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die Militärvorlage, soweit sie bis jetzt bekannt geworden ist. Bei der Wichtigkeit der Sache hatten sich denn auch sehr viele Parteigenossen und Parteifreunde eingefunden. Präzeptor Gunser, Vorstand der hiesigen Partei, begrüßte die Anwesenden und erteilte sodann Rechtsanwalt Mögling von Heilbronn das Wort. Nachdem der Redner zunächst die Stellung der Deutschen Partei zur Reichsregierung erörtert und betont hatte, daß die Partei ihre Grundprinzipien weiter verfolgen müsse, unbeirrt darum, ob sie mit der Reichsregierung übereinstimme oder nicht, verbreitete sich derselbe in längerem, klarem Vortrag über die Militärvorlage im allgemeinen und insbesondere dann über die 2jähr. Dienstzeit, die nur unter der Bedingung gesetzlicher Garantie und der gleichzeitigen Vorlegung des Deckungsplanes annehmbar sei, knüpfte daran das Verlangen öffentlichen Militär- gerichtsverfahrens, größerer Sparsamkeit bei der Pensionierung von Offizieren, zeitgemäßer Instruktion der Wachposten für den Gebrauch der Feuerwaffen u. s. w. An diesen Vortrag schloß sich in reichem Maße eine allgemeine Erörterung an. Hierauf verlas der Vorsitzende die Leitsätze, wie sie Heilbronn zu der Militärvorlage festgestellt hat; der Vorsitzende der Heil- bronner Ortspartei besprach dieselben noch ins Einzelne. Diese Sätze wurden von sämtlichen Anwesenden gebilligt und ihnen durch Erheben von den Plätzen zugestimmt. Der Vorstand, Präzeptor Gunser, dankte sodann den anwesenden Mitgliedern für ihr zahlreiches Erscheinen und sckiloß die Versammlung mit einem Hoch auf das deutsche Vaterland.
Eingesendet.
G. I. Handels: Israel in Aegypten.
Händel führte das Werk, das er innerhalb 4 Wochen zu Stand gebracht, zuerst (4. April 1739) in 3 Teilen auf: der erste Teil bestand aus der Klage Israels über den Tod Josefs, zu welcher das herrliche Begräbnis-Anthem für die Königin Caroline verwendet wurde; zum Druck aber gelangte dieses Anthem für sich und der 2. und 3. Teil — das Oratorium „Israel in Aegypten" wie es seitdem aufgc- führt wird — ebenfalls für sich. Bei unserer Aufführung wird die tief empfundene Einleitung des Anthems in 6-moII als ganz passendes Vorspiel zum Oratorium gegeben.
Dieses gewährt dem Sologesang nicht viel Raum; an Reichtum und Großartigkeit der Chöre aber hat es kaum seines gleichen.
Der erste Teil stellt in gewaltigen Chorbildern die Leiden des Volkes Israel in der ägyptischen Knechtschaft und die wunderbare Befreiung dar, der zweite Teil ist ein Loblied über Gottes Wunderthat, das mit dem freudigen Gefühl der Errettung die Befreiung schildert.
Nach wenigen einleitenden Worten tritt der erste Doppelchor ein; die drei Themen „die Kinder Israel schrieen zu dem Herrn in ihrer harten Knechtschaft" — „sie erlagen der Arbeit und weinten laut um Rettung" — „und ihr Schrei'n stieg auf zu dem Herrn" — werden miteinander zu einem gewaltigen Bau aufgetürmt; die beiden Chöre rufen sich ihre Leiden und Klagen zu, verbinden sich bald zu einer Masse, bald teilen sie sich in Gruppen, so daß das Ganze sich hebt und senkt, leidenschaftlich emporstrebt und in dumpfe Klage zurücksinkt; über die Klage der
Einzelnen hinaus schallt immer mächtiger der Gesang: „ihr Schrei'n stieg auf zu dem Herrn."
Hierauf, heißt e» weiter, sandte Gott Moses und Aaron, die Zeichen und Wunder thaten, um ihr Volk zu befreien. Das erste war Verwandlung des Nilwassers in Blut. Die zweite, fünfte und sechste der Plagen — Frösche, Viehprst und Blattern — faßt eine charakteristische Altarie zusammen.
Die Verkündigung der dritten, vierten und achten Plage übernimmt wieder der Chor. Auf den Mächten Ruf: „Er sprach das Wort" wimmeln aus dem Staub hervor Scharen von Fliegen und Mücken, welche die Luft zu verdichten scheinen. Die furchtbaren Heuschrecken kommen hinzu und fressen das Erdreich kahl; Händel läßt sie anrücken in einer Figur der Bässe, die mit dem in die Geigen verlegten Geschwirr des lustigen Ungeziefers vereint, alle menschliche Existenz unsicher zu machen droht. Die Originalität des Chors ruht namentlich auf der Begleitung der Violinen, welche das Fliegengewühl und Geschwirr in großer Natürlichkeit vorführen.
Was die Heuschrecken übrig ließen, zerschmettert der mit unbeschreiblicher Gewalt hereinbrechende Hagel, — ein Doppelchor im älteren Stile, wo die Hälften respondierend mit ihren Endpunkten in einander fallen und dadurch sich gegenseitig steigern; in dem wild herabprasselnden Unwetter fährt der Blitz aufzuckend und das Gewölk zerreißend hernieder.
Nun bricht finstere Nacht herein, eine Finsternis, deren Wucht die Menschen erstarren macht. Mit den einfachsten Kräften der Musik wird das grausige Dunkel gezeichnet; die einzelnen Singstimmen, welche in den ersten 10 Takten in geschlossenem Chor aufgetreten sind, gehen in Recitativform auseinander, sie scheinen herumzutasten und sich in der Dunkelheit zu verlieren. — Mit jähem Schlag zerreißt die Musik das Nachtbild, das Licht fällt auf Tod und Verderben: der Schlag trifft die Erstgeburt Aegyptens.
Aber Israel hat der Herr nicht vergessen, er j schützt und führt es wie ein Hirt seine Herde. Mit diesem Chor wird den grausigen Bildern ein anderes ^ gegenübergestellt, welches idillischen Frieden und selige Sicherheit atmet. Nach langer Knechtschaft glänzt dem Volke die Morgensonne der Freiheit, Keiner well zurückbleiben, wie eine Herde mit dem Hirten ziehen sie alle dahin. Alles Volk drangt sich herbei: in seinem Schlußsatz schwillt der Chor zu grandioser Massenhaftigkeit an.
Mit einfachen gewaltigen Akkorden eröffnen die Worte: „er gebot es der Meerflut, und sic trocknete aus" die Schilderung des Durchgangs durch das Meer. In dem folgenden stimmigen Chor stürmen in wilder Figur des Orchesters die tobenden Wogen brausend auf den nachrückenden Feind ein und verschlingen ihn in den Abgrund, während der Chor mit mächtigem Ruf verkündet, daß auch nicht Einer übrig blieb.
Ucberwältigt, mit Furcht und Zittern, erkennt Israel die Allmacht Gottes. Mit diesem Bekenntnis, in einer der Stimmung entsprechenden tiefbewegten Feierlichkeit schließt der erste Teil.
In dem zweiten bricht der Jubel des Dankes hervor in dem unsterblichen Lied, welches Moses und die Seinen am Ufer des roten Meeres anstimmen. Wie das „Hallelujah" im Messias, gehört der Doppelchor: „Ich will singen meinem Gott" zum Größten, was in begeisterter Erhebung zu Gott als Dank-Hym
nus in Tönen gedichtet ward. Freudig rufen sich die beiden Chöre, bald sich ablösend, bald zusammentreffend, die große That der Errettung zu, die wunderbare Hilfe Gottes, wie er „Roß und Reiter in das Meer gestürzt"; darüber geht, von allen Stimmen abwechselnd ausgenommen, der herrliche Hymnus: „ich will singen meinem Gott".
Nach diesem erhabenen Ausdruck der Stimmung des ganzen Volks, werden nun auch einzelne Stimmen laut. Es folgt das berühmte Duett für zwei Büße, in seiner Art der größte Zwiegesang für zwei kriegerische Stimmen die sich im Jubel zu überbieten trachten. Kühnheit und lebensfreudige Fülle bewegen das Bild. In der Länge des Satzes der Breite der Formen, dem Umfang der Melodieen, in der Gelegenheit zur Entfaltung der Künste des Ge» sangs und der vollen Kraft des Ausdrucks ist der Ausführung der weiteste Spielraum eröffnet.
Der Chor gedenkt eine Weile, in stille Betrachtung versunken, derer, die in den Abgrund sanken; und fährt in andächtig bewegter Schilderung fort:: „Und vor dem Hauch deines Mundes zerteilten sich die Wasser" wobei sich die langgehaltenen Themen: „Die- Flut stand aufrecht da" und „Die Tiefe erstarrte" sehr nachdrücklich hervorheben. Zwei Sologesänge folgen als Nachhall der schon mehrfach ausgedrückten Gedanken: der kriegerische Tenor blickt schadenfroh, auf den übermütigen, nur vernichteten Feind, „aber" fährt der sanfte Sopran fort: „Du ließest wehen deinen Wind, da sanken sie wie Blei" über einem bewegten Grundbaß, der 6mal wiederkehrend die Meereswellew zeichnet.
Die folgende Nummer (ursprünglich Chor^ „das hören die Völker und sind erstaunt, Schrecken und Angst ergreift die Bewohner Kanaans, bis hindurch ist dein Volk, o Herr!" — in unserer Aufführung als Jnstrumentalsatz), malt die Schreckgestalt: des Gerüchts, welches die Feinde erstarren macht bis, das Volk Gottes vorübergezogen ist, und darauf unangefochten in die weiten Lande wandert.
„Bringe sie hinein" fährt der Alt fort in einem lieblichen Gesang, der fromme Freudigkeit atmet und gegen die starke aufregende Haltung der Chöre sich lieblich abhebend einen Vorschmack seliger Ruhe gibt.
Das Werk neigt zum Schluß. Eine Stimme,, durch mächtige Chorrufe: „der Herr ist König auf immer und ewig" unterbrochen, erzählt im Recitativ noch einmal die wunderbare Gottesthat. Hierauf tritt Mirjam hervor und erhebt unter dem Schweigen jeder Begleitung den herrlichen Siegesgesang „Singet unserem Gott, denn er hat geholfen wunderbar, das Roß und den Reiter hat Er in das Meer gestürzt" nur wenige Worte und dem Tone nach nur eine geringe Erweiterung der vorangegangenen Chorzeilcn, aber doch so neu, so feurig und groß. Die berühmte Sängerin Clara Novello sagte „sie möchte nur, um diese Worte zu singen, gelebt haben, sie seien ihre höchste Erinnerung; ihr größter Stolz."
Der Chor fällt unmittelbar ein und wiederholt: die großartige Hymne vom Anfang des zweiten Teils, welcher damit eine treffliche Abrundung erhält. (Nach Chrysander und Faißt).
In die Pause zwischen die beiden Teile wird ein Orgelstück aus den Händel'schen Konzerten (Nr. 2 L-äur) für Orgel und Orchester eingefügt. Es besteht aus 4 Teilen: Llassioso, ^.llsxro, ^ckaxio und ^näanta.
„Sie gedenken Medizin zu studiren?"
„Vielleicht! Mein Vater wünscht das sehr."
„Und Sie selbst?"
„Ich? Ach nein, wenn ich offen sein soll, kann ich es eigentlich nicht sagen. Ich habe nicht alles gern gelernt, was ich lernen mußte. Wenn ich mit jungen Mädchen zusammentreffe, komme ich mir oft wie ein Wesen aus einer ganz andern Welt vor, viel älter und reifer als sie alle! Und doch bin ich häufig kindisch genug, cs zu vergessen, daß es mein Beruf sein soll, nützlich zu sein, zu wirken; ich möchte eigentlich viel lieber glücklich sein, weiter gar nichts!"
„Nun, das ist verzeilich genug, Fräulein von Monkwitz, und ich hoffe, das Schicksal wird ihnen diesen Wunsch nicht unerfüllt lassen!"
„Ach nein, das glaube ich nicht. Die Konsequenzen springen von selbst in die Augen; unser Jahrhundert, so gerne es sich des aufgeklärte nennt, hat noch so unendlich viele Vorurteile, es wird noch so viele Kämpfe kosten, bis sich manches Bahn bricht — daß ich mir sicher die Seele oft wund stoßen werde — ist es nicht merkwürdig," unterbrach sie sich plötzlich mit einem frohen Auslachen, „daß wir beide hier in der Neujahrsnacht solche Gespräche führen?"
„Gar nicht merkwürdig!" erwiderte ich ernsthaft. Wissen Sie denn nicht, daß um die Jahreswende Wunder geschehen, daß einer dann die Macht Hot, in des andern Seele zu lesen, daß Altes neu und Neues alt wird, daß sonderbare Kräfte hin- und widerwirken und man unter dem Einfluß von geheimnisvollen Mächten steht, die uns willenlos machen, uns zwingen, zu müssen, wo wir kaum erst wollen."
„Um Gotteswillen, hören Sie mit diesen mystischen Dingen aus! Sehen Sie es schneit fast gar nicht mehr, wie wäre es, wenn wir ausstiegen und ein wenig auf- und abgingen, um uns zu erwärmen? Meine Füße sind halb erstarrt!"
„Wenn Sie nur nicht knietief in den Schnee kommen."
„Das schadet mir nichts! Ich glaube ich bin in meinem ganzen Leben noch nie erkältet gewesen!"
„Ich sprang aus dem Schlitten und hob Olga von Monkwitz heraus. Wir gingen durch den tiefen Schnee eine kleine Strecke immer hin und zurück. Ich hatte ihr meinen Arm geboten, wir redeten miteinander, wie zwei alte Freunde. Sie wünschte zu wissen, wie ich in Frankfurt lebte, und ich sagte es ihr. Sie meinte, cs müsse ein schöner und erhebender Beruf sein, Recht zu sprechen, die Unschuld an den Tag zu bringen und zu verteidigen, ich hatte darüber weit prosaischere Ansichten, freute mich ober ihrer idealen schwungvollen Auffassung.
Die Luft war inzwischen ganz klar geworden, verschämt blinzelten erst einzelne Sterne auf, ober nicht lange dauerte es, und über uns funkelte der köstlichste Sternhimmel in unbeschreiblicher Pracht. Wir führten die Pferde auf und ab, damit sie nicht steif würden vom Stehen, wir versuchten, einer dem andern beim Licht des gestirnten Himmels und des vielen Schnees ins Gesicht zu sehen und gaben es lachend auf, da man nur einen dämmrigen Umriß gewahrte. Wir läuteten in Zwischenräumen mit der Schlittenglocke und lachten wie die Kinder dazu.
Mir war zumute, wie in meinem ganzen Leben nicht, übermütig, redselig„ zugleich auch unbestimmt verzagt, ich weiß selbst nicht, wie! Endlich als unsere Glocke eben wieder ihre Schuldigkeit gethan hotte, hörten wir etwas, wie einen schwachen Widerball. Wir lauschten angestrengt, ja es war kein Irrtum, es wurde deutlicher, kam näher. Es tauchte in unserem Gesichtskreis etwas wie ein rotes Glühwürmchen auf, das sich rasch vergrößerte jetzt erkannten wir bereits einen mit zwei Pferden bespannten geschloffenen Schlitten mit ein Paar großen, hellleuchtenden Laternen rechts und links vom Kutschersitz, darauf einen fremden Rosselenker und ein Ende hinter dem Schlitten meinen Grauschimmel mit dem edlen Christian, der krumm wie ein Fiedelbogen saß.
(Schluß folgt.)