^il'L LU

Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw

^ 32.

s

ÄW^

WMKsr><;

Ls

MW

lA"^'!.: M «K>ÄNl^>d»7L

M'.'E

Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung 9 Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.

Donnerstag, den 4. Mai 1893.

Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt SO Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst t» ganz Württemberg Mk. 1..

Amtliche Bekanntmachungen.

. Die Ortsbchörden für die Arbeiter- Versicherung

^werden angewiesen, die im Wege des Umtausches an ^sie gelangten alten Quittungskarten bezw. Fehlanzeigen spätestens bis 8. d. Mts. hierher einzusenden.

Calw, den 2. Mai 1893.

K. Oberamt.

--- Lang.

An die Ortsvorsteher.

Denselben wird die Erstattung des Berichts über den Stand des Steuer-Einzugs pro 1892/93 <Calwer Wochenbl. Nr. 40) in Erinnerung gebracht. Calw, den 3. Mai 1893.

K. Oberamt.

Lang.

Deutsches Reich.

Berlin, 2. Mai. Die Freisinnigen brachten im Reichstag einen Abänderungsantrag zur zweiten L esung der Militärvorlage ein, worin die verfassungs­mäßige Festlegung der zweijährigen Dienstpflicht für Fußtruppen und die Feststellung der Friedenspräsenz­stärke bis zum 31. März 1894 auf 486,983 Mann verlangt wird. Der Antrag hat 40 Unterschriften, darunter diejenigen von Virchow, Bamberger, Schrä­der, Barth, Baumbach. Unter den 27 Fehlenden sind Brömel, Hinze, Rickert, Hänel, Goldschmidt, v. Stauffenberg, Schröder, Meyer.

Berlin, 2. Mai. Die Nationalzeitung teilt de» Kompromißvorschlag Huene mit, statt 60,000

Mann Rekrutenerhöhung 53,000 Mann zuzugestehen und in 2'/- Jahren eine Erhöhung der Präsenzstärke zu erreichen, welche schließlich um 13,000 Mann hin­ter der Regierungsforderung zurückbleibt. Der Reichskanzler habe dem Vorschlag zugestimmt. Die Erhöhung der Bier- und Branntweinsteuer soll fort­fallen. Die Kosten der Heeresverstärkung sollen im ersten Halbjahr, nämlich vom 1. Oktober 1893 bis 1. April 1894 durch Erhöhung der Matrikularbei- träge gedeckt werden. Dem Berliner Tageblatt zu­folge stimmten in der gestrigen Sitzung der freisinni­gen Fraktion von 47 Anwesenden 38 für, 9 gegen Wiedereinvringung des in der Kommission verworfe­nen Antrages Richter. Die Minorität behielt sich freie Hand für eine etwaige Verständigung mit der Regierung vor.

Berlin, 2. Mai. Etwa 20 Stimmen fehlen noch zur Mehrheit für den jAntrag Huene. Die Freisinnigen hielten gestern (s. o.) eine vierstündige Be­ratung ab, in der es sehr stürmisch herging. 25 Mit­glieder der Fraktion haben den Antrag Richter nicht unterzeichnet, mit der Motivierung, sie behalten sich freie Hand vor für eine Verständigung mit der Re­gierung auf Grundlage einer anderweitigen Präsenz­ziffer. Die Erhöhung der Bier- und Branntwein­steuer soll fallen gelassen und die Kosten der Heeres­verstärkung für das erste Halbjahr durch Erhöhung der Matrikularbeiträge aufgebracht werden. Ueber die Vorgeschichte des Antrags Huene erzählt man: Am Sonntag stattete der freisinnige Abg. Hinze dem Reichskanzler Grafen Caprivi seinen Besuch ab; auch andere Freisinnige besonders Rickert wird genannt hatten Besprechungen mit Caprivi.

Der Berliner Korrespondent der Frank­furter Zeitung schildert die Lage folgendermaßen:

Die Möglichkeit des Zustandekommens der Militärvorlage ist gewachsen. Der Huene'schs Kompromißvorschlag ist in seinen Einzelheiten noch unbekannt; die jährliche Ersparnis würde 9 Millionen Mark betragen. Ob die dissentierenden Freisinnigen und Zentrumsmitglieder zur Bildung der Mehrheit genügen, ist fraglich. Die Konservativen werden, wenigstens in der zweiten Lesung, gegen den Kom­promiß stimmen; es müßte, falls sie in der dritten Lesung anders stimmen sollten, ein Druck auf sie ausgeübt werden. Es ist möglich, daß die frühe Rückkehr des Kaisers damit zusammenhängt.

Berlin, 1. Mai. Der Reichsanzeiger mel­det, der Kaiser beabsichtigt, seine Reise abzukürzen und schon am 4. Mai vormittags in Berlin, bezw. im Neuen Palais wieder einzutreffen. Die Nordd. Allg. Ztg. bemerkt zu der Meldung von der Ab­kürzung des Kaiserbesuchs in Karlsruhe: Wenn der Kaiser das Zusammensein mit seinen hohen Verwandten früher abbrechen will, als ursprünglich beabsichtigt war, so beweist dies, welchen Wert der Monarch darauf legt, am Sitze der Regierung zu weilen während der Zeit, in welcher die Entscheid­ung darüber fallen muß, ob der Reichstag die Militärvorlage in einer der Ehre und der Sicher­heit des Vaterlandes entsprechenden Form annehmen wird.

Berlin, 2. Mai. Die gestrigen Maifeiern sind ruhig verlaufen. In 14 Festlokalen der So­zialdemokraten, die mit roten Fahnen und mit Büsten geschmückt waren, hatten sich insgesamt etwa 50,000 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, einge­funden.

Karlsruhe, 30. April. Für das Kaiser­paar ist nunmehr eineBianchi"- und eineMeister-

Jerritketon.

-- Nachdruck verboten.

Wojnrenscherze.

Novelle von Eduard Wilde aus dem russischen Leben.

(Fortsetzung.)

In der sperrweit offen gebliebenen Wirtshausthüre taucht die untersetzte Ge­stalt des .Oberstall- und Ceremonienmeisters" auf. Gevatter Matwei's rotes Voll­mondsgesicht hat eine längliche Form angenommen wie eine Sauerkohl-Pirogge und den weit geöffneten Mund läßt er hängen.

Nichts zum Thee?"

Keinen Dreier!" ist die tonlose Antwort.

Wieder schüttelt sich Ossip Petrowitsch vor Lachen. Daran bin ich schuld; sollst es von mir kriegen, Gevatter! Nein, wie die Erinnerung noch immer wie ein böser Wurm an seinem Bojarenstolz nagt! Hätte es nicht geglaubt nach vierzig Jahren noch! Du, Gevatter, ich rührte an sein Geheimnis und da wie in siedend Öl getaucht flog er hinaus". . .

Geheimnis?" forschte Matwei.

Nun, Du kennst die alte Geschichte von damals, als er mir mein Auge im Scherz" ausgestochert hatte man erzählt's heute noch in der ganzen Landschaft. .. Schau, ich hatte ein paar gute Freunde unter den Dorfburschen, die ärgerten sich über den Scherz und gelobten, mich zu rächen. Da haben sie dem jungen Bojaren im Gebüsch, am dunklen Abend aufgelauert, ihn vom Sattel gehoben, hingestreckt und ihm fünfzig, vielleicht auch mehr, regelrechte Stockhiebe aufgezählt, so daß der arme junge Heißsporn mehrere Wochen lang das Bett hüten mußte ... Und um nun der Schande und dem Gespött des ganzen Guberniums zu entgehen o weh, o weh, Leibeigene hatten ihren Gutsherrn geprügelt! lud er die Burschen, die er genau erkannt hatte, auf's Schloß und gab ihnen zweihundert Rubel und lies sie

schwören, sie sollten schweigen bis an'S Grab. So blieben sie auch unbestraft. Wie Vas aber mit solchen Geheimnissen geht bald quaken im Sumpf die Frösche da­von, und es ist von Mund zu Mund gegangen bis auf den heutigen Tag . . . Und in dieses Geheimnis habe ich soeben mit spitzen Worten gestochen hei, das gab einen Knall!

Jetzt lacht der Gevatter auch mit. Sie schauen sich gegenseitig an, zwinkern sich mit den Augen zu, Henkeln die Arme an den Hüften und eine Lachsalve folgt der anderen.

Auf dem Evelhof von Wolkonskoje ist's heute wieder recht ungemütlich. Die Dienerschaft geht auf den Zehen an gewissen Gemächern vorüber, unterdrück Sprechen und Husten, und wenn die Klingel ertönt fährt man zusammen.

Der durchlauchtige alte Herr ist in sehr böser Laune von seinem Morgenritt zurückgekehrt, und da fragt er nicht viel, auf welchen ersten besten Unschuldigen er seinen Gallenbecher ausschüttet. Vermutlich hat er sich wieder einmal mit Ossip Petrowitsch, dem Gastwirt von Popelnja, über Sachen herumgestritten, von denen außer dem letzteren kein Bauer im Dorfe etwas weiß. Und da muß der alte rüde Bär, der keinen Respekt kennt und keinen Edelmann fürchtet, weil er reich und un­abhängig ist, da muß er dem Fürsten wieder Grobheiten an den Kopf geworfen haben.

Wenn ihm der Knjäs doch die Pachtstelle kündigte! Aber das thut er nicht, er scheint trotz aller Feindschaft große Stücke auf denBojarenfrefser" zu halten er rettet immer wieder zu ihm hin.

Selbst Fräulein Sophie Nikoljewna, die Repräsentantin des Hause«, ein« entfernte Verwandte des Fürsten letzterer ist fett langen Jahren Witwer hält sich lieber fern von dem allen Griesgram und so durchmißt er schon stundenlang sein Arbeitszimmer mit schweren polternden Schritten, brummend und murrend wie es ein gereizter Löwe thut.

Soeben ist die heutige Post hereingetragen worden. Der Fürst schiebt dir