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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 68. Iahr-an-.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung 9 Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.

Amtliche HLekanutmilchangen.

Bekanntmachung.

Zum Stellvertreter des Wahlvorstehers für den Wahlbezirk Nro. 34 (Sommenhardt mit Lützen­hardt und Kentheim) ist an Stelle des Gemeinde­rats Ehnis

^Gemeinderat Jakob Nothacker in Sommenhardt bestellt worden.

Calw, den 7. Juni 1893.

K. Oberamt.

Lang.

An die Gemeinderäte.

Die größere Anzahl der Gemeinden des Be­zirks sind für die Unfallversicherung der bei ihren Regietiefbauarbeiten beschäftigten Personen der Tiefbauberufsgenossenschaft als Mitglieder beige­treten und entrichten als solche Beiträge auf Grund der zu führenden Lohnlisten und einzureichenden Lohn­nachweisungen. Die Gemeinden haben bisher unter­lassen, von ihrer Befugnis zur Teilnahme an der Verwaltung der Tiefbauberufsgenossenschaft Gebrauch zu matzen und sich zu diesem Behuf zunächst an der Genossenschaftsvsrsammlung zu beteiligen. Dabei war wohl hauptsächlich die Rücksicht auf die Vermeidung von Reisekosten maßgebend. Dadurch, daß die be­teiligten Gemeinden gemeinsam einen Vertreter zur Genosssnschaftsversammlung entsenden (Z 9 des Statuts der Tiefbauberufsgenossenschaft), können aber diese Kosten auf 'ein ganz unbedeutendes Maß herab­gemindert und kann den Gemeinden ein ihren Bei­trägen entsprechender Einfluß auf die Regelung und Verwaltung der Angelegenheiten dieser Berufsgenossen­schaft verschafft werden.

Oberbürgermeister Wagner in Ulm hat sich nun bereit erklärt, die Vertretung der der Tiefbau­berufsgenossenschaft nach Z 5 Abs. 3 des Bauunfall­versicherungsgesetzes vom 11. Juli 1887 als Mit­glieder angehörigen württembergischen Gemeinden und Amtskörperschaften bei der nächsten Genossen­schaftsversammlung als gemeinschaftlicher Bevoll­mächtigter nach Z 9 des Genossenschaftsstatuts zu übernehmen.

Indem die für den hiesigen Bezirk in Betracht kommenden Gemeinden hierauf aufmerksam gemacht werden, wird denselben anheimgegeben, eine Vollmacht für Oberbürgermeister Wagner oder eine anderweitige geeignete Persönlichkeit nach einem ihnen zugehendsn Formular auszustellen. Dabei wird wiederholt be­merkt, daß bei der großen Zahl der in Betracht kommenden Korporationen die auf die einzelnen ent­fallenden Kosten dieser Vertretung ganz unerhebliche sein würden.

Die Ausstellung der Vollmachten hat durch die Gemeinderäte zu erfolgen. Den Vollmachten sind je die Mitgliedscheine beizulegen; auch ist auf den­selben die Zahl der in der letzteingereichten Lohn- nachweisung aufgeführten versicherungspflichtigen Per­sonen anzugeben (vgl. Z 9 des Genossenschaftsstatuts).

Die ausgestellten Vollmachten samt den Mit­gliedscheinen wollen binnen acht Tagen hierher eingesendet werden.

Calw, den 7. Juni 1893.

K. Oberanrt.

Lang.

Bekanntmachung.

Nach einem Erlaß des Kgl. Kriegsministeriums, ^betreffend, Novelle zum Militärpensionsgesetz, sind

Donnerstag, den 8. Zuni 1893.

sämtliche im Landwehrbezirk Calw ansässigen Inva­liden festzustellen, welche auf Grund des Militär­pensionsgesetzes vom 27. Juni 1871 als Invaliden anerkannt sind und folgenden Bedingungen entsprechen:

1) die Kriegszulage gemäß Z 71 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 beziehen, oder

2) die Zulage für Nichtbenutzung des Zivilver­sorgungsscheins gemäß Z 76 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 bszw. Z 12 des Gesetzes vom 4. April 1874 beziehen, am Kriegs 1870/71 oder an einem Kriege vor 1870/71 teilgenommen haben, oder seit diesem Kriege durch eine mili­tärische Aktion oder durch Seereisen invalide geworden sind (Marine) und sich nicht im Ge­nüsse einer Verstümmelungszulage gemäß H 72 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 befinden, oder

3) auf Grund der ZZ 84 und 85 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 einer Klasseneinschränkung hinsichtlich des Pensionsbezuges unterliegen, d. h. Jnvalidenansprüche nicht sofort bei ihrer Entlassung aus dem aktiven Militärdienste, son­dern erst später angebracht haben und deshalb in eine niedere Psnsionsklaffe eingewiesen worden sind.

Die diesen Bedingungen entsprechenden, im Landwehr-Bezirk Calw wohnhaften Invaliden haben sich unter Vorlage ihrer Militärpapiere und des Pensionsquittungsduchss alsbald, spätestens zum 18. Juni d. I., beim Bezirkskommando in Calw schrift­lich oder mündlich zu melosn. Zur Vermeidung von Jrrtümern wird noch ausdrücklich heroorgehoben, daß solche Invaliden, welche nicht auf Grund des Gesetzes vom 27. Juni 1871, sondern auf Grund früherer Gesetze anerkannt sind, höhere Gebührnisse auf Grund des neuen Gesetzes vom 22. Mai 1893 nicht zu beanspruchen haben.

Bemerkt wird noch, daß seitens der beteiligten Personen Anträge an das Kriegsministerium in die­ser Angelegenheit nicht zu stellen sind.

Calw, den 6. Juni 1893.

Roth,

Major z. D. u. Bezirks-Kommandeur.

H e r r e n b e r g.

Bekanntmachung,

betreffend die Ermittlung des Reichstags- wahl-Ergebniffes.

Zur Kenntnis der Wähler des VII. Wahl­kreises wird hiemit gebracht, daß die Ermittlung des Ergebnisses der am 15. ds. Mcs. stattfindenden Reichstagswahl von der hiezu berufenen Kommission am

Montag, den IS. Juni 18SZ,

vormittags 8'/- Uh^

auf dem Rathause in Herrenberg vorgenommen wird, wobei der Zutritt zu dem Lokal jedem Wähler offen­steht. (Z 26 des Wahlreglements vom 23. Mai 1870.)

Den 7. Juni 1893.

Wahlkommissär Oberamtmann Völter.

Zirv

Als vor vier Wochen die Kunve von der Auf­lösung des Reichstags kam, da war bei dem besonn­enen Teil des gesamten deutschen Volkes das Gefühl vorherrschend, daß man vor ein Ereignis von weit- tragenden und wahrscheinlich unheilooaen Folgen für unser Vaterland gestellt sei. Denn man sagte sich: Neuwahlen unter der ParoleMilitärvorlage" wohin soll das führen!? Heute, nachdem sich die Situation abgeklärt, bietet sich ein anderes Bild.

AbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt 90 Pfg. r»»tz 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst i» ganz Württemberg Mr. 1. 8S.

Noch nie haben sich vor ernsten Wahlen so seltsame Erscheinungen gezeigt, wie diesesmal. Die alten ausschlaggebenden Parteien und parlamentarischen Fraktionen sind in ihren Grundfesten erschüttert, und es treten Erscheinungen zu Tag, welche sich neben der brennenden Frage der Militär-Vorlage mit ele­mentarer Gewalt, in den Vordergrund drängen. Nur einmal seit Bestehen des deutschen Reichs haben wir ein ähnlich bewegtes Bild gesehen. Es war das bei den sogenannten Septennatswahlen im Jahre 1887. Damals war das Volk auch vor die Entscheidung einer Militärvorlage gestellt, und siehe da, das Volk hat unter dem Eindruck einer unheimlichen Gefahr von außen sein Urteil gesprochen. Man hat diese Wahlen damals Angstwahlen genannt, und in allen Tonarten ist von Irreführung des Volkes und von Vorspiegelung falscher Thatsachen geschrieen und ge­flunkert worden. Wir wollen hier nicht untersuchen, ob die Angst damals eine künstlich hervorgerufene oder eine unmittelbar berechtigte war Thatsache ist, das Volk sah eine Gefahr und in seiner Angst vor der Gefahr griff es nach Leuten, von denen es die Ueberzeugung hatte, daß sie mit Hingabe ihres Letzten treu und rückhaltslos einzustehen bereit waren, für des Vaterlandes Sicherheit und Größe, nicht aber griff es nach jenen Männern der Phrase und den Fraktionshelden, welche im Reichstag und auf der Bierbank so herrlich zu reden verstehen von Freiheit und Volks-Rechten und wie dis schönen Dinge alle heißen; welche aber immer unv überall da nicht zu finden gewesen sind, wo es sich gehandelt hat um große vaterländische Entscheidungen, wo es sich ge­handelt hat, auch den Pflichten gerecht zu werden, die jedem Recht gegenüberstehen und naturgemäß gegen­überstehen müssen. Das Volk hat damals sein mens tzslrsl gesprochen, Gewogen und zu leicht erfunden und siehe da, wie Spreu vor dem Winds sind jene Volksbeglücker dahin geflogen und verschwunden von der Bilvfläche. Die Wahlen von 1890 haben frei­lich wieder ein anderes Bild gezeigt. Unmittelbare Gefahren waren damals nirgends zu sehen, also konnte sich das liebe deutsche Volk schon einmal wieder den Luxus einer frischen, fröhlichen Opposition er­lauben. Und wahrlich diese Stimmung hat damals herrliche Blüten getrieben, der nunmehr Heimgegangene Reichstag Gott Hab' ihn selig war die Frucht derselben. Was hat dieser Reichstag geleistet! ? was waren die Resultate seines trostlos traurigen Daseins! ? Ueberall, wohin wir blicken, Rückgang! Stätiges Ab­bröckeln des Ansehens und der gebietenden Macht­stellung des deutschen Reiches nach Außen durch sein beschränktes Nörgeln und sein in Fraktionsinteressen aufgehendes kurzsichtiges Gebühren unter dem Beifall­klatschen unserer freundwilligen Nachbarn in Ost und West! Niedergang im Innern auf allen Gebieten des Erwerbslebens durch seine unglückseligen Maßnahmen auf wirtschaftlichem Gebiet, wie auf dem Gebiete der Gesetzgebung! Sein größtes Verdienst ist noch das, daß er am Schluß sich nicht mehr aufzuraffen ver­mochte zu einer patriotischen That, unv an dieser seiner Impotenz kläglich zu Grund gehen mußte. Jetzt wiederum ist das deutsche Volk vor Neuwahlen gestellt. Wie wird es entscheiden? Wird es seiner durch die klägliche Zerfahrenheit der letzten Zeit her­vorgerufenen mißmutigen Stimmung folgen, jenen Neinsagern seine Stimme geben oder aber wirs es sich aufraffen und seine Geschicke in energische ziel­bewußte Hände legen? Wir versehen uns zu dem ge­sunden Sinn des deutschen Volks, daß letzteres der Fall sein werde, denn allerorts regt es sich. Wie im Jahre 1879 die am Sterben liegende deutsche