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litörstrafverführen wie in Bayern, für Verbesserung de-' Militär. Beschwerderecht- (damit man dem Kläger seine Angaben nicht ins Wachs drucke), Aenderung der Perficherungsgesetze. Er halte fest an den Schutzzöllen für' die Landwirtschaft und Industrie.— Prüfen Eie alles, schließt der Redner, was ich leidenschaftslos vorgetragen, prüfen Sie auch die gegnerischen Vorschläge; wie Sie wählen sollen, kann ich Ihnen nicht vorschreiben, aber behalten Sie dabei im Auge das Wohl unseres geliebten deutschen Vaterlandes. Reicher Beifall wurde dem von patriotischer Ueberzeugung durchdrungenen Vortrag zuteil und alle Anwesende dürften die Ueberzeugung gewonnen haben, daß unser seitheriger Abgeordneter Frhr. v. Gültlingen ein aufrichtiger Freund des Volkes ist. Nach kurzer Pause ergriff Herr Professor Haug das Wort, welcher etwa ausführte: Unsere Gegner sprechen von einem 4 Millionenheer, wenn das so leicht vernichtet werden sollte, so helfen die paar tausend Mann Halbtaugliche auch nichts mehr, das Volk müsse noch einige Kraft haben, um den übrig gebliebenen Mordbrennern den Weg zu zeigen. Was das letztere bedeute, habe man in Frankreich gesehen, wo denn da die Kraft geblieben sei, die deutschen Soldaten aus dem Lande zu jagen. Auf feindlichem Gebiet müsse sich der Krieg entwickeln und müsse übergewälzt werden auf diejenigen, welche denselben ruchlos verschuldet haben. Ein französischer, General habe sich geäußert, daß der Krieg auch im eigenen Lande recht wohl aus- gefochten werden könne, er (Redner) meine, ein deutscher General, der so etwas äußere, müßte standrechtlich erschossen werden. Halten wir uns in den Fragen betreffs der Militärvorlage an Männer, die mit Moltke gedient haben, an die Führer der deutschen Truppen 1870/71, die hätten darin ein besseres Urteil als die Führer der demokratischen Parteien. Ein Dank unserem Abgeordneten, für seine seitherige pflichtgetreue Vertretung fand allgemeine Zustimmung in der Versammlung. — In kernigen und feurigen Worte führte vr. Marquart von Stuttgart aus: Der sorge am besten für die Zukunft des Vaterlandes, der ihm die Waffen in die Hand gebe; ein Milizheer sei für unsere Verhältnisse durchaus ungeeignet, das Heer Bourbaki's, das aus schnell ausgebildetcn Truppen bestand, habe einen 3mal größeren Verlust gehabt als reguläre Truppen; es handelt sich nicht um die Sache der Regierung und des Militarismus, sondern um unser eigen Blut, um unser aller Knochen. Das von dem Redner auf das deutsche Vaterland ausgebrachte Hoch fand stürmischen Widerhall. Hierauf ergriff Herr v. Gültlingen nochmals das Wort, um seine Abstimmung über die Entschädigung der zu Friedenszeiten einberufenen Mannschaften zu verteidigen. Er verwahrte sich aufs nachdrücklichste dagegen, daß er gegen jede Entschädigung gestimmt habe, er habe vielmehr die Vorlage verbessern und eine gleichmäßigere und höhere Entschädigung erreichen
wollen. Daß dies nicht geschehen, sei nicht seine Schuld, sondern die der Regierung. Hoffentlich werde man ihm die Ehrlichkeit seiner Absichten nicht mehr bezweifeln, er nehme für sich das Recht in Anspruch, daß er mindestens soviel Liebe zum Volk habe als sein« Gegner; er glaube dies während seiner langjährigen Thätigkeit in der württ. Abgeordnetenkammer zur Genüge erwiesen zu haben. (Sehr richtig!) Da sich niemand mehr zum Wort meldete, so schloß der Vorsitzende mit einem warmen Appell an die Wähler, am 15. Juni so abzustimmen wie sie es mit ihrem Gewissen und mit der Ehre des Vaterlandes verantworten können, die Versammlung.
x Deckenpfronn,10. Juni. Gestern abend um 7 Uhr fand hier eine außerordentliche stark besuchte Wählerversammlung statt, in welcher unser seitheriger Reichstagsabgeordnete,Hr. LandgerichtsratFrhr. von Gültlingen, sein Programm entwickelte. Namentlich hat er die Gründe, welche ihn dazu bestimmen für die Militärvorlage einzutreten, in klarer und verständlicher Weise dargelegt. Die Kosten der Militär-Vorlage sollen von einer erhöhten Börsen-, einer Wehr- und einer Luxussteuer gedeckt werden. Die Versicherungsgesetze, welche hauptsächlich bei dem Landvolk eine berechtigte Unzufriedenheit Hervorrufen, will Hr. von Gültlingen verbessert wissen; die Zölle, welche Handel und Gewerbe, sowie die Landwirtschaft schützen, sollen erhalten bleiben. Nachdem der Redner geendet, ergriff Hr. Stadtschultheiß Haffner von Calw das Wort und wies auf die voraussichtlichen Folgen hin, falls die oppositionellen Parteien den Sieg davon tragen sollten, hauptsächlich bei allen indirekten Steuern würde der Landwirt und Gewerbetreibende sehr schwer geschädigt bezw. mit erhöhter Steuer belastet werden müssen. Zum Schluß sprach Hr. Schullehrer Bahnet von hier den beiden Herrn Vorrednern für ihre belehrenden Vorträge im Namen der hiesigen Wähler seinen Dank aus und betonte noch besonders, daß wohl die meisten der Anwesenden zu der vollständigen Ueberzeugung gekommen sein werden, daß die Militärvorlage zum Schutz unseres deutschen Vaterlandes höchst notwendig ist, deshalb dis Wähler am 15. d. M. mit dem Wahlspruch zur Wahlurne treten sollen: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist."
Stuttgart. Wochenmarkt. Die Zufuhr von Kirschen auf den Lebensmittelmarkt steigert sich von Tag zu Tag; im Laufe der Woche sind annähernd 5000 Körbe vermögen worden; die Preise variieren je nach Güte der Ware zwischen 9 und 16 pro Psd. en Arv8. Junges Gemüse wird heute vielfach begehrt, so namentlich Bohnen, Brockelerbsen und Endiviensalat; in der unteren Markthalle werden Rehböcke vereinzelt begehrt.
Ebing en, 9. Juni. Dem „Heuberger Boten" wird geschrieben: Am Sonntag sprach in Schömberg der Reichstagskandidat Conrad Haußmann unter der Thüre des Gasthauses z. „Traube" stehend vor einer zahlreichen zum Teil aus jungen, noch nicht
wahlfähigen Leuten bestehenden Versammlung, die sich in der großen Mehrzahl aus Schömberg -Md den umliegenden Orten rekrutierte. Seine Rede erschien uns nicht bloß dem Stimmumfang, dem Pathos und den Gestikulationen nach, sondern auch inhaltlich eine etwas starke Leistung. Wir sagten uns, wenn man der Unzufriedenheit dasWort redenwilk, dann muß man reden, wie Haußmann geredet. Wir sind ja auch nicht mit allem einverstanden, aber auf diesem Weg der „Volksschulung" können und wollen wir Hrn. Haußmann nicht folgen. — Zuerst wurde die Militärvorlage behandelt, die Gründe angeführt, warum er dazu „nein" gesagt und immer sagen werde; auch die Steuerprojekte wurden besprochen, welche für die Deckung der Kosten der Vorlage in Aussicht genommen seien. Hiebei hat uns eines nicht gefallen, daß er sich nämlich gegen die Luxus- oder „Herren"- Börsensteuer erklärte. Die zur Begründung dieser Gegner schaft vorgebrachten Ausführungen haben uns durchaus nicht befriedigt. Nach Behandlung der Militärvorlage hätten wir vom Hrn. Kandidaten auch gerne etwas gehört von seiner Stellungnahme zu anderen Fragen, die im kommenden Reichstag notwendig zur Sprache kommen müssen und die im Programm der Zentrumspartei so klar ausgesprochen sind; z. B. zum Jesuitengesetz, zu den volkswirtschaftlichen Fragen, der sozialen Gesetzgebung, den Korn- und Viehzöllen u. s. w. Aber darüber schwieg sich Haußmann aus. Dafür bekam man nun eine Schilderung seiner und seiner Partei Thätigkeit im württ. „Landtag" zu hören, die gar nicht in eine Reichstagswahlrede gehört. Allein es war eben viel leichter und viel pikanter, tüchtig auf die „blinden Minister", das blaue Blut der Adeligen, den geheimen Kommerzienrat, die Beaniten und lebenslänglichen Schultheißen, kurz auf die „Herren" loszudonnern. Und daß das Haußmann in Schömberg in ausgiebiger Weise gethan hat, werden seine eigenen Parteigenossen nicht bestreiten. Selbstverständlich erntete er dafür bei vielen Zuhörern reichen Beifalls während man Andere offen ihre Mißbilligung über den Schluß der Rede laut aussprechen hörte. Diese sagten sich, daß man soweit doch nicht gehen, und wohin es führen solle„ wenn Regierung und Beamte in solcher Weise heruntergemacht werden.
Ludwigsburg, 9. Juni. Auf dem hiesigem Bahnhofe wurden heute vormittag der 53 Jahre alt« Hilfsweichenwärter Gans von Bissingen von einer Lokomotive überfahren. Der Verunglückte, der seit etwa 30 Jahren bei einer Eisenbahn beschäftigt ist, erlag nach kurzer Zeit seinen schweren Verletzungen-
Gebweiler, 9. Juni. Dem „Gebweiler Kreisblatt" ist zu entnehmen, daß der Vorstand des landwirtschaftlichen Kreisvereins beschlossen hat, um seine Mitglieder in dieser schweren
Aeuittet orr.
-- Nachdruck »erboten.
Karold ßharttons geheime Wege.
Aus dem Amerikanischen von Sophie Freiin v. Zech.
(Fortsetzung.)
Manche lustige Gesellschaft machte zur Sommerszeit Partien hierher, um sich auf diesem grünen Fleckchen Erde, wo einst der Pirate Goss seine geraubten und geschmuggelten Maaren landete, zu vergnügen. Das Gerücht ging, daß ein Keller, wenn nicht sogar noch mehrere, unter den Tiefen der Klippe existierten und daß ein geheimer Gang direkt von dem roten Hause nach diesen Kellern führte. Das rote Haus war jahrelang das Eigentum eines Mr. Hastings gewesen, der mit seiner Familie darin lebte. In dieser langen Zeit hatte man nichts mehr vom Schmuggeln gehört, bis vor ungefähr vier Wochen die Küstenwächter einen nächtlichen Kamps mit Schmugglern zu bestehen hatten, wobei jedoch die elfteren, wie schon erwähnt, unterlagen und ihr Anführer getötet worden war. Keiner der Schmuggler war in die Hände des Gesetze« gefallen. Mr. Hastings, der langjährige Eigentümer des roten Hauses lachte über das Gerede von dem Dasein eines unterirdischen Ganges und erklärte, der Gang sei so geheim, daß er ihn nicht finden könne, denn er gestand zu, eifrig danach gesucht zu haben.
Zu der Zeit, als meine Geschickte beginnt, war Mr. Jrwing Hastings ungefähr zwei Monate tot. Seine Wittwe verkaufte das Haus und zog mit ihren Töchtern nach London.
Die Hastings wurden sehr vermißt, Venn es waren gute freundliche Menschen gewesen. Der neue Eigentümer, ein Mr. Clärens, war ein junger Mann, seine Frau sollte schön wie «in Märchentremm sein. —
Gonz kestringha« und Umgegend erwartete fröhliche Gastfreundschaft van dem jungen Ehepaare, aber man täuschte sich hierin. Di« Leute waren ganz unzu
gänglich. sie kamen nie nach Westringham, Niemand hatte sie noch außerhalb dev Grenzen ihres Besitztums gesehen. Ein wettcrgebräunter Matrose und eine alt« Magd bildeten die ganze Bedienung des jungen Paares.
Am Morgen des Tages, an welchem Eleonore Mostyn über die Kl ppe hinabgestürzt wurde, schritt Harold Charlton in Gesellschaft eines sonnverbrannten^ fremdländisch aussehenden Matrosen in einer Seitengasse Westrighams dahin. Harold war auf dem Wege nach dem Bureau seines Chefs. Die beiden Männer redeten eifrig und leise miteinander. DaS Gespräch wurde in portugiesischer Sprache geführt. „Gott sei Dank, Anselmo," sagte Harold, „daß Felix glücklich in den Felsenhöhlen untergebracht ist, dort kann er bleiben, bis die Wachsamkeit der Polizei wieder etwas nachgelassen hat. Seine Wunde ist ja nur leicht, er wird bald wieder genesen sein und dann soll er mit seiner jungen Gattin einige Zeit auf Reisen gehen. Der Aufenthalt im roten Hause ist jetzt nicht geraten für ihn. Man munkelt allenthalben, doß Felix im Bunde mit den Schmugglern ist, was leider auch die Wahrheit ist."
„Ja. seit dem letzten Gefecht ist wieder der Teufel los, die Zahl der Küstenwächter ist vermehrt worden und sie passen auf wie die Luchse," sagte Anselm lachend. „Wir haben noch so schöne Vorräte im Keller, aber wir können nicht wagen, sie landeinwärts zu spedieren, wenigstens vor der Hand nicht, wir haben unS jetzt einstweilen nach allen Richtungen zerstreut, aber an einem bestimmten Tage, wenn einige Monate verflossen sind, kommen wir wieder im Keller zusammen und beraten, wie wir die Maaren weiterschaffen. Einstweilen ist der Herr geborgen im Keller, hätte die Polizei wirklich ein Auge auf ihn. so würde sie ihm schon einen Besuch im roten Hause gemacht haben. Ich glaub'« nicht, Herr Harold, daß man einen Verdacht auf ihn hat, das ist nur so ein Gerede der Leute. Die Hallunken von Küstenwächtern und Konstablern haben nicht einen einzigen unserer Bande gefangen. Sie kennen uns garnicht, wenn sie uns am Tage begegnen. Wir find -schlau, Herr Harold, und wissen unsere Gesichter unkenntlich - zu machen.? Heimliche Hilfe an dem Landvolk haben wir auch, so war es vor asten Zeiten und so ist es jetzt noch. Sie glaubem