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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
68. Iahrgavs.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Die EinrürkungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um- ebung S Psg. dix Zeile, sonst >2 Psg.
Donnerstag, den 16. Jebruar 1893.
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt 90 Mg. .und 20 Pfa. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15,^ sonst i» ganz Württemberg Mk. i. SS.
Deutsches Reich.
Berlin, 10. Febr. Reichstag. Die Beratung wird beim Etat des Reichsamts des Innern fortgesetzt. Abg. Möller (nat.-lib.) führt aus, eine Reihe vol/ Geschäften sei durch Handhabung der Sonntagsruhe erheblich geschädigt, namentlich die Barbier-, Cigarren-, Nahrungs- und Genußmittel- Geschäfte; er empfiehlt Neuregelung durch eine Verfügung der Behörde und durch ein Statut der einzelnen Gemeinden. Abg. Bebel (Soz.) beklagt das Ausbleiben von Bestimmungen über die Sonntagsruhe in gewerblichen Betrieben und spricht sich gegen die eventuelle Vermehrung der Verkaufsstunden an Sonntagen im Handelsgewerbe aus. Redner empfiehlt, -ie Fabriken Samstags um 2 Uhr zu schließen, damit die Arbeiter ihre Einkäufe machen können und Sonntags die Geschäfte vollständig zu schließen. Handelsminister v. Berlepsch bemerkt, die Erfahrungen, welche man mit der Sonntagsruhe bisher im Handelsgewerbe gemacht, veranlaßten keine Verzögerung der Vorschriften der Sonntagsruhe in gewerblichen Betrieben, die Hindernisse lägen auf einem ganz anderen Gebiete. Ausnahmebestimmungen für Cigarrengeschäfte zu treffen sei bedenklich. Redner hofft, daß die Anschauungen über die Vorschriften der Sonntagsruhe andere geworden seien, als sie vor Monaten herrschten. Bayerischer Bevollmächtigter Landmann weist darauf hin, daß die bayerische Regierung die Vorschriften über die Sonntagsruhe nicht lax handhabe, wie dies aus der von Bebel vorgebrachten Klage heroorgehen könnte. Abg. Hitze (Centr.) bestreitet, daß bei dem Ausbleiben der Vorschriften über die Sonntagsruhe in gewerblichen Betrieben es sich um
absichtliche Verzögerung handle, wie die Sozialdemokraten behaupten. Abg. Stöcker (kons.) wünscht für die Handlungsgehilfen einen ganz freien Sonntag- Nachmittag und er hofft die Möglichkeit für nur durch die Familie des Geschäftsinhabers betriebene Geschäfte den ganzen Sonntag offen zu halten. Abg. WSilin er (freis.) glaubt an den Erlaß von ortsstatutarischen Bestimmungen durch die Gemeindebehörden. Abg. Bebel (Soz.) bittet den Staatssekretär um eine Zusammenstellung der Verfügungen der Behörden über die Sonntagsruhe. Staatssekretär Bötticher sieht für die Erfüllung des letzteren Wunsches keinen Grund ein. Nächste Sitzung Samstag.
Berlin, 11. Febr. Der Reichstag erklärte in heutiger Sitzung zunächst ohne Debatte seine Zustimmung zu dem Antrag der Geschäftsordnungskommission auf Erteilung der Genehmigung zur strafrechtlichen Verfolgung des Abgeordneten North, nachdem der Berichterstatter Abgeordneter Porsch den Sachverhalt klargelegt hatte, der in der Anklage besteht, sich als Direktor einer Aktiengesellschaft schwer gegen die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs vergangen zu haben. Dann wurde auch diese Sitzung wieder von der Debatte über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe und über die Ausschließung sozialdemokratischer Arbeiter aus den Staatswerkstätten in Anspruch genommen. Der Abg. von Vollmar (Sozialdem.) beschwerte sich sehr weitläufig und heftig über die Ausführung der gesetzlichen Bestimmungen über die Sonntagsruhe in Bayern, namentlich über die Regelung derselben in Nürnberg und in Oberbayern. Der bayrische Bundesratsbevollmächtigte Oberregierungsrat Landmann verteidigte die betreffenden Erlasse bayrischer Bezirksregierungen mit
Erfolg gegen den Vorwurf der Gesetzwidrigkeit. Namentlich wies er nach, wie die Regelung in Oberbayern, wo mit Ausnahme von München die Geschäft« bis vier Uhr nachmittags offen sein dürfen, durchaus den dortigen eigentümlichen Verhältnissen entspreche. Abg. v. Pfetten (Centr.) trat den Ausführungen des Regierungsvertreters bei und bestätigte, daß nur durch die zweckmäßige Regelung, wie sie durch den Erlaß der oberbayrischen Regierung erfolgte, die ursprüngliche Erregung der Bevölkerung über die Neuerung einigermaßen beschwichtigt sei. Auch Abg. Buhl trat für die Korrektheit der Durchführung der gesetzlichen Bestimmungen in Bayern ein, während der Abgeordnete Grillenberger sehr entschieden die bayrischen Verordnungen verurteilte und namentlich die Berücksichtigung eingewurzelter Gewohnheiten der Bevölkerung für unzulässig erklärte. Ueber das Thema der Ausschließung sozialdemokratischer Arbeiter kam es zu einem lebhaften Geplänkel namentlich zwischen dem Abg. v. Stumm und den sozialdemokratischen Rednern, in welches auch der freisinnige Abg. Wöll- mer von den Sozialdemokraten hineingezogen wurde, weil er tagsvorher die Ausschließung von Sozialdemokraten als einen Ausfluß der Vertragsfreiheit bezeichnet hatte.
— Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt am Schluß eines Artikels über die Sozialistendebatte im Reichstag: „Herr v. Stumm traf das Richtige, wenn er seine Rede schloß: „Ich sage, die Waffen, mit denen die Gefahr bekämpft werben muß, die Sie heraufbeschwören und die der Abg. Bebel heute in recht krasser Weise wiever hrraufbefchwsren hat, sind nicht ideale Waffen, sind nicht Rede und Gegenrede, sondern die Waffi der Gewalt, an die Sie appellieren.
Aerritketon.
' Die Adoptivtochter.
Erzählung von K. Labacher.
(Fortsetzung.)
Jetzt richtete sich der Graf so hastig auf, als wüßte er nichts von Ermüdung quid Abspannung.
„Das ist doch stark!" rief er. Wer hat Dir solche Dinge in den Kopf gesetzt, Elisabeth? Wer hat das gewagt?"
Das junge Mädchen richtete ihre klaren, schönen Augen ängstlich forschend «uf den Grafen.
„So wäre es nicht wahr? So hätte man mich belogen? Aber nein, nein! Es wurden mir Namen und Begebenheiten erzählt, die nicht erfunden sein können. O geben Sie mir Gewißheit! Denn auf Gewißheit bestehe ich, auf Beweise, die Sie mir wohl zu schaffen vermögen, wenn ich wirklich ihre Tochter bin."
„Ich rate Dir, Dich nicht um Dinge zu bekümmern, die von keinerlei Nutzen sind," sagte der Graf gähnend; seine gewöhnliche Gleichgültigkeit hatte schon wieder 'über die momentane Auflegung gesiegt. „Du bist vor der Welt meine Tocher, Du genießest alle Vorteile einer solchen, das lasse Dir genügen, forsche nicht tiefer, es ist nicht zu Deinem Heile, meine Liebe!"
„O nein, Herr Graf, so leicht gebe ich mich nicht zufrieden. Kann der äußere Glanz die innere Leere ausfüllen, welche mich unaufhörlich martert? Ich sollte mich mit einem hohen Titel und den Gaben Ihres Reichtumes begnügen, wenn ich mehr, wenn ich die Liebe einer Mutter und eines Vaters haben kann? Ich soll unter Fremden leben, wenn ein Plätzchen unter Brüdern und Schwestern für mich aufgehoben ist?"
„Bah! Was hast Du für geschmacklose Phantasieen!* entgegnete der Graf amt halbgeschloffenen Augen. „Sage mir, Mädchen, ob Dir Diejenigen, welche Dir
den großen Dienst erwiesen. Dich über Dein Verhältnis zu mir aufzuklären, auch gesagt haben, welcher hoher und geehrten Familie Du eigentlich angehörst?'
„O ja. Herr Graf!" sprach Elisabeth ruhig und heiter. „Mein Vater war ein armer Schuhmacher; um mich nicht den Hungertod sterben zu lassen, schenkten mich meine sehr unglücklichen, lieben Eltern an fremde Leute."
„Ein Schuster! Und wie ruhig Du das sagst," sagte der Graf verächtlich. „Das ist die niedere Abstammung, die sich bei Dir verrät, das gemeine Blut, welches in Deinen Adern fließt. Da spricht man immer von Adelsvorurteilen. Sehe man nun dieses Mädchen an, großgezogen in der edelsten Familie, sie errötet nicht, sich als Tochter eines Schuhmachers zu bekennen!"
„Nein!" rief Elisabeth sich stolz aufrichtend und mit leuchtenden Blicken. „Ich erröte nicht. Hat mir doch noch niemand gesagt, mein Vater sei ein unehrlicher Mann gewesen. Dann erst würde ich die Augen Niederschlagen müssen."
„Bah, mit Dir streit ich nicht. Elisabeth! Sage mir, was ist der Zweck dieser Erörterung? Du wünschest vielleicht, daß ich Deine Sippschaft zu mir in's Hau« nehmen soll, damit Du den Umgang Deiner geliebten Angehörigen genießen kannst? Aber merke Dir es, so lange ich Herr hier bin, kommt kein Mitglied der Schuft-r- sippe über meine Schwelle!"
„Habe ich schon eine derartige Bitte gestellt?" fragte Elisabeth ruhig. „Ich begehre nichts weiter von Ihnen als Gewißheit über meine Abkunft."
„Die hast Du nun und kannst gehen. Nur sage mir zuvor, wer Dir eigentlich diese, für Dich recht erfreulichen Mitteilungen gemacht hat. M-t der Person möchte ich doch ein ernstes Wörtchen reden."
„Ich bin noch nicht zu Ende," sprach Elisabeth, ohne auf die an sie gerichtete Frage zu antworten. „Ich will Ihnen noch danken, Herr Graf," setzte sie mit sanfterer Stimme hinzu. „Sie haben viel Gutes an dem armen Schusterkinde ge- than. Sie und die gütige Frau Gräfin, welche ich Mutter nennen durfte. Si, haben alles mit mir geteilt, was Wert für Sie besitzt, Ihren edlen Namen und