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halten, das hindere uns aber nicht, daß wir zu Rate gehen müssen, ob wir mit dem Dreibund als Ganzes stark genug seien. Rach einem großen Krieg sei der Sieger weniger bereit zu Steuern als der Besiegte, der sich fragt, welche Opfer muß ich bringen, um das Verlorene wieder zu erlangen und so habe Frankreich seine Wehrkraft gesteigert, die wir nicht vorhersehen konnten. Nun möchten wir »inen tüchtigen Schritt vorwärts machen. Die Deckung der Militärausgaben soll, wie derReichs-Anzeiger" bekannt gegeben hat, durch Einführung indirekter Steuern erfolgen. Daß der Tabak dabei ausgefallen ist, liegt daran, daß die militärischen Anforderungen zuerst höher waren, sie sind ermäßigt worden, so daß wir auf die Tabak­steuer verzichten konnten. Ein großes Geschrei wird gEgen die Biersteuer erhoben werden. Im ganzen kommt von den neuen Steuern auf den Kopf der Bevölkerung 1 ^ und einige Pfennige. Das Seidel wird noch nicht um einen halben Pfennig teurer, während jährlich in Deutschland 2 Milliarden für Bier ausgegeben werden. Also eine unerträgliche Belastung ist das nicht. Wir wollen zur zweijährigen Dien st zeit über­gehen bei allen Truppen mit Ausnahme der Kavallerie und der reitenden Artillerie. Eine weitere Ausnahme tritt ein, wenn das Militärstrafgesetzbuch ein Nach­dienen vorschreibt. Die Summe von 57 Millionen halte er nicht für unerschwinglich. Die Vorlage sei unwillkommen, aber der Krieg noch unwillkommener und eine Niederlage würde das Allerunwillkommenste sein. Abg. Richter: Die Ausführungen des Reichs­kanzlers haben keine großen neuen Momente enthalten, welche die Stellungnahme gegen die Vorlage ändern könnten. Es sei die alte Unterschätzung der militärischen Kräfte und die alte Ueberschätzung der wirtschaftlichen und anderen Kräfte, welche durch solche Vorlagen ge­schädigt werden. In eine Diskussion wolle ev heute noch nicht eintreten.

Aus den Gesetzentwürfen betreffend Er­höhung der Brausteuer, Branntweinsteuer und Börsensteuer ist mitzuteilen, daß von ersterer ein Mehrerträgnis von 32'/, Millionen, von der Branntweinsteuer 12'/, Millionen und von der Börsen­steuer circa 13 Millionen erhofft werden.

Von den Matrikularbeiträgen für das nächste Finanzjahr des Reichs entfallen auf Württemberg 15505128, auf Baden 12 580277, auf Elsaß-Lothringen 12136421

Die Nordd. Allg. Ztg. reproduziert einen Brief des Berliner Times-Korrespondenten vom 21., welcher die angekündigte Ernennung v. Werders zum Botschafter in Petersburg als ein Zeichen der Absicht des Zaren ansieht, mit Deutschland auf freundlichem Fuße zu stehen. Möglicherweise hätten die jüngsten Ereignisse in Frankreich den Zaren noch geneigter gemacht, größeren Wert auf gute Beziehungen zu Deutschland zu legen. Durch die Antwort Ruß­lands bezüglich eines Handelsvertrags mit Deutschland werde ein schließliches Einver­ständnis nicht ausgeschlossen. Rußland war es, das die Thüre öffnete; es sei da­her unwahrscheinlich, daß dasselbe die Thüre sogleich wieder schließe. (Wie aus Petersburg gemeldet wird, besprechen die Birshewija Wiedomosti die beabsichtigte Ernennung des Generals v. Werder zum Botschafter in Petersburg sympathisch und betonen, daß Werder am russischen Hofe persona xrattssiwa war und blieb; er sei deshalb sehr ge­eignet, zwischen Rußland und Deutschland freund­liche Beziehungen zu erhalten und dadurch zur Wahrung des Friedens beizutragen, was ihm den Dank beider Völker sichern würde.)

Tages-Ueuigkeileri.

ff Calw. Seit einiger Zeit sucht sich eine Neuheit in den Schulen Eingang zu verschaffen; es sind dies Aluminiumgriffel zum Schreiben auf der Schiefertafel. Diese Griffel sind dem bisher ge­bräuchlichen in der Form ähnlich, sind etwa 15 ow lang und bestehen aus einem bleistiftdicken, zusammen­gebogenen Aluminiumblech, das am Ende schreibfeder­ähnlich zugespitzt ist. Der Griffel ist wie das Metall ja selbst sehr leicht, nützt sich nur schwach ab und erspart also das leidige, fortwährende Griffelspitzen; mittelst einer gewöhnlichen Feile kann er nach Wochen, wenn es nötig ist, leicht nachgespitzt werden. Auch hat der Griffel vor dem Schiefergriffel noch den weiteren Vorteil, daß er auch beim Fallenlassen nicht

abbricht und deshalb viele Wochen im Gebrauch ge­halten werden kann. Der Strich auf der Tafel ist grau und deutlich; den einen Nachteil aber hat der neue Griffel, daß er bei etwas stärkerem Druck die Tafel mehr angreift und tiefere Spuren zurückläßt als der Schiefergriffel; zur Ausführung von Grund­strichen eignet sich der Griffel nicht gut. Dies kann allerdings in gewisser Beziehung auch wieder zum Vorteil sein, da der Griffel eher als der Schiefer­griffel dem Schüler zu einer leichten Hand verhelfen und also dem Schreiben mit der Feder wesentlichen Vorschub leisten kann.

Cannstatt, 22. Nov. An einem Neubau auf dem Seelberg barst ein Gerüst, worauf sich eine Partie Maurer befand. Drei davon fielen mit her­unter, wobei einer einen Armbruch und der andere zwei Wunden am Kopfe davontrug, während der dritte heute schon wieder seine Arbeit ausgenommen hat. Eine defekte Stange, welche äußerlich ganz gesund aussah, führte das Unglück herbei.

Cannstatt, 23. Nov. Gestern abend zwischen 4 und 5 Uhr sahen einige Spaziergänger, wie ein Mann auf dem linken Neckarufer oben beim Wasser­haus den Hut ablegte und sich des Nockes und der Weste entledigte; man glaubte, es handle sich um einen Verzweifelnden, der seinen Leiden in den kühlen Fluten des Neckars ein Ende bereiten wolle. Er legte aber Strümpfe, Hosen und Hemd zu den übrigen Kleidern, nahm einen Anlauf, sprang ins Wasser, plätscherte in demselben vielleicht eine halbe Minute herum, kam zurück urd kleidete sich an so rasch als es die erstarrten Glieder erlaubten. Dann eilte der nicht mehr allzujunge Mann mit zwei Kameraden, welche ihn in einiger Entfernung erwartet hatten, davon. Auf Nachfrage wurde uns, so schreibt man der Cannstatter Ztg., die Auskunft, daß das kalte Bad der Einsatz für eine Wette war, welchem 2 Flaschen Wein gegenüberslanden. Ein Bad im freien Neckar nehmen, wenn die Temperatur auf dem Gefrierpunkt ist, um zweier Flaschen Wein willen, das heißt man doch mit Leben und Gesundheit ein freventliches Spiel treiben.

Freuden st adt, 23. Nov. In beneidens­werten Vermögensverhältnissen befindet sich die Stadtgemeinde Dornstetten. Außerdem, daß in derselben eine Gemeindeschadensumlage seit vielen Jahren nicht stattsindet, erhält Heuer jeder Bürger noch von der Stadtkassc bare 80 ^., ferner 4 Lm Scheiter, 1 Klafter Stockholz und 50 Reisachwellen als Bürgergabe. Ferner erhält jeder Bürgerssohn, der beim Militär aktiv dient, als Geschenk 80

Ulm, 23. Nvo. Ein hiesiger Bureaudiener verlor am Samstag vormittag auf dem Wege über den Geflügelmarkt einen 100 Markschein. Der Mann, der über den Verlust des Geldes untröstlich war, kam wieder in den Besitz des Scheines dadurch, daß eine brave Witwe denselben auf Grund des Ausschreibens ablieferte.

Mergentheim, 23. Nov. Die Offiziers­jagdgesellschaft hielt heute ihre Haupttreibjagd im oberen Bürgerwald Kazenberg. Es wurden zur Strecke gebracht: 12 Rehe, 91 Hasen, 1 Fuchs, 1 Edelmarder. Von den anwesenden 23 Schützen wurden zusammen 240 Schüsse abgegeben. Mittags 12 Uhr wurde bei herrlichstem Jagdwetter ein Frühstück von den Jagdgebern gereicht, bei welchem Major Knörzer in einem kräftigen Hoch den Altmeister des Waid­werks, Fürst Hohenlohe-Jagstberg, der regelmäßig dieser Jagd beiwohnte, heute aber verhindert war, feierte. Jedem Jagdgast wird diese schöne, waidmännisch ge­haltene Jagd in fröhlicher Erinnerung bleiben.

Eingesendet.

Der Einsender in N. 139 des Calwer Wochen­blattes hat uns gründlich in den Inhalt und in den Gedankengang des großartigen Oratoriums:Israel in Aegypten" von G. F. Händel, das am nächsten Sonntag in Calw zum erstenmal aufgeführt werden soll, eingeweiht. Der Kirchengesangverein, dessen Leistungsfähigkeit in stetem Wachstum begriffen ist, hat allen Fleiß auf die Einübung dieses Werkes verwendet, so daß allen Freunden klassischer Kirchen­musik am Sonntag sicher ein hoher Genuß in Aus­sicht steht. Wesentlich erhöht wird dieser aber dadurch werden, daß diesmal wieder wie schon einigemal die berühmte Prem'sche Militärkapelle, die sich auch im laufenden Jahr bei verschiedenen Anlässen

(z. B. bei der Hauptaufführung des Schwab. Sänger­bunds in Reutlingen) großeVerdienste erworben hat, Mitwirken wird. Es werden außer den Streich­instrumenten 2Oboen,2Fagotte. 3Posaunen und 1 Pauke vertreten sein. Da die Orgelempore nunmehr erweitert ist, so wird die Aufstellung von Chor und Orchester eine weit günstigere als bisher sein, und infolge dessen die Wirkung eine großartigere werden. Wünschen wir dem Unternehmen den Segen Gottes in bestem Gelingen, aber auch eine von dankbaren Zuhörerern gefüllte Kirche.

I. C. Schmidt'? Abreißkalender mit täg­lichen Ratschlägen für den Blumen- und Pflanzenfreund 1893. Preis 50 Pfennige. Dieser von der einen großartigen Betrieb entwickelnden Gärtnerei von I. C. Schmidt in Erfurt herausgegebene Abreißkalender liegt im vierten Jahrgang vor. Es ist erstaunlich, welche Fülle nützlicher Belehrung dieser Kalender auf seinen Tageszetteln bietet, er erspart dem Belehrungssuchenden die Lektüre anderer Gartenwerke. Die Anweisungen sind, das sieht und erprobt man sofort, nicht hinter dem Schreibtische entstanden, sondern in der vollen Praxis. Es sind zwar keine Classikerstellen, aber anstatt der Schönrederei wird eine gesunde und gcsundmachende Lebenspraxis geboten. Jede Anregung, der Natur zu folgen, ist bei unserem heutigen Geschlecht mit Freuden zu begrüßen und das thut der Kalender, der ein ebenso zweckmäßiges als angenehmes Weihnachtsgeschenk bietet, in hohem Maße.

Kandels- und Heweröekarnmer

Gcrkw.

Oeffentttche Sitzung

am Montag, den 28. November 1892, vormittags 9 Uhr.

Tagesordnung:

1) Steuerpflicht der Erwerbs- und Wirtschafts­genossenschaften.

2) Gesetzes-Entwurf zum Schutz der Waaren-

bezeichnungen.

3) Anmeldung registerpflichtiger Firmen.

4) Handelskammer-Ergänzungswahlen.

Der Vorstand.

Calw.

Landwirtschaft!. Kezirksnerein.

Mit dem 1. Januar 1893 beginnt ein neues Abonnement auf das landw. Wochenblatt. Da dessen kostenfreier Bezug mit dem Eintritt in den landw. Verein verbunden ist und zum Zweck der Fertigstell­ung der Postlisten die Mitgliederliste spätestens bis 10. Dez. nach Stuttgart eingeschickt werden muß, so werden alle diejenigen, welche dem landw. Verein bei­treten wollen, gebeten, sich, soweit es vom 1. Juli d. I. ab nicht schon geschehen, bis spätestens 5. Dez. d. I. mündlich oder schriftlich bei dem Vereinssekretär Ansel, anzumclden. Spätere Meldungen würden erst vom 1. Juli 1893 ab zum Bezug des landw. Blatts berechtigen.

Auch der Austritt aus dem Verein kann nur durch Abmeldung bis zum 5. Dez. erfolgen. Wer diesen Termin versäumt, hat seinen Beitrag für das Jahr 1893 fortzuentrichten.

Die Herren Ortsvorsteher werden freundlich ersucht, zum Zweck der Richtigstellung der Mitglieder­liste ebenfalls bis zum 5. Dezbr. dem Sekr. Ansel, anzuzeigen, welche Mitglieder wegen Todes oder Wegzugs zu streichen sind.

Den 17. November 1892.

Vereinsvorstand Sekretär

Lang. Ansel.

Standesamt Kalo».

Geborene:

17. Nov. Karl Wilhelm, Sohn des Friedrich Wid- mann, Maschinenstrickers hier.

Gestorbene:

20. Nov. Georg Held maier, Pflasterer hier, 38 Jahre alt.

23. Jakob Frohnmüller, Fabrikarbeiter hier.

Gottesdienste

am Sonntag, den 27. November.

Adventsfest.

Vom Turm: 91. Predigtlied: 93.

Vorm.-Predigt - Herr Dekan Braun. Feier des heiligen Abendmahls. 2 Uhr Nachm.-Predigt: Herr Stadtpfarrer Eytel. Das Opfer ist für den Gustav- Adolfs-Verein bestimmt.

Mittwoch, den 30. November.

Feiertag Andrea.

Vorm.-Predigt um halb 10 Uhr: Herr Stadt­pfarrer Eytel.