Auch wird keinem Züchter mehr als ein Preis für Widder oder Schafe zuerkannt.
7) Die Mitakieder des Preisgerichts werden von der ZenMstelle ernannt.
8) Den SchWüchtern, welchen einer der sechszehn Preise zuerkannt wird, wird der Preis auf dem im September d. I. ab,»haltenden landwirtschaftlichen Hauptfest in Cannstatt eingehändigt. Auch haben die Preisträger eine kleinere Anzahl ihrer prämierten Tiere auf dem Fest in Cannstatt gegen eine ihnen zu reichende billige Reise-Entschädigung vorzuführen.
Stuttgart, den 30. Januar 1893.
v. Ow.
Deutsches Reich.
Berlin, 3. Febr. Reichstag. Der Antrag des Antisemiten Werner, betreffend Einstellung des gegen Ahlwardt wegen Beleidigung schwebenden Strafverfahrens wird angenommen. Alsdann wird die zweit; Lesung des Ciais fortgesetzt. Es folgt der Etat des Reichamts des Innern. Beim Titel Gehalt des Staatssekretärs wird die Notstands-Debatte fortgesetzt. Abg. Bebel (Sozialist) erklärt, über sehr Vieles sprechen zu müssen. Er wendet sich zunächst gegen die beabsichtigten Ersparnisse den Eisenbahnbeamten gegenüber und verlangt zur Hebung des Notstandes, daß die Eisenbahn-Kredite, welche der Eisenbahnminister nicht verwendet, zur Beschaffung von Arbeit flüssig gemacht und Meliorationen vorgenommen werden. Er verlangt ferner eine achtstündige Arbeitszeit, Beschränkung der Frauenarbeit, Verbot der Kinder- und Sonntagsarbeit, Organisation von Arbeiterkammern und Aufhebung der Lebensmittelzölle. Die Genossenschaften böten kein Mittel zur Besserung der sozialen Lage. Der Redner entwirft sodann ein sozialistisches Programm, welches allgemeines Wahlrecht für Männer und Frauen, Freiheit der Meinungsäußerung, allgemeine Wehrpflicht u. s. w. verlangt. Es schließt: Bei den nächsten Wahlen wird eine größere Zahl auf unserer Seite sein als bisher. Frhr. v. Stumm (Reichspartei): Auf die Frage, wie er sich den Zukunstsstaat denkt, hat Herr Bebel mit den alten bekannten Redewendungen geantwortet und nicht ein Wort vorgebracht, das wir nicht schon kennen. Wie soll denn die Produktion und die Konsumtion geregelt, wie sollen die 50 Millionen Menschen in Deutschland ernährt werden? Bebel betrachtet den Großbetrieb als eine Vorstufe für die sozialistische Betriebsform. Eine Genossenschaft, vie sich über das ganze Reich erstrecken soll, das ist ein Unsinn sondergleichen; eine solche Genossenschaft würde sich nicht leiten lassen. Wir können uns nur an das halten, was Bellamy uns vorgeführt hat; aber Bellamy's Staat ist aufgebaut auf einem idealen Gebiet der Zufriedenheit, während die Sozialdemokraten die Zufriedenheit als ein Laster betrachten. Aus lauter unzufriedenen Menschen kann ein dauerhafter Staat nicht gegründet werden. Die
Sozialdemokraten möchten die Unternehmer nach Afrika transportieren, aber sie können sie gar nicht entbehren. Die Mehrzahl der sozialdemokratischen Fraktion besteht aus Unternehmern; es sind nur wenige Arbeiter und ich möchte bezweifeln, daß diese noch wirkliche Handarbeiter sind. Durch den Terrorismus werden die Massen zusammengehalten und der Terrorismus der sozialistischen Partei geht weit über das hinaus, was irgend ein Unternehmer geleistet hat. Ihr Zukunftsstaat ist einfach ein großes Zuchthaus und weiter nichts. (Heiterkeit.) Der Richter'sche Zukunstsstaat gefällt mir auch nicht. Richter hat die letzten Konsequenzen doch nicht gezogen. Das Buch von Gregorovius „Der Himmel auf Erden", das hat die Richter'schen Konsequenzen gezogen. Die Thaten, welche die Sozialdemokraten für die Arbeiter verrichtet haben wollen, sind nicht vorhanden. Sie haben bei den Wohlfahrtsgesetzen Anträge eingebracht, aber schließlich gegen die ganzen Gesetze gestimmt, ganz naturgemäß, denn sie wollen ja keine Wohlfahrt, sondern die Unzufriedenheit. Bei uns in Saarbrücken gibt es 60000 Arbeiter, davon 30000 in der Industrie und 30 000 Bergleute. Die ersteren werden nach meinem Prinzip behandelt, d. h, streng, aber mit warmem Herzen, und diese wollen von den Sozialdemokraten nichts wissen. Alle Hetzereien haben dort nichts genützt. Die Arbeiter werden zur Gewalt aufgehetzt, aber wenn der Staat seine Schuldigkeit thut, dann wird die Sozialdemokratie nicht zu fürchten sein; sie ist nur zu fürchten, wenn der Staat schwach ist. (Zustimmung rechts.) Bachem (Centr.): Die Sozialdemokratie wünsche keinen Erfolg von den bisherigen Maßregeln des Reiches zur Hebung der Arbeiterlage, weil sie fürchtet, daß es dann mit ihr vorbei sei. Für alle in dem Zukunstsstaate entstehende Unordnung macht er den Abgeordneten Bebel verantwortlich. Ein Staat ohne Autorität könne nicht bestehen. Alle Parteien müßten festhalten zu den christlichen Grundsätzen. Auf diesem Weg werde das gesteckte Ziel schnell erreicht werden.
Fortsetzung am Sonntag:
Abg. Richter (freis.) hält den Militärstaat der Gegenwart für gefährlicher als den sozialistischen Zukunstsstaat. Die mißliche Lage weiter Kreise der Bevölkerung sei eine Nachwirkung der noch nicht überwundenen Mißernte von 1891. In den Ärbeitslosen- Versammlungen könne man kein Spiegelbild der Verhältnisse erblicken. Im Zukunftsstaat werde der Arbeiter viel schlimmer kommandiert werden, als im heutigen Militärstaat. Der sozialistische Staat müßte mit Aufhebung der Freizügigkeit anfangen, er würde die Arbeiter auf den Schub bringen, wofür diese sich schönstens bedanken. Redner bemerkt, wer sich so oft gemausert habe, wie Bebel, sollte nicht eine so stolze Sprache führen. Abg. Frohme (Soz.) spricht seine Meinung dahin aus, die Sozialdemokraten wollten keinen künstlichen Staat schaffen, sie ständen auf dem Boden der Entwicklungstheorie. Man müsse gestehen, daß der heutige Staat lediglich auf den Interessen
einzelner Massen gegründet sei. Abg. Stöcker (kons.), wendet sich ausführlich gegen die Lehren der Sozialdemokratie und bemerkt: „Wir werden Sie bekämpfen bis zur Vernichtung Ihrer falschen, unsittlichen, irrreligiösen Ideen." Abg. Hitze (Centrum) tritt für eine christliche Grundlage ein, auf welcher allein eine Verbesserung der Lage der Arbeiter möglich sei.
Fortsetzung am Montag:
Bebel (Soz.). Der Zukunftsstaat soll einerseits ein Zuchthaus, andererseits ein Kaninchenstall sein, so sagt Hr. v. Stumm. Die Fabrikordnung der Gebr. Stumm sei genau so beschaffen, wie die für ein Zuchthaus. Hr. Bachem habe eine Rede Bismarcks zitiert, aber nicht vollständig. Bismarck habe damals erklärt: Das Bißchen Sozialreform, das Deutschland mache, sei den 36 Sozialdemokraten zu verdanken, sie hätten mehr moralischen Einfluß als die übrigen 360 Abgeordnete. Hr. Bachem glaube, daß die jetzige Gesellschaft noch 5 Jahren besteht, es könnten ja aber auch nur 3 Jahre sein. Wie könne man eine detaillierte Schilderung des Zukunftsstaats verlangen, wenn nicht wir die Verhältnisse, sondern die Verhältnisse uns in der Gewalt haben. Es denke sich, daß die neue Gesellschaft so rasch in's Leben trete, wie im Krieg 1870 das französische Reich seine Regierungsform wechselte. Hr. Richter sagt, die „Zukunftsbilder" sind in zahlreichen Sprachen übersetzt worden. Meine „Frau" ist in 11 Sprachen erschienen. Manches Exemplar wird von 40—50 Frauen gelesen, ein Beweis in welch steigendem Maße sich die Frauen der Sozialdemokratie zuwenden, und auf welcher Seite die Frauen stehen, da ist der Sieg. Alle Verschwendung der reichen Klassen könne die Produktion nicht im Gange erhalten, das wird nur bewirkt durch den Consum der unteren Klassen. Aus Furcht vor uns hat die Bourgeoisie ihre alten Programme in die Tasche gesteckt und ist mehr zu einer konservativen Partei geworden. Wir freuen uns nicht, daß der Liberalismus nichts mehr durchsetzen kann, wir werden seine Anträge stets unterstützen. Bötticher (nat.-lib.) Die Reden Bebels haben das einzige j Verdienst: sie haben den vorherrschenden Klassen das Gewissen verschärft. Was für die Arbeiter geschehen ist, ist von der bürgerlichen Gesellschaft geschehen. Kein Staat hat mehr gethan-als das Deutsche Reich. Bachem (Zentr.) Ich frage, wie wollen Sie in Ihrem Zukunftsstaat ohne Justiz und ohne Autorität die widerstrebenden Elemente bewältigen. Wir sind praktische Sozialisten, Sie sind Revolutionäre und darum unfruchtbare Sozialisten. Richter: In dem großen Brei der Rede des Abgeordneten Bebel habe er nur wenige Brocken gefunden, die eine Erwiderung erfordern. Herr Bebel hat zwei Stunden gesprochen, aber von der Uebervölkerung nichts gesagt, obwohl sie den Himmel auf Erden wieder zerstören muß. Die Autodidakten kommen über die Oberfläche meistens nicht hinaus. jSie hängen sich aber gern das Mäntelchen der Wissenschaft um. Das ist das Kennzeichen nicht des wissenschaftlichen Arztes, sondern des Pfuschers.
auf ihren Mund, ihre Stirne, ihre Augen; dann reichte sie das Kind ihrem Manne hin und stürzte, mehr als sie ging, aus dem Zimmer. Sie fühlte, daß sie sich nicht mehr hätte losreißen können, wenn sie noch länger in dem geliebten Anblick verweilt wäre.
Erst draußen vor dem Schloßthore holte Josef Will sie ein. Er legte seinen Arm fest um sie und führte die Schwankende so nach Hause. Er wagte nicht, in ihre verstörten Augen zu blicken, er sprach auch nicht viel. Nur einmal sagte er scheu und unsicher:
„Tröste Dich, meine arme Anna, wir haben ja noch sieben Kinder."
O wie schmerzlich und hoffnungslos klang ihr Ton, mit dem sie erwiderte:
„Für mich giebt eS keinen Trost, Josef! Mir ist, als hätte ich in dem einen Kinde Alle, Alle verloren."
6 .
Am nächsten Morgen hielt ein Magen vor der Hütte d«S Schuhmachers. Zwei große Kisten wurden obgeladcn und hin eingetragen und ein reich betreßter Bedienter übergab einen Brief von seiner gräflichen Herrin an Frau Will. Anna senkte doS trübe, seit Lieschens Verlust stets mit Thronen gefüllte Auge auf das feine, duftende Papier; auch Josef Will sah über ihre Schustern hinein, während di« Kinder neugierig die Kiste umstanden und mit dem Instinkte de» Hungers irgend etwas Eßbares darin ahnten, eS aber nicht wagten, ihre Vermutung und Begierde laut zu äußern. Die Gräfin schrieb:
„Liebe Frau Will!
Sie haben mir viel, recht viel geschenkt und ich empfinde lebhaft, wie schmerzlich Sie die holde, Keine Elisabeth in Ihrem Familienkreise vermissen werden. Vielleicht kann ich Ihre mütterlichen Gefühle durch die Versicherung beruhigen, daß ich versuchen will, Ihrer Tochter ein eben so treue, sorgsam« Mutter zu sein, als Sie ihr gewesen wären. Seien Sie glücklich mit Ihren übrigen Kindern — Eie sind ja ein« so rrsih, Mutter, — und möge Sir für Ihr Opfer der Gedanke "belohnen, daß ihre
Elisabeth einem vielbeneideten, glänzenden Lose entgegen geht, welche auch, so lange meine Augen offen bleiben, nicht arm an Liebe sein soll. O könnten Sie es jetzb sehen, wie mein Rudolf neben Elisabeth so glücklich und neubelebt lächelt, vielleicht: würde das Bewußtsein, einer zagenden Mutter den einzigen Liebling erhalten zu haben, gleichfalls zur Linderung Ihres Schmerzes beittagen.
Wenn Sie Elisabeth noch einmal umarmen wollen, so kommen Sie heute gegen Abend an dieselbe Stelle, wo ich Sie zum erstenmale sah; unser Wagen fährt dort vorüber, wenn wir unsere Reise nach dem Süden antteten.
Was in den Kisten enthalten ist, welche Ihnen meine Leute überbringen werden^ lassen Sie Ihre Kinder genießen. Glauben Sie ja nicht, daß ich Ihrem Herzen seinen Mutterschmerz damit vergüten will. Fast wünschte ich, daß ich größer denken und Ihnen die kleine Elisabeth wieder in die Arme legen könnte; aber ich bin so unglücklich und Unglück macht egoistisch. Leben Eie wohl. Danken Sie auch Ihrem Gotten in meinem Namen für sein liebes Töchterchen, das er mir überließ. Leben Sie alle wohl und glücklich.
Amalie, Gräfin Raveneck."
„Eie ist gut, sie fühlt wenigstens, wie viel sie mir genommen Hot," flüsterte Frau Anna, als sie endlich ihr erstickendes Schluchzen hemmen konnte. Josef Wilk wandte sich gegen das Fenster, um die Thränen zu verbergen, die auch seinen Augen entströmten.
„Ja. Anna! wir haben der Gräfin viel gegeben," sagte er. „Lieschen wao mein Liebling; unser Haus kommt mir ganz verlassen vor ohne das Kind!"
Da schmeichelte eS sich, halb scheu, halb zudringlich, an seine Knie- heran, Karl war's, sein jüngster Knabe, der seine Munteren Augen zu ihm erhob Und auf seine Geschwister wies, die sich noch immer bei den Kisten zu schaffen machten, jtt sogar den Deckel der einen etwas gelüstet hatten und zu erspähen trachteten, waL da drinnen Köstliches verborgen wäre.
(Fortsetzung folgt.)