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Amts und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw.
Erscheint D i e n s tag, Donner-tag und SamStag. Die Einrürtungsgebühr belräqt im Bezirk und nächster Umgebung 9 Pfg. die Zeile, sonst 12 Psg.
Dienstag, den 7. Jebruar 1893.
AbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt SO Pf-. ,unb SO Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst i» ganz Württemberg Mk. 1. 35.
Amtliche Bekanntmachungen.
Die K. Pfarrämter und die Oets- schuldehorden
werden darauf aufmerksam gemacht, daß die Berichte über die blinden und taubstummen Kinder bis Hum 15. ds. Mts. hierher einzusenden sind.
Calw, den 4. Februar 1893.
K. gem. Oberamt in Schuls. Lang. Braun.
Bekanntmachung.
Die erledigte Agentur der Württ. Sparkasse in Simmozheim ist von K. Centralleitung des Wohl- thätigkeits-Bereins dem Herrn Schullehrer Dürr daselbst übertragen worden.
Calw, den 4. Februar 1893.
K. gem. Oberamt.
_ - - - Lang. Braun.
Bekanntmachung.
In Röthenbach ist die Maul- und Klauenseuche auSgebrochen.
Calw, 4. Februar 1893.
K. Oberamt.
Lang.
Lages-Deuigkcitell.
* Calw, 6. Febr. Die Fastnachtsauf- sührung des Calwer Liederkranzes erfreute sich auch in diesem Jahr eines sehr zahlreichen Besuches. Obgleich die Vorbereitungen nur von kurzer
Zeit waren, wurde doch ein äußerst reichhaltiges Programm geboten. Unter der Leitung von Hrn. Mittelschullehrer Müller kam eine Reihe humoristischer Stücke zur Aufführung, welche die lachlustigen Zuschauer in die heiterste Stimmung versetzen mußten und in der That auch von dem größten Beifalle begleitet waren. Daß bei Liederkranzveranstaltungen, welcher Art sie immer seien, das musikalische Element vorwaltet, ist bekannt, und so stand auch diesmal Gesang und Musik im Vordergründe des humoristischen Spielplans. Der Chor war mit 2 Nummern beteiligt, mit dem Schnellpolka „Rrrrraus" von Langen- treu und einer lustigen Scene „Das Standbild des Bürgermeisters von Ulkheim" von Simon. Die musikalischen Burlesken „Ein lustiger Studentenstreich", „Die geprellten Freier", „Ein fideles Gefängnis", ebenso die Couplets „In 5 Minuten ist es abgemacht" und „Beliebte Volkslieder", wie auch das Quartett „Die vier Gigerln" kamen zur wirkungsvollsten Aufführung. Die beiden einzigen nicht musikalischen Nummern „Die neue verbesserte Dampf-Wurstmaschine" und „Die Krähwinkler Stadtgarde zu Fuß" erregten allgemeine Heiterkeit. Zum Schluß wurden die bei einer Fastnachtsaufführung unvermeidlichen „Schnadahüpferln" durch 3 Clowns vorgetragen. Zwischen den Aufführungen waren verschiedene Tänze eingeschaltet, an welchen sich viele tanzlustige Paare beteiligten.
Nagold, 3. Febr. Die Schultheißen- wahl in Walddorf wird noch ein gerichtliches Nachspiel bekommen. Die gegnerischen Parteien kamen hart aneinander; mit Biersäßchen, Wagen- bestandleilen u. s. w. wurde weidlich zugeschlagen, so
daß noch in der Nacht die Aerzte zu flicken und zu nähen hatten; einem Wähler wurden die Zähne eingeschlagen. N. Tagbl.
):( Alten steig, 2. Febr. Im Walde bei Edel» weiler stürzte gestern der 23 Jahre alte Mast vom Gipfel einer Tanne, von wo aus er sich auf dis nächststehende schwingen wollte, wie es bei Mockeln- sammlern üblich ist, herab und zerschellte sich den Kopf, daß der Tod nach 3 Stunden eintrat. Sein Bruder war bei ihm. Die beiden waren bis jetzt die Stütze ihres blinden Vaters.
):( Ebershardt, 5. Febr. Bei der gestrigen Schultheißenwahl erhielt Gemeindepfleger Nokfuß 37 Stimmen, sein Gegenkandidat Waldschütz Braun 24. Elfterer ist somit gewählt.
Egenhausen, 5. Febr. Gestern wurde das 6 Jahre alte Töchterchen des Lehrers Talmon-Groß von hier, das trotz Warnung auf der Straße Schlitten fuhr, durch einen Wagen überfahren. Die Räder gingen ihm über die Brust und das unglückliche Kind war sofort tot.
Stuttgart, 4. Febr. Der Lebensmittelmarkt hat trotz neu eingetretenen Frostes einen neuen Frühlingsboten gebracht; es sinv die Sprossen des wilden Hopfens, die übrigens in einer kleinen Probe sich schon am Donnerstag gezeigt hatten. Obst ist fast überreichlich zugeführt worden. Vorzüglich schön sind Fleiner und die harten hier sog. Mohrenäpfel. An Wildpret ist zu bemerken ein noch von letzter Woche vorrätiges Wildschwein. Dem Steueramt darf seit 1. Februar kein Wild mehr vorgelegt werden. An Fischen sind Zander (80 H), Schellfische
Jeuicielon.
Die Adoptivtochter.
Erzählung von K. Labacher.
(Fortsetzung.)
Der Graf gab sich nicht die Mühe, ein spöttisches Lächeln zu verbergen.
„Laß nur mich machen." sagte er, galant die Hand seiner Frau küssend. „Ich Lin zu herzlich froh, wieder eine heitere Miene an D>r zu sehen, als daß ich nicht alles daran setzen sollte, sie und die häusliche Behaglichkeit zu erhalten. Wir hatten der Trauer bis zum Überdrusse. Weißt Du, Amalie, daß ich Deine armen Leute mit den acht Kindern zu kennen glaube, wenigstens das Haupt der ehrsamen Familie. Ha, ha, acht Kinder und keine Brotrinde im Hause! es ist unglaublich, wie leichtsinnig dergleichen Volk in die Welt hineinlebt. Ich will den Mann Herrufen lasten. Ich gebe ihm eine Aufseherstelle und hundert Thaler, ich wette darauf, er überläßt uns die Kleine da mit Freuden, ja er würde uns am liebsten noch ein Vierteldutzend seiner Rangen an den Hals werfen."
„So sicher bin ich nicht," sagte die Gräfin sinnend. „Die Frau sah so anständig und gefühlvoll aus; sie schien ihr Kind so sehr zu lieben, es kostete ihr einen sichtbaren Kampf, mir die Kleine nur für einige Stunden anzuvertrauen."
„Wenn sie das Kmd liebt, um so bester!" versetzte der Graf leichthin. „Dann fasten wir sie bei ihrem mütterlichen Stolz und Liede an. Glaube mir, der Versuchung kann gewiß keine Frau aus dem Volke widerstehen, ihre Tochter zu einer Komtesse zu machen."
„Wir werden den Leuten aber wenigstens erlauben wüsten, das Kind von Z eit zu Zeit zu sehen? Nicht, Arthur?"
„Nun davor möchte ich mich doch entschieden verwahren," sagte der Graf, und in seinem Gesicht drückte sich etwas wie Widerwillen und Eckel aus. „Mit solchem Gesindel in Verbindung zu stehen, das fehlte mir. Die Leute wüsten auf das Kmd verzichten für immer. Ich werde die Sache zu Deiner und meiner Zu
friedenheit orvnen, sei nur ganz ruhig, Amalie. Übrigens muß ich gestehen, daß die Kleine wirklich amüsant ist und Rudolf schon sehr an sie gewöhnt scheint. Viel Vergnügen mit ihr, Amalie, und Adieu nun. Ich sehne mich nach einer Zigarre, die ich ja hier wegen Rudolf nicht rauchen darf."
„Du wirst noch heute mit den Leuten sprechen, wirst machen, daß Rudolf seine kleine Schwester nicht verlieren muß, ja, Arthur?" bat die Gräfin.
„Gewiß, meine Liebe!" erwiderte er und hauchte einen kühlen, flüchtigen Kuß auf die Stirne der Gemahlin. Dann reichte er seinem Söhnchen die Hand und ging aus dem Zimmer.
Die Gräfin schauerte in sich zusammen und griff an die Stirne, als fühlte sie dort noch die leichte, kalte Berührung von den Lippen ihres Gatten. Aber da fiel ihr Blick auf die Kinder, die sich traulich an den Händen gefaßt hielten und ge» meinschastlich eine große buntbemalte Bildertafel ansahen. Sie sank auf ihre Knies und drückte sie vereint wie sie waren, an ihre Brust.
„Füllt es aus, dieses vereinsamte, verödete, vergeblich nach Liebe schmachtende Herz!" schluchzte sie leise. „Werde ich Dich behalten dürfen, Du süßes, kleines Mädchen, und auch Dich, mein armer, kranker Rudolf! Oder wird das Schicksal mir alles rauben — alles?"
5.
Der Graf lag in seinem Kabinette auf einem bequemen Sofa und blieS spielend, in größeren und kleineren Ringen, den Rauch seiner Zigarre gegen die Decke empor. Die ganze Pracht und Behaglichkeit eines großen Rerchrums umgab den blasierten Lebemann in dem mit verschwenderischem Luxus ausgestattete« Gemache. So erwartete er den Schuhmacher Will, um ihm, durch die Not der Zecken begünstigt, das Einzig« abzuhandeln, was jener zu geben hatte, ein liebliches, l-bens- frischeS Kmd.
Josef Wilk kam nicht allein! Frau Anna begleitete ihn mit einem unruhvollen, schreckensbleichen Gesichte. Sie hatte aus der Botschaft vom Schlosse her em Unheil zu hören geglaubt, das ihrem Lieschen begegnet sei. trotz der tröstenden Versicherung