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Amts und Anzeigeblalt für den Bezirk <Lalw.
67. Jatjr-Mlß.
«rschttnl Di en « la g , D°nner«lag und Samitag. Di- Einrückungigrbühr bttrSgt im L-zirk und nSchstkr Um. g-bung S Ptg- di- ,-i-il«, sonst lL Psg.
Donnerstag, Len 8. De/ember 1892.
Sbonn-m-nttstr-i» vierteljährlich tu der Mott eo Pstz. uut eo psg. TrSgerlohn, durch die Post bezogen M- t. 1b, sonst i» ,un, Württemberg Mk. I. »b.
Amtliche Wekannlmachungen.
Kekanntmachnng.
In Neubulach ist die Maul- und Klauenseuche wieder erloschen.
Calw, den 6. Dezember 1892.
K. Oberamt. Lang.
Tayes-Neuigkeiten.
Calw. Der heutige Viehmarkt war mit 732 Stück befahren, Pferde waren 61 zugebracht. Der Handel zeigte sich ziemlich belebt, namentlich fanden fette Ochsen raschen Absatz, höchster Preis 1250 Dem Schweinemarkt waren 26 Stück Läufer- und 77 Körbe Milchschweine zugeführt. Preis der ersteren bis zu 80 der letzteren 15—28 ^ das Paar.
Stuttgart, 3. Dez. Kriegerbund- Lotterie. Die Hauptgewinne der Geldlotterie fielen nach folgenden Orten: 10000 ^ nach Ravensburg, 5000 nach Nürtingen, 3000 nach Zainingen (OA. Urach), je 1000 ^ nach Bondorf (OA. Herrenberg), Stuttgart und Treffelhausen, je 500 ^ nach Thalheim (OA. Rottenburg), Jagstfeld, Wannweil, Rutes- heim und Sickenhausen (OA. Tübingen).
Stuttgart, 5. Dez. Landgericht. Vor der I. Strafkammer hat am 30. Nov. ein Prozeß wegen Beleidigung durch die Presse begonnen, der behufs der Vermehrung weiterer Zeugen mehrfach ausgesetzt, am Samstag mittag zu Ende gebracht wurde. An- geklagt war der Schriftsetzer und zeitweilige Redakteur der soz.-dem. „Schwab. Tagwacht", Hildebrand, wegen Beleidigung des Hauptmanns v. Brand vom Grenadierregiement Königin Olga und des Ober-
stabsarzts II. Kl. Dr. Wegelin. Die Strafklage war namens der Beleidigten gestellt von dem Gou- verneuer von Stuttgart, Oberst Graf v. Schsler wegen eines Artikels in Nr. 61 der „Schwab. Tagwacht" vom 14. März d. I., überschrieben: „Soldatenmißhandlung und Soldatenselbstmord". In diesem Artikel wird behauptet, daß der Soldat Gehr von Feuerbach, der sich im Februar d. I. in den Hof der Jnfanteriekaserne herabgestürzt und so seinem Leben ein Enve gemacht hat, dies gethan habe aus Schwermut und Verzweiflung über die Behandlung, die er seitens des Hauptmanns v. Brand und später im Lazaret seitens des Oberstabsarzts Dr. Wegelin erfahren habe; v. Brand sollte den Gehr auf dem Turnplatz mit Schimpfworten und Schlägen traktiert, Dr. Wegelin ihn im Lazaret grob angefahren, sogar mit Fußtritten mißhandelt und schließlich ungeheilt zu früh entlassen und als wieder dienstfähig bezeichnet haben. Der Angeklagte suchte durch eine große Zahl von Zeugen, zu denen im Lauf der Verhandlung noch weitere geladen wurden, den Wahrheitsbeweis anzutreten. Das Ergebnis desselben erhellt aus dem Urteil, das gegen den Angeklagten auf 14 Tage Gefängnis, Tragung der Kosten, Vernichtung der noch vorhandenen Exemplare der betreffenden Nummer der „Schwäbischen Tagwacht" und Veröffentlichung des Urteils auf Kosten des Angeklagten im „Staatsanzeiger für Württemberg" und in der „Schwäbischen Tagwacht" lautete. Das Gericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß die Anschuldigungen gegen Oberstabsarzt Dr. Wegelin nicht nur nicht erwiesen, sondern im Gegenteil widerlegt worden sind, was das Gericht sich für verpflichtet hält, zur Satisfaktion des schwer beleidigten Arztes auszusprechen. Bei Hauptmann v. Brand kam das Gericht zu dem Urteil, daß zunächst der Beweis der
Wahrheit direkt nicht erbracht wurde. Was den versuchten indirekten Beweis anlangt (Hauptmann v. Brand gab in der Verhandlung zu, daß er auch wohl schon zu Schimpfworten gegriffen, „wenn es die Leuts brauchten") so war das Gericht nicht berufen, eine Enquete darüber anzustellen, wie Hauptmann v. Brand sich sonst gegen seine Leute verhalte, es hatte lediglich zu untersuchen, ob er den Gehr mißhandelt habe. Der einzige Zeuge hiefür, der Bruder des Gehr, hat aber hierüber nichts aus eigener Wahrnehmung, sondern nur das bezeugt, was ihm von seinem verstorbenen Bruder mitgeteilt worden war, und dieser war damals in einer Gemütsverfassung, bei der es sich fragt, ob man seinen Mitteilungen ohne weiteres Glauben schenken kann. Demgemäß war der Wahrheitsbeweis in beiden Fällen als mißlungen zu betrachten. Da die Beleidigung gegen den Arzt, welche vorherrscht, eine sehr schwere ist, so mußte auf eine Gefängnisstrafe erkannt werden; da aber anderseits zugestanden werden muß, daß der Angeklagte in gutem Glauben handelte und sich vor der Veröffentlichung des Artikels die Erforschung der Wahrheit ernstlich angelegen sein ließ, so wurde die Strafe, wie geschehen, mild bemessen.
Stuttgart, 5. Dez. Landgericht. Der 53 Jahre alte ledige Dienstknecht Gottlieb Detten - maier von Baach, OA. Waiblingen, welcher im Laufe des Jahres zu Neckarweihingen OA Ludwigsburg, ein seinem Dienstherrn gehöriges Fäßchen mit 50 Liter Wein im Werte von 30 ^ mittelst Ausbrechens einiger Kellerlatten allmählich entleerte und im Oktober 10—15 Liter neuen Wein im Werte von 6—8 -/A entwendete, erhielt wegen schweren und einfachen Diebstahls im Rückfalle eine 4 monatliche Gefängnisstrafe zuerkannt. — Der 35 Jahre alte ledige Taglöhner Kenner von Murr wurde wegen Ent-
^ t ^ 6 1 O . Nachdruck verdnten.
„L ich t«.
Novelle von D. Freiin von Spättgen.
(Fortsetzung.)
„Nein, wieso? Ich denke, sie ist sehr bescheisten und zurückhaltend. Auf mich macht sie einen ausnehmend günstigen Eindruck. Vielleicht bin ich aber bei dieser Meinung beeinflußt, durch eine Ähnlichkeit, welche — mich an frühere glückliche Zeiten «rrinnert. Hast du, mein Sohn, etwas gegen das Mädchen einzuwenden?'
„Ich — einzuwenden ? Allerdings!" Der junge Handelsherr war aufgesprungen And ließ sein schönes, kluges Auge mehrere Sekunden prüfend auf den wohlgebilveten Zügen der älteren Dame haften, dann fuhr er tief und schwer aufatmend, fort:
„Als ich heute, auf dem Wege zur Bibliothek, zufällig einige Worte mit der jungen Dame (er betonte letzteres Wort ziemlich scharf) wechselte, erfuhr ich, daß sie den Namen „Northländ" führt und mit ihrer Mutter au« St.^Louis herüberge- ckommen ist. Du hast mir nun früher das große Vertrauen geschenkt, mich in eine mir ziemlich nahe g-hende Angelegenheit einzuweihen, und soviel ich mich aus deinen damaligen Mitteilungen erinnere, ist dieser Name dir durchaus nicht unbekannt, vorausgesetzt, daß irgend welche Beziehungen bestehen sollten, zwischen — zwischen. .
Er stockte.
„Northländ! O mein Gptt, also doch! Ja, diese Ähnlichkeit mit diesem Manne- den ich einst liebte, frappierte mich sofort." Tief erblaßt hatte Mrs, Clark jenm Ausspruch hervorgestoßen und die Hände dabei aufs Herz gepreßt: „O Anthony, sie, diese arme Kleine, wäre MaM und Northlands Kind? Nein, das kann, das darf ja gär nicht möglich senil!"
Dieses Rätsel bald — recht bald zu lösen, soll dir und mir eine Pflicht sein!"
gab der Sohn mit Nachdruck zurück, indem er seinen Arm zärtlich um die Schütter der tief erschütterten Stiefmutter legte. Mit dem Taschentuche vor den Augen weinte diese jetzt leise vor sich hin:
„O Anthony, das wäre eine grausame Strafe für mich. Wie oft, als ich mich damals voll Empörung mit harten Worten von Mary losgesagt und Northlands Reichtum und Ansehen höher und höher stieg, wie oft habe ich da das Glück dieses Paares beneidet und berufen! Und tief im Herzen grollte ich der einstigen Freundin, weil von rechtswegen der Platz an ihres schönen Gatten Seite mir gebührte, mir, die ihn ebenso, vielleicht noch inniger geliebt. Und auf diese Weise soll ich endlich, endlich wieder von Mary hören! Anthony, ich kann's nicht fassen!"
„Gottes Wege sind unerforschlich," versetzte der Angeredete sanft.
„Aber, mein Himmel, wäs sitze ich hier so müßig und lasse die kostbare Zeit verrinnen," rief Mrs. Clark nun heftig aufspringend. „Mary, meine arme Mary in Not und Elend, während ich in Wohlleben und Uebsrfluß schwelge. Fort, mein Sohn, bringe mich zu ihr! An mein reuiges Herz ziehen will ich die Teure und ihr Kind. O, welch eine Schmach ist es für mich, daß gerade hier in unserem Hause das arme Mädchen sich so erniedrigen mußte, Anthony!*
„Erniedrigen? O nein, Mutter! Das, war Miß Northländ gethan hat,'webt einen Glorienschein um ihr edles Haupt," klang es auffallend feurig aus des jungen Mannes Munde, sodaß Miß Clark in stummer Ueberräschung zu dem Stiefsohne aufblickt«. (' "
' ^Willst du meine Ratschläge befolgen, Mutter?" fragte er nach einer Pause.
„Thue ich da» nicht stets, Anthony?"
„Wohlan so lasse die junge Dame, welche zweifellos die Tochter deiner Freundin ist, morgen noch einmal — zum letztenmal« — hier ihres schweren Amte« masten, nur damit ich ihr dann unbemerkt folgen und Mrs. Northlands Wohnung