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Amts und Anzeigeblalt für den Bezirk (Lalw.

68. Iahrgau-.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster lim- igebung S Psg. die Zeile, sonst >2 Pjg.

Samstag, den 1. April 1893.

LbonnementSprei« vierteljährlich in der Stadt SO jPsz. mch SO Pfg. TrLgerlvhn. durch die Post bezogen Me. 1. IS, sonst t» ganz Württemberg Mk. l. SS.

Amtliche Aekanntmachunge«.

Kekannlmachung.

In Dachtel ist die Maul- und Klauen­seuche wieder erloschen.

Der Bezirk ist nunmehr wieder seuchenfrei. Calw, den 29. März 1893.

K. Oberamt. Lang.

Tages-Neuigkeiten.

Freuden st adt, 27. März. Gestern nach­mittag zwischen 2 und 3 Uhr entstand in dem Walde oberhalb der sogenannten alten Walke im Friedrichs­thal ein Brand, welcher von aus der Kirche kom­menden Leuten mit großer Anstrengung gelöscht werden tonnte, ehe größerer Schaden entstand.

Ebingen, 27. März. Wie man bestimmt vernimmt, wird hier beabsichtigt, im evangelischen Vereinshaus, worin bisher 3 Wohnungen mietweise vergeben waren, in nächster Zeit ein Mädchenheim zu errichten. Vorerst sollen circa 20 Schlafstellen ge­schaffen und an fremde, in hiesigen Fabriken ar­beitende Mädchen vergeben werden. Zwei hiesige ledige Frauenzimmer, die in freigebigster Weise ihr Privatvermögen für diesen Zweck verwenden wollen, übernehmen die Leitung der Anstalt. Es wird bei diesem Unternehmen davon ausgegangen, daß das hier bestehende Kosthauswesen teilweise eine Gestalt angenommen hat, die das sittliche Gefühl junger Ar­beiter und Arbeiterinnen zu beleben nicht angethan ist, indem oft gegen zwanzig Arbeiter beiderlei Ge­schlechts in einem Kosthause anzutreffen sind, und cman ist vaher mit Recht der Ansicht, daß das all­

gemeine Wohlwollen sich der Gründung eines Mädchen­heims zuwenden werde.

Stuttgart. Der Zirkus Busch ist Mitt­woch Nacht nach Wien abgereist. Den Besitzer traf noch tagszuvor das Unglück eins seiner besten Pferde durch einen plötzlichen Herzschlag zu verlieren. In der Nacht vom 2S./29. gelang es der Polizei eine ganze Diebesbande aufzuheben. Es waren mehrere Dienstboten, die ihre Herrschaften schon längere Zeit bestohlen hatten und eine Putzfrau, die ihr Leben nebenher mit den Schinken und Würsten eines Metzgers fristete.

Stuttgart, 29. März. Die Volkspartei hielt gestern abend in der Siegelberger Bierhalle eine Versammlung. Komm.Rat Ehni führte den Vorsitz; Musik.Hdlr. Galler sprach über dieVerkümmerung der Redefreiheit" in der Kammer. Ueber die Militär­politik des Reichskanzlers Grafen Caprivi sprach N.T.Abg. Konrad Haußmann von dem bekannten Standpunkte der Demokratie aus, nicht mehr zu be­willigen als die bisherige Friedenspräsenzstärke, was noch ein Entgegenkommen gegen die Regierung sei. Eine Resolution im Sinne der Ausführungen Hauß- manns wurde angenommen, nur ein Teil der zahlreich anwesenden Sozialdemokraten stimmte dagegen. Namens derselben kam vor Schluß Agster auf die Verkümmerung der Redefreiheit zurück nnd beschwerte sich über die von der Vokspartei im Lande gegen die Sozialdemokratie öfters ausgeübte Verkümmerung der Redefreiheit.

In Ulm brannte das dem Wirt Glöck­ler gehörige, hinter dem Garnisonslazaret gelegene Anwesen bis auf den Grund nieder. Ein 16jähr. Knabe veranlaßte im Heidenheimer Stadtwald

Schmittenberg einen Waldbrand, der jedoch bald gelöscht werden konnte. Bei dem dieser Tage stattgehabten Brand in Niederhofen bei Leut- kirch diente ein Velozipedfahrer als Feuerreiter. In 8 Minuten war derselbe in Leutkirch und als der eigentliche Feuerreiter sich stellte, war die Hilfe bereits in Sicht.

8.6. Pforzheim, 29.März. Als eineernste Mahnung vor leichtfertigem Umgang mit Schußwaffen seitens junger Leute mag folgender Vorfall dienen. Gestern Abend nach 9 Uhr nahm der 17 Jahre alt« Goldschmiedslehrling Doll in der Wohnung seiner Mutter in der kleinen Gerberstraße hier eine geladene Pistole, in der Absicht seinen Hausschlüssel zu langen, von einem Kasten. Er wußte nicht, daß sein Bruder sie geladen hatte; und als er sie wieder zurücklegen wollte, ging der Schuß los und traf den im Zimmer anwesenden 18 Jahre alten (in der Dillsteinerstraße wohnhaften) Barth ins Gesicht. Das rechte Auge ist verloren. Die Pistole war nur mit einem Papier­pfropfen geladen.

In Dietkirchen, A.-G. Kastl in der Oberpfalz, fand der Lehrer Brunner daselbst, als er von den oberen Gemächen seines Hauses herabkam» wo er geschlafen hatte, seine beiden jüngeren Kinder, sowie die Magd erschlagen, während die Frau nur noch geringe Lebenszeichen von sich gab. Sämtliche Behältnisse waren erbrochen.

Berlin, 27. März. Zwanzigtausend Mark Belohnung sind, wie die Bank von Schottland der hiesigen Kriminalpolizei mitteilt, auf die Ermittelung der Diebe ausgesetzt worden, die am 16. Febr. 1891 in einem Bankhause zu London Billets der Englischen Bank im Betrage von 170000 ^ gestohlen haben.

Is e ir i t k e t o n.

Nachdruck verboten.

Nuf dem Nosenhof.

Erzählung von H. Moevingus.

(Fortsetzung.)

Dem jungen Bauern entging es nicht, wer anstatt seiner den Hof regierte und kommandierte. War auch einerseits sein Selbstgefühl zwar gewaltig verletzt, -ärgerte es ihn wohl, daß eine Dirne besser Bescheid in allem wußte und besser alles anzugreifen verstand wie er. so war es anderseits doch sehr bequem, den Dingen ihren Lauf zu lassen und sich un nichts zu bekümmern. Zumal er im Dorf alte Beziehungen wieder angeknüpft und aus der Stadt Besuch bekommen hatte. Ein paar arme Schlucker, denen der knappe Beutel just nur bis Heiligsnfelv reichte, sp.elten sich jetzt als des reichen Rosenbauernbeste Freunde" auf. Sie kamen gleich auf etliche Wochen mit Sack und Pack zu ihremlieben Fcanzel", nach dem sie schon so große Sehnsucht gehabt. Franz ließ ihnen eine Stube Herrichten und war ein gar liebenswürdiger Wat. Nun blieb ihm selbstverständlich auch nicht ein V'.ertelstürdchen fürGeschäftliches", er fragte kaum mehr darnach, was das Gesinde am Rosenhof treibe. Ferner hatte er, wie gesagt, alte Bekanntschaft erneuert. An seine Besitzlichkeit stieß diejenige eines Seegruadbauern. Mit dessen Töchtern war der Franz einst gut Freund gewesen, besonders m:t der ältesten, der Gertrud. Die war zu einer gar feinen Dirne herangewachsen, und weil der Franz doch auch seine Augen hatte und gern in diejenigen eines schönen Mädchens schaute, mußte er bald geschickt dis alte Freundschaft wieder cinzuläveln. Schön Gertrud ließ es sich ganz wohl gefallen daß der Franz ihr sogar einen Myrtenstock mit etlichen Blüten brachte. Damit cs do h nicht gar zu veifänglich aussah, .bemerkte er dabei, sein Vater selig habe große Stück ' auf den Stock gehalten, er aber wisse nicht damit umzugehen; die Gertrud möge ihn pflegen. Der alte Sesgrunder hatte garnichts dagegen.

daß sein Nachbar häufi, herüberkum, und wenn er mit ihm sprach, floß seine Rede von Zucker und Honig schier über.

So verging die Zeit uno es rückte ein Tag heran, der für Hriligenfeld nicht von geringer Bedeutung ist.

St. Cäcilia ist die Schutzpatronin der Heiligenfelver Kirche, und daß man ihr da an ihrem Namenstage ganz besondere Ehren erweist, versteht sich oon selbst. Doch jedem das Seine. Fmdet am Morgen ein Gottesdienst mit darauf folgender Prozession statt, ist die Heilige in ihrem goldgewirkten Gewände dreimal um die Kirche getragen, und hat jeder, wie sichs gehört, den Cäcilienkreuzer für die Armen in den Opferstock geworfen, so strömt am Nachmittag alles, was nur irgend über b-wegungsfähige Beine verfügt hinaus auf die Cäc lienwiese. Dort haben etliche Hausierer und Schlawaken ihre fliegenden Stände aufgeschlagen und bieten tausenderlei bunten Kram, Mausefallen, Blechhausrat, Pfefferkuchen und Zuckerstsngel feil. In Zelten wird Bier und Wein geschenkt. Munk ertönt und der unsterbliche Kasperle läßt seine quiekende, raffelnde, näselnde und schnarrende Stimm: hören und ergötzt die Mmge mit semen abgestandenen, doch stets wieder belachten Späßen. Der Hauptjubel aber geht erst am Abend mit dem sogenannten Kranzstechen und darauf folgendem Tanz los, der auf einem durch Stricke abgegrenzten Platz stattfindet. Dis Kranzst.-chen ist eine ganz besonders H-iligeaf-lder Lite, di: .sonst m keinem Dorfe besteht. Es stammt noch aus der H ndenzs.t, waru n es sich jedoch bis auf dm heutigen Ta; erhalten und alljährlich gerade am Cäc lievtaze ausgeübt wird, erläutert eine Legendi« aus dem Lebe, der heiliger Cäcckia folgendermaßen:

Ein den Christenglauben bekennendes Manchen, Cäcllie mit Namen, gelangte m t vielen ihrer Gl iubensgenoffen in hndnsch: Gesan§ensch> st. Zum Tode ver­urteilt, sollten an einem einer heidnisch m Gottheit geweihten Tag' die Christen wedcrgemetzelt werden. Schon führte man sic zum Ricktplatz, da r:-.f einer der Häuptlinge Cäcckien sch'rzweise zu, sie wöge .sich doch noch vor dem Tode einmal im Kranzstechen veisuchcii. Gelinge es ihr, das übliche Wurfgeschoß durch den Kranz