610
Abbüßung durch die Leiden der Existenz; er will, daß man am Dasein keinen Genuß mehr finde. Hierdurch allein werde das „Nirwana"' — eine vollkommene Befreiung von der Existenz — erreicht. Wer das „Nirwana" erreicht hat, unterliegt nicht der Notwendigkeit, wiedergeboren zu werden. Der Buddhismus ist in Indien wenig mehr verbreitet, dagegen finden wir 400 Millionen Anhänger in China; hier jedoch hat die Religionsform die Abänderuug erfahren, daß aus dem „Nirwana" ein „Jenseits" sich gedacht wird. — Dem Vortragenden wurde durch Hrn. Dekan Braun der Dank der Versammlung für die treffliche Bearbeitung des umfangreichen Materials ausgesprochen. — Es fanden 6 Neuaufnahmen statt, und zählt der Verein heute nach Ijährigcm Bestehen bereits 100 Mitglieder.
, ):( Alten steig, 4. Dez. Nachdem in voriger
Woche die Wasserleitung in Warth dem Betrieb übergeben wurde, ist auch die Wasserleitung in Egenhausen nun durch Hr. Oberingenieur Weber erprobt und eröffnet. Dieselbe funktioniert sehr gut und die Hydranten werfen kräftige Strahlen in doppelter Haushohe. Die Gemeindekasse trägt die Kosten von 40,000 — Schon seit 2 Tagen hat es auf dem
hintern Wald Schnee, seit heute sind auch wir hier eingewintert. — Nicht uninteressant dürfte für Eisenbahnreisende Nachstehendes sein. Ein Paffagier von hiesiger Gegend löste ein Netourbillet nach Stuttgart, blieb aber länger als 10 Tage dort, so daß er für die Heimfahrt ein besonderes Billet lösen mußte. Sein ungiltiges Retourbillet schickte er an die K. Eisenbahnverwaltung ein und erhielt von dorten den Betrag seines Retourbillets, der sich über den Betrag eines einfachen Billets ergab, zurückvergütet, nämlich 2 80 _.
Leonberg, 2. Dez. In verschiedenen Orten unseres Bezirks tritt gegenwärtig die Halsbräune unter der Kinderwelt mit großer Heftigkeit auf. In Heimsheim lagen vorgestern gleichzeitig 7 an Diph- theritis verstorbene Kinder. In Malmsheim mußten in Folge des bösartigen Auftretens dieser Krankheit die Schulen geschlossen werden. In Leonberg selbst nahm zwar bis jetzt die Krankheit nur in vereinzelten Fällen einen schlimmeren Verlauf, allein seit dem Eintritt der rauheren Witterung mehren sich wieder die Krankheitsfälle.
Stuttgart, 2. Dez. Nach der Verheiratung des Herzogs Albrecht mit der Erzherzogin Maria Annunciata (die Hochzeit ist am 24. Januar) wird der herzogliche Haushalt in wesentlich größerem Stil als bisher eingerichtet. Nach einer Korr, der Neckarztg. soll an die Spitze desselben als Hofmarschall der bisherige Hauptmann im Grenadier-Rgt. „Königin Olga" Freiherr v. Valois berufen werden. Die künftige Herzogin Albrecht wird eine Hofdame aus einer württembergischen Adelsfamilie erhalten. Das junge Paar nimmt seine Wohnung im ersten Stock des Kronprinzenpalais, der zu diesem Zweck neu ausgestattet wird. — Der von S. M. dem König kürzlich in Rücksicht auf die Militärvorlage zum Bundesratbevollmächtigten ernannte Kriegsminister Frhr. Schott
v. Schottenstein hat sich zum Vortrag bei S. M. dem König nach Bebenhausen begeben. Herr v. Schott wird nächster Tage nach Berlin abreisen.
Heilbronn, 2. Dez. Ledermarkt. Der letzte im Jahre hier stattfindende Ledermarkt bringt uns gewöhnlich noch einmal recht starke Zufuhren, und dieses war auch Heuer der Fall. Das Geschäft war ziemlich lebhaft und nahm einen günstigeren Verlauf, als bei dem großen Angebot erwartet werden konnte, und darf im Allgemeinen angenommen werden, daß die Geschäftslage sich etwas zu bessern beginnt. In Wildoberleder, wovon sehr viel am Markte war, herrschte reger Verkehr, für courante Waare konnte der seitherige Preis leicht erzielt werden; einige Pöstchen von geringerem Wert blieben unverkauft. Schmalleder konnte bei kleinem Vorrat sich nur mühsam im Preise behaupten. Das in großer Menge zugeführte Kalbleder räumte sich schnell ohne Preisveränderung; geringere Sortimente etwas billiger. Sohlleder war schwach vertreten und hat sich im Preise kaum verändert, ebenso Zeugleder. Auch in Schafleder waren die Zufuhren belanglos. Der nächste Ledermarkt findet Dienstag den 21. Februar 1893 hier statt.
Jur Volkstracht.
Mit aufrichtiger Freude haben wir im neulichen Calwer Wochenblatt die Aufforderung und Bitte an unsere ländliche Bevölkerung gelesen, sie möchte sich doch ihre eigene Tracht und mit dieser die Liebe zur angestammten Heimat erhalten.
Wie ein Soldat auf die Uniform seines Regiments, ebenso sollte der Bauersmann stolz sein auf die Tracht seiner Hejmat.
Es mag nun freilich viel Wahres daran sein, daß dieser bedauernswerte Rückgang in der Volkstracht seinen Grund in der Zeitrichtung hat, die alles gleich machen und jede Originalität vernichten möchte, so daß mancher Dorfbewohner nicht mehr das Herz, geschweige den selbstbewußten Stolz hat, im ortsüblichen Gewand in die Stadt zu gehen. Aber der tiefere Grund des Rückgangs dürfte doch wo anders zu suchen sein.
Wer z. B. nach Tirol kommt, im guten Glauben, er werde dort die Leute gekleidet finden, wie wir uns etwa einen „Salontiroler" denken, oder eine Sängergesellschaft „im Nationalkostüm" der wird sich ni^ht wenig enttäuscht finden. Dort sind die Leute, wenigstens an den Hauptverkehrsstraßen, auch nicht viel anders gekleidet als bei uns. Und wenn du einen fragst: wo sind denn eure schönen gerippten weißen Strümpfe, eure gamsledernen gestickten Hosen, eure sammtenen Wämser und Mieder, so wird er dir sagen: unsere alte Tracht wär' uns freilich lieber, aber s' Geld dazu bringen wir Holter nit mehr auf.
Diese Antwort könnte man auch manchem aus unserer ländlichen Bevölkerung in den Mund legen, nur vielleicht nicht ganz so bewußt gegeben, als sie der durchschnittlich weniger bemittelte südliche Nachbar Deutschlands ausspricht.
Aber geht unserer ländlichen Jugend, insbe
sondere der männlichen, nicht auch gerade da das Geld oft aus, wo es an's Kleiderkaufen geht? Bei der Angewöhnung so vieler anderer Bedürfnisse reicht's nicht mehr zur wohlhabenden alten Tracht, wo eine Weste mit Silberknöpfen, die goldverbrämte Pelzmütze oder gar der silberfrohe Ulmerkopf allein mehr kosten,. als vom Kleiderhändler der ganze „moderne" Anzug. In solchem Anzug «ächst aber der Landmann, wie uns schon der CylHrhistoriker Riehl sagte, in kurzer Zeit in das BsMdes herabgekommenen Städters hinein, denn Kleidung und Hantierung stehen eben in zu großem Widerspruch. Ganz gewiß: in der alten Volkstracht, wie sie sich mit der Zeit herausgebildet hat, stecken mehr gute Gedanken als zusammengenommen in allen Köpfen der heutigen städtischen und ländlichen „Gigerln".
Also wohl Euch, die ihr noch eine Volkstracht habt und an sie glaubt. Besinnet Euch auf eure biederen sparsamen und überlegten Vorfahren, denen ihr euren Besitz verdankt — und verleugnet sie auch in der Tracht nicht! H.
Kaffee-Aufschlag. Die Preise für Bohnenkaffee sind durch Börsen-Spekulation in die Höhe getrieben worden und in jedem Haushalt müssen heute größere Ausgaben für Kaffee gemacht oder geringere Sorten davon gekauft werden. Wir können nur raten, daß die Hausfrauen bei einer guten Qualität bleiben! Wenn Kathreiners Kneipp-Malzkaffee als Zusatz genommen wird, braucht man nur die Hälfte Bohnenkaffee und erhält ein besseres, gesünderes und billigeres Getränk. Aber nur der echte und gut aus- gekochte Kathreiners Kneipp Malzkaffee (die Wchete mit Bild und Unterschrift des Herrn Pfarrer Kneipp) giebt den guten Geschmack.
Kandwirtfchaftl. KepMsverem.
Der Verein beabsichtigt ein'größeres Quantum
Obstbäume L
von bester Beschaffenheit anzukaufen, wobei insbesondere auf solche Sorten Bedacht genommch werden soll, welche sich in hiesiger Gegend schon bewährt haben. Die Bäume werden an Mitglieder des landwirtschaftlichen Vereins zu ermäßigten Preisen, an Nicht-Mitglieder gegen 50°/» Zuschlag, abgegeben, es haben die Abnehmer jedoch die Verpflichtung einzugehen, beim Baumsatz die vom Verein, bezw. vom Oberamtsbaumwart, erteilten Anleitungen einzuhalten; hierher gehört insbesondere, daß schon jetzt die Gruben für die im Frühjahr zu setzenden Bäume mit einem Durchmesser von mindestens 1'/- m und einer Tiefe von mindestens 1 m ausgehoben werden.
Der Verkauf der Bäume von Vereins-Mitgliedern an Nicht-Mitglieder ist unstatthaft.
Die Herren Ortsvorsteher werden ersucht, ihre Gemeinde-Angehörigen durch öffentliche Bekanntmachung oder auf sonst geeignete Weise hierauf hinzuweisen, Bestellungen entgegenzunehmen und solche bis 1. Jan. k. Js. an Herrn Oberamtsbaumwart Müller hier einzusenden.
Calw, den 3. Dezember 1892.
Vereinsvorstand
Lang.
„O doch, Mß, Miß —" (augenscheinlich verlangte es ihn, ihren Namen zu erfahren) — „Northland!" klang es sehr leise zurück.
„O doch. Sie haben ein Recht, hier ganz ungestört zu sein, M ß Northland. Sie sind ja die Wohlthäterin für das ganze Haus, ich meine: seit Sie zuerst hier eingetreten, ist cs — Licht geworden."
Der schöne Mädchenkopf senkte sich tiefer auf die Brust herab. „Man ist zu gütig gegen mich," flüsterte sie bescheiden.
„Vielleicht ist es sehr anmaßend von mir, Ihnen ein plumpes Lob zu spenden- aber ich kann es doch nicht Unterlasten, Ihnen zu gestehen, daß ich Ihren Mut, Ihre Willensstärke und Selbstverleugnung — bewundere," sagte Anthony nnn eigentümlich erregt.
„Das Wörtlein ,muß' ist ein strenger Lehrmeister, Mr. Clark, welcher mit eiserner Hand alle rebellischen Oppositionsgelüste herabzudrücken versteht. Aber dennoch giebt es noch was Mächtigeres als diesen moralischen Zwang, und diesem Mächtigeren bringt man gerne Hochmut, Eitelkeit und törichte Eigenliebe zum Opfer," versetzte das schöne Mädchen, indem ihre großen Augen freudig aufleuchteten.
„Sie haben Eltern, Miß Northland, eine Mutter, für die Sie sorgen?" forschte er. näher tretend.
„Jawohl, um meiner Mutter willen stehe ich hier an diesem Platze, und das Bewußtsein, für sie, die mir auf Erden das Teuerste ist, meine Kindespflicht zu erfüllen, hat dn« Gedanken an Demütigung und EMedrigung noch niemals in mir auf- kommen lasten."
Mr. Anthony erwiderte kein Wort und so war es mehrere Minuten ganz still im Zimmer; Miß Northland hatte unterdessen ihre Beschäftigung wieder ausgenommen.
„Haben Sie keine Verwandten oder Freunde hier in Newyork?" fragte er
nun eindringlich und leise. Es kam ihm so vor, dls ob seine Stimme plötzlich einen veränderten Klang bekommen hätte.
„Nein, keine; wir sind erst vor einigen Monaten aus dem Westen — aus St. Louis gekommen und daher noch ganz fremd hier," lautete der einfache Bescheid.
Die Sprecherin gewahrte nicht die sichtliche Ueberraschung in des jungen Mannes Zügen; unverwandt und forschend waren seine Augen auf das feine Profil gerichtet. Nur als er sich jetzt fast ehrfurchtsvoll vor ihr verbeugte und leise sagte: „Auf Wiedersehen, Miß Northland," schaute sie eigentümlich befremdet auf und ent- gegnete schüchtern:
„Ich hoffe, daß ihre Frau Mutter meine kleinen Dienste noch einige Zeit wird gebrauchen können."
Nicht lange verweilte Mr. Anthony in der nahen Bibliothek, schon nach fünf Minuten kehrte er daraus zurück; allein dieses Mal durchmaß er beinahe hastig das Gemach, indem er in Anknüpfung an das vorige Gespräch nur die halb prophetische, halb ausmunternde Bemerkung hinwarf:
„Miß Northland, gewiß wird sich auch an Ihnen das Dichterwort erfüllen: Was man Schwerstes je gefunden, Liebe hat es überwunden!" —
An demselben Abend nach dem Diner war es das erste Mal, daß Anthony seiner Stiefmutter gegenüber die Rede auf die Fremde brachte. Er blätterte dabei in einem Buche und seine gleichgiltige Miene zeigte nichts von der Erregung und Unruhe, die in ihm arbeiteten. Ernst und wie beiläufig fragte er:
„Hast du niemals nach den Familienverhältniffen des Mädchens geforscht, das seit einigen Wochen hier ein- und ausgeht, Mutter?"
(Fortsetzung folgt.)