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halten außer ihrem sonstigen Verdienst eine jährliche Unterstützung von 100—200 „Anfänger" in der Glashütte oder Taglöhner erhielten eine einmalige Gratifikation von 15—40 Auch die Witwen seiner Arbeiter hat der Graf in nobelster Weise bedacht, indem er denselben je nach Lage der Verhältnisse eine jährliche Unterstützung von 75 bis 240 ^ zuwendet. Leer ging bei der Schließung der Glashütte niemand aus. Dieses hochherzige Vorgehen des Hrn. Grafen verdient in weiteren Kreisen bekannt zu werden.
Bubenorbis OA. Hall, 18. Mai. Heute mittag zwischen 3 und 4 Uhr zog ein schweres Gewitter über unfern Mainhardter Wald, das uns endlich den erhofften Regen, wenn auch in geringer Menge, brachte. Ein heftiger Blitz und darauffolgender Donnerschlag machten es uns zur Gewißheit, daß es eingeschlagen; und wirklich hatte der Blitz in den hiesigen Kirchturm eingeschlagen, jedoch ohne zu zünden.
Mergentheim, 19. Mai. Gestern wurde eine jüngere Frauensperson zwischen Tauberbischofsheim und Gerlachsheim von einem Handwerksburschen inräuberischerAbsicht angefallen. Das Mädchen, durch ein vorgehaltenes Messer geängstigt, gab schließlich ihre nicht gerade bedeutende Barschaft dem Strolch, nach welchem eifrig gefahndet wird.
— In der Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 18. ds. begründete Frhr. v. Gült- lingen seine Interpellation wie folgt. „Die That- sachen, welche der Interpellation zu Grunde liegen, seien nur allzu gut bekannt. Die Not wäre bereits jetzt noch größer, ohne die ausgezeichnete Kartoffelernte vom vorigen Jahr. Die Futtervorräte seien fast überall erschöpft. Der Landwirt könne sein Vieh nicht mehr füttern; er könne es aber auch nicht verkaufen, oft nicht einmal zu Schleuderpreisen. Er habe erst heute von einem Bauern in Neuhausen auf den Fildern gehört, der weinend vor seinem Stall stand, weil er seinem hungrigen, .nach Futter schreienden Vieh kein Futter reichen konnte. WaS die Z. 1 der Inter- pellation anbelangt, so haben einige eingewendet und gefragt, was denn der Minister des Innern damit zu schaffen habe, ob derselbe etwa regnen lassen solle? (Heiterkeit). Allein demselben sei nicht bloß die Oberaufsicht über die Körperschaftswaldungen übertragen, sondern es sei auch bekannt, daß der Herr Staatsminister des Innern ein warmes Herz für die Gemeinden und für das Wohl und Wehe der Landwirtschaft habe. Auch seien es die Organe dieses Ministeriums, die in solchen Notlagen Grund zu machen und festzustellen haben, wo es hauptsächlich fehlt. Jedenfalls werde es der Sache nicht schaden, wenn beide Ministerien in dieser wichtigen Sache im Einklang mit einander Vorgehen.
Kokumkische Weltausfieü'üng.
Aünf Gvöterke vereinigt.
Von Otto Schröder.
(4. Brief.)
Chicago, den 26. April 1893:
Alle fünf Erdteile haben sich vereinigt, um di> Columbische Weltausstellung zu der größten zu gestalten, welche die Geschichte je gekannt hat. Es grüßen sich zum friedlichen Wettstreit 45 Nationen von allen Teilen des Globus. Nicht allein Europas alte Kulturländer kamen nach Chicago, um ihr Können mit demjenigen der Amerikaner zu messen, sondern auch der Halbbarbaren Asiens und Afrikas bemächtigte sich der Wunsch, dem Entdecker der „Neuen Welt" einen Tribut zu zollen und die Messe von 1893 zu einer thatsächlich internationalen zu stempeln. Uncle Sam, der geistige Führer von Nordamerika, sieht bei sich zu Gaste seine nordamerikanischen Brüder und Schwestern: Barbados und Costa Rica, das Pflanzenreiche Cuba und Westiudien mit seinen Colonialwaren, Trinidad und San Salvador, jene Insel, auf welcher Columbus am 12. Oktober 1492 die Fahne des spanischen Königspaares Ferdinand und Jsabella aufpflanzte, das erzreiche Mexiko und Honduras mit seinem Tierreichtume, endlich Canada samt all seinen Provinzen, Nicaragua, Guatemala und die Negerrepublik Hayti. Die letztgenannten vier Staaten haben stattliche Repräsentationshäuser, in denen die Commissäre Besucher empfangen werden. Die spanisch redenden Vettern Uncle Sam's in Südamerika blieben ebenso wenig zurück und erschienen fast vollzählig. Da sind die Argentinische Republik, Bolivia mit seiner interessanten Sammlung von Jndianercostümen, Britisch Guiana, Holländisch Guiana, das goldreiche Ecuador, das holzreiche Paraguay, Peru mit Beiträgen für die anthropologische Ausstellung und die Ver. Staaten von Columbia. Nicht ließen es sich Brasilien und Venezuela nehmen, eigene Gebäude zu errichten. Die brasilianische Hauptstadt Rio de Janeiro gab willig die seltensten Gegenstände ihres Nationalmuseums her, und der Bau der Republik Venezuela, geziert durch die Statuen von Columbus und Boliviar, ist von einem wundervollen Orchideengarten umgeben. Um den „lateinischen Staaten" Gelegenheit zu geben, gemeinschaftlich eine Altertumssammlung zu schaffen, wurde von der Ausstellung ein besonderes Bureau, errichtet. Im „Kloster La Rabida", einer im südlichen Teile des Jackson-Parks erbauten Imitation, sind Altertümer ausgestellt, welche nicht allein an Columbus ermnern, sondern auch an die Vorzeit Amerikas. Wenn unser Fuß über die haushohen Steinblöcke dahinschreitet, welche die Niederlassung der „Cliff-Dwellers" darstellen sollen, so versetzen wir uns im Geiste in längst verschollene Jahrhunderte.. Hier schöpfen wir Belehrung über Amerikas Vorzeit. Wer waren diese Bewohner der Neuen Welt? Woher
«inen begeisterten Toast auf das deutsche Vaterland ausbrachte, der freudige Aufnahme fand, jedoch von den anwesenden Sozialdemokraten etwas übel vermerkt wurde. Nach der Rede stimmte die Versammlung unter Musikbegleitung die Wacht am Rhein an. Dir einfachgehaltene, schöne Fahne (mit einer Burg, einerLyra u. dem Wahlspruch „In Freud und Leid zum Lied bereit" ausgeschmückt) stammt aus dem Adam'schen Stickereigeschäft in Stuttgart unv kommt auf 240 ^ zu stehen. Auf dem Feflplatz entwickelte sich bei Gesang und Tanz bald ein heiteres und gemütliches Treiben; ein Festball im Ochsen beschloß die Feier.
Stuttgart, 21. Mai. Gestern abend gegen S Uhr konnte von höher gelegenen Teilen unserer Stadt ein interessantes Schauspiel beobachtet werden.
Auf dem Dache des Hauses der elektrotechnischen Fabrik von C. und E. Fein wurden nämlich mehrere Versuche mit einem großen elektrischen Scheinwerfer, der für ein schwedisches Handelsschiff bestimmt ist, angestellt. Die Aussichtstürme vom Hasenberg und von Degerloch, sowie andere hervorragende Punkte der Umgegend erstrahlten in blendender Helle.
Der Lichtstrahl, der sich am dunklen Nachthimmel besonders wirkungsvoll abhob, gewährte in seiner kreisförmigen Bewegung einen sehr hübschen Anblick.
StuttgarterWochenmarkt, Am heutigen Samstag wurden etwa 60 Körbe Kirscheü m Markt gebracht, meist aus der Stuttgarter Umgebung; die Ware dürfte teilweise etwas reifer sein, doch findet sie der Neuigkeit halber willige Abnehmer; Preis 22 per Pfund en xros. Den Spargeln ist der Regen zu gut gekommen, sie sind in den letzten Tagen ansehnlicher und, was die Hauptsache ist, auch etwas billiger geworden. Heute trifft man auch vereinzelt schon recht schöne Brockelerbsen. Der Blumenmarkt ist überaus reichhaltig beschickt, namentlich sind Pfingstrosen in großer Auswahl vorhanden.
Gmünd, 19. Mai. Heute vormittag nach 10 Uhr wurde eine ältere, schwerhörige Frau, eine herumziehende Schirmmacherin, beim Bahnübergang in der Nähe des Gottesackers vomZugüberfahren und sofort getötet. Sie hatte trotz der geschloffenen Barrieren die Bahn überschritten und den heran- hrausenden Zug nicht gehörst
Vom oberen Allgäu, 14. Mai. Die Glasfabrik Eisenbach bei Jsny, dem Grafen von Quadt-Jsny gehörig, ist vor mehreren Wochen eingegangen. In anerkennenswertester Weise hat der Arbeitgeber für das Fortkommen seiner bisherigen Arbeiter gesorgt. Jeder Glasmacher, der nach einer anderen Glashütte zog, erhielt zu diesem Zweck ein Reisegeld von 100—115 Aeltere Leute, denen eine weite Reise und die Angewöhnung an einem fremden Ort schwer fallen würde, werden seitens der gräflichen Verwaltung anderweitig beschäftigt und er-
Die letzten Worte murmelte der Fürst mit zitternden Lippen; Fiebers» oft schüttelte seinen ganzen Körper. Ossip Petrowitsch betrachtete ihn ernst, dann stand er unschlüssig da und schaute zu Boden.
„Ich bin kein schlechter Kerl", brummte er, die Brauen runzelnd, ich bin nicht von Stein, ich kenne auch die heilige Schrift. . . Aber, Anatol Wassiljewitsch, noch ein Manneswort, horche zu. denke nach, urteile selbst: Wie sähe es aus, wenn meine Tochter zu ihm aus's Schloß — es geht ein schändlich Gerede, ich selbst weiß nicht, wo mir der Kcpf steht — was würde aber alle Welt sagen! Nein, nein, KnjäS, nein."
Ossip Petrowitsch geriet wieder in lohende Wut, er schlug die Fäuste an einander — „es ist nichts damit! Fahre heim, Fürst, ich habe nichts mit Dir zu schaffen, es soll mich niemand beschimpfen dürfen, mich und mein Kind — fort, Knjäs, Deines Sohnes Leben ruhe in Gottes Hand, und Gott bestrafe alle Ver' führer und Verleumder!"
„Ossip Petrowitsch," begann der Fürst stockend, „redest Du da von Verführern und Verleumdern! Mein Wolodja selbst hat mir gestanden, daß — daß Helena Ossipowna ein herrliches Mädchen sei, sittsam und wohlerzogen, — wer darf sie alfo verläumden?"
„Hat Dir Dein Sohn da« gesagt!" schrie Ossip Petrowitsch entzückt und faßte den Fürsten bei der Brust, „Du selber gestehst. Dein Sohn habe das, das gesagt?"
„Er hat's gesagt, er hat noch mehr gesagt" — Anatol Wassiljewitsch senkte dm Kopf und begann zu stottern, — „er — er hat gesagt, daß er dieses liebe Mädchen gerne habe, — gerne habe," wiederholte er und schwieg dann.
„Hört Ihr, hört ihr nun alle?" rief Ossip, rings umher schauend, obgleich außer Matwei Niemand in der Stube war; „er hat gesagt, sie sei sittsam und wohlerzogen! Mit stolzer Geberde wandte er sich hierauf an den Fürsten: „Wenn dem nun so ist, siehst Du doch selber ein, daß es unmöglich ist, daß sie auch nur den
Anschein ged«-sage selber, als was soll sie zu Deinem Sohn auf's Schloß,
sage selber!?"
„Als seine Braut!" kam es rmt festem, aber eigentümlich scharfem Klang
über Anatol Wassiljewitsch Lippen. Er zog den Mantel fester um sich, als fröstelte ihn, und drückte den Hut tief über die Stirne.
Ossip Petrowitsch glotzte ihn wie verständnislos an; er traute seinen Ohren
nicht.
„Du, Knjäs Anatol Wassiljewitsch, Du!" schrie er aus vollem Halse, und erst nach einer Pause fügte er staunend und wie besorgt hinzu: „Du hast wohl den Verstand verloren?"
„Als seine Braut", wiederholte der Fürst mit halblauter Stimme; er selbst, will es ja. und wenn sie ihn gesund machen hilft, soll er sie haben . . . Das sagt Fürst Anatol Wassiljewitsch Wolkonsky" — setzte er ganz leise hinzu — „glaube nicht, daß er den Verstand verloren hat."
In diesem Augenblick ließ sich draußen, durch den stärker prasselnden Regen hindurch, Schellengeklingel vernehmen, ganz unter den Fenstern des Wirtshauses, und gleich darauf klopfte es an die Hausthüre.
„Das lind Postglocken," sagte Matwei. „soll ich öffnen?"
„Frage, was man wünscht," antwortete Ossip zerstreut. „Du, Fürst, tritt, hier ein."
Er führte ihn in das Hintere kleine Wirtszimmer, die Thüre ließ er auf.
Im Hausflur begann Matwei's Stimme laut zu schnattern.
„Ei, sieh' doch", hörte man ihn rufen, wie cs schien, in froher Erregung „Kolja Ossipowitsch ist es, unser junger Herr ist gekommen! Willkommen in Po-' pelnja, oho, oho!"
Unter großem Geräusch ging die Thüre aus, von Matwei fast getragen schritt: lächelnd ein junger hochgewachsener Mann in die Wirtsstube herein. Er trug einen R-isekoffer. den ihm Matwei enkieß, um sich dann an seine Oberkleider zu machen». Im Nu stand er ausgekleidet da. Matwei schnatterte und schlug den durchnäßten. Hut des durchnäßten Ankömmling« klatschend gegen die Wand.
(Schluß folgt»)-