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(Reichsp.) rühmt die Verdienste v. Stephans. Er erklärt: Wir sind stolz auf unseren Staatssekretär. Baumbach (d.fr.) befürwortet die Einführung von Alterszulagen für die Postbeamten und den Wegfall des Strafportos für ungenügend frankierte Briefe. Er kommt auf die Angelegenheit des Pöstassistenten- verbands zurück und wünscht Einschränkung des Diätar- systems. Geh.-R. Fischer betont, die Beamten unterliegen zweifellos einer gewissen Beschränkung der staatsbürgerlichen Rechte, gegenüber dem Assistenten- verbande müsse die Verwaltung von vornherein ein- schreiten, damit sie nicht in die Lage komme, strafen zu müssen, in keiner Verwaltung seien die Anstellungsbedingungen so günstig wie bei der Post.
Berlin, 4. März. Die Militärkommission des Reichstags setzte heute die Beratung des Bennigsen'schen Antrags bezüglich der vierten Bataillone fort. (S. o.) Lieber (Zentr.) erklärt, es gehe auch ohne vierte Bataillone. Das Zentrum sei im Uebdigen entschlossen, die Militärvorlage ohne jedes Handelsgeschäft rein sachlich zu behandeln. Hinze (d.fr.): Die vierten Bataillone seien für die Mobilmachung unentbehrlich. Reichskanzler Graf Caprivi: Für die nächsten 5 Jahre seien 195 Mann die Maximalstärke des 4. Bataillons, darüber hinaus könne sich die Regierung nicht binden. Richter (d.fr.): Wolle man die bisherige Präsenzstärke, so müsse man die 4. Bataillone ablehnen. Fortsetzung am Dienstag. Es verlautet vor der Abstimmung trete eine mehrtägige Pause ein, damit sich die Kommissionsmitglieder mit den Fraktionen in Verbindung setzen können.
Rückkehr der Jesuiten? Die „Magd. Ztg." bringt einen Artikel, der sich mit der „Rückkehr der Jesuiten* beschäftigt. In demselben heißt es: „Abgesehen von einer starken Strömung im Reichstage, die grundsätzlich gegen alle Ausnahmegesetze gerichtet ist, darf daran erinnert werden, daß einzelne Bundesstaaten schon seit längerer Zeit für die Aufhebung aller gegen geistliche Orden gerichteten Vorschriften eingxtreten sind. Nach Versicherungen von bestunterrichteter Seite ist in neuester Zeit diese Richtung im Bundesrate stärker hervorgetreten und es wird daher rgcht überraschen können, wenn in nicht allzu ferner Zeit regierungsseitig mit einer Vorlage, die den Ausschluß geistlicher Orden aus dem deutschen Reiche aufhebt, vorgegangen wird. Sehr bestimmt austretende Gerüchte in dieser Beziehung sind nicht von der Hand zu weisen, wenn sie auch heute noch mit Vorbehalt wiedergegeben werden müssen.
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e Tages-Neuiykeiten
* Calw, 6. März. Am Freitag abend hielt vr. Eberhard Fraas aus Stuttgart im Georgenäum einen Vortrag über „Blicke in die Urwelt." Der Redner behandelte in anziehender, populärer Weise die verschiedenen Formationen der Gesteine unter stäter Bezugnahme auf den Schwarzwald. Ein
genaues Bild der jeweiligen Periode geben die Petre- fakten, da man aus diesen auf die Entwicklungsstufe der Tier- und Pflanzenwelt schließen könne. Das Urgebirge trete auch in hiesiger Umgebung zu Tage; auf diesem lagere eine kleine Formation und sodann in mächtiger Größe der Buntsandstein. Der Schwarzwald sei früher ein großer Gebirgskamm gewesen, welcher aber keine lange Dauer hatte, da er durch Wasser wieder wcggefühit wurde. Nachdem hätten vulkanische Kräfte ein allmähliches Senken der Schichte herbeigeführt. Der Bundsandstein Isei demnach eine Ablagerung von Sand, der aus den Meeren als große Dünen sich anhäufte; es sei ein unwirtschaftliches Gebiet von armer Vegetation gewesen. Die Buntsandsteinbildung habe nachher das Meer überflutet, wodurch jedoch eine reiche Tierwelt mitgeführt worden war. Das Binnenmeer trocknete aber aus und es bildete sich die Triasgruppe, bestehend aus Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper. Auf die Triasgruppe folgte die Juraperiode, in welcher alles im tiefen Meer begraben war. Das Tierleben habe sich da herrlich entwickelt; Tausenve von Ammoniten, Belemniten, Meersaurier, Seeigel, Seesterne, Austern belebten das Meer. Mit einer Schilderung der Eiszeit, in welcher große Tiere das freie Land bewohnten und gleichzeitig auch der Mensch auftritt, schloß der Redner den sehr gut besuchten, beifällig aufgenommenen Vortrag.
-j- Calw, 6. März. Die auf vielseitiges Verlangen am Samstag abend im großen Saale des Vereinshauses wiederholte Aufführung des freiwilligen Schülerchors unter Leitung von Hrn. Schullehrer Roos war ebenfalls zahlreich besucht. Das sehr reichhaltige, schön zusammengestellte Programm wurde mit gespannter Aufmerksamkeit entgegengenommen. Sowohl die vortrefflich ausgeführten Gesänge als auch die gut gewählten, packenden Deklamationen haben dem gelungenen Kinderkonzert einen eigenartigen Reiz verliehen, so daß der Dirigent und unermüdliche Leiter des Schülerchors wiederum auf einen schönen Abend und einen reichen Erfolg seiner selbstlosen Thätigkeit zurückblicken kann. Möge uns der freiwillige Schülerchor noch recht oft mit solchen gediegenen Aufführungen erfreuen!
Holzgerlingen, 2. März. Der 74 Jahre alte Jakob Mickeler und seine 73 Jahre alte Ehefrau feierten letzten Sonntag die goldene Hochzeit. Das Jubelpaar wurde von Sr. Maj. dem König mit 20 erfreut. Der Veteranenverein hat dem Jubilar zu Ehren als ältestem Ehrenmitglied ein Fest veranstaltet.
Stuttgart, 2. März. Wie der „Sch. B." hört, soll der Geh. Hofrat Jackson aus der Liste der Hofräte gestrichen und seines Titels verlustig erklärt werden. Es hängt dies mit den Aussagen eines wegen Erpressung angeklagten Dieners Jacksons zusammen. Jackson soll sich nach Amerika gewandt haben.
Stuttgart, 3. März. Einer Meldung der Straßburger Post zufolge wird Se. Maj. der König sich im Sommer dieses Jahres nach Straßburg be
geben, um sein dort garnisonierendes Jnfanterie- regiement Großherzog Friedrich von Baden (8. Württ.) Nr. 126 zu besichtigen und gleichzeitig die Vorstellung des sächsischen Infanterieregiments Nr. 105, König Wilhelm von Württemberg entgegenzunehmen.
Stuttgart, 4. März. Unter großer Be» teiligung aus Stuttgart und von auswärts wurde gestern nachmittag Justizrat Oesterlen auf dem Fangelsbachfriedhof beerdigt. Dem Sarg folgte em Blumenwagen und ein langer Wagenzug. Auf dem Friedhof erwartete eine große Menge den Kondukt. Auf dem Weg zum Grabe schritten voran die nächsten Angehörigen, dann folgten die Vorstände und Mitglieder des K. Oberlandesgerichts und des Landgerichts» der Oberstaatsanwalt und der Erste Staatsanwalt des Landgerichts sämtliche Mitglieder des Anwaltsstandes, der Präsident der Kammer der Abgeordneten, Vorstände und Mitglieder hiesiger Gesellschaften und Vereine (Liederkranz, Bürgergesellschaft, Verschönerungsverein), endlich Mitglieder der Volkspartei. Die vollständige Prem'sche Kapelle spielte den Walch'schen Trauermarsch, ein Sextett des K. Hoftheaters sang „Gott ist getreu", worauf' Hofprediger Dr. Braun die Grabrede hielt, die em treffendes Bild des Charakters und des öffentlichem Wirkens des Verstorbenen gab. R.-A. Kielmeyer sen.. legte namens der Württ. Anwaltskammer ein prachtvolles Palmblatt auf das Grab; namens des Stuttgarter Anwaltsvereins folgte R.-A. Leipheimer mib einem Lorbeerkranz. R.-A. Friedrich Haußmann. widmete dem Toten einen begeisterten Nachruf und legte einen Lorbeerkranz mit schwarz rot-goldener Schleife nieder. Weitere Kränze wurden niedergelegt vom Volksverein Hall, von der Bürgergesellschaft hier und dem Verichönerungsverein.
Göppingen, 2. März. In der Nähe der Sauerbrunnenbrücke geriet heute abend das 6jährige- Töchterchen der Wittwe Schmid, Inhaberin der Filztuchfabrik, unter den von Stuttgart kommenden Schnellzug und wurde überfahren, so daß es nach kurzer Zeit verschied. Die Familie, welche erst im vorigem Jahre ihr im besten Mannesalter stehendes Haupt verloren hat, wird allgemein bedauert. — Ein anderes Unglück hat sich vorgestern nachmittag zugetragen- Der 5jährige Knabe eines braven Arbeiters stand vor dem Schaufenster eines kleinen Ladens in der Poststraße, als er von einem in schnellem Laufe vorübereilenden älteren Knaben angestoßen wurde. Der- Kleine stürzte zu Boden und siel so unglücklich, daß. ihm eine Spitze des sehr niedrigen eisernen Staketenzaunes in ein Auge drang, so daß dieses auslief.
München, 1. März. Am vergangenen Samstag wurde im Zuchthaus in der Au seitens eines Gefangenen ein Mordversuch an einem Aufseher verübt. Der wegen Todtschlags zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilte Sträfling Zettl war wegen Ueber- tretung der Hausordnung krumm geschlossen worden und sollte am Samstag nach Verbüßung dieser Dis-
sollen sie, wir nehmen sie Alle zu uns. Wer meiner Elisabeth nahe steht, hat auch ein Recht auf meine Liebe."
„Was meinen Sie mit dem Schlöffe?" fragte Elisabeth verwundert. „Wie dürfen Sie über das Schloß verfügen?"
„Nun wenn ich an unsere Zukunft denkend, den vernachlässigten Herrensitz in Pacht genommen hätte, Elisabeth? Aber sprich jetzt nicht von so gleichgültigen Dingen, che ich noch einen Blick in Dein Gemüt habe thun dürfen. Liebst Du mich denn auch, so recht heiß und innig, so wie ich Dich liebe? Fühlst Du gleich mir eine Trennung als eine Unmöglichkeit?"
„Ich müßte sie ertragen," hauchte Elisabeth. „Wir Mädchen dürfen dem Glücke nicht nachjagen, wir müssen still abwarten, ob es seinen Segen über uns ausgießen will. Ihre eiste Frage aber kann ich beantworten — ja ich liebe Sie, liebe Sie mit meiner ersten, meiner einzigen Liebe! Nach Ihnen wird das Bild keines Mannes mehr in meinem Herzen wohnen. ES giebt Pflanzen, die nur einmal blühen, und ich fühle, daß meine Liebe einer solchen gleicht. Still hätte ich, ohne Ihr Geständnis, meinen Himmel und meine Hölle im tiessten Innern verborgen getragen. Sie reißen mein Glück und meine Schmerzen an das Licht des Tages. Und nun, nachdem Sie Alles wissen, was Ihnen mein Gefühl sagt, nun hören Sie auch, was Ihnen meine Vernunft gebietet, ohne Widerruf gebietet. Sie müssen Zeit zur Überlegung haben, ich will mein Glück nicht Ihrer jugendlichen Übereilung, ich will eS Ihrem besonnenen Entschlüsse verdanken. Wir werden uns jetzt längere Zeit nicht sehen. Nach dem, was zwischen uns vorgefallen ist, wäre es unweiblich von mir, Sie ferner aufzusuchen. Erst von heute ad in vierzehn Tagm finde ich wich um dieselbe Stunde wieder hier ein. Und dann, dann sollen Sie mir sagen, ob Sie bei Ihrem jetzigen Entschlüsse beharren."
„Immer und ewig, Elisabeth! DaS schwöre —"
Ein starkes Knistern der Zweige, seitwärts im Walde, unterbrach seinen leidenschaftlichen Ausruf.
Elisabeth erhob sich erschrocken.
„Leute kommen!" flüsterte sie. „Gehen Sie! Und vergessen Sie nicht darauf», vor vierzehn Tagen werden Sie mich hier nicht finden."
„Elisabeth, das ist eine harte, grausame Bedingung. Ich glaube, Du bist viel kälter als ich!"
„Weil ich Sie vor einer thörichten Übereilung bewahren möchte!" sagte sie mit sehr weicher Stimme. „Ich liebe Sie, vergessen Sie auch das nicht. Leben Sie wohl, leben Sie wohl!"
„Auf Wiedersehen, Elisabeth!"
Es war die höchste Zeit gewesen, als Graf Rudolf auf dem schmalen Waldweg enteilte. Von der anderen Seite kam Robert, sein alter, vertrauter Diener langsam hergeschritten. Er blieb vor Elisabeth stehen.
„Was meinen Sie, Jungfer ?" sagte er. „Ist das Horchen überall und immer eine Schande? Auch wenn man ein paar unbesonnene, junge Menschen dadurch vor Schaden und Unglück bewahrt?"
Elisabeth schlug ängstlich ihre großen Augen zu dem Greise auf, der sie sehr ernst, ja fast strenge bettachtete.
„Ich weiß nicht," flüsterte sie scheu. „Ich habe noch niemals gehorcht."
„Ich Hab' es heute zum erstenmale gethan, Jungfer, und bereue es nicht- Wissen Sie, wer der junge Mann ist, der eben von Ihnen wegging und der Ihr kindisches, leichtsinniges Herz mit thörichten Schnüren umstricken wollte? Es ist der einzige Sohn des Grafen Roveneck, der Erbe eines der ältesten Adelsgeschlechter und unermeßlicher Reichttimer. Was meinen Sie, daß sein Vater zu Ihnen als Schwiegertochter sagen würde?"
Ein fast unartikulierter Schrei von Elisabeth'S Lippen unterbrach die Enthüllungen dr» Alten. Sie sank auf ihre Knie« und seufzte mit ersterbender Stimme r „Rudolf, Rudolf! O mein Gott!"
(Fortsetzung folgt.)