welcher die That aus Rache für eine vor einiger Zeit empfangene wohlverdiente Zurechtweisung seitens des Mädchens verübte.

Leonberg, 28. Dez. I)r. weck. Eduard Josenhans von Merklingen bei Weil der Stadt, ein etwa 65 Jahre alter beliebter Arzt, machte gestern bei seinen Verwandten in Gerlingen einen Besuch. Abends 7 Uhr wollte er über Ditzingen per Bahn Heimreisen, aber kaum '/, Stunde von Gerlingen be­fiel ihn eine Schwäche; er sank seiner ihn begleitenden Nichte in die Arme und war nach einigen Minuten eine Leiche. Die Diphtheritis fordert hier und in der Umgegend immer noch ihre Opfer, am häufigsten aus der Altersstufe von 34 Jahren.

Ditzingen, 28. Dez. Heute wurde auf unserer und Gerlinger Markung Hofjagd abgehalten; die Strecke ergab 160 Hasen.

Stuttgart, 29. Dez. Die Wahl des Herrn Obersteuerrot Rümelin zum Stadtschultheißen von Stuttgart ist gestern Abend vom König bestätigt worden.

Ludwigs bürg, 27. Dez. In einer der letzten Nächte wurden auf einen Schutzmann, der stch auf dem Rundgang in seinem Bezirke befand, in der Kepplerstraße von einem Unbekannten zwei Schüsse aus einem Revolver abgegeben, glücklicherweise ohne zu treffen. Anhaltspunkte über die Person des Thäters oder über seine Beweggründe fehlen jedoch zurzeit noch gänzlich.

Geislingen, 28. Dez. Ter landwirtschaft­liche Bezirksvcrein hielt gestern nachmittag hier seine Plenarversammlung. Landwirtschaftsinspektor Römer aus Stuttgart hielt einen Vortrag über die derzeitige Richtung der Rindviebzucht und die Viehgenossen­schaften. Bei den Wahlen wurde Oekonomierat Bantleon von Waldhausen zum Vorstand, Oberamts­verweser Amtmann Vöhringer zum Vizevorstand, zu Mitgliedern des Gauausschusses Gutspächter Schund vom Christofshof und Graf Otto von Rcchberg- Rothenlöwen in Donzdorf gewählt.

Riedlingen, 25. Dez. In Betzenweiler brannte vor ein paar Tagen ein großes Wohn- und Oekonomiegebäude nieder. Brandstiftung wird ver­mutet. Der Abgebrannte ist versichert. In der Kirche zu Kappel und in einer Kapelle bei Kappel wurde der Versuch gemacht, die Opferstöcke zu er­brechen; dieselben widerstanden aber und die Diebe mußten leer abziehen.

Wittenberg, 26. Dez. Der Kaiser hat seiner Großmutter, der Königin von England, ein Album mit den 43 großen Photographien, die in seinem Aufträge durch den Hofphotographen Strensch von der hiesigen Schloßkirche angefertigt worden sind, zum Weihnachtsgeschenk gemacht.

DieNordd. Allg. Ztg." bespricht den

Zeitpunkt des erfolgten Einbringens der Militärvor­lage und weist in Rechtfertigung desselben auf das äußerste Entgegenkommen der Militärverwaltung hin, welche die zweijährige Dienstzeit außer den eigentlichen Fußtruppen auch auf die Feldartillerie und die tech­nischen Truppen ausgedehnt habe. Das gouver- nementale Blatt fährt fort: Die allgemeine Wehr­pflicht, die zweijährige Dienstzeit und die Abschaffung der Ersatzreserveübungen sind populärer, als die Gegner der Vorlage jetzt zugeben wollen. Die Regierung verdient deshalb wegen des Einbringens der Vorlage keinen Vorwurf, sie würde vielmehr durch Zögern eine schwere Verantwortlichkeit übernommen haben. Gewannen die verbündeten Regierungen, wie dies tatsächlich der Fall ist, die Ueberzeugung, daß die Existenz des Reichs auf dem Spiel steht, so konnten sie sich durch keine Rücksicht abhalten lassen, die nötigen Maßregeln für die Sicherheit des Vaterlandes bei dem Reichstage zu beantragen. Ferner führt die Nordd. Allg. Ztg." aus, diejenigen, welche dre Mein­ung verbreiten, die Durchführung der Militärvorlage mache Deutschland zeitweise wehrlos oder weniger wehrhaft, würden gut thun, diese Meinung aufzugeben oder näher zu begründen; die Gegner der Militär­vorlage hätten viel Irriges, aber nichts Grundloseres vorgebracht als dieses.

Dem Saarlouiser Journal wird aus Wild­st ock am 29. ds. gemeldet: In zwei von den Berg­leuten des Saarreviers zahlreich besuchten Versamm­lungen wurde allgemeiner Ausstand für morgen be­schlossen.

Berlin, 28. Dezbr. Dem Gesundheitsamte wurden aus Hamburg für den 27. bis 28. ds. 4 neue Erkrankungen und 1 Todesfall an der Cholera gemeldet.

In der letzten Berliner Buchdruckerver­sammlung wurde ein Fall zur Sprache gebracht, der beweist, wie verschieden sozialdemokratische Theorie und Praxis sind. In ihren Versammlungen und ihren Parteiblättern treten die Sozialdemokraten mit aller Schärfe für den achtstündigen Arbeitstag ein. Nun bestand in den sozialdemokratischen Parteibuch­druckereien der neunstündige Arbeitstag; aber dem sozialdemokratischen Parteivorstand war das zu wenig, und er erhöhte die Arbeitszeit. Kollege Dominö hatte die Mitteilung nach Berlin gelangen lassen, daß auf Veranlassung des Vorstands der sozialdemokratischen Partei in der Parteidruckerei in Frankfurt a. M. die bisherige neunstündige Arbeitszeit in eine zehnstündige umgewandelt worden sei mit der Begründung, daß Schneider und Handschuhmacher ja auch zehn Stunden arbeiten müßten. Das Schreiben des Parteivorstands soll von dem Parteisekretär Fischer unterzeichnet sein. In der Versammlung der Buchdrucker wurde dieses Vorgehen des Parteivorstands für unmöglich gehalten und der Vorstand deshalb interpelliert; aber das Unmögliche" war wahr. Der Vorstand erklärte mit schwerem Herzen, daß es sich leider so verhalte.

Gruß u« das neue Jahr.

Ein stummes Rätsel nahst Du allem Volke,

Du junges Jahr. Nicht drohend und nicht mild Erscheint Dein Angesicht; von grauer Wolke Ist es geheimnisvoll noch eingehüllt.

Soll ich im Voraus vor den Blitzen schauern? Soll schon der Donnerhall erschrecken mich.

Der hinter Deiner Wolke könnte lauern?

O nein! Du junges Jahr, ich grüße Dich!

Em schuldlos Kindlein bist Du noch. Nicht immer Wirst sanft und still Du sein. Wohl zeigt sich bald Bei Dir der Trotz und Eigensinn, doch nimmer Würd'st ohne dem, o junges Jahr, Du alt.

Und brächt'st Du eitel Wonne sonder Sehnen, Mir bangte um der Erde Fortbestehn.

Und wecktest Du nicht Kummer und auch Thronen, Wir alle müßten dann mit Dir vergehn.

Nicht neu sind Deine Lust und Deine Sorgen. Das alte Jahr, es war die Mutter Dein.

Ist uns Dein Angesicht auch noch verborgen.

Du wirst in Vielem wohl ihr ähnlich sein.

Du wirst, wie sie uns Blumen reichlich bringen Und Vogelfang und Hellen Sonnenschein.

Du junges Jahr, es möge Dir gelingen Im Guten meist der Mutter gleich zu sein.

Heil' Du die Wunden, die sie uns geschlagen. Mach' trübe Augen wieder hell und klar;

Es wächst mein Mut, es schweigen meine Klagen; Ich grüße Dich, Du liebes junges Jahr!

LI. 8.

Gottesdienst am Jahreswechsel.

Samstag, 31. Dezember 1892.

Nachm. 5 Uhr Gottesdienst zum Jahresschluss. Beichte - Herr Stadtpfarrer Eytel. Das Opfer ist für die Heizung der Kirche bestimmt.

Sonntag, 1. Januar 1893. Neujahrsfest.

Vom Turm: 381. Predigtlied: 535. Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. Feier des heil. Abendmahls. (Um 9'/i Uhr Beichte in der Sakristei.) 5 Uhr Nachm.-Predigt: Herr Stadtpfarrcr Eytel. Montag, 2. Januar.

Vorm. Konfirmanden-Anmeldung. 10 Uhr Mäd­chen, 11 Uhr Knaben.

Standesamt ßalw.

Geborene:

24. Dez. Karl Christian, Sohn des Ernst Kirch herr, Zimmermeisters hier.

Gestorbene:

24. D ez. Christian Bernhardt Schlötterbeck, gewes. Fabrikaufseher hier, 88 Jahre alt.

Verluste die Einsicht zu erkaufen, daß Fiauenhsnd zu schwach sei, um diese weit­verzweigten Handelsverbindungen zu erholten, verkaufte sie so hoch als möglich dos ganze Billing'sche Geschäft.

Margarethe Billing selbst nabm den Heiratsantrag des reichen Schiffs-Rheders in Bergen an, mit dem sie nach Norwegen übersiedelte. Thyra nahm sie in die neue Heimat nicht mit; ihr Monn konnte das Kind nicht leiten und sagte, man könne nicht wissen, ob mit demselben nicht eine Sorge in das'Hous ziehen würde, und sie hätten durchaus keine Verpflichtung, sich mit einer solchen für fremde Menschen zu belasten.

So mußte denn für ein anderweitiges Unterkommen für Thyra gesorgt werden, und da die Pension durch den Advokaten stets pünktlich einging, fand sich ein solches in der Familie eines Musiklehrers, der dem jungen Mädchen schon seit Jahren Klavierunterricht gegeben hatte.

ff" In den einfachen Verhältnissen dieser Lehrer-Familie erblühte Thyra zur Jungfrau und lernte bei dem Fernholten von jeglichem Luxus doch das Glück des häuslichen Friedens und gegenseitiger herzlicher Zuneigung kennen, welches ihr bis­her fremd geblieben war. Ihre bedeutende musikalische Bepokung machte sie bald zum Liebling ihres Lehrers, «Herrn Warnkiöld; er nannte Thyra's Unterricht seine Erholung von den Mühen seines sonstigen Lehreramtes, und wenn er abgemattet von seinen Stunden aus der Stadt heimkehrte, bat er sein Pflegetöchterchen, ihm em'Lied zu seiner Erquickung vorzufingen.

Thyra hatte eine glockenreine Stimme von grotzim Umfang, dazu eine seltene Abrundung und Verständnis im Vortrage, so daß Warnskiöld oft sagte, ein so bedeutendes Talent müsse für die Bühne ausgebildet werden; dies sei der Boden, auf welchem sie Ruhm und Ehre einernten würde. Und Thma widersprech dem nicht, dem jetzt 16jährigen Mädchen war die Welt zwischen dm Coulissrn ebenso fremd, wie die Welt und das Leben außer denselben. Sie hatte Niemand, den sie deshalb hätte fragen. Niemand, der ihr hätte raten können, als sich selbst. Diese»

eigene Ich fand keinen Einnand bei Wainskiöld's Vorschlag, und nach einiger Zeit virküntete diesir laut, daß er für die Oper eine Sängerin heronbilde, die durch Stimmmittel wie durch körperliche Schönheit beanlagt sei, an dem Theaterhiwmel als ein Stern erster Größe zu glänzen.

Zu Warnskiöld's Schülern gekörte ein junger Mann, Ulrich Svendborg, der in einem großen Handelshause beschäftigt war und an jedem Samstag eine Stunde Klavierunterricht in der Behausung des Lehrers nahm. Als der Sohn eines Or­ganisten in Oberste auf Fühnen, war er mit Musik groß gezogen worden, die sein zur Schwärmerei geneigter Vater das Element seines Lebens nannte. Ulrich erzählte später seinem Lehrer, daß der Frühflücketisch daheim oft sehr kärglich besetzt gewesen sei, aber der Vater hätte dabei immer einen herrlichen Choral gespielt, und er und die Mutter hätten dann während der himmlischen Musik die irdische Speise nicht be­achtet. Und als der Vater starb, da mußte nicht an Musik, sondern an Brod für den ganz mittellosen und verwaisten Knaben gedacht weiden, der auch die Mutter verloren hotte, und da er bereit war, sich dem Handelsstonde zu widmen, brachte man ihn in einem Kausmannshouse unter, welches er mit 18 Jahren verließ, um in ein großes Geschäft in Kopenhagen einzutreten. Die Neigung zur Musik war trotz der oft schweren Sorgen in dem Jüngling nicht erloschen, und er benutzte jede freie Stunde um dieselbe fortzubilden. Der Nachfolger seines Vaters überließ ihm gern das alte Pionino zum öfteren Gebrauch und es war dann Ulrich bei seinen Übungen zu Mute, als ob der Geist seines Vaters ihn in diesem Raume umschwebe. Auch später in Kopenhagen pflegte er die Musik stets weiter und trotz seinem Fleiß und seiner Sparsamkeit nahm er Unterricht bei Warnskiöld. So lernte er Thyra kennen.

Fräulein Bannert?" wiederholte Ulrich fragend, als er Thyra vorgeflellt wurde.Meine Mutter war eine geborene Bannert und vielleicht'

Ach!" unterbrach ihn Thyra,ich weiß nichts von Verwandten, weiß über­haupt nicht, ob ich welche habe. Mein Vater heißt mit Vornamen Gustav, darin besteht meine ganze Kenntnis unsere» Stammbaumes* (Forts, folgt.)