250 —
Irenen schon die Mitte des Wonnemonats diese vielbegehrte Frucht spendet. Wenn jetzt, wie es den Anschein hat, ausgiebiger Regen die ausgebrannten Felder erquicken wird, so haben wir die Hoffnung daß unsre Bäume in verschieden Lagen bald ein schön Stück Geld einbringen werden, denn nicht nur Kirschen werden dann geerntet, sondern auch Pflaumen aller Art, Zwetschgen und Frühbirnen versprechen reiche Erträge. Pflaumen und Zwetschgen wären infolge der Trockenheit bald massenhaft abgefallen.
Steinheim a. d. Murr, 13. Mai. Bei der gegenwärtigen Trockenheit tritt der Wert einer rationellen Bewässerung, wie eine solche im Auftrag des Staates vor einigen Jahren von dem ff Baurat Rheinhard auf hiesiger Markung für ein Wiesenareal von 40 Morgen eingerichtet worden ist, besonders deutlich hervor. Diese Wasserleitung stammt in ihrem Ursprung noch aus den Zeiten des Stein- heimer Klosters, war aber seit lange vergessen und verfallen. Die wiederhergestellte offene Kanalisation hat Heuer Wunder gewirkt. Während außerhalb des Bewäfferungsgebiets die Wiesen nur dünnen und saftlosen Graswuchs aufweisen, stehen die durch künstliche Berieselung befeuchteten Gründe in dichter, satter Grasfülle. Die Pächter bezw. die Wasserzins zahlenden Eigentümer der Grundstücke sind daher für die fürsorgende Verbesserung durch die K. Domänendirektion recht dankbar.
Sontheim, 9. Mai. Ein bedauernswerter Unglücksfall hat sich vor einigen Tagen hier zugetragen. Bei dem gegenwärtig hier zur Einrichtung kommenden Spritzenhaus stürzte der fleißige Arbeiter Nellinger vom Gebälks etwa 5 Meter hoch herab. Er erlittt einen Schädelbruch und innere Verletzungen. Heute ist der Verunglückte seinen Leiden erlegen. Er hinterläßt eine Frau und drei unmündige Kinder.
Hall. Durch Erkenntnis der Strafkammer i des Kgl. Landgerichts hier vom 9. d. Mts. sind 1) Otto Flumm, 19 Jahre alt, Feilenhauergeselle hier, 2) Karl Diem, 19 Jahre alt, Schneidergeselle hier, welche in der Nacht vom 2K./27. Febr. d. Js. an der von Hall nach Heimbach führenden Landstraße 11 Stück der dort gepflanzten jungen Birnbäume mutwillig abgeknickt und hierdurch einen Schaden von 98 ^ verursacht hatten, wegen ge- Süq,oeiH«oigui'>8, St.-G.-B. H 304, zu der Gefängnisstrafe von je 4 Monaten verurteilt worden. In dieser Sache hat dem Vernehmen nach die K. Straßenbau-Verwaltung als die beschädigte Eigentümerin jener Bäume durch die hiesige Straßenbauinspektion von der beachtenswerten heute noch giltigen Bestimmung der Kgl. Verordnung vom 23. Juni 1808, die Bestrafung der Baumverderber betreffend, Gebrauch gemacht, sofern sie sofort Schadenersatzanspruch gegen die Stadtgemeinde Hall, auf deren Markung jene Bäume standen, geltend machte. In Ziffer 9 der erwähnten Verordnung ist nämlich bestimmt: „Alle Entschädigungen sind zu Vermeidung
jeder Kollision dem Beschädigten von den Kommunen abzurrichen, welch letztere sich sodann wegen des Regresses an den Schuldhaften zu halten haben." — Bei diesem Anlaß mag der Strafbestimmungen jener K. Verordnung teilweise Erwähnung geschehen, woselbst bei „Vergehen an mehreren Bäumen im Falle bloßen Mutwillens höhere Turmstrafe bei Wasser und Brot, bei böslicher Absicht aber einjährige Zuchthausstrafe mit „Willkomm und Abschied" angedroht war. Daneben war bestimmt, daß der Thäter überdies vor der Abführung in das Zuchthaus durch den Stadt- oder Amtsknecht an einem Wochcnmarkt oder vor der Kirche mit einem auf die Brust gehefteten Zettel: Baumschändcr! eine Stunde lang öffentlich ausgestellt werde."
Neuenstadt a. K., 14. Mai. In einer aus dem ganzen Bezirk sehr zahlreich besuchten landw. Versammlung wurden als erster Gegenstand die Reichstagswahlen besprochen. Auf die Bitte des Oekonomierats Schmidt erstattete der anwesende Frhr. v. Ellrichshausen Bericht ühcr die Kandidatur für die Reichstagswahl. Frhr. v. Ellrichshausen legte dar, daß er, so schwer es ihn ankomme, aus verschiedenen Gründen nicht mehr in der Lage sei, eine Kandidatur anzunehmen. Unter Bezugnahme auf seine in der württ. Abgeordnetenkammer gegebenen Ausführungen über die landw. Verhältnisse unseres Landes hält Redner cs für sehr erklärlich, daß die landw. Bevölkerung sich enger aneinander anzuschließen suche, um eine bessere Vertretung der landw. Interessen in den gesetzgebenden Körpern herbeizuführen. Nachdem der Reichstag die zum Schutze unseres Vaterlandes notwendige Militärvorlage abgelehnt habe und daraufhin aufgelöst wurde, habe er sich von Berlin, wo er als guter Patriot eine freiwillige Vermittlersrolle übernommen hatte, hieher begeben, um einen für unsere landw. Verhältnisse passenden Kandidaten dem 3. Wahlkreise vorzuschlagen. Als solcher werde sich Oekonomierat Mayer in Heilbronn, der als hervorragender Landwirt sich schon große Verdienste um die Landwirtschaft im 3. Wahlkreise erworben, gut eignen. Hr. Mayer werde die Wahl als patriotische Pflicht ansehen. Mit diesem Vorschlag erklärten sich sämtliche Anwesende einverstanden, was durch einmütiges Erheben von den Sitzen zum Ausdruck kam,
Tuttlingen, 14. Mai. Heute morgen unter dem Vormittagsgottesdienst brach im sog. Fuchsloch wieder ein Waldbrand aus, der aber durch die rasch herbeigeeilte Feuerwehr bald gedämpft wurde. Ein Areal pon ca. 3 Morgen wurde vom Feuer beschädigt.
Weingarten, 12. Mai. Die große Prozession, der altherkömmliche Blutritt, ging heute, vom schönsten Wetter begünstigt, von statten. Es hatte sich wieder eine überaus große Anzahl Pilger eingefunden. Die Beteiligung aller hiesigen und mehrerer auswärtigen Vereine verlieh dem Zuge besonderen Glanz. Die Reliquie wurde von Vikar
Staib, der ebenfalls beritten war, der Verehrung aus- gesetzt. Als Festprediger am Vorabend fungierte ein Kapuz.-Pater aus Bregenz. Die große Klosterkirche auf dem Martinsberge war heute wie gestern überfüllt. Zahlreiche Geistliche, darunter ein Dutzend zur Pferde^ nahmen am Feste teil, die Zahl der Reiter: betrug gegen 500. Die Geschäftsleute — namentlich, Wirte, Metzger, Bäcker und die Lokalbahn. — erfreuten sich sehr guter Einnahmen.
Schlettstadt, 12. Mai. Der Obstertrag wird in diesem Jahre infolge der Frostnächte in manchen Gegenden schlecht ausfallen. Im hiesigen Gewann litten besonders die Pfirsichbäume Schaden. Hingegen verspricht die Kirschenernte im nahen Wei- lerthale mehr als sehr ergiebig auszufallen. Es sind einzelne Gemeinden dort, wie z. B. Breitenbach, in denen die Kirschbäume mit einer seit Menschengedenken nicht gesehenen Last beladen dastehen. Ei» tüchtiger Regenguß wäre auch für die Kirschbäume äußerst willkommen. Auch im letzten Jahre waren die Weilerthaleinwohner mit dem Ertrag der Kirschenernte überaus zufrieden. Die Freude ist dem genügsamen Gebirgsvölkchen um so mehr zu gönnen, als die Zahl der branntweinbrennenden Gemeinden dort eine ziemlich bedeutende ist. Uebrigens liefern die Gemeinden des Weilerthales sehr feine Kirschwassersorten, welche selbst mit denjenigen Badens konkurrieren können.
Saarbrücken, 15. Mai. Der Luftschiffen Lattemann wollte gestern mit seinem Riesenluft- ballon ä, In Montgolfier einen Aufstieg unternehmen. Wie die „Saarbr. Ztg." schreibt, ging die Füllung mit heißer Luft gut von statten. Unter einem Tusch der concertierenden Capelle löste sich der Ballon; und mit gespannter Erwartung verfolgten die Tausende von Zuschauern den Aufstieg. Kaum war der Ballon so hoch gestiegen, daß Herr Lattemann einige Meter über dem Erdboden schwebte, — da senkte sich der Ballon plötzlich auf der einen Seite und hing mit seinen vielen Seilen in den Zweigen der umstehenden Bäume. Die Fahrt war mißglückt, Herr Lattemann wurde noch einige Meter auf dem Rücken liegend am Boden geschleift, dann stand alles fest. Der Mißerfolg war durch ein Versehen eines der beim Aufsteigen beschäftigten Soldaten herbeigeführt worden. Beim Zusammenlegen ver Seile im Augenblick des Loslösstis des Ballons hatte ein Mann unvorsichtiger Weise das Seil des Ventils erfaßt, und im nämlichen Augenblick ging die Klappe oberhalb des Ballons auf, und die heiße Lust entströmte dem Ballon.
— Gegen das Modetum in preußischen Offizierskreisen hat das Generalkommando des dritten Armeekorps folgenden Erlaß gerichtet: „Se. Majestät der Kaiser haben mißfällig bemerkt, daß von Seiten der Herren Offiziere mehrfach ein nicht der Vorschrift entsprechender Anzug getragen wird. Das Generalkommando des dritten Armeekorps bestimmt hierdurch, sich jeder Extravaganz im Anzuge, wie
blutigen Unglück, welches unserm jungen Gutsherrn, dem Fürsten Wolodja, gestern passiert ist?"
„Nein; was soll's, was ist's denn?"
„Nun — oben im Schloßpark — mit dem Revolver?"
„Ich weiß von nichts", knunte Ossip Petrowitsch stirnrunzelnd; „hat er auf Jemand geschaffen, der Elende?"
Die Zecher lachten, am lautesten Maxim, „Ja, auf sich selbst!" rief er dann und wieherte.
„Auf sich selbst?"
Maxim verstummte plötzlich und machte eine furchtsame Geberde.
„Pst! dos will ich nicht behauptet haben, ich nicht! Die Sache wird geheim geholten, der Bojar will, daß ein einfaches Unglück geschehen ist — aus Versehen
— bei einer Schnßprobe, ich habe nichts erzählt, die Leute, die Bedienten munkeln nur so; aber seltsam bleibt die Geschichte doch, was meinst Du Witt?"
„Geht mich nichts an." stieß dieser rauh hervor; aber seinem forschenden Blick sah man's aber an, daß er nicht abgeneigt sei, noch mehr darüber anzuhören.
„Die Leute, die Bedienten also — ich nicht", entschuldigte sich Maxim. „Er soll vorher Streit gehabt haben mit dem Knjäs, gleich nachdem er aus Moskau mit den Postpfeiden angekommen war; einen furchtbaren Streit, wobei der Alte — na, wir kennen ja olle seine Raserei, wenn er wütend wird; Du, Ossip Petrowitsch, denke nur an Deinen Augapfel —
Die Bauern lachten wieder im Chor.
„Also kurz und gut, einen Streit —" fuhr der Gutsarbeiter sott, „und dabei Hot er den Sohn — na, wir wissen jo, wie lose seine Arme am Körper baumein
— er Hot dem jungen Mann eine Ohrfeige gewischt! Und wie das bei den Bojaren ist — so was beleidigt sie furchtbar, nach so was muß gleich Blut fließen, ganz einerlei, wiffen Blut . . . Und da er unmöglich auf den eigenen Vater schießen konnte, so ist er in den Park gelaufen und, wie schon gesagt, meint man nun, er
habe — Ihr versteht doch. Der Alte hat die Bedienten hintenher geschickt, die haben ihn so blutend am Boden gefunden und ins Schloß transportiert. Traurig und- schrccklich, nicht?"
„Na, aber er lebt ja noch."
„Er soll noch am Leben sein — gottlob, er ist kein schlechter Junge, sonst war mir nichts um ihn, ein guter Herr wäre er geworden, das sagten alle. O weh,, dem Alten soll es aber in alle Glieder gefahren sein! Über Hals und Kopf ist er nach der Kreisstadt gefahren — zwei Ärzte auf einmal, die sollen gemeint haben,, es sei nur wenig Hoffnung — in die Brust, mitten in die Brust —"
„Ja, und weshalb ? wegen der Maulschelle, der Vater hat doch das Recht —"
„Du, Michail, bist dumm," sagte der Berichtende, machte ein verschmitztes Gesicht und lauerte nach dem Buffettisch hinüber.
„Es soll dahinter etwas stecken, hinter dem Streit — wir müssen hier fragen„ weswegen der Streit kam — das müssen wir fragen."
„Natürlich, das müssen wir fragen," bekräftigten die Bauern.
Da Ossip Petrowitsch zu bemerken glaubte, daß alle ihn dabei anschauten,, brummte er gleichgültig:
„Wird wohl in Moskau Schulden gemacht haben, der junge Sausewind."
„Mag auch sein meinte Maxim und blinzelte den Bauern zu. „Du, Gastwirt", wandte er sich wieder zum Alten; „ist Dein Sohn noch nicht gekommen?"
„Mein Sohn? Was soll's mit ihm?"
„Ich frage nur so. Siebst Du, der junge Fürst soll gelacht und gesagt haben, daß man ihn von der Hochschule in Moskau fortgejagt habe, aber nicht ihn allein, sondern ihn und viele andere Studenten, weil sie Unfug getrieben hätten,, sozusagen Empörung gegen die Gesetze. Aus dem Gefängnis sei er gekommen, er hat's gesagt und Bediente haben'S gehört ..."
Ossip Petrowitsch hob den Kopf. „Was? Der Fürst Wolodja aus dem- Gefängnis?" (Forts, folgt.),