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Stadel des Wirts Bock zum Schwanen auf dem Weinhof Feuer aus. Dasselbe schlug gleichzeitig an allen Ecken heraus, so daß an eine Rettung der Scheuer nicht zu denken war. Das nur durch einen engen Winkel von dem Brandobjekt getrennte Landgerichtsgebäude war stark bedroht, hatte auch schon zu brennen angefangen; es gelang jedoch der Feuerwehr, hier dem weiteren Umsichgreifen des Feuers Einhalt zu thun.
Sigmaringen, 18. April. Im Residenzschlosse des Fürsten ist gestern Feuer ausgebrochen; auch die bekannten Kunstsammlungen desselben schwebten in großer Gefahr.
Sigmaringen, 18. April. Die Gefahr ist vorüber. Der Schaden ist weniger groß als befürchtet. Der ganze Fürstenbau ist ausgebrannt. Der Kunstbau ist unbeschädigt. Kein Menschenverlust.
Athen, 17. April. Heute vormittag zerstörte ein Erdbeben die meisten Häuser der Stadt Zante. Man zählt zwanzig Tote, viele Verwundete.
Vermischtes.
— Das Kaiserpaar bringt dem König Hum« bert und seiner Gemahlin Margherita zur Feier ihrer silbernen Hochzeit unter den Geschenken eine in Silber ausgesührte Statuette der „Jtalia" dar, welche Prof. Begas im Auftrag des Kaisers modelliert hat.
— Das schwäbische Silcherquartett, zur Zeit aus den Herren Stoll und Runge, sowie den Damen Runge und Seefeld bestehend, hat am 11. d. Mts. die Ehre gehabt, in Friedrichsruh der Fürstin Bismarck, welche an diesem Tag ihren Geburtstag feierte, durch den Vortrag schwäbischer Volkslieder eine die ganze fürstliche Familie hocherfreuende Huldigung darbringen zu dürfen. Fürst Bismarck zeigte sich sehr freundlich und aufgeräumt, nach dem Liede „Mädele, ruck, ruck, ruck" erklärte er sich um 60 Jahre jünger zu fühlen. „Er ist so rüstig und frisch," schreibt Herr Stoll im Stuttgarter „Neuen Tageblatt", „daß man ihn für einen 60er, höchstens 65er halten muß". Die Sänger nahmen an der fürstlichen Frühstückstafel teil, wo sie mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit behandelt wurden. Aus eine Einladung, seitens des Führers des Quartetts, nach Stuttgart zu kommen, wo ihm alle Herzen entgegenschlügen, erwiderte der Fürst, daß er zu alt und müde sei, das Reisen strenge ihn an, er bleibe lieber zu Hause und schlafe in seinem eigenen Bett.
— Der Lustspieldichter Paul v. Schönthan, der zuletzt in Charlottenburg wohnte und sich jetzt im Auslande aufhält, wird, wie das Berliner Tageblatt meldet, derzeit gerichtlich gesucht. Er ist wegen eines strafbaren Nachdrucks zu einer Geldstrafe von 1500 an deren Stelle für je 15 ein Tag Gefängnis tritt, verurteilt worden. Im Ergreifungsfalle soll die Geldstrafe zwangsweise beigetrieben oder aber eine lOOtägige Gefängnisstrafe vollstreckt werden.
— Bei der Verrohung, welche über die Arbeiterbevölkerung Belgiens durch die endlosen Aus stände und anderseits durch das
waghalsige Politiktreibender ultramontanen Mehrheit gebracht worden ist, können die wilden Auftritte, welche Stadt und Land neuerdings beunruhigen, kaum jemand Wunder nehmen. Der gestern gegen den Brüsseler Bürgermeister Buls unternommene Mordversuch, die Ausstände, welche „Arbeiterbataillone" für die Unruhen in der Hauptstadt liefern sollen, sind der Ausfluß jener Verrohung, welche von dem Brüsseler Berichterstatter der „Kölnischen Zeitung" treffend geschildert wird: „Wir haben einen äußerst gemeinen Pöbel. Keine Spur von Autoritätsgefühl. Der Schutzmann, bei dem der wirkliche gemeine Mann jahraus jahrein in der Kundschaft ist, das ist der Feind, den er mit allen möglichen Waffen bekämpft. Ruhige Gemüter sind, wie Petitjean in Racines Plai- deurs, von der Mutter in der Furcht Gottes und der Büttel erzogen worden, ckans In craintk äe viau, monsieur, st des ssi-ASiits, unsere Bevölkerung des Marottenviertels aber in dem Haß gegen jegliche Behörde. Daher die Heftigkeit der Zusammenstöße, die sich noch wiederholen dürften, namentlich am Dienstag und am Mittwoch, wenn die Kammer die Form des Wahlrechts feststellt. Man kann unter den hiesigen topographischen Umständen die Ordnung nicht mit einem Schlage Herstellen; wo die Straßen sich über Abhänge und Senkungen wenden und drehen, ist die Schutzstrategie allerlei Ueberrumpelungen ausgesetzt." Wie der den rohen Massen förmlich aufgezwungene Kampf um das allgemeine Wahlrecht noch enden soll, vermag niemand abzusehen. Morgen oder übermorgen kann in der Kammer leicht eine Entscheidung fallen, welche die Ruhe des Landes für unabsehbare Zeit vernichtet.
Aus der Schweiz. In der guten alten Zeit hat der Bericht eines Inspekteurs der Cavallerie hierzulande ein sonderbares Aussehen gehabt. Der „Aargauer Anz." bringt solch ein Schriftstück aus den Archiven der Schweizer „Gavallerey" insonderheit der „Traguner" (Dragoner) zum Abdruck. Es lautet: „Gavallerey-Reserve. Rapport von G-, Hauptmann der Cavallerie. Jnspeklions- musterung am 18. Aug. 1818. Bei der heüte statt gefundenen Jnspektationsmusterung haben zu meinem größten Verdruß gefehlt, folgende Reserve Traguner, obwohl ihnen wie den anderen geruffen und getrompetet wurde. Hunziker, Heinrich von Reinach, Holliger, Joseph von Zezweil. Die übrige Mannschaft ist zum Teil ohne Montierung erschienen, auch haben die meisten, meinen strengsten Befehlen Zuwider, die mantelsäke leer; und ich bin darüber so mißvergnügt, daß ich meinen allergrößten Abscheu darüber bekennen muß; mich darüber entschuldige, weil ich von house aus nicht jedem habe in den Mantelsak, und die Pistolen Hulftern guken können. Jedoch werden sie nun wohl bald alles anschaffen, was sie haben müssen, weil ich im höchsten Zorn, und schrecklichem Grimme zu ihnen also sprach: Hört ihr Soldaten, wenn ihr nicht wollt, daß ellch der tausend saßa, alle Elemente, bestehend in Wasser, Feuer, Luft und Erde, zur türk
ischen Musik verwandeln solle, so befolget in Zukunft meine Befehle besser als bis dahin. Nun in Gottes Namen reitet vor und bildet ein spitzig zulaufendes Viereck, der Trompeter blase hallelujahsaßa. Also verfertigt von mir."
Versicherungssache. Es ist von Interesse zu beobachten, wie die durchschnittlich auf einen Kopf entfallende Versicherungssumme bei den deutschen Lebensversicherungs Gesellschaften in fortgesetztem Steigen begriffen ist. Bei der „Lebensversicherungs-und Ersparnis-Bank in Stuttgart", einer der größten deutschen Lebensversicherungs- Gesellschaften, betrug z. B. der Gesamt-Durchschnitte der Versicherungssummen im ersten Jahre ihrer Wirksamkeit 1855: ^ 3065. und war bis 1865 auf 4095., bis 1875 auf 4453., bis 1885 auf 5811. gestiegen. In den Kriegsjahren 1870/71 war ein Rückgang von 4000. auf 3800. zu beobachten. Im vergangenen Jahre 1892 hat die Durchschnittssumme bereits die Höhe von ^ 6536. erreicht. Es ist diese Erscheinung ein erfreulicher Be- weis dafür, daß die Lebensversicherung immer mehr auch in vermöglichere Kreise Eingang findet, wenn auch freilich das Sinken des Geldwerts dabei miispielt. Bei der obigen Gesellschaft sind durchschnittlich mit der höchsten Summe von ^ 12,544. die Fabrikanten und Kaufleute, mit der nächsthohen von 10,754.. die Aerzte beteiligt. Landwirte weisen eine Durchschnittssumme von 7576. auf, Staats- und Gemeindebeamte eine solche von 5365., Gewerbetreibende von 4127. Frauen weisen durchgängig eine um ca. 2000—2500. niederere durchschnittliche Versicherungssumme als Männer auf. Eine allgemeine Erscheinung ist, daß sich Berufs-Militärpersonen trotz der allerwärts verbesserten Kriegsver- sicherungs-Bedingungen sehr wenig oder doch nur mit niederen Summen an der Lebensversicherung beteiligen. Bei der genannten „Lebensversicherungs- und Ersparnis-Bank in Stuttgart", welche doch die allergünstigsten Bedingungen in dieser Hinsicht hat,, treffen nur ca. 1 Prozent des Gesamtversicherungsstandes auf Militärpersonen, und auch diese befinden sich — da dieser Berechnung die Zeit des Eintritts in die Bank zu Grunde liegt — zum Teil in Altersklassen, in welchen die Beteiligung am Kriege ausgeschlossen erscheint.
Literarisches.
— Die Verlagshandlung von Carl Grün- ninger in Stuttgart versendet gratis und franko an jedermann, der sich für die Tonkunst im allgemeinen, sowie für Richard Wagner insbesondere interessiert, eine 2'/- Bogen starke, reich illustrierte Richard Wagner-Nummer des bekannten musikalischen Familienblatts „Neue Musik- Zeitung". Dieselbe enthält u. a. ein Brief-Faksimile,, ein zweiseitiges Noten-Autogramm des Meisters (die ersten Entwürfe zur Oper Lohengrin), beides bisher noch nicht veröffentlicht, sowie wertvolles Textmaterial und eine vierseitige Musikbeilage.
Käthe senkte den Kopf.
Ich will ja auch nix von ihm — sprach lle leise, nur pflegen laß mich ihn, Hansel — und dann, wenn cr wieder g'svnd ist, will ich ja gern meiner Wege gehen.
Ja, Pflege! die wäre wohl von nöten, meinte Hansel. Der Herr Physikus, der zweimal des Tages aus dem nahen Städtchen herüber käme, Hab' sich sehr unzufrieden darüber ausgesprochen, daß dem Kranken jede weibliche Hilfe'abgehe.
Der Käthe leuchtete das Auge — ob sie den Kranken sehen dürfe?
Hansel nickte traurig. Wirst ihn nimmer erkennen, er schaut zum Erbarmen aus!
Das war wohl eine böse Krankheit, an der der Rosenhofer Bauer darniederlag. Tagelang hing sein Leben an einem Faden, so dünn wie ein Spinnweb'. Bald murmelte er unverständliche Worte, bald stieß er abgerissene Sätze aus, dann lag er wieder starr und wie bereits gestorben, kaum mehr atmend da, daß Käthe sich angstvoll über ihn neigte und mit ihrer Hand nach seinem Herzen fühlte, ob das noch schlüge. Furchtbar war eS, den Kampf, den ein kräftiges junges Leben mit dem finstern Knochenmann ausfocht, mit anzusehen. Bald schien es, als gewinne dieser, bald jener die Oberhand. Endlich, endlich siegte das Leben doch. Gerettet, genttet, er wird leben! jubelte Käthe und fiel lachend und weinend dem alten Hausknecht um den Hals. So freu Dich doch mit mir. Du alter Hansel so spring', so jauchz' doch! Nun erst fühlte sie, daß sie in diesen Tagen kaum Nahrung zu sich genommen, geschweige denn geschlafen hatte. Sie fühlte aber auch, daß jetzt, da dem Kranken allmählich daS Bewußtsein wiederkehrte, ihres Bleibens nicht länger war. Denn durfte sie, die ihm alles Schlechte angewünscht, die'S ihm ins Gesicht geschrieen, daß sie ihn und seine Braut hasse, sich vor ihm sehen lassen?
So kniete sie denn, als der A^t den Kranken außer Gefahr erklärte, zum letztenmal vor das Bett hin. Sir nahm die Hand, die abgezehrt und bleich, aber frei von Fieberhitze, heradhing und drückte ihre Lippen darauf.
Bergied mir» was ich Dir Böses ang'wünscht Hab', flüsterte sie, 's war ja
nur die übermächtige Lieb' und die Eifersucht, die aus wir sprach. Ich will ja eher tausend Tods erleiden, eh' nur ein Haar Deines Hauptes gekrümmt wird, Franzel..
War's der g« flüsterte Name, der den Kranken die Augen voll und ganz auf- machen lüß? Käthe sprang auf und aus dem Zimmer.
Leb' wohl, Hansel, rief sie dem alten zu, denk' an Dein Versprechen.-
Hansel hätte die Käthe gern noch länger a»f dem Rosenhof festgehalten, aber mit ihr ließ sich ja l icht reden; worauf sie sich mal gesteift hatte, davon lnß sie nichts Hansel wußte freilich nichts von dem, was sich damals vor Käthes Flucht drunten, in der Stube zugetragen.
Langsam, gleichsam Stück für Stück, kehrte der junge Bauer zum Leben zurück. Er lerite müder essen, trinken, sprechen und gehen, gerade wie ein kleines- Kind. Furchtbar entstellt hatte ihn die Krankheit, das wußte er aber vorderhand selber noch nicht, das wußte niemand, wie der alte Hansel.
Die Fenster der Krankerstube starken offen. Frtihlingsmild fächelte es herein.. Schon prangten Wiesen und Äcker in frischestem Schmuck, auch der ferne Harz schimmerte stark grün. Im Großvaterstuhl saß der Genesende. In der Hand hielt er ein kleines abgegriffenes Buch. Das drehte er hin und her und besah es von allen Seiten. Ei, was möchte wohl an dem Büchlein so Kurioses sein?
Hansel, rief er und schob schnell das Büchlein unter die Decke, die chm über den Knieen lag, geh' doch mal her.
Hansel kam.
Was wollt Ihr, Bauer?
Hansel, sag mal, hast Du mich eigentlich ganz allein gepflegt, war keim anderer da?
Nein, ich ganz allein — cs kostete dem Alten viel Überwindung, die Lüge auszusprechen. Er dachte abcr an das Versprechen, das er der Käthe so oft hatte geben müssen, dem Franz nie zu vcrruteü, daß sie «in« Zritlang dagtwrsen.
(Fortsetzung folgt.)