«s ihm eine Ehre sein, wenn nicht, so bleibe er eben in Stuttgart und diene nach wie vor der alten Sache ruhig weiter. Herr Ehr. Bozenhardt empfahl die Wahl des Kandidaten, derselbe sei ein Volks- »nann, der andere ein Rittergutsbesitzer. Das Programm von Cleß fand nun noch eine R epetition durch Herrn Georgii I. — Das waren nun lauter Punkte, die ruhig und sachlich vorgetragen, größten- tenteils der Ansicht aller Anwesenden begegneten. Nun aber kam das dickere Ende nach. Zur Assistenz des Hrn. Cleß war auch der Redakteur des „Beobachters" , Hr. Schmidt, eingetroffen. Seine Wahlrede, so begann derselbe, die er sich in Stuttgart zurecht gemacht, sei einem plötzlich wertlos geworden, wenn man hierher komme und so ein Amtsblatt in die Hände gelegt erhalte. (Hr. Schmidt scheint in seiner jungen Praxis noch nicht erfahren zu haben, daß die von ihm vielgeschmähten Amtsblätter die Interessen der Volkspartei gar oft mitfördern, um unparteiisch und gerecht zu sein.) Den Bericht über die v. Gültlingen'sche Wahlversammlung in Händen, erklärte er, das von diesem Herrn Gesagte Satz für Satz durchgehen und widerlegen zu wollen. Dabei passierte ihm aber gleich bas Unschick, dem Artikel zu entnehmen, Frankreich hätte '/, Million mehr Soldaten als Deutschland, während dort zu lesen, daß Frankreich und Rußland Million mehr hätten als der Dreibund zusammen. Ob und wenn wir einen Krieg bekommen, bas könne natürlich niemand sagen, aber eine kleine Garantie, daß wir mit Frankreich nicht so leicht wieder in einen Krieg verwickelt werden, biete der Umstand, daß im franz. Heer 60 "/», sage sechzig Prozent e i n- zige Söhne von Familien eingestellt seien. Wir hoffen, daß Hr. Schmidt mitsamt seinen Freunden die Richtigkeit der Zahl und auch die Garantie anzweifeln. Die Behauptung des Hrn. Schmidt, ein Familienvater bezahle für seine 6 Kinder 6.60, denn 1.10 pro Kopf bedeute nichts anderes als pro Kopf, ist einerseits richtig. Wir fragen aber, wird denn die Steuer nicht nach Steuervermögen des Einzelnen angesetzt, wird denn dabei die Kinderzahl in Betracht gezogen?! Auf den Fassionszetteln finden wir eine solche Rubrik nicht. Der Beobachter hatte kürzlich gebracht, daß Frhr. v. Gültlingen in einer Wahlversammlung ein Hoch auf den Fürsten Bismarck ausgebracht habe, damit hätte sich dieser Herr blamiert, denn Bismarck sei ein Gegner der Militärvorlage. Gestern Abend erklärte nun Redakteur Schmidt, daß er noch gleicher Ansicht sei. Warum hatte derselbe denn übersehen, daß in dem Bericht zu lesen: Fürst Bismarck sei wohl Gegner der Vorlage, aber aus anderen Gründen — er sei nämlich für dreijährige Präsenzzeit? Das heißt man nun Widerlegung Satz für Satz. Hr. Schmidt kam auch auf den Artikel im Wochenblatt zu sprechen, betitelt: „Es ist der Mühe wert". In demselben werden auf Grundlage des Programms der deut-
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schen Volkspartei (s. Hausfreund Nro. 45) diese als eine Umsturzpartei dargestellt. Er verwahre sich
energisch gegen diese Bezeichnung. Und nun kommt das Gelungenste des Abends: Hr. Schmidt erklärte, jenes Programm sei ein früheres älteres. Es
wäre nun interessant zu erfahren, wer aus der Volkspartri als Anhänger des alten Programms
dasselbe zum Abdruck in den „Hausfreund" lanciert hat.
Ueber das dieser Tage verbreitete Flugblatt, „Wegweiser" benannt, schreibt man uns: Dasselbe scheine versehentlich für das noch nicht wahlberechtigte Alter geschrieben zu sein. Die eingestreuten faden Humo- ristikas passen schlecht in die gegenwärtige Zeit und wirken deshalb meist verletzend.
Calw, 12. Juni. (Egsdt.) Wenn die Volkspartei, uns, die wir für die Wahl des Hrn. v. Gültlingen eintreten, in ihren Blättern als „Freiherrcnpartei" verhöhnt, so mag sie in gewissem Sinn recht haben. Wir fühlen uns frei von des „Beobachters" Bevormundung u. Irrlehren, frei von Versprechungen, die wir nicht ernst nehmen, frei von Aufhetzungen zum Unfrieden und zum Klassenhaß, frei von Witzeleien in ernster Zeit, wie sie der von dem Beobachter ausgegebene, auch hier verbreitete, „Wegweiser" in reicher Ausstattung enthält. — Wenn unsere Soldaten, Reservisten und Landwehrmänner das traurige Wagnis unternehmen müssen, gegen einen überlegenen Feind in's Feld zu ziehen, wenn das nicht unmögliche Unglück über uns hereinbricht, daß der Feind, unser Vaterland überflutend, bei uns Verheerungen und Brandschatzungen ausübt, wenn durch Aufreizungen, wie sie der Wegweiser enthält, die Unzufriedenheit sich steigert und wilde Leidenschaften entfesselt werden, auch dann fühlen wir uns frei von der Verantwortung, hiezu beigetragen zu haben. Wenn in Folge innerer Kämpfe, in Folge Erweiterung des Freihandelssystems Handel und Gewerbe für Meister und Arbeiter stocken, wenn nach Beseitigung der indirekten Steuern die Steuer- zettcl für Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuerpflichtige anschwellcn, dann bleibt uns wenigstens der Trost, warnend unsere Stimme dagegen erhoben zu haben. Als unrühmlich müssen wir es bezeichnen, wenn die Volkspartei in ihrem Witzblatt das Altersund Jnvalid.-Gesetz ihren Gegnern in die Schuhe schiebt, nachdem sie kaum zuvor die Erweiterung dieses unpopulären Gesetzes in ihr Programm ausgenommen hat. Der ruhige, selbständige Bürger, sei er Arbeiter oder in anderer Lebensstellung, wird sich durch Witzeleien und Verhöhnung der Gegner nicht beeinflussen lasten. Er weiß, was er zu thun hat, wenn auch am Wahltag die Zutreiberei noch so aufdringlich betrieben werden sollte. Trotz aller Anfechtungen ist Frhr. v. Gültlingen ein ehrenwerter, unabhängiger, volksfreundlicher Mann, ein richtiger Volksvertreter.
Calw. Der Personenzug 883 u Pforzheim ab 3."° nachmittags, erhält vom 15. Juni
an für den Rest der Sommerfahrplanperiode auf der Strecke Calw —Teinach folgenden Kurs:
Calw . . . ab 4.'° nachmittags
Teinach . . an 4?" , „
-6- Neuweiler, 12. Juni. Heute morgen 10 Uhr brach in dem Schopfe des Waldmeisters Schanz hier Feuer aus. Der heftige Ostwind verbreitete dasselbe mit ungeheurer Geschwindigkeit und trug die Funken im ganzen Orr herum. Bald lagen 3 schöne Anwesen in Asche und nur mit harter Mühe gelang es den Löschmannschaften, das „Lamm und das Rathaus" zu retten. Auch ein viertes Anwesen, das durch die beiden genannten Häuser und die Straße vom ursprünglichen Feuerherd getrennt war, wurde durch herumfliegende Funken in Brand gesteckt und vollständig eingeäschert, wobei auch die Kirche erheblich beschädigt wurde. Sieben Familien sind ihrer Wohnung beraubt, darunter ein junges Ehepaar, dem erst vor 14 Tagen, gerade vor dem zur Hochzeit bestimmten Tage, schon einmal das Feuer die Wohnung raubte. Leider sollen nicht einmal alle Familien versichert sein. Man vermutet, das Feuer sei aus Rgche und Eifersucht gelegt worden.
d) Neuweiler, 12. Juni. Ein Tag des Schreckens war für die hiesige Gemeinde der heutige Tag. Vormittags gegen 11 Uhr brach in dem new erbauten Hause des Waldmeisters Schanz Feuer aus, das sich mit Windesschnelle auf das benachbarte Anwesen der Gebr. Klink und der Witwe Koch ausdehnte. Während die Feuerwehr alle Kraft anzustrengen hatte, um die Scheuer und das dahinter liegende Wohnhaus des Lammwirts Burkhardt zw reiten, trug der Wind die brennenden Schindeln über das Ort hinweg und plötzlich stand auch das etwa l50 w entfernte, zwischen Kirche und Rathaus eingeschlossene Wohnhaus des Friedrich Ziefle und- Johann Georg Klink in Flammen. An eine Rettung dieses Hauses war nicht mehr zu denken, dagegen gelang es, die schon vom Feuer ergriffene Kirche und das bereits geräumte Rathaus zu retten. Noch verschiedene andere Gebäude hatten bereits Feuer gefangen, das aber rasch unterdrückt wurde. Die Feuerwehr von Neuweiler lieferte in dem anfangs aussichtslos scheinenden Kampfe mit dem wütenden Elemente das Aeußerste und verdient das höchste Lob- Aber auch die Feuerwehren der Nachbarorte, von welchen insbesondere diejenigen von Oberkollwangen, Zwerenberg und Breitenberg genannt werden, standen ihr eifrig zur Seite. Nur ihrem zielbewußten Zusammenwirken ist es zu danken, daß unsägliches Unglück von der Gemeinde abgewandt wurde. Auch die Frauen und Mädchen von hier und den Nachbargemeinden, welche im Herbeischaffen von Wasser un- ermündlich waren, verdienen rühmend erwähnt zw werden. Der Gebäudeschaden soll sich auf nahezu 20000 belaufen, der Schaden an Fahrnis, welcher nur zum geringeren Teile versichert war, wohl.
Der Advokat legte auf das Sie einen impertinent spöttischen Nachdruck. Dem Geliebten Eleonores stieg das Blut heiß in das Gesicht.
„Ja, ich war dort zu Tische, antwcrtete er. mit Mühe seinen Zorn bezwingend. „Doktor Merriefield bat mich, da er unwohl ist, seinen Braunen zu besteigen und dem Squire eine Botschaft auszurichten. Da ich am Sonntag Herr über meine Zeit bin, so thot ich dem Doktor den Gefallen. Der gastfreundliche Squire lud mich ein. bei Tische zu bleiben. Ist das so wunderlich, Mr. Baylis?"
„Nun, mich setzte es ebm in Erstaunen," antwortete der Advokat, abermals spöttisch lächelnd.
Es gab Stunden wo es Harold unmöglich schien, länger in Diensten bei diesem Manne zu bleiben und dessen hochmütige impertinente Art und Weise zu ertragen, dir sich gegen ihn ganz besonders schroff herauskehrte, da er ihn heimlich haßte.
Die Mittagsstunde war da und Harold schritt dem Speisehause zu, in welchem er gewöhnlich seine Mahlzeiten einnahm. Sein Blut wallte noch zornig, als er auf der Straße ging.
„Hochmütiger Mann!" murmelte er vor sich hin. „Er wollte mir blos zu verstehen geben, daß eS ihn in Erstaunen setze, mich in fashionabler Gesellschaft zu wessen, wohin ich nicht gehöre. Aber wer weiß, mein Herr, ob ich Ihnen nicht noch den Beweis vor Augen halten kann, daß ich eigentlich in die erste Gesellschaft Englands getöre, — Fände ich doch da« Papier! — Ich will mich dem Gedanken daran nicht hingeben. Ich muß meinen Weg in der Welt durch eigene Arbeit machen und Eleonore mühsam erringen. Geliebtes Mädchen! Nur um Deinetwillen möchte ich reich und vornehm sein."
Spät Abends, es mochte bereits gegen neun Uhr sein, machte sich Harold auf den Weg nach der Pirotenklippe, wo er, wie schon erwähnt, Edward Baylis begegnete, kurz nach Ausübung seine« Verbrechen«.
Harold ließ sich nicht träumen, daß Eleonore eine kurze halbe Stunde vorher derselben Weg gimocht hatte, er schritt in sorgenvollen Gedanken dahin, vorbei an den drei Eichen, welche das Besitztum von Mr. Matthew Milford, des Millionärs von Westringham, beschatteten. Master Milford war der Großonkel Eleonores,
und alle Welt wußte, daß sie die Universalerbin des einsamen alten Mannes werden würde.
Die großartigen Eisenhämmer und das stattliche alte Wohnhaus Mr. Milfords. hinter sich lastend, schritt Harold weiter, bis zu der Stelle, wo er den Augen des ihm heimlich folgenden Edward so rätselhaft entrückt wurde.
6. Kapitel.
Es war eine Fügung Gottes, daß Eleonore Mostyn vor einem plötzlichen schrecklichen Tode bewahrt blieb und daß ihr Körper nicht zerschmettert zwischen dem Felsen lag. Ihr Angreifer hatte, wie schon gesagt, nicht gewagt, sie bis an den äußersten Rand der Klippe zu schleppen, er stürzte sein Opfer, um den durchdringenden gellenden Hilferufen ein rasches Ende zu machen, eine schroff abfallende Seitenwand hinab, dies war aber Eleonores Rettung. Diese Seitenwand war bedeckt mit: Moos und wildem Gestrüpp, in welch' letzterem Eleonores Klerd hängen blieb. Hätte Edward eine Ahnung gehabt von diesem rettenden Gestrüpp, er hätte Eleonore sicher nicht auf dieser Seite hinunter gestürzt. Er kannte die Piratenklippe nicht- genau genug, und wähnte auch ihre Seitenwände viel schroffer abfallend.
Eleonore saß mit schwindelndem Kopf auf dem dichten Moos und klammerte sich mit beiven Händen krampfhaft an dem Gestrüpp fest. Trotz ihres Schreckens hatte sie doch nicht das Bewußtsein verloren. Ein Ding war ihr klar, daß. wenn sie sich rühren oder einen Schrei ausstoßen würde, sie unrettbar verloren wäre, denn ihr Verfolger würde ohne Zweifel Mittel und Wege finden, sie vollends hinabzustoßen in das zwilchen den beiden Tellen der Klippe hereindrängende schäumende Meerwofser. Die Klippe war nämlich sozusagen in zwei Hälften gespaltet, die unten in der Tiefe ganz nahe zusammengingcn, jedoch blieb immerhin noch Zwischenraum genug, um einen schlanken menschlichen Körper, wie derjenige Eleonores, hindurchschlüpfen zu lasten. Eleonore wäre schon als Leiche hinab in das Meerwasser gefallen, denn unfehlbar würde sie an den hervorstehenden Felsblöckew zerschmettert worden sein.
(Fortsetzung folgt.)