenüber diesem in der Fassung allen möglichen Ausdeutungen zugänglichen Gesetzentwurf. Der „Börsenkurie r" meint, werde der Gesetzentwurf angenommen, so iverdc das deutsche Schulwesen eine Revolution durchwachen, wie es sie bisher noch nicht erlebt habe. Der „Vorwärts" meint, die Sozialdemokratie werde alles tun, um zu verhindern, daß die Vorlage in dieser Form Gesetz werde.
Die Antwort Belgiens
TU. Berlin, 16. Juli. Wie die Telnnion erfährt, liegt nunmehr die belgische Note betr. die Ausführungen des belgischen Kricgsminlsters dem Auswärtigen Amt in Berlin vor. Der 1. Teil der Note behandelt die Zcitfreiwilligen- frage, die jedoch bereits durch die Note der Bvtschafterkvnfe- renz vom 31. Januar als erledigt bezeichnet worden ist. Der 2. Teil betrifft budgetäre Fragen der Reichswehr. Es ist beabsichtigt, die belgische Note gleichzeitig mit der deutschen Antwort zu veröffentlichen, sobald letztere sertiggcstellt ist.
Die Mrtschastsverhandlungen mit Frankreich
Noch kein Abschluß.
TU. Berlin, 16. Juli. Die deutsch-französischen Hanbels- vcrtragsverhandlnngen in Paris sind immer noch nicht zum Abschluß gekommen. Nach wie vor handelt es sich im wesentlichen noch um die Fragen des Weinkontingents sowie des Handels-, Schiffahrts- und Personenverkehrs in den französischen Kolonien, besonders in Marokko, und um die Errichtung von Konsulaten. Auf deutscher Seite steht inan auf dem Standpunkt, daß diese letztgenannten Fragen in einem auf mindestens 1 Jahr abgeschlossenen Vertrag nicht mehr ungelöst bleiben können. Man hofft jedoch immer noch, in den nächsten Tagen zu einer Einigung zu kommen.
Anatol
Fin koman iür jung unck alt von ^mancka Klock Vrliodor-Kvobtsscbntr <Iurct> Vsrl»8 Oslcsr Kvisier, VVeräsu 8».
(21. Fortsetzung.)
Anatol hörte diese Lobsprüche mit der männlichen Personen angebornen Flüchtigkeit in kleinen Dingen ruhig mit in, ohne sich das geringste dabei zu denken; ein Mädchen in seinem Alter würde dem Gehörten sofort tiefere Bedeutung beigelegt haben.
Der Knabe war so gut verpackt, daß von ihm, als sie durch Buchholz fuhren, kein Schatten zu bemerken war.
Nach einer Stunde bog das Wägelchen in den Landweg ein» auf welchem die beiden sich in der verflossenen Nacht kennen gelernt. Der Himmel war schon gegen Abend mit jenen gleichmäßig grauen Wolken bedeckt gewesen, welche kein Gewitter, aber einen dauerhaften Regen verkünden.
„Trocken kommen wir nich nach Hause," hatte Mutter Schwarz prophezeit; „ja, wenn mein Linchen zehn Jahre jünger wäre."
Und richtig — die drohenden Wolken lösten sich gerade in dem Augenblick in Wasser auf, als das Fuhrwerk in den unchaussierten Weg einfuhr. Senkrecht, wie Klingelschnüre strebte der Regen herab, das lockere Erdreich des Bodens in kurzer Zeit zu einem Sumpf umwandelnd, in dem die Räder einfach stecken blieben.
„Wie soll das enden?" jammerte Mutter Schwarz, „wir sitzen fest."
„Seien Sie nur ganz ruhig, ich schiebe," rief Anatol, sich aus dem Wagen schwingend.
„Ach Jott, was denkst du, Iustoo, wir stecken wenigstens 'nen halben Fuß tief im Morast."
Sie kletterte ebenfalls herab, lind beide stemmten sich hinten gegen das Fuhrwerk.
„Na, denn vorwärts, mein Linchen," rief sie der Stute zu, denn wollen wir's zu dreien versuchen."
Karoline, welche wohl gehört, daß die Insassen den Wagen verlassen, und sehr wohl begreifend, daß man sie nicht überbürden wollte, blickte sich aufmerksam um — wie glitzernder Tau, sanft und feucht, spiegelten ihre Augen.
So kämpften und arbeiteten alle drei mit demselben Eifer während mehrerer Stunden. Die Luft war lau und unbeweg-
Die steigend« Teuerung in Frankreich.
TU. Paris, 16. Juli. Die steigende Teuerung in Frankreich beunruhigt die Bevölkerung zusehends, zumal sie sich zu der Hoffnung berechtigt glaubte, daß sich die Lebenshaltungskosten in dem Maße senken würden, als der Franken sich bessere. Nun hat die französische Währung sei Juli 1626 die Hälfte ihres Wertes wieder zurückgewviliicn und der Franken ist tatsächlich stabilisiert, aber der Generalindex für Paris stieg von 485 auf 620.
Die deutsch-amerikanischen Beziehungen
Eine Rede Botschafter von Maltzans.
TU. Berlin, 16. Juli. Auf dem Festabend, den der Norddeutsche Lloyd am Freitag als Abschluß der Jahrhundertfeier Bremerhavens au Bord des Dampfers „Kolumbus" veranstaltete, ergriff u. a. auch der soeben aus Amerika eingc- troffene deutsche Botschafter in Washington, Freiherr von Maltzan, das Wort.
Botschafter v. Maltzan führte n. a. aus, daß es dein deutsch-amerikanischen Element gelungen sei, allmählich eine Bresche zu schlagen in den Wall, der in der Kricgsschuld- frage zwischen hüben und drüben bestehe. In der sicher kritischen und sehr wichtigen Eigentinnsfragc sei erreicht worden, daß der amerikanische Schatzsekretär in seiner letzten Botschaft sich rückhaltlos für die Rückgabe des deutschen Eigentums eingesetzt habe. Den Deutsch-Amerikanern sei es zu danken, daß das Gesetz, nach dem nur noch 26 600 Deutsche jährlich gegenüber 52 000 die Einwanderung nach Amerika gestattet werden sollte, ivciter hinansgcschobeu worden sei. Der Redner ivics sodann auf drei unerläßliche Einfluß- Möglichkeiten von deutscher Seite hin: Knust, Spork und Wissenschaft, mit denen man in Amerika unendlich viel erreichen könne. Als Beispiel führte er die Erfolge an, die der deutsche Schwimmer Rademacher in Amerika für das Deutschtum errungen habe.
Kleine politische Nachrichten
Inkrafttreten der Vereinbarung über die Verlängerung des Saarabkommens. Die Vereinbarung vom 30. Juni 1927 betr. die Vereinbarungen zwischen Deutschland und Frankreich über den Warenaustausch zwischen Deutschland und dem Saarbeckcngebiet ist nach einer zwischen der deutschen und der französischen Negierung getroffenen Abmachung am 15. Juli 1W7 in Kraft getreten.
Anstansch der Ratifikationsurkunden zum deutsch-niederländischen Schiedsvertrag. Im Auswärtigen Amt hat zwischen dem Reichsminister des Auswärtigen Dr. Strescmann und dem niederländischen Gesandten Graf van Limburg Sti- rum der Austausch der Ratifikationsurkunden zu dem zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich der Niederlande am 20. Mai 1926 im Haag abgeschlossenen Schiedsgerichts- und Bcrgleichsvertrag stattgcfunden.
Oesterreich im Minderheitsrecht bahnbrechend. Wie der „Vorwärts" ans Wien meldet, brächten alle Parteien des Kärntner Landtages einen Gesetzentwurf ein, der der slowenischen Minderheit in Südkärnten die kulturelle Selbstverwaltung einrüumt. Bei Gemeinden mit 40 slowenischen Kindern würde danach eine slowenische Schule eingerichtet werden.
sich, kein Wind erhob sich, die grauen Wolkenschichleu zu zerteilen. Mit unerschütterlicher Ruhe goß der Regen nach wie vor hernieder: die Stiefel der beiden Hilfsarbeiter waren in Wahrheit zu Wasserstiefeln geworden, denn über die Knöchel hinaus mußten sie durch das aufgeweichte Erdreich und die Tümpel, groß wie Ententeiche, hindurchwaten. Da hatte das Wasser natürlich freien Ein- und Ausgang zu ihren Fußbekleidungen.
Endlich» endlich langten die drei schwer ermüdeten, keuchenden Arbeiter gegen Morgen vor einem niedrigen, verwitterten, alleinstehenden Häuschen an. Linchen wieherte laut, als sie beim ersten Frühschimmer die Heimat vor sich sah; nun ging's in den Stall, auf die weiche Streu zur Ruhe.
Einen energischen Anlauf nehmend, riß sie ihren beiden Helfern den Wagen unvermutet aus den Händen, so daß diese beinahe flach aufs Gesicht gefallen wären, trottete festen Schrittes durch das zerbrechliche, hölzerne Tor auf den Hof und wieherte hier wieder freudig beim Anblick des Stalles, den sie mit den beiden gehörnten Genossinnen teilte.
„Mein wackeres Iustovchen, nu mußt du immer noch 'n bißchen warten, bis ich mich um dich kümmern kann Ich muß erst Linchen im Stall trocken reiben: du jlaubst nich, wie empfindlich so'n Pferd is, viel mehr wie'n Mensch. Ieh nur immer ins Haus, unterm Stein neben der Haustür liegt der Schlüssel — jleich jradeaus is mein Stübchen, auf'm Tisch steht'n Lämpchen un Streichhölzer dabei. Mach' dir Licht un zieh dir die nassen Schuh und Strümpfe aus; wer an jo was nich jewöhnt is. kann sich schwer erkälten. Du jutes Kind, wenn ich dich nich jehabt hätte, steckt' ich noch draußen im Feld. Aber laß nur sein, ich wer's schon wieder jutmachen."
„Ich bleibe hier und helfe Ihnen» so lange es noch hier draußen etwas zu tun gibt," erklärte Anatol mit großer Bestimmtheit.
„Na, meinetwegen, mein Söhnchen, aber wenn du nachher im Bett bist, mach' ich dir 'n tüchtigen Topf heiße Milch, daß du durch und durch erwärmt wirst."
Anatol mußte lachen und weinen in einem Gemisch von Freude und Schmerz. Diese einzige, schon jetzt von ihm geliebte Frau sprach so besorgt, wie seine Mutter würde gesprochen haben.
Mutter Schwarz begann auszuschirren, Anatol half mit flinker Hand. Sobald die Stränge gelöst waren und das Geschirr abgenommen, segelte Linchen schnurstracks ab, auf dir Stalltür zu — beide ebenso schnell ihr nach.
Eine Rede des Botschafters de Margerie. Bet der Feier des französischen Nationaltages in der Berliner französischen Kolonie hielt Botschafter de Margerie eine Rede, in der er zunächst an die schwierige Aufgabe der französischen Mitglieder der aufgelösten interalliierten Militärkontrollkom- inissivn erinnerte. Das seit dem letzten Nationaltag verstrichene Jahr sei an inneren und äußeren Erfolgen reich gewesen. Zn den deutsch-französischen Beziehungen erklärte de Margerie, die offizielle Tätigkeit Frankreichs in diesem so verschiedenen Deutschland verlange die Mitarbeit aller derer, die sich hier niedergelassen haben. Die französische Regierung habe soeben einen neuen Beweis dafür gegeben, daß sie bestrebt sei, die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu fördern, in dem sie den Posten des Militärattachees wieder hcrstellte. (?)
Der Nationalfeiertag in Paris. Die alljährliche Truppenschau der Pariser Garnison anläßlich des Nationalfeiertages in Anwesenheit des Präsidenten Donmergue, der Minister, der Generäle und ausländischen diplomatischen Vertretungen verlief ohne Zwischenfall. Dvumcrgne und Kriegsminister Paiulcve wurden bei ihrer Rückkehr von der Revue vom Publikum lebhaft begrüßt.
Pour lc Mcritc-Fliegcr Bäumer tödlich abgestürzt. Gestern ist der bekannte deutsche Sportflicgcr Bäumer, der sich im Kriege als Jagdflieger den Ponr le Merite erworben hatte, aus 3000 Meter Höhe zwei Kilometer von der Küste von Oeresund entfernt tödlich abgestürzt. Neben Ildet >var Bäumer der beste deutsche Knnstflicger.
Als Ursache des tödlichen Absturzes wird bekannt, daß sein Motor in 3000 Meter Höhe plötzlich aussctzte. Der Flieger stürzte mit dem sich ttberschlagendcn „Sausewind" mitten iir den Oeresund, wo er und seine Maschine 6 Meter tief unter der Meeresoberfläche begraben liegen.
Eine neue Note Polens an Rußland. Wie ans Moskau gemeldet wird, soll die polnische Regierung in ihrer neuen Note an die Sowjetregicrung erneut ihr Bedauern über den Mord an dem russischen Gesandten aussprechen und die Versicherung abgeben, daß die polnische Negierung den Schutz der Sowjetbürger in Polen übernehme. Die russischen Emi- grantenorganisativnen sollen in ihrer politischen Bewegungsfreiheit in Polen eingeschränkt werden. Es wird angenommen, daß mit der Ucberreichung dieser Note der Konflikt zwischen Polen und Rußland seinen Abschluß findet.
Um die Wicdcrcinbernsung des Sejms. Im polnische» Sejm haben Beratungen der Parteiführer über die Möglichkeit der Wiedereinberufnng des Parlaments stattgefunden. Tic Sozialisten faßten eine Resolution, in der die Einberu- fang des SejmS zwecks Aenderung der Konstitution verlangt wird. Sie wollen außerdem ein Mißtrauensvotum gegen die Regierung eiubringen.
Irlands neuer Jnstizminister. Anstelle des ermordeten O'HigginS wurde Finanzminister Blythe zum Jnstizminister und Vizepräsident des Ministerrats ernannt.
Pangalos aus dem Gefängnis geflüchtet. Wie die „Neichs- post" ans Saloniki meldet, sind dort Nachrichten aus Kreta und Athen eingelausen, wonach Pangalos von seinen Anhängern aus dem Gefängnis befreit morden sei. Er habe auf einem kleinen Schiff die Flucht ergriffen. Griechische Torpedoboote haben Befehl erhalten, die Verfolgung aufzunehmen.
II»«W ! »,!,>
Die Hausfrau zündete die Laterne an, und während die Ziegen von ihrer Streu aufsprangen und freudig meckerten beim Anblick der Heimgekehrten» rieben sie Linchen mit großen Strohbüscheln so lange vom Kopf bis zu den Hufen ab, bis sie trocken und warm war. dann wurde noch eine Portion ausgeguollnen Hafers in die Krippe geschüttet und hierauf die Stalltür geschlossen.
Jetzt hieß es: schleunigst das Grünfutter in den Schuppen hinein und dort ausgebreitet, sollte es noch für Rose und Röschen genießbar sein.
Doch — o prächtige Ueberraschung — unter Anatols Deck« war das Grüne vollständig trocken geblieben.
„Eine schöne Decke — richtig wasserdicht," lobte Mutter Schwarz, „solch Jegenstand is jradezu Joldes wert."
Anatol merkte noch immer nichts; er freute sich über den Nutzen, den seine Decke gebracht, und half in beiden Armen das Futter in den Schuppen tragen.
„Etwas muß ich den kleinen Mädchens noch bringen," sagte die Hausfrau, „des sind sie so gewöhnt, und je frischer da» Futter is, je besser schmeckt es natirlich."
Selbstverständlich stürmte Anatol ihr nach, was kümmert« ihn seine nasse Kleidung, er brannte darauf, vor allen Dingen die nähere Bekanntschaft der Ziegen zu machen.
Rose und Röschen waren bei weitem nicht so herzlich, wie er erwartet, im Gegenteil, sie musterten die fremde Erscheinung mit kritischen Blicken, Röschen machte sogar Miene, dem begeisterten Tierfreund einen kräftigen Puff mit den Hörnern zu versetzen: unter keinen Umständen ließen sie sich streicheln» und seinen Schmeichelworten entzogen sie wie chronisch Taube ihr Ohr.
„Laß nur jut sein, Iustoo," tröstete Mutter Schwarz, „die werden dich schon noch lieb haben; Ziegen sind immer 'n bißchen bockig zu Anfang jejen Fremde. Komm, nu woll'n wir reinjeh'n."
Die Hausfrau ging voran, nahm unter einem Stein neben der Haustür den Schlüssel hervor, den der Schäfer, wenn er abends heimging, hier versteckte, und schloß auf.
Mit scheuer Ehrfurcht betrat Anatol den kleinen gepflasterten Flur — war es nicht gerade, als ob er auch hierher gehörte» als wenn er auch ein Anrecht hätte auf ein schützendes Dach?
Mutter Schwarz entzündete im Wohnstübchen die kleine, blitzblanke Lampe, und ihr Gast erstaunte über die Ordnung und Sauberkeit, welche sich hier bis in jeden Winkel erstreckt«.
<-
O
4