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fast unmögliche Ausfuhr an Fettvieh läßt dringend wünschen, daß das Hammelfleisch als Genußmittel bei' uns mehr Anklang finden möchte. In Bayern wird der dortigen Schäferei zum Absatz von Mastvieh wesentlich dadurch verholfen, daß beim Militär und bei' sonstigen unter staatlicher Leitung stehenden Anstalten unter anderem auch Hammelfleisch verspeist wirkt Bei uns in- Württemberg ist dies nicht der Faly man mißknntt die Vorzüge des Hammelfleisches ganz und gar, weil seither die gute Ware ihren Weg inS Ausland gefunden hat und mit Brackware allerdings nicht viel onzufangen ist. Es wäre sicherlich des Versuches wert, und wenn die Menageverwaltungen scharf kontrolieren würden, daß nur mindestens 4jähr. Hämmel als Schlachtvieh zur Verwendung gebracht werden dürsten, so würde gewiß das Hammelfleisch bald ein gleichbeliebtes Genußmittel in Württemberg sein, wie dies anderwärts auch der Fall ist, wo es in den verschiedensten Formen zubereitet recht häufig zur Verwendung kommt.
Marbach, 24. Nov. Das heurige Weinerzeugnis der Stadt betrug 495 Hl. oder pro '/« Morgen 80 Liter (gegen 1891 mit 177 Hl. und 1890 mit 958 Hl.) mit einem Gesamtgeldwcrt von 31000 (gegen 8000 ^ im Jahre 1891 und 30 700 ^ im Jahre 1890). Der Schaden durch Sonnenbrand wird auf 50—75°/« geschätzt, demnach ein Schaden von rund 50000
Marbach a. N-, 26. Nov. Die neuesten Schenkungen ins Schillerhaus haben viele Zuschriften veranlaßt, aber auch zur Nachahmung angereizt. Es sind inzwischen schon wieder einige Stiftungen gemacht worden, darunter einige litterarische Widmungen, und auch ein Schillerbrief, der sich aber als eine Nachbildung erwies; der seitherige Besitzer hatte keine Ahnung davon, daß der Brief nicht echt ist. Es existieren überhaupt viele Nachbildungen Schiller'scher Briese. Erst kürzlich machte auch ein Herr in Nordveutschland, als er seinen lange gehüteten Schillerbrief verkaufen wollte, die Erfahrung, daß er seinerzeit eine Fälschung erworben hatte. — Die in Wien bei der internationalen Ausstellung gewesenen Gegenstände aus dem Schillerhaus sind anfangs November unbeschädigt zurückgekommen.
Vom untern Neckar, 28. Nov. Ein teuflischer Anschlag wurde, wie man der Neck.- Ztg. aus Neckar st ein ach schreibt, gegen den Bahnwart Schrecker ausgeführt, durch dessen Wachsamkeit schon wiederholt großes Unglück verhütet wurde. Schrecker wurde auf der Strecke zwischen hier und Neckarhausen von einigen Burschen mit Steinen beworfen und dann auf das Geleise festgelegt, auf dem der Zug herankommen sollte. Das Dazwischenkommen des Bahnmeisters aus Hirschhorn vereitelte aber glücklicherweise den Anschlag der Schurken. Die Bursche werden hoffentlich bald ermittelt.
Vom Honauer Thal, 25. Nov. Während wir gestern früh 4° Kälte hatten und den baldigen
Nicht du, mein Liebling, sondern ich muß mich aufroffen aus dieser lähmenden Apathie und für unsere Zukunft sorgen!"
„Nein, um Gotteswillen, nein, wenn du mich liebst, Mama, so schweige von solchen Dingen/ rief Grace fast leidenschaftlich, „du, die schöne, vornehme Frau, dich erniedrigen, um hinter dem Ladentische zu stehen — entsetzlich! Du dich von deinen lieben Sachen trennen, wo jedes Stück dich an das frühere Glück und an den teuren Vater erinnert! Das undankbarste Geschöpf unter der Sonne müßte ich sein, wollte ich das zulassen. Wozu bin ich jung und kräftig? Nein, Mama, daraus wir absolut nichts!" Jetzt hatte das junge Mädchen sich zur vollen Höhe emporgerichtet, wobei ein Ausdruck von Energie und Mut aus den schönen Augen leuchtete.
„O Gott, daß es dahin kommen mußte! Wenn er, dein Vater, nur noch lebte, cs stünde bester mit uns, und wie gerne wollte ich auch Not und Sorgen mit ihm teilen!" weinte leise die beklagenswerte Frau.
.Der Himmel hat ihm dieses Schwerste erspart, das muß uns trösten, M'a," sagte die Tochter weich.
„Als wir ankamen, Grace, glaubten wir uns beinahe reich mit der kleinen Summe, die wir m-tbrachten — nun ist sie fast ganz zusammengeschmolzen! Ich habe es nie gedacht, daß die täglichen Bedürfnisse des Lebens soviel verschlinaen könnten. Dabei steht der Quartalswechsel vor der Thür und die Miete soll an Mr. O'Reilly bezahlt werden. — Ach, ich werde ihn wohl bitten wüsten, uns den Betrag für einige Wochen zu stunden."
„Nimmermehr, Mama! Nur keine Gefälligkeiten von diesem Manne, es wäre mir schrecklich — erdrückend!" wehrte Grace mit auffälliger Hast ab. Prüfend schaute ihr die Mutter ins Gesicht und sagte bedeutsam:
„Er ist kein übler Mann. Seine Manieren sind tadellos und neben einem guten Einkommen scheint er ein redliches gutes Herz zu besitzen. Nicht ohne Grund sucht er uns verlassene Frauen öfters auf — hast du daran schon gedacht, mein Kind?"
„Er ist mir unsympathisch, Mama! Bitte, erwähne seiner gegen mich nie mehr
seine Absicht auch sicher erreicht worden, wenn nicht einer der Knaben die Sache rechtzeitig bemerkt, sich geflüchtet und Lärm gemacht hätte. Der Vater ist in Untersuchungshaft gewandert. Zerrüttete Verhältnisse sollen der Beweggrund der verbrecherischen Handlungsweise sein.
Straßburg, 28. Novbr. Seit gestern sind die militärischen Posten hiesiger Stadt zum ersten Male ohne Patronen aufgezogen und zwar nicht nur die Posten in den belebten Straßen sondern sämtliche Posten innerhalb der Stadtumwallung, mit Ausnahme der Posten an den Gefängnisanstalten. Die vor den Thoren stehenden Posten haben Munition bei sich, stehen aber mit ungeladenem Gewehr.
Berlin, 29. Nov. Die Germania bemerkt zu dem Jesusitenantrag, das Zentrum könne manche Vergeltungsmaßregeln ergreifen, wenn es geeigneten Falls seine parlamentarische Macht als Zwangsmittel gebrauche, falls man ihm nicht freiwillig gerecht werde. Ein politischer Handelsartikel sei die Aufhebung des Jesuitengesetzes nicht. „Wir haben ein Recht darauf, und Rechte kauft man nicht, sondern man straft, wenn sie verweigert werden."
— Die „Germania" schreibt über die Rede des Reichskanzlers Grafen Caprivi: „Die Rede hat an den Aussichten der Militärvorlage nichts geändert. Es erkennt jedermann die sympathischen Eigenschaften des Charakters Caprivis an; auch das Geschick und die Feinheit, mit der er einige geschichtliche Exkurse gab und die politische Lage schilderte und sie so würdigte, daß das Ausland ebenso wenig an unserer Festigkeit und Bereitschaft, wie an unserer Friedensliebe und Ehrlichkeit zweifeln kann, finden allgemeine Anerkennung; der warme Patriotismus der Rede konnten ebenfalls nur die gleichen Stimmungen im Hause wecken — aber zur Verteidigung der Vorlage ist nichts vorgebracht worden, was nicht ein jeder vorher sich gesagt hätte, und z. B. bei Hervorhebung der ja allerdings militärisch und sozial wichtigen „Verjüngung" der Armee machte die Schilderung des 32jährigen Landwehrmannes, obgleich sie die Ausführung des „Militärwochenblattes" erläutert und mildern sollte, zum Teil einen ungünstigen Eindruck." — Die „Germania" weiß aus Sachsen zu berichten, daß die konservativen Reichstagsabgeordneten des Königreichs gegen die unveränderte Annahme der Militärvorlage Bedenken tragen, weil sie bei Neuwahlen einen Uebergang ihrer Wahlkreise zur Sozialdemokratie befürchten.
— Aus Moskau wird der „Daily News" vom 10. d. Mts. berichtet: Vor ungefähr zwei Jahren erhielten die Juden in Moskau die Erlaubnis, eine Synagoge zu erbauen, als der Bau sich aber der Vollendung näherte, kam der Befehl, die Kuppel zu entfernen, da dieselbe zu sehr der Kuppel einer ruffischen Kirche gleiche. Die Juden baten vergeblich um Zurückziehung dieses Befehls und mußten schließlich
in dieser Weise, ich könnte Mr. O'Reilly sonst nicht mehr unbefangen und freundlich begegnen," gab Grace unwillig und in ernstem Tone zurück. Mrs. Northland seufzte und schwieg, worauf beide Damen langsam nach der oberen Etage Hinaufstiegen.
Da die Dämmerung eingetreten war, so brachte das junge Mädchen die Lampe, welche sie alsbald mit großer Geschicklichkeit in Brand setzte. Ein intensives Licht beleuchtete jetzt das mit feinem Geschmack ausgestattete Gemach, sodaß jeder Gegenstand darin erkennbar war. Die Mutter, welche mit sichtlichem Vergnügen den flinken Bewegungen der auffallend schönen Hände ihres Kindes zugeschaut hatte, sagte plötzlich lächelnd:
„Wie du doch diese wenig anmutende Arbeit verstehst und graziös verrichtest, mein Liebling! Ich habe niemals, auch in jener Zeit, als viele Diener mir zur Verfügung standen, solche hell und klar brennende Lampe gehabt, wie jetzt, wo mein teures Töchterchen sich dieser Mühe eigenhändigst unterzieht!"
„Ich bin auch stolz darauf, Mama, weil ich mir sage: Arbeit schändet nicht," versetzte Grace heiter.
„Nein, gewiß nickt, aber, ganz abgesehen von deiner Opferwilligkeit, du hast wirklich ein großes Talent dafür."
Bei diesen harmlosen Worten hob das schöne Mädchen die langen, dunklen Wimpern und sah der Sprecherin einige Sekunden starr und nachdenklich ins Gesicht. Eine schärfere Beobachterin, als Mrs. Northland war, würde wahrgenommen haben, daß eS zugleich wie ein blitzartiges Aufleuchten über die regelmäßigen Züge glitt.
Als nach einer halben Stunde die Damen am Thectisch saßen, der in seinem zierlichen Arrangement von gutem Porz-llan und einigen wertvollen Stücken Silbergerät nur zu deutlich verriet, daß die da Sitzenden einst bessere Tage gesehen, erschien Grace merklich einsilbig und zerstreut. Abermals seufzte die Mutter still für sich und beobachtete mit Wehmut und Trauer, aber verstohlen des einzigen Kindes liebes Angesicht. —
(Fortsetzung folgt.)
Eintritt des Winters befürchten mußten, erwachten wir heute bei 4° Wärme. Dieser günstige Thermometerstand, der zugleich seit mehreren Wochen von wenig Niederschlägen begleitet ist, erlaubt es, die Arbeiten des Albaufstiegs unserer Eisenbahn munter zu fördern. Allzukühne Hoffnungen freilich darf man nicht hegen: wie man die Thalbahn in der Woche vor Pfingsten Heuer eröffnet hatte, so meinte man bis zum Pfingstmontag des nächsten Jahres, der die Tausende der Wallfahrer zur Nebelhöhle zu bringen pflegt, bis zur Station Lichtenstein fahren zu können. Allein beide Stationen, Honau und Lichtenstem, haben eine Meereshöhe von gegen 200 Meter zwischen sich, und die Bahnstrecke, die auf Zahnradbetrieb eingerichtet wird, muß durch Felsen gehauen, teilweise tief eingehauen werden. Immerhin hofft man bis zum Herbste nächsten Jahres fertig zu werden und nicht blos auf die Höhe zu gelangen, sondern die Albbahn bis nach Münsingen weiterführen zu können, wie ja auch die Thalbahn, die Wintermonate abgerechnet, in ungefähr einem halben Jahre erbaut worden ist.
Gaildorf, 29. Novbr. Gestern nachmittag gleich nach 4 Uhr brach in Oberroth diesseitigen Bezirks ein größerer Brand aus, der ein Brauereigebäude, eine Doppelscheuer, ein Waschhaus ganz und ein Wohnhaus teilweise einäscherte. Sämtliche Besitzer sind versichert, der Gebäudeschaden beträgt etwa 22,000 dagegen der Fahrnisschaden etwa 15,000^. Ein Glück war es, daß vollständige Windstille herrschte, sonst hätte dieser Brand bei den eng aufeinanderstehenden Gebäuden einen unberechenbaren Schaden angerichtet.
Karlsruhe, 28. Nov. Die heutige Feier des 50. Geburtstages der Drillingsgeschwister H. fand laut „B. L.-Ztg." gestern im Familienkreise in gemütsvoller und sinniger Weise statt. Eine besondere Weihe erhielt das Fest durch die Auszeichnungen, welche der Familie durch den Großherzog und die Großherzogin zu Teil wurden. Der Großherzog verlieh der noch rüstigen, 78jährigen Mutter der Drillinge die große goldene Medaille mit der Inschrift: „Zur Erinnerung an den 28. November 1892. Frau O." Die Drillingstochter erhielt von der Großherzogin das photographische Bildnis in Goldrahmen. Außerdem ließ die Großherzogin der Mutter einen prachtvollen Blumenstrauß zustellen. Zwei Schreiben an die Familien sprachen die herzliche Teilnahme und freundlichen Wünsche und Anerkennungen der hohen Herrschaften aus.
Karlsruhe, 28. Nov. Der Waarenagent W. von Schopfheim, in der Augustenstraße hier wohnhaft, hat in der Nacht vom 26./27. November den Versuch gemacht, sich und seine 3 bei ihm wohnhaften Knaben von 15, 13 und 10 Jahren zu ersticken. Er machte in dem im Zimmer befindlichen Kohlenbecken mit Holz und Kohlen ein Feuer an, und durch den hierdurch entstandenen Rauch wäre