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sie seien zur Zucht wenig tauglich, weil viel Junge zu Grunde gehen. Jedenfalls sei diese Raffe nicht weiter zur Kreuzung verwendbar. (Dieses Urteil wird in manchen Bezirken überraschen, denn man findet da und dort große Vorliebe für die Meißner Rasse.) Für unsere Verhältnisse hält Redner die Jork-Shires und Berk'Shires zur Züchtung am geeignetsten. Im weiteren Verlauf des Vortrags gab Redner Belehr­ungen über das Alter der zur Züchtung bestimmten Tiere, über ihre Ernährung und Pflege (er ist sehr für das Austreiben auf die Weide) über die Behandlung und Pflege der Mutter und ihrer Jungen bei und nach der Geburt rc. Es leuchtete jedem Zuhörer ein, daß bis jetzt bei der Schweinezucht sehr viel versäumt worden und daß bei rationeller Züchtung ganz andere Resultate als bis jetzt erzielt werden müssen. Eben­so interessant war ein Vortrag von Herrn Pfarrer Knittel aus Wachendorf über das bäuerliche Credit- wesen. Ausführlich sprach er über die Schäden der seitherigen Zustände und zeigte dann, wie zu helfen sei. Auch dieser Vortrag fand Beifall und Dank.

Neuenbürg, 19. Dez. Ein von 2 Metzger­burschen durch die Stadt geführter Stier entrann in der Wildbadervorstadt und sprang in die Enz. Nun entspann sich eine lebhafte Jagd: die beiden Burschen folgten dem Flüchtling im Wasser, aus dem einer gezogen werden mußte, während die hiesigen Metzger mit ihren Hunden an den beiden Ufern nachjagten. So ging es bis zum untern Ende der Stadt, wo das wütende Tier das Wehr übersprang und über dieGroße Wiese" dem Bergabhang zu­eilte. Mit Mühe und Not gelang es den zahlreich Nachjogcnden, das Tier festzuhallen, das hierauf, von einer großen Menschenmenge begleitet, in die Stadt zurückgeführt wurde.

Stuttgart, 18. Dezbr. Bei der hiesigen Bürgerausschußwahl wurden 4 Demokraten, 2 Sozialdemokraten und 8 Kandidaten des national- liberal-konservativen Kartells gewählt.

Stuttgart. Laut Nachricht von Lindau ist das württ. BodcnseedampsbootWilhelm" am Montag abend auf der Fahrt von Bregenz nach Friedrichshofen lim Kurs 28, Bregenz ab 5." nach­mittags zwischen Bregenz und Lindau in rer Nähe von Lochau etwa 4 w vom Land ausgefahrcn. Es herrschte zur fraglichen Zeit ein außerordentlich dichter Nebel, eine Gefahr für das Schiff besteht nicht. Das österr. DampsbootFranz Joseph" ging zur Hilfe­leistung jvon Lindau ab und brachte die Reisenden und die Post nach Lindau.

Weil r. D., 17. Dezbr. Vom herrlichsten Weiter begünstigt nurte heute in dem auf unserer Mar kung gelegenen Föhrichswald Hofjagd gehalten. Zur Strecke kamen 82 Hasen und 4 Fasanen.

Backnang, 17. Dez. Entgegen der letzt­maligen Bürgcrausschußwahl war diesmal die Beteiligung eine so geringe, daß eine Nachwahl an­beraumt werden mußte, wobei die höchste erreichte Stimmenzahl nur 113 betrug. Von den von dem National. Bürgerverein" empfohlenen 7 Bürgern wurden 4 gewählt.

Von der Teck, 15. Dez. In Neidlingen kam heute eine Weibsperson, etwa 30 Jahre alt, mit einem Armkorb und einem Regenschirm versehen, in einige Bauernhäuser und sprach die Mildthätigkeit der Bewohner in recht erbarmungsvoller Weise an. Sie erzählte, es sei ihr im Oktober d. Js. Haus und Stallung infolge eines Blitzschlages total abgebrannt, wobei sie und ihre Angehörigen nur das nackte Leben haben retten können. Sie habe 5 unmündige Kinder zu verhalten, während der Mann zu dem Unglück hin auf der rechten Seite gelähmt und daher nicht im Stande sei, seinem Geschäfte nachzugehen. Um diesen Angaben einen besseren Nachdruck zu verleihen und mehr Glauben zu verschaffen, zog sie aus ihrem Korbe einZeugnis" vom Schultheiß, welches die Richtig­keit der Darstellung bestätigte. Es that sich denn auch manch milde Hand auf. Doch legte sich die Polizei ins Mittel und dieAbgebrannte" mußte ge­stehen, daß ihre Angaben erfunden und das Zeugnis falsch sei. Sie sitzt nun hinter Schloß und Riegel. Diese Person scheint mit ein Paar sog. Armen Reisenden in Verbindung zu stehen, denen sie tagsüber das Blech" verschaffen mußte, welches man abends ge­meinsam verthat.

Ellwangen, 19. Dez. Betriebsbauinspektor Bo ck aus Crailsheim, welcher seit Jahren seine Abende hier zubringt, wollte auch gestern mit dem letzten Zug heimfahren; er unterhielt sich vor Ankunft des Zugs mit dem Bahnhofverwalter, wartete mit dem Einsteigen, bis der Zug in Bewegung war, glitt auf der Wagen­treppe aus und wurde unter den Zug gerissen. Auf das Geschrei der Umstehenden hielt der Zug alsbald, allein einige Wagen hatten bereits den Unglücklichen zwischen Kinn und Schultern überfahren, so daß er bereits leblos vom Geleise gezogen wurde.

Tiefenbach, OA. Riedlingen, 19. Dez. Gestern fuhr ein hiesiger Bürger seine drei Kinder auf dem Eis des Federsee's. An einer Stelle brach das Eis und alle 4 Personen versanken. Der Vater konnte zwei seiner Kinder retten, er selbst wurde mit Mühe gerettet, eine 12jährige Tochter aber fand ihren Tod.

Ravensburg, 19. Dez. In der vorigen Nacht wurde im Landgericht hier ein unerhört frecher Einbruch verübt. Die Dienstzimmer des Direktors, der Slaatsanwalstchaft und des Revisorats, wo auch die Kasse des k. Landgerichts sich befindet, wurden gewaltsam erbrochen und durchwühlt; Näheres, insbesondere darüber, was gestohlen wurde, soll noch nicht bekannt sein.

Karlsruhe, 19. Dez. Die Bewegung gegen die Aufhebung des Jesuitengesetzes soll den Karakter einer bürgerlich-friedlichen Agitation, nicht denjenigen eines Angriffes nach irgend welcher Seite hin tragen. Auch der konfessionelle Karakter tritt nach dem Wunsche der Männer, die sich an die Spitze der Bewegung gestellt haben, völlig in den Hintergrund. Es handelt sich einfach darum, durch eine Kundgebung der öffentlichen Meinung dazu bei­zutragen und die Reichsregierung darin zu stützen, daß nicht die Elemente des konfessionellen Gegensatzes und der Bekenntnieveihetzung in Deutschland ver­mehrt werden. Dazu sollen friedliebende Katholiken wie Protestanten gemeinsam durch Unterzeichnung der Bittschriften mithelfen. Die katholische Presse arbeitet, wie vordem, den Bittschriften nach Kräften entgegen, soweit indes bis jetzt zu beurteilen, nicht mit wesent­lichem Erfolg. Auch bei der demokratisch-freisinnigen Presse findet der Ultramontanismus in Baden trotz der sonst gemeinsamen Aktion hinsichtlich des Jesuiten- gesetzes nicht das gewünschte Entgegenkommen. Es widerspricht doch allzusehr den Ueberlieferungen der Demokratie, für die Jesuiten einzutreten und den mächtigsten Vertretern der Gewiffensunfrciheit die Wege ebnen zu Helsen. Auch mit dem naivsten Willen von der Welt kann man die Gesellschaft Jesu nicht einfach in dem Spiegel des Vereinsgesetzes betrachten, wie eine Liedertafel oder einen ländlichen Bauern­verein.

Boppard, 16. Dezbr. Wir lesen in der Westd. Allg. Ztg": In einem aus Cleve hierher gelangten Briefe wird mitgeteilt, daß der Mörder des Knaben Hegemann aus Tanten entdeckt sei. Der Steinhauer Wesendrup aus Tanten äußerte sich in einer Wirtschaft in Kalkar bei Tanten in betrunkenem Zustande bei sieben Zeugen, daß Buschhoff nicht der Mörder sei, sondern er selbst. Die Aeußerung soll er auch schon früher gemacht haben. Es wurden bereits in Tanten 17 Zeugen vernommen. Wesen­drup ist inzwischen durchgebrannt und wird steckbrief­lich verfolgt.

Köln, 17. Dezbr. Gestern war hier das Gerücht verbreitet, der in dem TantenerKnaben- mord-Prozeß vielgenannte Bildhauer Wesentrup habe eingestanden, der Mörder zu sein. Das Gerücht beruht auf folgenden Thatsachen. Gegen Wesentrup war Haftbefehl erlaffen, weil er einer Vorladung vor das Schöffengericht am 4. Nov. d. I. nicht Folge ge­leistet hatte. In Calcar, wo Wesentrup die Nacht vom 3. zum 4. Novbr. verbracht, hat er in trunkenem Zustande erklärt:Der Buschhoff, der arme Kerl, hat das Kind nicht gemordet, ich bin der Mörder, aber man kann es mir nicht beweisen". Wesentrup befindet sich in einem fast deliriumhaften Zustande.

Leipzig, 17. Dez.Einen theuren Kuß" hat ein Eisenbahnschaffner einer 19jährigen Fabrikantentochter versetzt. Das junge Mäd­chen fuhr von Chemnitz nach Leipzig und frug auf dem Bahnhofe Frauendorf den Schaffner, wie es in

Leipzig wohl am besten nach der Kreuzstraße kommen werde. Da die Dame allein in einem Koupee saß, so stieg der Beamte (48 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei Kindern) mit ein und wies sie zurecht. Als Lohn für seine Auskunft nahm er kurz vor der Ankunft in Leipzig den reizenden Lockenkopf zwischen die Hände und raubte sich einen Kuß! Die junge Dame aber war über dieses Benehmen selbstverständ­lich sehrindignirt" und meldete die Angelegenheit sogleich beschwerdeführend in Leipzig, worauf der Schaffner sofort vom Dienste enthoben und später entlassen wurde. Die Strafkammer IV des könig­lichen Landgerichts sprach das Schlußwort in dieser Angelegenheit. Der Schaffner wurde, wie dieSaale- Ztg." meldet, wegen Nötigung zu vier Wochen Ge­fängnis verurteilt.

Hamburg, 19. Dez. Die Cholera­kommission des Senats teilt mit: Bei der am 16. Dezember in das Krankenhaus gebrachten Person wurde gestern und bei der in vergangener Nacht er­krankten Person heute Cholera durch die bakteriologische Untersuchung festgestellt. Wie dieBörsenhalle" er­fährt, handelt es sich um anscheinend leichte Fälle in der Stadt, resp. einem Vorort. Allen entgegenstehen­den Gerüchten gegenüber kann dieBörsenhalle" kon­statieren, daß seit dem 13. Oktober im Hafen kein einziger Cholerafall vorgekommen ist.

Altona, 18. Dez. Etwa 80 Arbeiter er­schienen im städtischen Verwaltungshause und forderten Arbeit oder Brod. Nachdem man die Leute durch das Versprechen, möglichst viele Arbeiter einzustellen, beruhigt und zum Fortgehen bewogen hatte, fanden auf der Straße abermals Ansammlungen statt.

Berlin. Seit dem 28. Nov. d. I. sind dem Kaiserlichen Gesundheitsamt bis zum 10. Dezember zwei vereinzelte Neuerkrankungen an Cholera gemeldet worden, und zwar aus Altona und aus Hamburg je ein Fall, welcher in letztgenannter Stadt euren tötlichen Verlauf genommen hat und anscheinend dahin von außerhalb eingeschleppt worden war. Außer­dem ist in der verflossenen Woche in Hamburg am 12. d. M. ein neuer Todesfall infolge von Cholera vorgekommen; auch wurden dort am 16. d. M. zwei Neuerkrankungen aus einem und demselben Hause gemeldet.

Wie dieKreuzztg." berichtet, ist die deutschsoziale (antisemitische) Bewegung" in den Ost­provinzen in steter Entwicklung begriffen. In Schlesien sind innerhalb eines Jahres über 20 deutsch-soziale Vereine mit einer erheblichen Mitgliederzahl gegründet worden und fortgesetzt sind neue Vereine'im Ent­stehen begriffen. Ein in Aussicht stehender allgemeiner deutsch-sozialer Parteitag soll die Direktiven für die weitere Ausdehnung der Bewegung feststellen. Mehreren Blättern wird berichtet, der Reichstags» abgeordnete Bebel beabsichtigte in einer Rede die Stellung der Sozialdemokratie zum Antisemitismus auseinanderzusetzen. Er werde zu Neujahr eine Agitationsreise nach Süddeutschland unternehmen und zuerst nach Stuttgart gehen.

Vermischtes.

Stuttgart. Herr Julius Wolfs, Spezial­arzt in Heilung des Schreibkrampfes, ist auf einige Tage hier im Hotel Weber eingetroffen. Das Verfahren Herrn Wolffs ist ein einfaches; es beruht auf Erfahrung und Routine, auf Kenntnis des ana­tomischen Baues und der Muskulatur der betreffen­den Körperteile. Die Resultate, die er damit erzielt, sind überraschende und wurden von zahlreichen medi­zinischen Fachblättern rühmend anerkannt. Unbe­mittelte, von Aerzten überwiesen, werden unentgelt­lich behandelt.

Ein Hamburger Stellennachweis- Bur e a u giebt imFremden-Blatt" bekannt:Empf.. auf sogl., 1. Nov. u. z. r. Zeit: Köchinnen, Klein- und Alleinmädchen mit und ohne Kochen, niedliche Kinderfräulein, mit und ohne Musik."

Bei Kopfschmerzen, hervorgerufen durch ge­störte Verdauung «Verstopfung) haben sich wie aus den zahlreichen Empfehlungen und Anerkennungen ersichtlich, die ächte« Apotheker Atchard Brandt's Schweizerpillen (erhältlich L Schachtel -it 1. in den Apotheken) seit 12 Jahren als das sicherste, angenehmste und zuträglichste Mittel erwiesen.