titäten noch aufbrauchen zu können, so kommen die Besitzer von solchen in Schaden sofern nicht gestattet würde, diese vollends zu verwenden. Die Handels- kanMer in Ulm hat an düs K. Ministerium bereits eine Eingabe gerichtet, welche das Ersuchen enthält, die übrigen Frachtbriefe entweder gegen neue Um­tauschen oder noch '/, Jahr solche verwenden zu dürfen.

Neuenbürg, 1. Jan. Heute vor 50 Jahren erschien zum erstenmal dasAmts- und Jntelligenz- blatt für den Bezirk Neuenbürg", der jetzigeEnz- thäler". Aus Anlaß dieses Jubiläums hat der Enkel des ersten Herausgebers, Redakteur Ehr. Me eh, eine Festschrift verfaßt und damit seine Leser aufs Neujahr angenehm überrascht. Die Schrift läßt die letzten 50 Jahre an der Hand von Tagbuchblättern im Geist am Leser vorüberziehen und giebt so zugleich ein Stück Kulturgeschichte im kleinen wieder. N. T.

Nagold, 31. Dez. In der letzten Nacht zwischen 11'/. und 11'/, Uhr brach, wie bereits in voriger Nummer kurz gemeldet, in dem Hause des Maurers Schüler in Haiterbach durch das leidige Tannenzapfentrocknen am Ofen Feuer aus. Schüler suchte das Feuer selbst zu löschen, mußte sich aber sodann durchs Fenster retten; er hat so schwere Brand­wunden, daß er bewußtlos im Bett liegen blieb. Die Ehefrau hat ebenfalls Brandwunden davongetragen; die drei Kinder Schülers (S und 4 Jahre und 6 Wochen alt) sind verbrannt. Eines der Kinder soll noch an das Fenster gekommen sein und gerufen haben:Mutter, komm und hole mich!" Das Feuer übertrug sich auch auf das Haus des Fr. Bacher, welches ebenfalls abbrannte. Möchte doch dieses schmerzliche Ereignis dazu beitragen, daß endlich das Mockelndörren" in den Wohnungen aufhört! Mit dem 31. Dezember hat in hiesiger Stadt der Nacht­wächter die letzte Runde gemacht. Es wird vom 1. Januar ab ein dritter Polizeisoldat angestellt und den Nachtwächtern die wohlverdiente Ruhe gegeben.

Nagold, 1. Jan. Der Vater der drei vSr^ brannten Kinder in Haiterbach ist gestern seinen Brandwunden erlegen, so daß nur noch die Mutter lebt.

Leonberg, 2. Jan. Uralter Sitte gemäß wurde auch Heuer wieder am Sylvesterabend hier auf dem Marktplatz mit Anbruch der Nacht eine Art Gottesdienst abgehalten; dabei waren, wie all­jährlich, alle dem Marktplatz zugekehrten Fenster mit einer großen Anzahl von Lichtern beleuchtet (am Rathaus allein brannten 240 Kerzlein). Die in großer Zahl auch von auswärts Versammelten sangen unter Posaunenbegleitung Choräle; auch der Lieder­kranz und die Schuljugend trugen je ein paffendes Lied vor. Unter den besten Wünschen für das Jahr 1894 und in ernster Stimmung gingen die Scharen auseinander. Die Kälte hat über Nacht bedeutend zugenommen; bei leichter Schneedecke zeigte diesen Morgen um 7 Uhr das Thermometer 20° U.

Stuttgart, 2. Jan. In der Neujahrsnacht

erfolgten durch die Schutzmannschaft außer 7 Fest­nahmen 115 Anzeigen wegen ungebührlicher Ruhe­störung, groben Unfugs, unerlaubten Schießens und anderer Verfehlungen. Um 3 Uhr morgens wurde in der oberen Stadt bei einem geringen Wortwechsel ein 19 Jahre alter Bursche mit einem Messer in den Arm gestochen. Der Verletzte begab sich in Begleit­ung seiner Kameraden selbst ins Katharinenhospital. Der Thäter ist festgenommen; derselbe ist wegen Körperverletzung schon bestraft.

Stuttgart. Das Arbeitvermittlungs­bureau des Lokalwohlthätigkeitsvereins Katha­rinenstraße 20 macht die Mitteilung, daß im ver­flossenen Monat leider nur einer verhältnismäßig kleinen Anzahl Beschäftigungsloser die dringend ge­wünschte Arbeit zugewiesen werden konnte und bittet um kräftigere Inanspruchnahme seiner kostenfreien Vermittluna im neuen Jahre, um den vielen sich ver­gebens um Arbeit bemühenden Armen, Männern und Frauen, Verdienst verschaffen zu können.

Vaihingen a. d. F., 2. Jan. Ein Bier­führer verunglückte gestern beim Ausreiten eines Pferdes. Während er über eine durch Schnee bedeckte Eisplatte ritt, stürzte das Tier, er kam unter dasselbe zu liegen und erlitt einen gefährlichen Bruch des Unterschenkels. Er wurde sofort in das Katharinen­hospital nach Stuttgart verbracht.

Freuden st adt, 1. Jan. Heute nacht 12 Uhr ertönten die Feuerglocken, wobei sich ergab, daß das am Marktplatz hier befindliche, allgemein be­kannte große Geschäftshaus des Kaufmanns Fr. Stock zur Linde in Flammen stand. Trotz der raschen Hilfe der Feuerwehr ist das Gebäude bis auf die Verkaufslokalitäten und einen Rest des ersten Stocks vollständig abgebrannt. Ein Teil des Mobiliars des Besitzers, sowie des Mitbewohners, Gerichtsnotariats Leonhard, nebst dessen amtliche Akten wurden ge­rettet. Der gewaltige Brand, worunter sich gerade die zur Neujahrsnacht im Hause untergebrachten Feuer­werkskörper mit furchtbarem Knall bemerkbar machten, bot einen schauerlich-schönen Anblick. Der an Gebäude und Mobiliar entstandene Schaden ist sehr beträcht­lich. Die Entstehungsursache ist unbekannt. Für den Besitzer des sehr umfangreichen Geschäfts ist, da er seiner Wohnung und Geschäftslokalitäten beraubt und vor Frühjahr ein Neubau unmöglich ist, der Schaden unberechenbar.

Oberndorf a. N., 1/Jan. Die unausrott­bare Unsitte des Schießens in der Sylvesternacht hat Heuer in dem benachbarten Aistaig für einen 20jähr. Arbeiter sehr bedauernswerte Folgen gehabt. Der­selbe wollte kurz vor Mitternacht auf der Straße an einer Gruppe anderer junger Leute vorübergehen. In demselben Augenblick löste einer der Dastehenden mit nach rückwärts gehaltener Pistole einen Schuß und traf den genannten Burschen, den er nicht ge­sehen hatte, mit dem Ladepfropfen ins Gesicht un­mittelbar über den Augen. Die Verletzungen sind

derart, daß der Verlust oder wenigstens die Schwäch­ung der Sehkraft zu befürchten ist.

In Vaihingen brach beim Schlittschuh­fahren auf der Enz ein Lehrling ein und sank unter. Ein Schüler der 10. Klaffe, Beck, Sohn des Malz­fabrikanten Beck auf der Seemühle, hatte die Geistes­gegenwart, vom Uferholz schnell einen Ast abzureißen und denselben, sich auf das Eis legend, dem mit dem Tode Ringenden Hinzustrecken. Selbst in Lebens­gefahr, bewerkstelligte er so die Rettung des jungen Menschen, rieb ihn am Ufer zur Wiederbelebung mit Tüchern und trug ihn dann in Gemeinschaft zweier Kameraden nach Hause. Bei Neufra OA. Ried­lingen ertrank in einem Altwasser eine 67 Stück zählende Schafherde, deren Besitzer Hr. Wohnhas in Ebingen war. Allem Anschein nach kamen die Schafe infolge irgend eines Schreckens auf die nur schwache Eisdecke und brachen ein.

Aalen, 2. Jon. In einem benachbarten Weiler starben innerhalb einer Woche aus einer Familie die Frau und 3 Kinder, letztere an Schar­lach. Jagdpächter Greß von Essingen erlegte am Sylvesterabend auf dem Anstand eine 2 Zentner schwere Hirschkuh.

DemN-. Tagbl." wird ausPforzheim geschrieben: Unsere Stadt hat eine gewisse Berühmt­heit erlangt wegen des Unfugs, der alljährlich in der Neujahrsnacht, insbesondere durch Schießen, getrieben wird. So schlimm wie in der vergangenen Nacht aber war der Spektakel schon lange Zeit nicht mehr. Schon von 7 Uhr abends ab knallte es unaufhörlich, und zwar nicht allein in den entlegenen Straßen, sondern auch im Mittelpunkt der Stadt. Der heil­lose, bei vielen Goldschmiedsgehilfen so sehr beliebte Unfug, aus Revolvern mit scharfen Patronen zu schießen, hat diesmal böse Folgen gehabt. Ein Gra­veur wurde in die Stirne geschossen und war so­fort tot, weiter erhielt Polizeimeister Haas eine Kugel in den Fuß. Die beiden Vorfälle bilden heute das Tagesgespräch. Eine gewisse Aufregung herrscht in der Stadt, weil in letzter Zeit in der Umgebung verschiedene Raubanfälle, insbesondere auf Frauen­zimmer, ausgeführt wurden; so erst vor wenigen Tagen wieder auf eine Frau zwischen hier und Bären­thal. Die Thäter sind bis jetzt noch nicht ermittelt.

Berlin, 31. Dez. Den Abendblättern zufolge wurde Ahlwardt gestern aus Plötzensee beurlaubt, wie dieNordd. Allg. Ztg." anfügt, aus Anlaß der Beerdigung seines Schwiegervaters.

Berlin, 2. Jan. Nach den amtlichen, bis zum 2. d. M. reichenden Nachweisen der Cholerafälle wurden in der Woche vom 25. bis zum 31. Dezbr. aus Altona im ganzen fünf Erkrankungen gemeldet, von denen drei tätlich verliefen. In Hamburg kamen in derselben Zeit 17 Erkrankungen und 6 Todes­fälle zur Anzeige.

Die Blätter streiten sich, ob die imVor-

Hand im Schlafe ersoffen, will an seiner Seite niederknien und mein Gebet da zu Gott rechten dürfen, daß er den Vater erhält und mir dessen Liebe schenkt."

Und von diesm Flehen bezwungen, hatte Ulrich das Mädchen in der ver­gangenen stürmischen Nacht in die Lootsenstroße an das Krankenbett des Vaters ge­kettet, von dem sie erst gegen Morgen wieder heimgekehrt war.

Dies alles zog jetzt an Ulrich vorüber; unruhig wandelten seine Gedanken zwischen Thyra und dem Onkel hin und her; die Sorge um Einen wandte sich ebenso zu der Andern, und von seiner Phantasie gepeinigt, wähnte er zuletzt, auch Thyra müsse krank sein. Er kam sich wie ein Gefangener vor, dotz er nicht zu ihr eilen und noch ihrem Ergeben fragen durste. Doch bald nahm das üble Befinden Bannert's seine ganz« Denkkrast in Ansvruch; über den Zustand des Kranken zu vernehmen. Leiter lautete derselbe so traurig, daß Ulrich mit einem schweren Kummer belastet das Haus verließ.

Mit hastigen Schritten eilte er durch die Straßen, er wollte zuerst der Pflicht genügen und sich bei seinem Prinzipal entschuldigen, daß er die Comptoir-Stunde versäumt habe, und dann zu Thyra gehen, um sie mit der üblen Wendung in dem Krankettizustonde ihres Vaters bekannt zu wachen.

Auf Königs Neumarkt standen viele Menschen und lasen die an den Häusern angeklebten Theaterzettel, unter denen ein roter ihre besondere Aufmerksamkeit zu fesseln schien. Auch Evenddorg trat heran und laS:Wegen Heiserkeit von Fräulein

Bannert,"-eS flimmerte vor seinen Augen, er konnte nicht weiter lesen.

AthemloS kam er vor Thyra's Wohnung an zog die Klingel zu ihrer Thür.

Fräulein Bannert ist krank", berichtete das Dienstmädchen.

Aber mich, ihren Vetter, wird sie wohl empfangen, Sagen Sie dem Fräulein, bringe Nachrichten von ihrem kranken Vater."

Das Mädchen ging hinein und führte dann Ulrich in Thvra'S Zimmer, die in Decken gehüllt, auf dem Sopha lag.

Du bist krank?" rief er angstvoll ihr näher tretend.

Ja, und sehr heiser, so daß ich kaum sprechen, aber gewiß nicht singen kann," erwiderte sie matt.

Du hast Dich gestern Nacht bei dem furchtbaren Regcnwetter erkältet, als Du leicht gekleidet aus der Lootsenstraße bis hierher gegangen bist."

Sie nickte statt Antwort nur mit dem Kopfe.

Ulrich versank in tiefes Nachdenken; sollte er ihr jetzt noch verkündigen, was

sein Herz so kummervoll bedrückte?-Aber erfahren mußte sie es doch einmal,

er erwartete also ihre Nachfrage nach dem Befinden ihres Vaters ab, um ihr in Wahrheit dessen traurigen Zustand zu schildern. Er sollte nicht lange warten; die ersten Worte, welche Thyra wieder sprach, lauteten:Wie geht es meinem Vater?"

Ulrich entgegnete etwas zögernd:Das Fieber hat bedeutend nachgelassen, aber er hat einen Schlaganfall gehabt, seine ganze linke Sette ist gelähmt, so daß'er sie nicht bewegen kann."

Wie vom Schmerz getroffen, schlug Thyra die Hände >vor das Antlitz; sie schluchzte laut und preßte endlich hervor:Mein Vater, mein armer Vater gelähmt!"

Es verging eine Zeit, Ulrich sagte nichts, er ließ sie weinen, ließ sie in ihren Thränen eine Erleichterung finden. Auf einmal richtete sie sich auf, reichte ihm die Hand und sagte:Ulrich, dieser große Schmerz bringt auch einen Trost. Bleibt mein Vater so hülfloS, so gelähmt, dann kann ich ihn führen, ihn pflegen, und das Leid führt ihn vielleicht zur Aussöhnung mit seinem Kinde."

Ulrich antwortete nur mit einer verneinenden Bewegung und Thyra fuhr fort:Glaubst Du nicht, daß das Unglück, welches ihn jetzt getroffen, die Erstarrung seines Herzens lösen und ihn daran mahnen wird, daß er eine Tochter besitzt, die sich innig nach seinem Liebeswort sehnt? Und wenn er mir seine Arme öffnet, o. dann soll alles Leid meiner Kindheit in Vergessenheit finken; ich will nur dem Glück leben, meinem Vater in seiner Hilflosigkeit ein« Stütze zu sein!"

(Fortsetzung falgt.)