26

Partei, ebenso 7 ritterschaftliche Abgeordnete; zwei der letzteren, Freiherr v. Wrichshausen und v. Her- maq, gehören zur Landespartei, wie auch Domkapitular v. Rieß und Dekan Kollmavn. Frhr. v. Mittnacht ist bei der Landespartei, v. Schmid bei der Deutschen Partei aufgezählt. Als Vorstand der Landespartei ist v. Hofacker bezeichnet. Vorstände der übrigen Par­teien sind nicht bezeichnet.

Berlin, 13. Januar. Reichstag. Auf der TagWordnung stand heute die Interpellation der Sozialdemokraten, welche lautet:Welche Maß­regeln haben die verbündeten Regierungen ergriffen oder gedenken sie zu ergreifen, um dem notorisch ent­standenen Notstand entgrgenzuwirken, welcher in Folge andauernder Arbeitslosigkeit, vielfach vorge­nommener Herabsetzung der Arbeitslöhne, sowie der allgemein gedrückten Erwerbsvrrhältnifse in den weite­sten Volkskreisen herrscht."

Liebknecht begründet die Interpellation. Der Notstand sei thatsächlich vorhanden. Zwölf größere deutsche Kommunen haben sich entschlossen, außer­ordentliche Mittel zu ergreifen, der Not der Arbeits­losen zu steuern. Die freie Konkurrenz habe eine geordnete Produktion unmöglich gemacht. Die Ver­vollkommnung der Maschinen bringe viele um's Brot. Wenn man behaupte, dir Elektrizität werde es auch dem kleinen Manne ermöglichen, sich emporzuarbeiten, so sei das ein verhängnisvoller Irrtum. Auch die Nähmaschinen hätten dies nicht zu Stande gebracht; im Gegenteil, die Ueberproduktion sei dadurch gestiegen. Ein Normalarbeitstag, die wirkliche Durchführung der Sonntagsruhe, die Einschränkung der Frauen- und Kinderarbeit würde weiteren Kreisen Beschäftig­ung verschaffen. Der jetzt ausgebrochene Streik in den Bergwerksrevieren bekundet die hohe Unzufrieden­heit der Arbeiter. Es müsse schwere Verschuldung auf der andern Seite liegen; welches Entgegenkommen die Bergarbeiter bei der Verwaltung fanden, zeige der Ukas:Erst anfahren, dann unterhandeln!" Wenn der Staat überhaupt eine soziale Mission hat, so sei jetzt der Augenblick, sie durchzusühren. Hier wäre vielleicht die Ausgabe von Hunderten von Mil­lionen am Platz. Nicht von den Soldaten, sondern von seinem arbeitenden Volk hänge die Existenz Deutsch­lands ab. Staatssekr. v. Bötticher: Auf Normal­arbeitstag u. s. w. werde man später einmal zu sprechen kommen, die Interpellation enthalte davon nichts. Wenn das düstere Bild des Vorredners mit der Wirklichkeit übereinstimmte, so wäre die Sache eine Initiative der Reichsregierung gewesen, so aber steht sie den Staaten und den Kommunen zu, von denen bis jetzt noch kein solches Verlangen gestellt wurde. Ein solch allgemeiner Notstand bestehe nicht und könne nicht bestehen. Der Redner habe hiefür keine Be­weise gebracht. Ein weniger überlegter Ausstand als der der Bergarbeiter sei noch nicht dagewesen. (Ruf: Der Streik ist geradezu frivol.) Er sei begonnen worden unter Hintansetzung jedes Rechtsgefühls und könne er nur die Vertreter der Sozialdemokratie bitten.

ihren ganzen Einfluß anzuwenden, daß der Jammer, das Elend und die Not nicht zum zweitenmal über die Häupter der Teilnehmer komme und daß den Leuten klar gemacht werde, daß Rechtsbruch und Auf­lehnung gegen die Staatsgewalt in unserem Land keine Aussicht auf Erfolg haben. (Bravo rechts.) Wenn Sie dieser Aufforderung folgen, dann werden Sie das Beste thun, was Sie in diesem Augenblick zur Beseitigung des Notstandes thun können. Frhr. v. Stumm: ImVorwärts" habe ich gelesen, daß Zufriedenheit eine Krankheit und der Beginn alles Uebels, daß sie der Anfang einer Gehirnkrankheit sei. Bei solchen Aufhetzereien können die Arbeiter aller­dings nicht in Ruhe kommen. Handelsminister Freiherr v. Berlepsch: Im Saar-Revier seien die Kohlenpreise um 12°/« heruntergegangen, die Arbeits­löhne jedoch nur um 7°/°. Die Löhne der Berg­arbeiter in den andern Bezirken seien erheblich niederer. Liebknecht behaupte, daß ein Telegramm des kurzen Inhalts eingetroffen sei:Erst anfahren, dann ver­handeln." Ihm sei von einem solchen nichts bekannt. Sachlich sei dieses Telegramm übrigens vollständig begründet.

Die weitere Besprechung der Interpellation wird auf Freitag vertagt.

Berlin, 13. Jan. Der Kaiser ist heute vormittag 10'/, Uhr von Karlsruhe zurückgekehrt. Er begab sich vom Bahnhofe alsbald in das Reichs­kanzlerpalais, wo er längere Zeit mit dem Grafen Caprivi konferierte.

Tayes-Ueuihkeiten.

* Calw, 15. Jan. Am Freitag abend hielt Hr. Rektor vr. Weizsäcker im Georgenäum einen öffentlichen Vortrag über denHohenstaufen, seine Fernsicht, seine Geschichte und seine Bedeutung". Schon der Name des Berges, führte der geehrte Redner aus, wecke der dunklen Gefühle Gewalt, selbst wenn ihn nicht der Zauber einer großen historischen Vergangenheit umgeben würde. Dieser schönste aller schwäbischen Berge gewähre nach allen Seiten eine prächtige, un­gehinderte Rundschau. Nach links schweift der Blick zunächst auf die Berge der schwäbischen Alb und über den Rücken der Geislinger Alb hin, sogar auf die Alpen, nach vorn auf die Höhen von Stuttgart und auf den Schwarzwald, nach rechts auf den Odenwald und die Mainhardter und die Murrhardter Höhen, sowie auf den Schurwald, nach hinten auf den Rechberg, Stuifen und auf den Hesselberg in Bayern. Der Hohenstaufen sei aber mehr als ein schöner Aus­sichtspunkt, es sei einer der denkwürdigsten Punkte deutscher Erde. Bei einer Rückschau auf die Ver­gangenheit gelte der erste Gedanke zwar dem großen Kaisergeschlechte. Doch sei schon früh zuvor der Berg ein heiliger Ort unserer Vorfahren gewesen; ein Nachklang davon habe sich noch bis auf unsere Tage erhalten, indem die Bewohner von Hohenstaufen an Sommerjohanni das Sonnenwendfeuer auf dem Berge anzünden. Die Römer haben als Herren des Landes

in der Nähe starke Grenzbefestigungen angelegt und- wahrscheinlich auf dem Berg einen Beobachtungsposten aufgestellt; im 3. Jahrhundert seien sodann die Allemannen die Beherrscher des Landes geworden. Von dieser Zeit an sei die Geschichte des Berges in Dunkel gehüllt, bis die Herren v. Büren von dem benachbarten Wäscherschlößchen gegen Ende des 11. Jahrhunderts auf dem Berg eine Burg bauten. Bald wurde dann das Geschlecht der Staufen hoch berühmt. Schon der 1. Staufenkaiser Konrad III. war ein thalkräftiger Fürst; unter Friedrich Barbarossa stand das neue Kaisergeschlecht auf seiner höchsten Höhe. Redner schilderte nun in farbenreichen Worten und in äußerst anziehender Form das ruhmreiche Staufengeschlecht, dessen Kriegsthaten und Kämpfe in Deutschland und Italien, die Bemühungen der­selben um Hebung und Förderung des damals in hoher Blüte stehenden Minnegesangs, das Ende des unglücklichen Konradins, verschiedene Sagen über den Berg und seine Bewohner und die Zerstörung der Burg selbst. Zum Schluß seines interessanten und gemütvollen Vortrags hob der Redner die Bedeutung der alten Kaiserburg hervor; er bezeichnet« den schwäbischen Berg als ein Wahrzeichen einstiger deutscher Größe, als ein trauriges Sinnbild der früheren großen politischen Zerfahrenheit unter den deutschen Stämmen und als einen Mahnruf zur Einigkeit und Wertschätzung der wiedererlangten Macht unter dem lang ersehnten, nun aber wieder herrlich erblühten, neuen deutschen Kaiserreich.

^-"""Herrenalb, 9. Jan. In der Nacht vom 30. auf 31. Dezember wurden an der Staatsstraße HöfenHerrenalb, Markung Dennach, 78 Stück junge Straßenbäume, meist durch Abreißen der Kronen, boshafterweise beschädigt. Der durch diese Handlung bewirkte Schaden beläuft sich auf über 90 ein weiterer erheblicher Schaden entsteht durch die Not­wendigkeit des Wiederersatzes der zerstörten Bäume. Der Postillon Lindner von Dobel hat bei seiner Fahrt nach Höfen am Morgen des 31. Dez. die Beschädigung wahrgenommsn; der Taglöhner Andreas Bäuerle von Dobel, welcher am 30. Dezember, abends 8 Uhr die fragliche Straße beging, bemerkte um diese Zeit noch keine Beschädigung. Es wäre zu wünschen, daß die Behörden durch sachdienliche An­zeigen über den oder die Thäter in deren Verfolgung unterstützt würden. ^

Stuttgart, 12. Jan. Die heutige Kälte hat für manche mit Gaseinrichtung versehene Geschäfte und Restaurationen recht unangenehme Folgen ge­habt. Das Gas ging eben aus und kostete es viel­fache Anstrengungen, selbiges wieder zum Brennen zu bringen. Im Augsburger Hof rief das Erlöschen bei den Stammgästen einen echt karnevalistischen Humor hervor.

Stuttgart, 14. Jan. Heute nachmittag 3 Uhr fand die Trauung des Majors Heinrich Frhrn. v. Massenbach Lla suits des 2. hannoverschen

still den Weg über ihre Wangen. Das Mädchen war unvermögend, ein Wort zu sprechen, sie hatte die Hände grsaltet und blickte starr in die dämmernde Landschaft. Schon senkte sich der Abend tiefer; die grürbewaldeten zackigen Bergspitzen auf der rechten Seite waren von einem duftigen Nebel überhaucht, während der Kämmerand von der untergehenden Sonne beleuchtet, m rot prangender Färbung erglühte. Und unten im Thal, da sarg die Lahn ihr Abendlied und rollte ihre silbernen Wellen dem Rheine zu. Alles atmete Frieden, und es war, als ob der Friede in der Natur auch das unruhig zuckende Mcnschenherz besänftigen müsse.

Rosrnlöw brach zuerst das lange Schweigen.

Knüpfen Sie an meine Erzählung an, Fräulein Bannert, und teilen Sie mir die ferneren Schicksale Ihrer Eltern und Ihre eigenen mit."

Mit anfangs stockender Stimme begann Thyra: »Ich kann Ihnen nur einen ganz kurzen Bericht erstatten. Was ich von meinen Eltern weiß, habe ich nur bruch­stückweise im Billing'schen Hause, wo ich erzogen wurde, und von späteren Bekannten erfahren, was diese auch nur vom Hörensagen mußten. Als mein Vater nach seiner Rückkehr aus Westindien das Verschwinden seiner Frau mit einem Manne, den Nie­mand kannte, erfuhr, ist er sogleich wieder abgereist, ohne sein Kind sehen zu wollen, oder nur nach demselben zu fragen. Ob und wo er lebte, wußte Niemand zu er­gründen; ein zweifeltaftes Gedenke« wurde mir dadurch zu Teil, daß jährlich eine Summe Geld zu meinem Unterhalt einging; doch woher diese kam, und wer sie zahlte, blieb stets in tiefe» Dunkel gehüllt. Ich wuchs unter Fremden auf, wurde zur Sängerin ausgebildet urd bettat die Kopenhagens Bühne, hotte aber das Un­glück, im vorigen Herbst durch eine Erkältung meine Stimme zu verlieren, die auch durch den Gebrauch der hiesigen Quelle bi» jetzt nicht zurückgrkehrt ist.

In diesem verflossenen Herbst erschien mein Vater wieder in Kopenhagen, rin Verwandter von uns kam oft mit ihm zusammen; doch wie dieser sich auch be­mühte, ihn zu bewegen, mir nahe zu treten, er wies jeden Versuch dazu schrrff zurück. Ja, als er krank wurde und in Folge eines Schlagansalls gelähmt blieb und ich

hoffte, nun in meine Kindesrechte treten, ihn pflegen zu dürfen, auch da hotte er

nur die eine Antwort: ich besitze kein Kind und habe nie eins besessen."-Der

vermeintliche Treubruch meiner Mutter hat sein Herz zu Stahl verhärtet und es jeder milden Regung unzugänglich gemacht."

Und daran bin ich schuld," rief Rosenlöw schmerzersüllt aus. »Hätte ich es nicht verabsäumt, nach meiner Abreise von Malmö einmal noch Carla's Ergehen zu fragen und nach deren Tode ihrem Mann die gehörigen Aufklärungen zu geben, so wäre ihr Andenken nicht durch einen so schmachvollen Verdacht befleckt, dem Vater nicht sein Kind entfremdet und diesem nicht die Vaterliebe entzogen worden. Carl» muß in der Eile der Abreise und bei ihrem aufgeregten Gemütszustände es unter­lassen haben, der Freundin, an die sie in meiner Gegenwart schrieb, die Veranlassung zu ihrer Reise zu bezeichnen, sowie daß der Freund und der Schützer ihrer Kindheit, Axel Rosenlöw, sie begleiten würde. Hätte Bannert meinen Namen gehört, den er gewiß früher aus dem Munde seiner Frau vernommen und der von den Beziehungen zwischen mir und derselben unterrichtet war, ko hätte dieser unselige Irrtum nie ent­stehen können! Doch noch läßt sich einigermaßen ansgleichcn und gut machen, was ich gefehlt, ich reise mit Ihnen noch Kopenhagen und werde nicht eher rosten: noch ruhen, bis ich Eie mit Ihrem Vater versöhnt habe, bis all das getragene Leid Ihrer Jugend sich in einen Liebesakkord aufgelöst hat. Wann gedenken Sie EmS zu verlassen?"

Je eher, je lieber," entgegnete Thyra,mich hält nichts mehr zurück, da ich, meine Kur als mißlungen betrackten muß. Zu meinem Vater drängt» mich hin, mit allen Fiebern meines Herzen», und ich hege die Hoffnung, daß wenn er an meiner Mutter nicht mehr zweifeln darf, er mir endlich seine Vaterarme öffnen wird. Heim, heim, jauchzt es in mir!"

Und bald deckte die Nacht ein glückliches Menfchrnherz!

(Fortsetzung fslgtt)