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Wendung eines Paares Rohrstiefel im Wert von 6 zum Nachteil eines Gastes im Löwen zu Stammheim, im Rückfalle verübt, zu 6 Monaten Gefängnis nebst Zjährigem Ehrverlüste verurteilt.
Stuttgart, 6. Dezbr. In der Nacht vom letzten Samstag auf Sonntag haben mehrere junge Leute von Gablenberg und Gaisburg auf dem Wege zwischen hier und Gablenberg mit einander Streit bekommen, wobei ein« 2 seiner Gegner mittels Messerstichen nicht unbedeutend, jedoch nicht lebensgefährlich verwundete. Der Thäter wurde ermittelt. — Am letzten Samstag wurde die 16'/, Jahre alte Emma Nesper von hier wegen mehrfachen Betrugs hier festgenommen. Dieselbe hat bei mehreren Juwelieren hier unter falschen Vorspiegelungen Waren ausgenommen und solche veräußert. Sodann wurde am letzten Samstag ein 16 Jahre alter Hausknecht hier wegen fortgesetzten Betrugs und Fälschung festgenommen. Derselbe hat seit Anfang dieses Jahres in 71 Fällen das Eisenbahnbescheinigungsbuch seines Prinzipals gefälscht und von letzterem größere Beträge erhoben, als er auf der Eisenbahn für denselben eingezahlt hatte.
— Vom Neubau des Landesgewerbemuseums in Stuttgart stürzte am Samstag der 21 Jahre alte Emert von Waldthann herab und blieb auf der Stelle tot. — Auf dem Rangierbahnhof in Zuffenhausen zerquetschte ein Ankuppler sich den rechten Arm zwischen 2 Wagen. Eine Amputation wird kaum zu vermeiden sein. — In Freudenstadt kamen Messerschmiedslehrlinge hintereinander, wobei der eine dem Gegner durch einen kräftigen Stich mit dem Messer die Lunge verletzte. Der jugendliche Messerheld (warum denn Messerheld?) soll verhaftet sein. — Von Leonberg meldet man Halsbräune unter der Kinderwelt.
Heilbronn, 5. Dez. In dem nahen Nord - heim wurde gestern abend ein 19jähriger junger Mann von einem Burschen aus Klingenberg auf offener Straß« erstochen. Der Stich ging ins Herz und führte den augenblicklichen Tod des jungen Mannes herbei. Der Thäter ist in Haft genommen. — Wegen Verdachts des Kindsmords wurde heute eine hier wohnhafte, verheiratete Frau festgenommen.
Mannheim, 5. Dezbr. Die von demokratischer Seite ins Leben gerufene Statistik über die Arbeitslosigkeit hat ungefähr 1000 Arbeitslose festgestellt, so daß mit den Familien etwa 2500 Personen darunter leiden; doch ist die Zahl wahrschein- scheinlich um mehr als das Doppelte höher, da sich viele weigerten, sich einzuschreiben, aus Furcht, als nicht heimatberechtigt ausgewiesen zu werden, und andere sonstige Nachteile befürchteten. Die Stadtbehörde hat sich bereit erklärt, so viel als möglich der Arbeitslosigkeit zu steuern, und ebenso nahmen mehrere industrielle Etablissements Arbeitslose in Beschäftigung, um die Notlage zu vermindern.
Berlin, 2. Dez. Die Auflösung des Unterstützungsvereins deutscher Buchdrucker ist mit 13085 Stimmen gegen 637 Stimmen erfolgt. Der neu zu bildende „Verband der deuschen Buchdrucker" wird ein ausgesprochen sozialdemokratischer sein.
— Aus München erhält di« N. Fr. Pr. über den Ausflug des jungen Prinzen Karl von Bayern, dessen plötzliches Verschwinden bei Hofe, bei der Polizei und im Publikum die größte Aufregung verursachte, Aufschlüsse, die, wiewohl der Berichterst. versichert, sie stammen aus zuverlässigen Quellen, Wahrheit und Dichtung mit einander vermischt, enthalten dürsten. Demzufolge hängt das Reiseabenteuer des Prinzen Karl in gewisser Beziehung mit der jüngst erfolgten morganatischen Vermählung des Herzogs Ludwig in Bayern mit einer Tänzerin des Münchener Hoftheaters, der nunmehrigen Frau Barth v. Bart- holf, zusammen. Prinz Karl, der erst im 19. Lebensjahre steht, hegte seit einiger Zeit eine Neigung zu einer Ballettänzerin, die sehr schön sein soll und um zwei Jahre älter ist als der Prinz. Es ist natürlich, daß der Vater des jungen Prinzen, Prinz Ludwig, der seinen Söhnen eine sehr sorgfältige Erziehung und Ausbildung giebt und in seinem Familienleben und Hauswesen eine fast bürgerliche Einfachheit beobachtete, ein solches Verhältnis nicht gestattete, was auch von Seiten des Großvaters, des Prinzregenten, geschah. Nun habe der junge Prinz verlangt, die Tänzerin morganatisch heiraten zu dürfen, und habe sich dabei auf das Beispiel des Herzogs Ludwig berufen. Es versteht sich von selbst, daß dieses Verlangen nicht ernst genommen werden konnte, und um den Prinzen von dem Gegenstände seiner jugendlichen Neigung zu trennen und ihn auf andere Gedanken zu bringen, wurde ihm eine Reise ins Ausland unter der Begleitung des Generallieutenants v. Nagl in Aussicht gestellt. Dieser Maßregel wollte der Prinz, so wird nun behauptet, zuvorkommen, und deshalb war er am 28. Nov. morgens, ohne Jemanden davon zu unterrichten, von München abgereist und zwar, wie der Korresp. wissen will, nicht allein. Was er unternehmen und wohin er sich begeben wollte, ist noch nicht bekannt; man weiß nur, daß der Prinz, der anfänglich in südlicher Richtung abreiste, plötzlich in Nürnberg ankam und daselbst auf dem Bahnhofe, wahrscheinlich infolge der an alle Behörden ergangenen Weisungen, erkannt und zur Rückkehr nach München veranlaßt wurde.
Uermischles.
(?) Immer näher rückt das Weihnachtsfest heran und wohl jedermann freut sich auf die fröhlichen Tage; die Vorbereitungen zu der Weihnachtsfreude aber geben gar manchen jungen und alten Herzen schwere Nüsse zu knacken. Was will ich geben, was will ich kaufen, was für eine Arbeit werde ich machen? so fragt sich Pathe, Papa, Mama und Töchterlein. Die letzten beiden haben sich glücklich
Handarbeit, Wolle und Seide eingekau-st und sich eiw stilles Plätzlein gesucht, wo all die Pracht zusammen- genadelt und verhäkelt wird; um ungestörter die Arbeit vollbringen zu können, wird sogar dem Herrrr Ehegemahl gegen die sonstige Gewohnheit gern die Erlaubnis zu einem Schöpplein oder zu einem Tapp- und Kegelabend gegeben. Aber bekanntermaßen Hab alles in der Welt mit Ausnahme von Uhlands- Briefen, die nach dem Ausspruch seiner Gattin nureine Seite hatten, seine zwei Seiten. So angenehnr mancher Ehemann das „bißchen Freiheit" empfindet;, das die Weihnachtsarbeit der „lieben Familie" ihm bietet, so drückend lastet oft die Sorge aus ihm, wenw er all die reichen Geschenke bedenkt, die er doch alle — wettmachen soll, insbesondere in unserer Zeit, dis teilweise wacker aufs Großthun dressiert ist. Hier gilts ein wenig die Bremse anzuziehen und wieder mehr zur Einfachheit zurückzukehren. Nichts ist gegenwärtig so angezeigt, als hierauf in diesen Vorbereitungs- Wochen auf Weihnachten recht nachdrücklich hinzuweisen. Fragt nur die Alten, die jetzt auch wackere Männer und Frauen geworden sind, was sie außer ihrem Herzlebkuchen viel Wertvolles erhalten haben. Laßt darum alles überflüssige Schenken und bleibet oder kehret zurück zu unserer Väter edler Einfachheit! — Wird wenig helfen, denkt gewiß mancher Leser und- manche Leserin dieser Zeilen, nun — nützt es nichts, so schadet es nichts!
Eingesendet.
Uoch einmal die Volkstracht.
Jeder Freund der Erhaltung deutscher Volksund Stammesindividualität, wozu ja zweifellos auch die heimatliche Kleidung zu rechnen ist, wird gewiss mit Bedauernis die Thatsache constatieren müssen, daß unsere typischen Bauerntrachten mehr und mehr im Rückgang begriffen sind. Der tiefere Grund dieser bedauerlichen Erscheinung liegt aber unseres Erachtens nicht, wie der Einsender in Nr. 144 Ihres geschätzten Blattes glaubt, darin, daß der Bauer nicht mehr m der Lage sein soll, die Mittel zu der kostspieligeren Volkstracht aufzubringen. Gewiß mag dieser Grund für einzelne luxuriös ausgestattete Bauerntrachten zutreffend sein, sicherlich aber nicht für unsere bescheidenere Schwarzwäldertracht, um die es sich ja hier hauptsächlich handelt. Diese Tracht ist — einschließlich Pelzmütze, silbernen Knöpfen an Weste und Rock nebst dazu gehörigem silberfrohem Ulmerkopf — in Anbetracht ihrer außerordentlichen Dauerhaftigkeit immer noch billiger als unsere schnellverbrauchte moderne Kleidung. Auch gibt es bekanntlich sehr viele wohlhabende Landbezirke in Deutschland, aus denen trotzdem die volkstümliche Tracht verschwunden ist. Der tiefere Grund ist also wo anders zu suchen, es ist derselbe, den der Einsender nebenbei erwähnt hat, es ist die Zeitrichtung, die alles gleichmachen und jede Originalität vernichten möchte, obschon wir diesen Gedanken in anderer Form gefaßt sehen möchten. — Der verschärfte Kampf ums Dasein hat eben auch den Bauer aus dem jahrhundertelangen Zustande
erforschen kann. Ist das erreicht, so magst du hingehen und thun, was dir Pflicht und Herz gebieten. Bist du damit einverstanden, Mutter?"
Unter Thränen nickte diese ihm zu. —
Anthony Clark vermochte in der darauf folgenden Nacht gar keine Ruhe zu finden. Immer und immer stand das hochherzige Mädchen mit den ernsten, charaktervollen Zügen und den wunderbar schönen Augen vor seinem fieberhaft erregten Geist. Und als gegen Morgm der Schlaf sich endlich auf seine Lider herabsenkte, war es ihm, wie wenn ihr holdes Angesicht, von einer leuchtenden Strahlenkrone umgebe», sich über ihn niederbrugt« und die melodische Stimme in sein Ohr flüstere: .Was man Schwerstes je gefunden, Liebe hat es überwunden!"-
Ganz seltsam unsicher und befangen hatte Miß Northland am anderm Morgen das Clarksche HauS betreten und war viel eiliger als sonst durch die wette Kalle der untere» Etage die Treppe hinauf nach dem für ihr« Obliegenheiten bestimmten Zimmer geschlüpft. Tort an-ekommen atmete sie förmlich erleichtert auf, daß ihr heute niemand begegnet war, wett sie sich nach ihrer Idee heute in einer krankhaft erregten Gewütsstimmung befand. Zu ihrer Schande mußte sie auch selbst di« Wahrnehmung machen, daß ihr di« zu »«richtend« Arbeit zum «stenmale drückend und peinlich «schien. Wenn Mr. Clark nur niebt etwa bei ihr rintrrten und ein Gespräch mit ihr «nknüpfrn wollte, dachte das junge Mädchen hochklcpfenden Herzens — heut« würde sie ch« nicht mehr so unbefangen in die klugen Augen blicken und nicht wehr f» präzise antworten können! Warum ab« fürchtete fi« sich davor? Üb« dieses Warum indessen vermochte sich Grcce nicht klar zu werden und schob es auf .ihre krankhaft «regte Gemüttstimmung!" —
Bei ihrem Eintritt in de« gewohnte« Arbettsrau« stand alles wie sonst am bekannt«, Platz». Sie zog flink Schürz«, Schutzärmel und Handschuh« au« d« mit- grbrachten Tasche heevor und «ar eben im Begriff, a« di« Arbeit zu geh«» — da gemahnt« fie, dicht »che» de» Lamp«, lieg«», »ine prachtnal« Marschall-Ni,l-Ras,
liegen. Was bedeutete das? Beim Anblick der Blüte war Grace dunkle Glut ins Gesicht geschossen und eine tiefe Zornesfalte legte sich über die weiße Stirn. Empörend k Das mußte der unverschämte Nigger, der Butler des Hauses gethan haben, welcher ihr beim Kommen und Gehen stets den Mantel an- und ausziehen half und sie dabei immer so keck anstierte oder seine wulstigen Lippen zu süßlichem Grinsen verzog» Empörend war das! Mit dem Zeigefinger der linken Hand schob sie die zartgelbe Blüte an das entgegengesetzte Ende des großen Tische«; allein eben so schnell ergriff sie dieselbe wird«, sie mit fast wildem Ungestüm an die Brust pressend. Allmächtig« Gott, wäre es denkbar, konnte es möglich sein, daß er — Anthony Clark, dessen Bild sich in ihr« jungen Brust gar fest eingelebt hatte, dessen milde zum Herzen dringende Stimme ihr noch jetzt durch das Gemüt klang, daß « jene Blume hi« auf den Tisch gelegt? Ein Zittern überfiel die hohe Mädchengestalt — und wenn er eS wirklich gethan, mußte sie es dann nicht eh« als Demütigung und Beleidigung ansehen, die «, der reiche hochgestellte Mann, dem armen schutzlosen Mädchen damit angethan? Durfte sie die Blüte, ohne erröten zu müssen, auch wirklich annehmen? Mas würde die Mutt« dazu sagen? O gewiß, Anthony Clack war eines unedlen Gedankens nie fähig, das war ja sonnenklar! Mü fliegenden Händen, gewiß das- erste Mal weniger gewissenhaft als sonst, »«richtete Grace Northland an diesem verhängnisvollen Morgen ihr« Arbeit. MrS. Clark sei ausgegangen, bedeutete sie d« aufwartende Butler, als sie sich zur Dame des Hauses, wie alltäglich, begeben wollte. Wie Grace bei dies« Auskunft voll Beruhigung wahrnahm, verrieten die Züge de» Schwaben heut« nur steif« Würde und stumme Ehrerbietung. Gott sei Dank, endlich konnte sie dem sie heut« so eigentümlich beengenden Hause den Rücke» «enden, flink ritte da« junge Mädchen in die anderen Häuf«, in welchen fi« die nämliche Beschäftigung zu verrichten hatte, und wenig« Stunde» spät« lief Grace Northland bereit« lnchtsüßig di« Treppenfiufe« zu dem trauliche» Häu«che» Nr. S auf Dolltz Ward hinan. (Forts, folgt.)