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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

68. Jahrgang.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung 9 Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.

Dienstag, den 31. Januar 1893.

Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt 90 Pfg. ,und 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst t» ganz Württemberg Mk. 1. 95.

Amtliche Bekanntmachungen.

Die Schutlheißenii nler

werden auf den Min.-Erlaß vom 30. vor. Mts. <Min.-A.-Bl. 1893, S. 1), betreffend das Ausästen der Bäume an öffentlichen Straßen, hingewiesen mit dem Auftrag, bestehenden Unzuträglichkeiten alsbald abzuhelfen.

Calw, den 26. Januar 1893.

K. Oberamt.

L ang.

An die Ortsvorsteher.

Zum Zweck der Fertigung und Veröffentlichung «ine Uebersicht über die in den Jahren 1891 und 1892 in Württemberg zu Stande gekommenen oder in Vorbereitung, beziehungsweise in Angriff ge­nommenen, bedeutenderen landwirtschaftlichen Ver­besserungen, wie Ent- und Bewässerungen, Fluß­korrektionen, größere Obstpflanzungen, Kultivierung und Regulierung von Allmanden oder sonstigen bis­her ertraglosen Flächen, Bepflanzung größerer öder Flächen mit Holzbäumen, Anlage von Sammelgruben für Fäckaldünger u. s. w. wünscht die K. Zentral­stelle für die Landwirtschaft ebenso wie in den Vor­jahren die erforderlichen möglichst vollständigen Notizen zu erhalten.

Hierbei empfiehlt es sich, diese Notizen durch den Techniker, welcher diese Verbesserungen ausgeführt hat, auch zusammenstellen zu lassen, da nur er im Besitze der Motive und Zahlen sich befinden dürfte, welche zur Deutlichkeit und Vollständigkeit des Be­richts unerläßlich sind.

Bei den Allmandregulierungen u. s. w.

sollte der Flächengehalt, die Zahl der Teile vor und nach der Regulierung, sonstige Verbesserungen mittelst Weganlagen, Planierung, Ansaat kahler Stellen u. s. w., bei Obst- und Wildholzpflanzungen: die Fläche, über welche sich die Pflanzung erstreckt, und bei Sammelgruben für Fäkaldünger: der Ort der Anlage, der Gehalt der Grube, der durch ihre Herstellung verursachte Kostenaufwand und ob derselbe von der Gemeinde, einer Genossenschaft oder einem einzelnen Privaten bestritten wird, angegeben werden.

Die Ortsvorsteher wollen hierüber bis 10. Februar 18NS Bericht oder, wenn keine Leistungen in obigem Sinn zu verzeichnen sind, eine Fehlanzeige hieher einsenden.

Calw, den 27. Januar 1893.

K. Oberamt.

Lang.

Deutsches Reich.

Berlin, 27. Jan. Seine Majestät der König von Württemberg ist gestern abend 10 Uhr 50 Min. auf dem Anhalter Bahnhof ein­getroffen. Seine Maje st ät der Kaiser empfing Höchstdenselben und geleitete ihn nach dem Schloß. Der Großfürst-Thronfolger hat abends den Reichs­kanzler Grafen Caprivi in Audienz empfangen.

In der Militärkommission trat v. Stumm für die Vorlage ein. E. Richter spricht sich gegen v. Bennigsens Vorschlag aus. Die von den Frei­sinnigen angebotene zweijährige Dienstzeit innerhalb der jetzigen Präsenzstärke sei keineswegs als Angebot, sondern als Schlußstein der Organisation anzusehen.

Die Kosten würden die Freisinnigen nur bewilligen, wenn sie der sogenanntenLiebesgabe" entnommen werden. Der Reichskanzler Graf Caprivi erklärte: Wenn Graf Moltke die Rheinlinie als stärkste Barriör« der Welt bezeichnet habe, so folge daraus nicht, daß sie unüberschreitbar sei. Man müsse alle Kräfte auf­bieten, das zu hindern. Buhl betont der Äeußer- ung Liebers gegenüber dis Reichstreue der Bayern. Der Regierungsvorlage in vollem Umfange könne er nicht zustimmen, aber der Bennigsen'sche Vorschlag sei ein acceptabler Kompromiß.

Köln, 27. Jan. Beim Festmahl nn Gürzenich brachte der Gouverneur General v. Schkochp den Toast auf den Kaiser aus. Der General sagte laut der Köln. V.-Z. u. a.: Mancher sei nicht mit der früheren Freudigkeit beim Festmahle erschienen; mancher hege bange Zweifel um die Zukunft. Er könne nicht sagen, diese Sorge sei überflüssig; denn an unserm politischen Horizont ziehen sich die Wolken dichter und dichter zusammen, in nicht ferner Zeit werde das Gewitter ganz gewiß Hereinbrechen; daher die Sorge um die Zukunft. Aber je ärger die Stürme brausen, desto mehr lehn« sich das deutsche Volk an seine Fürsten an. Wer stehe fester als die Hohenzollern? Der Kaiser sei im wahren Sinne des Wortes ein Friedens fürst; wenn er aber das Schwert in die Hand nehme, werde er es nicht eher in die Scheide stecken, bis das Vater­land vom letzten Feinde befreit sei oder bis er mit seinem Volke gebrochen am Boden liegen werde. Der Krieg komme. Gebe Gott, daß er das deutsche Volk um seine Fürsten geschart finde! Wenn nicht, dann hatten wir einen schönen Traum; dann ade schönes Land! Dann werden die Zeiten des 30jährigen

Jeuitketon.

Die Adoptivtochter.

Erzählung von K. Labacher.

(Fortsetzung.)

Frau Will blickte ihm gedankenvoll nach. Das letzte Gespräch hatte den Samen eines kühnen Entschlusses in ihr zurückgelassen. Sie wollte versuchen, bis zum Schloßherrn zu dringen, um eine angemessene Arbeit für ihren Mann und damit Brot für ihre Kinder zu erbitten; sie wollte es erproben, ob das Herz in der Brust eines Grafen anders schlage, als ein gewöhnliches, warmes, erbarmungsoolles Menschenherz.

2 .

Nicht Not und Mangel kannten die gräflichen Bewohner des Schlöffe«, das in vornehmer Abgeschlossenheit, umgeben von weitläufigen Gärten und hohen Mauern dastand. Aber von Freude und Frohsinn wußten sie auch nichts und mit leisen Tritten wandelten Schmerz und ängstliche Sorge durch die schön geschmückten, un­heimlich stillen Räume. In einem der großen Säle des westläufigen Gebäudes um­gaben unzählige, brennende Wachskerzen einen Sarg, in dem eine kleine Leiche ruhte, auf Rosen gebettet, von Rosen halb verhüllt, des Todes rührend schönstes Bild, ein unentstelltes Gesichtchen, rote Lippen und zum tiefen, friedlichen Schlummer sanftge- schlvssene Augen. Und nahe davon, in einem verdunkelten Zimmer, da lag ein anderes Kind, bleich wie di» kleine Leiche, aber nicht so still. Ein etwa sechsjähriger Knabe warf sich unruhig auf den weißen Kissen seines BettchenS umher, krampfhaft und keuchend hob sich die junge Brust, und die matten, schon halb gebrochenen Blicke inten ängstlich und hilfesuchend umher. Und über ihn beugt« sich eine schön«, weinende Frau. Keine der Dienerinnen» die unthätig im Zimmer herumstanden, durste sich hilfeleistend dem Bcttchen nahen. Die junge Frau, die Muster de- kranken Knaben, sie allein wollte seine, mit Unruhe des Fiebers wechselnden Wünsche erfüllen.

Von jedem seiner abgebrochenen, fast lallenden Worte mußte sie ja fürchten, daß es das letzte sei, daß der Tod sich zwischen die Bitte und ihre rasche Gewä,rung drängen werde.

Da öffnete sich die Thüre; der Graf trat herein, ein Mann mit einem hübschen, nur etwas ausdruckslosen Gesichte und nachlässig eleganten Bewegungen. In seinen Zügen lag nicht die grenzenlose Angst, welche das edle Antlitz der Gräfin fast entstellte, es sprach nur von Mißbehagen, das eigentlich wie eine peinliche Ver­legenheit aussah.

Wie geht es unserem Rudolf," fragte er in einem Tone, der Teilnahme aus- drücken sollte, der aber dem eben wieder lauter werdenden Stöhnen des Kinoes ge­genüber unendlich kühl und gleichgültig klang. .

Die Gräfin antwortete nicht; sie deutete mit einer schmerzlichen Gebäroe auf das krampfoerzozene Gesicht des kleinen Kranken und barg, leise schluchzend, ihre Augen in das Kiffen des Bettchens.

Komm', Amalie, mit mir!" sagte der Graf nach einem flüchtigen Blick auf seinen Sohn.Du kannst Rudolf nicht helfen und richtest durch das Ä ischauen seines Leidens Deine eigene Gesundheit zu Grunde."

Rudolf stirbt?" flüsterte die Gräfin und hielt sich, als der Graf sie mit sich fortziehen wollte, am Rande des Bettes fest.

Das habe ich nicht sagen wollen," erwiderte der Graf,obwohl wir auf das Schlimmste gefaßt sein müssen. Du weißt ja, wie es mit unserem armen Malchen ging."

O, wie bist Du so ruhig und kalt!" sagte die Gräfin flüsternd und griff sich an die Stirne.Bist Du denn wirklich der Vater dieser armen Kinder? Kann ein Vater sein Fleisch und Blut so gleichgültig Hinsterben sehen?"

Gleichgültig? Du bist ungerecht, Amalie erwiderte der Graf eben so leise. Aber einem Manne ziemt das laute Klagen, das verzweifelnde Gebühren nicht und es nützt ja auch so gar nichts. Wie könnte ich gleichgültig sein? Stirbt nicht mit diesem Knaben mein Erbe dahin, der Stolz meines väterlichen Herzens!"

Der Stolz Deines Herzens, o ja! Aber nicht die Liebe Deine- Herzens, denn