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Amts- und Anzeigeblcrtt für den Bezirk (Lalw

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Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung d Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.

Samstag, den 13. Mai 1893

ÄbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt SO Pfg. urch 20 Pfg. TrLgerlohn. durch die Post byogen Mk. 1. IS, sonst i» ganz Württemberg Mk. 1. SS.

Amtliche Bekanntmachungen.

Aeichstagswahk.

Die Ortsvorsteher werden beauftragt, bis Dienstag, den 1V. d. Mts.,

Hierher anzuzeigen, ob den für die letzte Reichstags- wahl bestellten Wahlvorstehern und deren Stell­vertretern (Calwer Wochenblatt 1890 Nr. 14) diese Funktion auch für die bevorstehende Reichstagswahl übertragen werden kann, verneinendenfalls, welche 'Personen an ihre Stelle berufen werden könnten. Hiebei wird besonders darauf aufmerksam gemacht, daß Personen, welche ein unmittelbares Staatsamt bekleiden (namentlich auch die Acciser und Postex­peditoren) , von dieser Funktion ausgeschlossen sind.

Den 12. Mai 1893.

K. Oberamt.

Lang.

Tayes-Neuiykeiten.

(Amtliches aus dem St^ratsanzeiger.f Infolge der an den Seminaren zu Eßlingen, Nagold aind Nürtingen vorgenommenen ersten Dienstprüfung für Volksschullehrer sind nachstehende Kandidaten zur Versetzung von unständigen Lehrstellen für befähigt erklärt worden: Eisenhardt, Karl, von Gechingen, OA. Calw, Lutz, Eugen von Dsckenpfronn, Luz, Jakob von Deckenpfronn.

* Calw, 12. Mai. Der Enz-Nagold- G au sängerbund hält in diesem Jahr am 18. Juni sein Sängerfest in Unterreich enbach ab. Der Gau zählt im ganzen 334 Sänger. Mit dem Fest ist ein Preissingen verbunden, zu dem sich 8 Vereine angemeldet haben. Als Preisrichter wurden gewählt Musikoberlehrer Hegele in Nagold, Haupt­lehrer Eckert in Brötzingen, Musiklehrer Haasis rn Maulbronn und als Stellvertreter Mittelschul­

lehrer Lang in Stuttgart. Die 3 gemeinschaft­lichen Chöre:Was ist das Göttlichste auf dieser Welt" von Kreutzer,Nimm deine schönsten Melo- dieen" von Abt undIn einem kühlen Grunde" von Glück werden von Schullehrer Schramm in Neuenbürg geleitet.

x. Calw. Der hiesige Turnverein machte am Himmelfahrtsfeste seine jährliche Turnfahrt nach Böblingen, an welcher sich 25 Mann beteiligten. Der Abmarsch erfolgte um 5 Uhr, die Ankunft um 11 Uhr; der Weg ging über Gechingen, Deufringen wo eine Erfrischung eingenommen wurde und Aidlingen. Vor Böblingen wurde der Verein von vielen jungen, älteren und alten Mitgliedern des dor­tigen Turnvereins erwartet und mit Gesang in die Stadt geleitet. In der Dinkelacker'schen Brauerei wurde zu Mittag gespeist und das Gebotene sehr gut und billig befunden. Nachmittags fand ein Aus­flug auf die in nächster Nähe wunderschön gelegene Waldburg statt, worauf gemütliches Zusammensein im Vereinslokale der Böblinger Turner folgte. 6 Uhr Abends Abmarsch nach Schafhausen, Ankunft per Bahn in Calw um 9^°. Es kann gesagt werden, daß jeder von diesem Ausflug hoch befriedigt zurück­gekommen ist. Einen sehr guten Eindruck machte es, daß in Böblingen auch ältere Männer und Be­amte thätigen Anteil am Turnen nehmen, was im hiesigen Verein sehr vermißt wird. Wir haben wohl Mitglieder jeglichen Alters und Standes, allein sie turnen zu ihrem eigenen Schaden nicht mit, sondern begnügen sich, ihren Beitrag zu bezahlen, was selbst­verständlich zur Bestreitung von Vereinsausgaben auch willkommen ist. Möge bald einmal wieder ein lebhafterer turnerischer Geist hier einkehren.

Nagold, 9. Mai. Durch die neuerbaute Naturheilanstalt des Herrn Rudolf Frölich, Praktikers der Homöopathie und Naturheilkunde hier.

hat unsre Stadt als Kurort einen neuen Anziehungs­punkt erhalten. Die günstige Lage am Rande des Waldes mit Blick auf Nagold und seinen schönen Schloßberg, die Gelegenheit, Dampf-, Kräuter-, Fichten­nadelbäder, kalte und einfache warme Bäder, sowie Kneipp'sche Güsse zu genießen, auch die Vorzüge de« Massage- oder Knetkur und der Kuhne'schen Kur an sich zu erproben, hat schon seither manche Gäste an­gezogen, und die Kunde von den erzielten Erfolgen dürfte bald den Ruf des jungen Unternehmens in weitere Kreise tragen und dauernd begründen. Die Preise sind, wie aus den vom Besitzer gratis zu be­ziehenden Prospekten zu ersehen, äußerst mäßig. Be­merkt sei noch, daß auch Kinder angenommen werden.

Gesellsch.

Stuttgart, 10. Mai. In der Nacht v om 6./7. Mai, zwischen 12 und 3 Uhr» wurde 'dem Gutspächter Aldinger zum Weißenhof ein Zaun an seinem Weinberg in der Länge von 80 Schritten demoliert und dabei auch frische Triebe der Reben beschädigt. Eine vom Verschönerungsverein am Weg zum Weißenhof aufgestellte Ruhebank wurde zer­trümmert; die Stücke wurden in den Aldingerschen Weinberg hineingeworfen. Dem Gutsbesitzer und Restaurateur Münz wurden an einem großen Baum mehrere Aeste heruntergerissen und in seinem nen angelegten Wirtschaftsgarten Tische, Bänke und Stühle zusammengerissen. Die Thäter wurden ermittelt und dreizehn Personen festgenommen. Dieselben hat­ten in später Nacht eine sog. Maitour gemacht, wo­bei auch einige junge Mädchen waren. In der­selben Nacht wurden in der Bahnhof-, Keppler- und Alleenstraße zehn Straßenlaternen eingeworfen. Die Thäter wurden ebenfalls ermittelt. Ferner sind in der Hohenstaufenstraße an der steinernen Stütz­mauer Beschädigungen verübt worden. Hier sind die Thäter noch unermittelt.

Jeuiktet on.

- Nachdruck verboten.

^ Wojarenfcherze.

Novelle von Eduard Wilde aus dem russischen Leben.

(Fortsetzung.)

Erzählen, erklären. Junge!" stieß er kurz heroor.

Aber liebes, teures Väterchen, Du scheinst die Sache furchtbar tragisch zu nehmen!" rief der junge Fürst aus; auf den Vater zutretend erfaßte er dessen beide Hände und schaute ihm lächelnd, bittend und zugleich mit spöttisch-kühner Ueber- legenheit in's Gesicht. Es giebt heutzutage Dinge, die Ihr Alten nicht recht ver­steht, mindestens nicht richtig beurteilen könnet. Es handelt sich um einen ganz ge­wöhnlichen Studentenprotest gegen einen ganz gewöhnlichen ministeriellen Erlaß zur Unterdrückung der gewöhnlichsten Geistesfreiheit. Also lauter harmlose, alltägliche Sachen" . . .

Harmlose, alltägliche Sachen", rasselte Anatol Wassiljewitsch und sein eis­graues Bärengesicht färbte sich dunkslrot;Junge, Du sprichst ja wie ein alter ge­wiegter Revolutionär und Verschwörer! Wenn ich nicht wüßte, daß Du Dir einen groben, gewissenlosen Scherz erlaubst mit Deinem alten Vater, ich müßte wahrlich denken Du seiest unter das umstürzlerische Lumpengesindel geraten, das sich in Folge der größeren Freiheit überall brsitzumachen beginnt. Jungs, was hat ein Fürst Wolkonsky mit Protesten gegen ministerielle Erlasse zu schaffen? Antworte! Und was verstehst Du unter Geistesfreiheit, sprich!"

Väterchen, ich kann Dir vorläufig nur sagen, daß wir Muße genug haben werden, über Politik zu diskurieren. Mein Urteil lautet nämlich:Entfernung von der Hochschule für dieses und kommendes Halbjahr" ... Das gleiche Schicksal hat

meinen lieben Freund und Gesinnungsgenoffen Kolja Ossipowitsch ereilt und der Alte von Popelnja wird wohl auch wenig erbaut sein davon. . . Nun, wir Väter und Söhne, wir müssen uns allesamt trösten, bis es Keffer wird im heiligen Rußland, das wir ja alle gleich heiß lieben. . . Übrigens, Vater, ich sehe M tja Dein Reit­pferd draußen vorführen; Du beabsichtigst einen Spazierritt, ich möchte Dich nicht aufhalten; ich muß Sophie Nikolajewna begrüßen, mich dann umkleiden und meinem knmrenden Studentenmagen Gerechtigkeit wisderfahren lassen . . . Auf heiteres Wiedersehen, Vater; wir werden noch vieles und Wichtiges mit einander zu besprechen haben! . . . Auf Wiedersehen später!"

Sprach's und eilte frischfröhlich, elastischen Schrittes, den braunen Lockenkopf leicht hin- und herwiegend, hinaus. Das personifizierte reine Gewissen! . . .

Wutausbrüche nahmen bei Anatol Wassiljewitsch oftmals einen ganz uner­warteten Verlaus. Lächerliche Kleinigkeiten konnten ihn in Raserei bringen, bei wirklich gewichtigen Anlässen blieb er dagegen ruhig, unbeweglich. Freilich waren eS dann Momente überwältigenden Jähzorns, einer Wut, die ihn einfach erstarren, stumm und ohnmächtig werden ließ. So auch jetzt. Ec bewegte nur den Mund, seine Augen starrten die Thüre an, hinter welcher Fürst Wolodja verschwunden, die Arme zuckten und die Hände ballten sich; doch keinen Laut brachte er hervor. Und welch einen Grund hatte er nicht zum Aufbrausen, zu einer fürchterlichen Ge­witterentladung ! Sein Sohn ein Fürst Wolkonsky, von der Hochschule entfernt wegendemagogischer Umtriebe" an denen er teilgenommen hat mit jenem Bauern­lümmel von Popelnja, den er seinen lieben Freund, seinen Gesinnungsgenoffen nannte, mit dem er eine gleiche Strafe erlitten, also aus gleicher Stufe stand! . . .

(Fortsetzung folgt.)