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Sitzung der Kammer der Abgeordneten wurde über die Interpellation des Frhrn. v. Gültlingen u. Gen. verhandelt. Nachdem der Interpellant die Notlage und die Notwendigkeit einzugreifen dargestellt, gaben die Herren Staatsministcr der Finanzen And des Innern Erklärungen ab, wornach den Forstbehörden eine ausgiebigere Abgabe von Streu und Gras aus den Staats- und Korporationswaldungen aufgegeben ist. Die Erklärungen seitens des Regierungstisches fanden seitens des Hauses eine dankende Aufnahme. Zu einzelnen Vorschlägen nahmen das Wort Frhr. v. Wöllwarth (wünschte Erlaubnis für die Schäfer, in den Wald zu treiben), Bayha regt Fütterung mittelst Buchenreisig an), Hauß- mann-Bal. (wünscht eine Fassung der hinausgehenden Erlasse, wonach in diesem Jahre die Schonung des Waldes hinter der Berücksichtigung der Bedürfnisse der Landwirte zurückstchen solle), Haug (wünscht unentgeltliche Abgabe von Streu und Gras), Spieß (giebt Ratschläge wie der Viehstand möglichst erhalten werden könne), Graf Adelmann (wünscht Abgabe von Torfstreu), Hart mann (wünscht die Erlaubnis, daß auch in den Zwischenräumen zwischen Kulturen gegrast werden dürfe). Frhr. v. Gültlingen faßte dann den Dank des hohen Hauses gegen die Regierung und die Anerkennung des raschen Eingreifens derselben zusammen.
— Sozialdemokratische Kandidaturen in Württemberg. I. Karl Kloß, Bürgerausschußmitglied in Stuttgart. 2. Menrad Glaser, Schriftsetzer in Cannstatt. 3. und 12. Schreiner Gustav Kittler, Bürgerausschußmitglied in Heilbronn. 4. Theodor jv. Wächter Predigtamtskandidat in Stuttgart. 5. I. H. W. Dich, Buchdruckereibesitzer in Stuttgart. 6. Wilh. Blos, Schriftsteller in Stuttgart. 7. Gottlieb Proß, Handschuhmacher in Eßlingen. 8. und! 9. Karl Hildenbrand, Schriftsetzer in Stuttgart. 10. und 11. Alfred Agster, Schriftsteller in Stuttgart. 13. Hermann Stamm, Privatier in Cannstatt. 14. Ad. Dietrich, Bürgerausschußmitglied in Stuttgart. 12. Dr. Joseph Maier, Schriftsteller in Stuttgart. 16. und 17. Leonhard Tauscher, Buchdrucker in Stuttgart.
Zuffenhausen, 15. Mai. Am Himmelfahrtsfest machte ein Verein von Leonberg einen Ausflug nach Hcilbronn; bei der Heimfahrt mußte derselbe hier aussteigen und auf den Leonberger Zug warten. In der Langeweile machten sich einige Mitglieder an dem Ziergkbüsch des Bahnhofs ru schaffen!; als ihnen das verbeten wurde, lehnten sie sich auf -llttd schlugen mit Stöcken und Schirmen auf das Bahnpersonal ein, ja einer machte von dem Revolver Gebrauch und feuerte auf den Bahnhofcrpedienten, glücklicherweise ohne ihn zu verletzen. Infolgedessen wurden vorgestern vier Vereinsmitglieder, leider lauter Familienväter, vom Landjäger verhaftet. Sie werden wohl nun selbst bedauern, so thöricht gehandelt zu haben.
Hohenheim, 15. Mai. Heute Nacht wurden die hiesigen jEinwohner durch Feuerlärm erschreckt. Kurz vor 1 Uhr stand eine große Strohfeime in der Nähe der Gartenbauschule und des Bahnhofs in Flammen und jbrannte vollständig nieder. Glücklicherweise war die Luft sehr ruhig, so daß sdie in die Höhe genffenen brennenden Strohteile nicht weit flogen und keinen sonstigen Schaden verursachten. Brandstiftung ist unzweifelhaft. Binnen 7 Jahren sind nun 4 große Heu- resp. Strohfeimen des Kgl. Instituts Hohenheim in Flammen aufgegangen.
Vom Unterland. Mit dem vermehrten Anbau der Zuckerrüben haben auch die kleinen und gefährlichen Feinde dieser saftreichen Pflanzen an Zahl bedeutend zugenommen. Der schwarze Aaskäfer ist es besonders, der die zartaufkeimenden Pflänzchen anfrißt und bei der Mastenhaftigkeit, in der er auftritt, großen Schaden anrichtet. Bislang wurden Schulkinder dazu benützt, diese Käfer in den Rübenfeldern abzulesen, um die Pflanzen von diesen lästigen Schmarotzern zu befreien. Nach dem Vorgänge norddeutscher Rübenbauer wendet man nun auch in Württemberg zur Vertilgung dieses Ungeziefers ein anderes Mittel an: Es sind dies die Hühner. Auf den von der Zuckerfabrik Züttlingen gepachteten v. Gemmingen'schen Gütern zu Bürg, OA. Neckarsulm, laufen 3 Herden dieses Geflügels,
je in der Zahl von 50 Stück, die mit emsigem Fleiß Aaskäfer, Drahtwürmer und Engerlinge aufspicken und verzehren. Es sind dies halbgewachsene italienische Hühner, die sich zu diesem Geschäft leicht angewöhnen lasten; sie stehen unter Führung einer Dienstmagd und eines kleinen Treibbuben, welche die Tiere dahin leiten, wo das Ungeziefer stark auftritt. Die Hühner erhalten neben der animalischen Nahrung auch eingeweichte Gerstenkörner, damit ihnen das Einerlei nicht entleidet und schadet; zum Trünke, der fleißig begehrt wird, ist stets frisches Master in einer Schüssel vorhanden. Ueber die heiße Mittagszeit finden die Hühner Schutz in einem großen Karren , der mit einem Pförchkarren Aehnlichkeit hat und auf dem Felde steht; in demselben sind Sitzstangen angebrachts, auf denen sie auch ihre Nachtruhe halten. Der Karren kann durch ein Pferd von einem Rübenschlag zum andern geführt werden. Nach der Erntezeit, etwa im Juli, werden die wohlgenährten Hühner, die nun auf dem Rübenfelde entbehrlich sind, verkauft und finden leicht Abnehmer; im nächsten Jahre kommt dann ein neues junges Geschlecht zu demselben Zweck wieder an die Reihe.
8. 0. Pforzheim, 18. Mai. Im hochgelegenen Bezirksorte Büchenbronn ist gestern abend '/-II Uhr Feuer ausgebrochen, wovon 3 Wohnhäuser und 3 Doppelscheunen vernichtet wurden. Die Feuerwehren von Brötzingen, Weißenstein und Grunbach, schließlich auch die von Pforzheim, die erst um '/-I Uhr allarmiert wurde, wetteiferten in treuer Pflichterfüllung. 8 Familien sind obdachlos; sämtliche versichert.
Sigmaringen, 17. Mai. Infolge der andauernden Trockenheit wird das Futter immer seltener und manche Tiere müssen bereits am Hungertuche nagen, da man selbst zu den höchsten Preisen, bis zu 10 per Ztr. Heu, kein Futter bekommen kann. Die Milchlieferanten haben deshalb einmütig den Preis dieses wichtigen Nahrungsmittels um 3 erhöht.
(Eingesandt.)
Mit dem am 23. d. beginnenden Fortbildungskurs kommt eine wichtige Schulreorganisation zum Abschluß, die in Calw im Lauf des letzten Jahres beraten und eingeleitet worden ist. Es sei gestattet, hierüber etliches bekannt zu geben.
In der Mädchen-Volksschule sind die früher getrennten Klassen II und III vereinigt und Herrn Schullehrer Roos übertragen worden, so daß nun nach der Elementarklasse, welche Einen Jahrgang enthält, jede Klasse je zwei Schuljahre umfaßt.
Die Mittelschule ist in zwei Klassen geteilt worden. Die untere enthält das 4. und 5. Schuljahr; an derselben unterrichtet Fräulein J lg. Die Oberklasse, für das 6. u. 7., bezw. 8 Schuljahr, ist Herrn Mittelschullehrer Müller übertragen worden. Die Unterrichtsfächer sind im wesentlichen dieselben geblieben; infolge der Trennung in zwei Klassen kann der einzelnen Schülerin mehr Zeit gewidmet werden, was dem Lehrziel und -Resultat zu gut kommt. Zeichnen und Handarbeiten sind obligatorisch. Neu wurde auf vielseitigen dringenden Wunsch aus Elternkreisen das Französische als obligatorisches Fach an der Mittelschule eingeführt. Jede Schülerin erhält in dieser Sprache wöchentlich 3 Unterrichtsstunden. Für dieses Fach wurde in Fräulein B r a u n eine Lehrerin gewonnen, welche, im höheren Seminar in Stuttgart gebildet und examiniert, durch mehrjährigen Aufenthalt in Belgien sich eine gründliche Kenntnis der Sprache und vorzügliche Aussprache angeeignet hat, und im Unterricht reiche Erfahrung besitzt. Sie erteilt den franz. Unterricht an der Oberklaste der Mittelschule.
Für konfirmierte Töchter, welche die Mittelschule besucht haben, beginnt nun am 23. Mai ein Fortbildungskurs, welchen ebenfalls Fräulein Braun übernommen hat. In demselben «erden in 18 Wochenstunden (täglich 8—11 Uhr) gelehrt: Französische Sprache, Englische Sprache, Geschichte und Geographie, Deutsche Litteratur und Deutscher Aufsatz. Der Kurs ist auf ein Jahr angelegt. Sollten Wünsche und Erfahrungen dafür sprechen, so würde an eine Ausdehnung auf 2 Jahre später gedacht werden können.
Das Schulgeld beträgt in der Mittelschule jährlich 22 in der Fortbildungsschule jährlich 60 Geschenke an die Lehrer sind verboten.
Die bürgerlichen Kollegien sind der neuen
Schuleinrichtung mit großer Liberalität entgegengekommen. Möchte nun auch seitens der Jugend die gebotene Gelegenheit zu reicherer und gründlicher. Bildung eifrig ergriffen werden!
Standesamt ßatw.
Geborene:
12. Mai. Hermann Walther, Sohn des Otto Heiler» Kaufmanns hier.
15. . Philipp Heinrich, Sohn des Konrad Fink,
Fabrikarbeiters hier.
18. „ Eugen, Sohn des Friedrich Renz, Weichen--
Wärters hier.
Gottesdienst
am Sonntag, den 21. Mai, heil. Pfingstfest.
Vom Turm: 196. Predigtlied 197.
Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. Feier des heil. Abendmahls. 2 Uhr Nachm. Predigt: Herr Stadtpfarrer Eytel. Das Opfer ist für arme evang. Gemeinden im In- und Ausland bestimmt. (Um 8°/4 Uhr ' ist Beichte in der Sakristei.)
Iifingstmonkag, 22. Mai:
9 Uhr Vorm. Predigt: Herr Stadtpfarrer Eytel.
Mittwoch keine Betstunde.
Die Kg!. Irlilralstlük fiir die Landwirtschaft
an sämtliche landm. Bezirksvereine.
Auf Anregung der Zentralstelle hat sich die ^ König!. Generaldirektion der Staatseisenbahnen bereit, erklärt, zur Erleichterung des Besuchs der Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in München, die vom 8. bis 12. Juni d. Js. stattfindet, genügende Teilnahme vorausgesetzt, einige Sonderzüge dorthin abgehen zu lasten.
Es sind für Donnerstag, den 8. Juni d. I» folgende 3 Sonderzüge in Aussicht genommen:
1) von Stuttgart über Ulm nach München. Stuttgart ab etwa 9.°° Vorm.
Ulm an „ 12.'° „
mit Anschluß von fahrplanmäßigen Zügen in Stuttgart von Mühlacker, Heilbronn, Böblingen; in Plochingen von Horb, Tübingen.
2) von Gmünd und Heidenheim über Aalen» Nördlingen nach München.
Gmünd ab etwa 9." Vorm.
Heidenheim „ „ 9.°° „
Nördlingen an 12.'° Nachm, mit Anschluß von fahrplanmäßigen Zügen in Aalen oder Goldshöfe von Hall, Mergentheim, Crailsheim» Ellwangen.
3) von Sigmaringen über Herbertingen, Aulendorf, Leutkirch, Memmingen nach München.
Sigmaringen etwa ab 10.°° Vorm.
Memmingen „ an 1.°° Nachm, mit Anschluß in Sigmaringen von Rottweil, Tuttlingen, Ebingen; in Aulendorf von Ravensburg,. Friedrichshafen und Pfullendorf; in Herbertingen von Riedlingen mit fahrplanmäßigen Zügen.
Für die Sonderzügr werden besondere Rückfahrkarten II. und III. Klasse mit ermäßigten Preisen nach München C.B. auf allen denjenigen württ.. Eisenbahnstationen — ausgenommen die Haltepunkte — zur Ausgabe kommen, die von dem Sonderzug berührt werden; die Rückfahrkarten berechtigen zur Rückfahrt in fahrplanmäßigen Zügen innerhalb der lOtägigen Giltigkeitsdauer einer gewöhnlichen Rückfahrkarte auf dem Wege, welcher für die Hinfahrt mit dem Sonderzug benützt worden ist. Zum Anschluß an die Sonderzüge sind auf den nicht, von denselben berührten Stationen gewöhnliche Rückfahrkarten — d. h. ohne besondere Preisermäßigung — zu lösen. Der Fahrpreis für die Hinfahrt mit Sonderzug und die Rückfahrt mit einem fahrplanmäßigen Personenzug beträgt etwa "/» der gewöhnlichen Rückfahrkarte.
Die genauen Fahrpreise ab den einzelnen Stationen, sowie die genaue Abfahrtszeit der Sonderzüge wird noch besonders bekannt gemacht werden.
Stuttgart, den 17. Mai 1893.
I. V.: Schittenhelm.
Vorstehender Erlaß wird den Landwirten uns. Bezirks mit dem Bemerken hiemit bekannt gegeben, daß Anmeldungen für Sonderzugs-Fahrkarten mit Angabe der Fahrklasse und des zu benützenden Sonderzugs bei dem Unterzeichneten bis längstens den 24. d. Mts. zu machen sind.
Calw, den 19. Mam18S3:
Vereinssekretär.
Ansel.