214
Ausflug nach Mars-la-Tour unternommen. Als sie daselbst in einer Wirtschaft einkehrten, fingen einige auf Urlaub befindliche französische Soldaten, welche sie für Offiziere in Zivil hielten, Händel mit ihnen an. Als die Ausflügler wieder abfahren wollten, nahmen die Soldaten eine drohende Haltung an und machten sich an die Verfolgung derselben, und nur dem tüchtigen Ausgreifen der Pferde ist es zu verdanken, daß ernstere Thätlichkeiten nicht stattfanden. Erst an der Grenze ließen die Soldaten von der Verfolgung ab, woselbst ein deutscher Gensdarm die Reisenden in seinen Schutz nahm und den Vorfall feststellte. Auch dieser Vorgang enthält wieder die ernste Mahnung, daß Deutsche vermeiden sollen, ohne zwingenden Grund den französischen Boden zu betreten.
Tayes-Ueuitzkeiten.
Stuttgart, 27. April. Im Laufe des gestrigen Nachmittags überzog sich der Himmel allmählich mit dichtem Gewölk, das auch während der Nacht und zum Teil auch noch heute vormittag das Firmament bedeckte, ohne indes auch nur einen einzigen Regenschauer zu bringen. Das Barometer ist andauernd im Sinken begriffen und bereits unter den mittleren Stand zurückgegangen; dagegen hat der Wind seine nordöstliche bis östliche Richtung beibehalten, so daß ein Witterungsumschlag wohl zunächst noch nicht in Aussicht zu nehmen ist. Während die Obstbäume und der Weinstock bei dem andauernd schönen Wetter sich in erfreulichster Weise weiter entwickeln, so daß z. B., wie der Filderbote berichtet, am Schloß zu Hohenheim bereits blühende Trauben anzutreffen sind, beginnen die Feldfrüchte, deren Wurzeln nicht so tief hinabgreifen, unter der Trockenheit allmählich zu leiden und ein warmer Regen wäre für dieselben sehr erwünscht. Schlimme Nachrichten liegen von andern Ländern vor. So wird aus Mailand gemeldet: Die andauernde Trockenheit macht hier dem Landbau großen Schaden. Die Nachrichten aus den verschiedenen Provinzen lassen schon einen Verlust von 500 Millionen Lire erkennen, und wenn dies Wetter noch wenige Tage dauert, würde der Verlust unermeßlich werden. — Aus Paris, 24. April, wird berichtet: Es hat gestern etwas geregnet, und nach Mascart, dem Direktor des meteorologischen Zentralbureaus dürfte die gegenwärtige Trockenheit bald aufhören. Seit 50 Tagen ist in Frankreich kein Regen gefallen. Im Jahr 1887, wo es ebenfalls sehr trocken war, hat es vier Wochen lang, vom 21. Febr. bis zum 21. März, nicht geregnet. Die Berichte über den Stand der Saaten und Reben lauten sehr traurig, die Flußschiffahrt stockt, und nur das Ungeziefer gedeiht in der trockenen Wärme.
Urach, 26. April. Schon wieder ist über Waldbränve zu berichten, die in der vergangenen Nacht um Mitternacht entdeckt wurden. Es brannte an verschiedenen Orten zumal, hauptsächlich im Selt- bachthal zwischen Hohenurach und Hannerfelsen und dann im Brühl, nicht sehr weit vom Wasserfall. Die Löschmannschaft von Urach, Dettingen a/Erms, sowie von der Papierfabrik verhinderte das weitere Umsichgreifen; indessen sollen etwa 6 Morgen stark beschädigt sein. Da man auf Anstiftung durch ruchlose Hand schließen muß, sind die Gemüter sehr erregt.
Koblenz, 27. April. Das Preisgericht für das hiesige Kaiserin-Augusta-Denkmal erkannte unter den eingegangenen 41 Plänen für den monumentalen Anbau des Denkmals den Architekten Bruno Schmitz-Berlin den ersten, Scholter-Stuttgart den zweiten, Kothe-Posen den dritten Preis zu.
Rom, 26. April. Die Kaiserin besichtigte die Kirche San Pietro in Vincoli und verweilte längere Zeit vor der Statue des Moses von Michel Angelo. Später begab sich die Kaiserin nach der Kirche Santa Maria Maggiore, wo sie unter Führung des Erzbischofs Sant Bucette alle Sehenswürdigkeiten in Augenschein nahm. Beim Verlassen der Kirche sprach die Kaiserin dem Erzbischof ihren Dank aus. Am 28. April werden sich das deutsche Kaiserpaar und das italienische Königspaar nach ihrer Ankunft in Neapel an Bord des „Lepanto" um 10 Uhr vormittags einschiffen, um, gefolgt von dem Panzer „Umberto", den Torpedokreuzern „Jride" und „Euri- dice", sowie dem Dampfer „Trinacria", welcher die Hofwürdenträger aufnehmen wird, und dem „Bar- barigo" mit den Senatoren und den Deputierten und dem „Volta" mit den Vertretern der Presse, eine Rundfahrt um den Golf zu unternehmen. Der „Lepanto" fährt das Golfufer nach Sorrento hinauf auf Capri zu, und kehrt am Eingänge des Golfs von Salerno um, wendet sich über Jschia und Pro- cida nach Norden, macht bei Pozzuoli Halt, um einem Probeschießen der Geschütze vom „Umberto" beizuwohnen und landet im Hafen, wo am Posilippo-Ufer die vor Anker liegenden Schiffe den Ehrengruß abgeben. Auf Befehl des Königs Humbert hat der Großmeister des St. Mauritius- und Lazarus-Ordens dem Kaiser ein prächtig ausgestattetes Werk über den Orden und dessen Geschichte überreicht.
Albano, 26. April. Der Kaiser traf bald nach 9 Uhr auf dem festlich geschmückten Bahnhofe ein, wo sich eine große Volksmenge angesammelt hatte, und wurde unter Salutschüssen von den Behörden, Vereinen und Schulen empfangen. Der Kaiser bestieg sodann einen Vierspänner und fuhr durch die geschmückte Stadt über Ariccia nach Gen-
zano, wo er die Villa Sforza-Cesgrini besuchte.. Auf dem ganzen Wege wurde der Kaiser von der zahlreich herbeigeströmten Bevölkerung enthusiastischbegrüßt.
Neapel, 27. April. Die kaiserlichen und königlichen Herrscherpaare kamen in: Neapel um 2 Uhr 20 Min. an, von dem Kanonen- donner der Panzerschiffe begrüßt. Der Wagenzug, von 40 Wagen fuhr vom Bahnhofe durch die jubelnde^ unermeßliche Menge nach dem Palast. Der Jubel, war unbeschreiblich.
Sibirisches. In der Jekaterinburgskaja: Nedelja findet sich ein düsteres Sittenbild aus Sibirien. Das Blatt spricht von „Menschenjagden",, die dort gang und gäbe seien. Der Gorbatsch, d. h.. der von den Erzwäschereien heimkehrende Arbeiter,, giebt das Wild ab für den jagenden sibirischen Bauer, der sich in Gesellschaft in einem Versteck am Wege lagert und aus diesem Schlupfwinkel heraus die passierenden Arbeiter einen nach dem andern niederschießt, um die armen Teufel zu berauben. Oft haben übrigens die Arbeiter die Oberhand. Dana, wird dem Räuber der „Rote Hut" aufgesetzt. Dieser- Hut ist ein rotglühender Eisentopf, der dem Gefangenen auf den Kopf gestülpt wird.
Handels- H Gerverdekammer
Calw.
Oeffentliche Sitzung Samstag, den S8. April 18S3, Vormittags tt Uhr.
Tagesordnung.
1) Beratung des Jahresberichts von 1892.
2) Abänderung des Z 41 der Konkursordnung, zum Zwecke der Einschränkung des Absonderungs-- rechts des Vermieters.
3) Errichtung von Eisenbahngüternebenstellen.
Der Vorstand: Kommerzienrat Louis Wagner.
Standesamt Kalw.
Gestorbene:
25. April. Hermann Gundert, vr. xkil., Vorstand des Calwer Verlags-Vereins hier, 79 Jahre a.
25. „ Anna Pauline Storr, ledig hier, 22 Jahre a.
26. „ Anna Maria Widmann, Tochter des
Johannes Widmann, Hilfsbremsers hier, 2'/- Jahre alt.
Gottesdienst
am Sonntag, den 30. April.
Vom Turm: 378. Predigtlied: 379. Vorm.-Predigt: Herr Stadtpfarrer Eytel. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. Bibelstunde fällt aus., Montag, 1. Mai. Aeiertag SKMppi und Aakovi. Vorm.-Predigt: Herr Stadtpfarrer Eytel. Nachm. 2 Uhr Missionsfest. Redner Herr Stadtpfarrer Eytel, Missionar Seeg er, Missionar Huppenbauer, Stadtpfarrer Hornberger.
Mittwoch keine Betstunde.
Was da draußen im Jackson-Park für den 1. Mai vorbereitet ist, übertrifft Deine kühnsten Erwartungen. Eine Märchenstadt ist aus der Sumpfgegend erstanden, ein Paradies, wie Du es Dir nicht schöner zu ersinnen vermagst! Ja, ja, im Finanzieren sind wir Chicago'er groß! Ein solches Unternehmen macht uns so leicht Keiner nach! Wie wir es anfingen, Paris dreimal zu übertrumpfen, fragst Du? Zuerst gründeten wir eine Aktiengesellschaft, welche 10 Dollar-weise Doll. 5,500,000 sammelte. Die Stadt Chicago gab der lokalen „Wodld's Columbian Exposition" ihren Segen und Toll. 5,000,000 in Bonds dazu. Dann pumpten wir den Bundeskongreß an. In unserer Bescheidenheit verlangten wir nur Doll. 5,000,000. Die neidischen New-Iorker und andere schlechte Freunde sorgten dafür, daß wir mit Doll. 2,500,000 abgespeist wurden. „Uncle Sam" glaubte uns einen Streich spielen zu können, indem er uns diese Doll. 2,500,000 in unteiwertigen 50 Cents-Stücken mit Kolumbuskopf auszahlte, aber für jedes der 39'/, Cents erzielten wir ein Dollar, da das Publikum für derartige Andenken schwärmt. Auf diese Weise erhalten wir schließlich doch noch die von der Regierung verlangten Doll. 5,000,000. Aus Dankbarkeit räumten wir dem Bundespräsidenten das Recht ein, uns die ganze zivilisierte Welt hierherzuladen und neben unsere „W. C. Exposition" eine „World's Columbian Commission" zu setzen, der sich dann noch ein Damenbehörde, Board ofLady Managers beigesellte. Wir haben also eine Drillingsorganisation. Die lokale Behörde hatte die Aufgabe, für einen Festplatz, für die Hallen und für das nötige Geld Sorge zu tragen. Das aus 45 Mitgliedern bestehende Direktorium, an dessen Spitze Präsident H. N. Higinbotham steht, zerfällt in zahlreiche Ausschüsse. Die Beschaffung, Verteilung und Aufstellung der Schaustücke ist Sache der Nationalbehörde, deren Präsident der ehemalige Senator Thomas Palmer aus Detroit ist. Die Präsidentin der Frauenbehörde ist die ebenso geistreiche als schöne Frau Bertha Paimer, Gattin eines hiesigen Hotelbesitzers. Der höchste ausführende Beamte ist Generaldirektor Geo. R. Davis, ein ehemaliger Hauptmann, dessen Stab sich aus 15 Departementschefs zusammengesetzt. Die Ausführung der Bauten, Gartenanlagen, Beleuchtung u. s. w. leitet der Bauamtschef Burnham, dem auch die columbische Polizei unterthan ist. Kontrolliert werden der Generaldirektor durch den Verwaltungsrat, Board of Administration, der sich aus je zwei Vertretern der Lokal- und Nationalbehörde zusammensetzt.
Als wir anfingen, unsere Baurechnungen und unseren Beamten die Ge hälter zu bezahlen, ergab sich ein Ausgabeposten von 19,500,000 Doll. Um die Differenz (wir hatten nur 15,500,000) zu decken, wurden bei einer Anzahl von
humanen Millionären und großen Banken sechsprozentige Bonds zum Werte von 4,00,000 Doll, untergebracht. Man sagt uns nach, wir wollten unsere Gäste schröpfen, um unseren Aktionären eine fette Dividende zu retten. Niederträchtige Verleumdung! Der Eintrittspreis in die Ausstellung kostet 50 Cents. Diese 50 Cents-Karte berechtigt Dich zum Besuche aller Ausstellungshallen, während die Inhaber von Privatausstellungen, als „Deutsches Dorf", „Alt Wien", Eskimodorf", Irisches Dorf", „Colorado-Höhlenbewohner", Hagenbeck's Menagerie",. „Schweizer Alpen-Panorama", „Chinesisches Theater" u. s. w. von uns die Erlaubnis bekommen haben. Dir in jedem Falle 10 bis 50 Cents extra abzunehmen. Trinkwasser aus dem Michigansee geben wir Dir umsonst; für Mineralbrunnen zahlst Du 1 Cent per Glas. Sitzplätze sind zur freien Benutzung.
In 1500 Toilettezimmern hast Du freien Zugang, bessere Anstalten dieser Gattungen erfordern die Zahlung von 5 Cents. An Restaurants zählst Du auf die Ausstellung 150, von denen 125 in den offiziellen Ausstellungshallen ein-- gerichtet sind. „Kneipen" im deutschen Sinne giebt es nicht; um den Schein zu wahren, wird nur beim Essen getrunken. Du mußt nämlich wissen, daß unsere amerikanischen Vetter große Temperenzler sind. In allen Tonarten kannst Du speisen, und der 32tägige Aufenthalt kostet Dich daher, wenn Du hübsch sparsam, bist, nur Doll. 160.
Ich will es Dir sogleich vorrechnen:
Logis per Tag.Doll. 1.00
Frühstück, Mittag- und Abendessen. ,, 1-50
Eintrittsgeld Jackson Park. ,, 0.50
Zwei Privat-Ausstellungen. ,, 0.50
Straßenbahn. » 0.25
Taschengeld. - - - - » 1-25
Zusammen.. . . . Doll. 5.00
Diese Doll. 5-Rate ist jedoch als Minimum zu betrachten, und ich stelle- mich daher auf den Standpunkt, daß Du aus Angst vor Deiner Gattin nicht- mehr auszugeben wagst! Es wird Dir jedoch nicht schwer fallen, den dreifachen- Betrag los zu werden. In 32 Tagen sind also Doll. 160 verausgabt. Dazu die beiden Reisen für Toll. 280 — macht zusammen Doll. 440 oder rund > 1900 Mark. Ein Hundert-Markschein ist als Reserve in das Wcstenfutter zu nähen. Mithin sind 2000 ^ Reisegeld genügend, um die größte aller Welt- I ausstellungen gründlich kennen zu lernen.
l