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12. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

68. Jahrgang.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Die Einrückungsgebühr betragt im Bezin und nächster Um­gebung 9 Pfg. die Heile, sonst 12 Pfg.

iamstag, den 28. Januar 1893.

Abonnementspreis so Pfg. Trägerlohn. durch die ganz Württemberg M?. 1. SS.

in der Stadt so Pkg. ,urch Zost bezogen Mk. 1., sonst t»

Amtliche Aekanutmachttuge».

Bekanntmachung.

Zum Schultheißenamts-Verweser der Gemeinde Ostelsheim ist der Gemeinderat Karl Fischer von da bestellt und am 21. d. Mts. in sein Amt eingesetzt worden.

Calw, den 25. Januar 1893.

K. Oberamt.

Lang.

Die Ortsvoesteher

werden im Hinblick auf die bei einem plötzlichen Tau­wetter drohende Hochwassergefahr angewiesen, die Be­sitzer von Holz, welches an der Nagold und ihren Seitenbächen gelagert ist, anzuhalten, dasselbe in einer den ZZ 34 bezw. 4 und 5 der Floßordnung ent­sprechenden Weise durchaus sicher zu verwahren.

Calw, den 25. Januar 1893.

K. Oberamt.

L ang.

Tages-Neuigkeiten.

Stuttgart, 26. Jan. Die milder gewordene Witterung gestattet heute zahlreiche Zufuhren in Obst und Gemüse. Dem elfteren sieht man vielfach die Unbilden der kalten Witterung und des Transportes an. Heute zeigten sich auf dem Blumenmarkte erstmals wieder lebende Pflanzen und Blüten in Töpfen; Primeln, Cineraria, Tulpen, römische und einheimische Hyacinthen u. s. w. An Wildpret sind ein paar prächtige Schneegänse hervorzuheben. Ein Keiler voa7I20 Pfd. stammt aus dem deutschen Norden nach Norden gehen unsere Rehböcke. Stuttgart, 26. Jan. Gestern wurde Georg

Keller von Calw wegen mehrfachen Betrugs hier festgenommen. Derselbe hat in letzter Zeit bei ver­schiedenen Hausbesitzern Geldbeträge von 24 erhoben unter dem Vorgeben, er sei Angestellter der Latrinenverwaltung und von dieser Stelle beauftragt, die Abtritte zu untersuchen und zu reinigen. Teil­weise hat er sich auch als Inspektor der Latrinen­verwaltung ausgegeben. Er ist wegen ähnlichen Be­trugs schon öfters bestraft.

Cannstatt, 23. Jan. Dieser Tage wurde hier ein falsches Fünfmarkstück mit dem Bildnis des Königs Ludwig von Bayern und dem Münzzeichen v versehen, angehalten, das sich durch fettiges Anfühlen, bläuliche Farbe und durch ein um 6 Gramm von einer echten Münze abweichendes Gewicht, sowie durch eine äußerst schwache Prägung der Randumschrift aus­zeichnet.

Vom Fränkischen, 25. Ja». In Königs­hofen hat sich vor acht Tagen der Tüncher T. und heute dessen Ehefrau erhängt. Als Ursache wurde beim Manne Geistesstörung angegeben; doch sagt man heute, daß Elend und Not der Grundsatz des Doppel­selbstmordes war. In Oberschur bei Krombach verbrühte sich in einem unbewachten Augenblick ein 1'/- Jahre altes Kind durch Ausschütten von siedendem Kaffee derart, daß es sofort starb.

Aus Oberschwaben, 24. Jan. Bei den gegenwärtig stattfindenden Brennholzverkäufen von Staatsforst- und herrschaftlichen Verwaltungen werden sehr hohe Preise erzielt. So wurden gestern bei einem Verkauf in Schussenried und Biberach für buchene Scheiter pro Rm. bis zu 11 für buchene Prügel pro Rm. 9 »A 50 -rZ und für tannene Scheiter pro Rm. 6 70 -rZ bezahlt.

Wald fee, 25. Januar. Vergangene Nacht brannte das Wohn- und Oekonomiegebäude des Bauern Rist in Englerts, Gemeinde Steinach, bis auf den Grund nieder. Den Bewohnern gelang eS mit knapper Not, das Leben zu retten. Sämtliches Vieh kam um und vom Inventar, Futter- und Frucht­vorrat konnte ebenfalls nichts gerettet werden.

Vom Bodensee, 23. Jan. Zwei Schul­mädchen in Bregenz, von denen eines aus Furcht vor Strafe nicht zu seinen Eltern heimkehren wollte und von dem andern Mädchen überredet wurde, mit ihr zu gehen, wurden am Mittwoch im Vorkloster er­froren aufgefunden.

Der wegen Mordversuch, begangen an seinen 3 Knaben (mittelst Bereitung von Kohlengas), angeklagte Kaufmann Herrn. Weiß von Schopfheim, wohnhaft in Karlsruhe, wurde nur des versuchten Totschlags von den Geschworenen für schuldig erkannt und zu 2 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Annahme eines im Affekt gefaßten Entschlusses ge­hört zu den Seltenheiten bei einer That dieser Gat­tung, die ausgeklügelte Vorbereitungen erfordert. Der Mann lebte in schlechten Verhältnissen. Seine Frau mit zwei andern Kindern hatte ihn kurz zuvor ver­lassen.

Der Rhein ist, wie aus Köln, 24. Jan., berichtet wird, beinahe gänzlich eisfrei. Nur zeitweilig sieht man noch vereinzelte Eisschollen von etwas größerem Umfange vorbeitreiben. Die Schneemafsen gehen allmählich ab. Schwaches Steigen des Rheines.

Nachod, 25. Januar. Ihre Majestäten der König und die Königin von Württemberg

Jeuiltet on.

Die Adoptivtochter.

Erzählung von K. Labacher.

1 .

Ein hüttenähnliches HauS, aus Lehm aufgebaut, das allernötigste Wirtschafts­geräts und Handwerkszeug und eine alte Ziege, das war das ganze Eigentum des Schuhmachers Josef Wilk, wenn man nicht eine angenehm aussehende Frau und gesunde Kinder dazu rechnen will, die aber im Vermögensstande eines ehrlichen, mittellosen Mannes mehr ein drängendes »Soll" als ein behaglichesHaben" vorstellen.

Und trotzdem hatte es einst in dem Hause aus Lehm Glück und Frohsinn, heiter glänzende Augen und rote Wangen gegeben, bis eine Mißernte kam, ein Hungersjahr, das die Gesichter der Eltem und Kinder mager und bleich machte und statt der Freude E itbshcung und Sorge einfühtteWei Will und seiner rastlosen, immer geduldigen Frau. Ledermesser und Ahle lagen schon lange ungebraucht auf dem Arbeitstische, der am Fenster stand. Wilk's frühere Kunden wollten zuerst wieder Brot genug haben, ehe sie an ihre Fußbekleidung dachten. Seine fleißigen Hände mußten sich an den Müßigang gewöhnen, wenn er nicht seine stete Be­schäftigung mit dem Wiegenbande seines jüngsten Kindes, Katharine für eine Arbeit rechnete. Denn trotz deS EinwandeS seiner sanften Frau, er werde Katharine ver­wöhnen, bewies er eine solche Ausdauer im Schaukeln der malten Wiege, als sollte das kleine Kind und die ganze Familie davon satt und rotwangig werden.

Sie saßen Alle beim Frühstück; das heißt, Frau Wilk hatte ein Töpfchen mit frischgemolkener Ziegenmilch hereingebracht und jedes der jüngeren Kinder einmal trinken lasten; den Rest stellte sie beiseite für Katharine, deren natürliche Nahrungs- quelle in der mütterlichen Brust durch Mangel und nagenden Kummer versiegt war.

Dann brachte Josef Wilk ein Stück schwarzen, hartgewordenen Brotes herbei und verteiltes mit gewissenhafter Genauigkeit unter die begierig wattenden Kleinen; für sich und die bleiche Frau behielt er den geringsten Anteil sie beide schrieen ja nicht nach Brot, wenn der Hunger mit seiner Pein in ihren aufwachte.

Das letzte Körnchen Mehl verzehrt," seufzte Frau Wilk, indem sie den Kindern zusah, die mit ihren tadellosen, durch kein süßes Naschwerk verdorbene Zähne an den hatten, gebräunten Brotrinden knusperten.Josef, wie solls heut Abend werden?"

Wilk rieß mit Heftigkeit an dem Wiegenbande, das er, da Katharine sich regte, wieder in die Hand genommen hatte.Wir müssen eben die Ziege verkaufen," sagte er scheu und leise; er wußte, daß er mit diesen Worten seiner Frau eine Art Todes­stoß versetzte. Sie zuckte auch schmerzlich zusammen und verhüllte ihr Antlitz mit den Händen.

Und Katharine?" flüsterte sie.Soll Katharine verhungern?"

Werden wir das nicht heute oder morgen zusammen müssen?" fragte er, lief aber im nächsten Augenblicke auf seine Frau zu, nahm ihren Kopf zwischen sein« großen, rauhen Hände und küßte sie leidenschaftlich.

Ich will noch einmal zum Schloßverwalter, will ihn noch einmal um Arbeit bitten!" rief er eifrig.Die Ziege soll nicht verkauft werden, Katharine nicht ver­hungern. Wenn der Verwalter nur ein Herz im Leibe hätte, wenn er nur einmal erfahren könnte, wie's thut, Weib und Kinder langsam verschmachten zu sehen. Sein« Töchter gehen in rauschenden Seidenkleidern einher was weiß er von dem hilfe­suchenden Blick au« den geliebten Augen hungernder, kleiner Geschöpfe!"

Und Deine Brust, Josef? Deine schwache Brust?" fragte Frau Wilk ängstlich. Der Verwalter verlangt viehische Arbeit von einem Menschen. Du wirst's nicht aushalten. Hast obendrein in einigen Wochen die hatte Fron an Feldarbeit zu leisten. Und seine Roheit! Wie viel bittere Worte wirst Du zu hören bekommen!"

Kann ich nach dem Allem fragen, wenn kein Stück Brot mehr im Haus,