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und Anzeigeblall für den Bezirk (Lnlw. 67. IahrgW.
Srschrtnt Dt«» « In g , Donn-r-tng und Snmitag. Di« Einrückungigcbühr beträgt im Bezirk und nächster Um- gedung S Psg. di« Aetle, sonst zL Psg.
Donnerstag, den 24. November 1892.
Nbonnementrprei» vierteljährlich i» der Stadt SV Pfg. und Sv Pfa. Lrägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 1ä, sonst i» ganz Württenderg Mk. 1. Sb.
Amtliche Bekanntmachungen.
Die Ortsvorsteher
werden unter Hinweis auf Art. 75 Abs. 3 des Gesetzes vom 21. Mai 1891 darauf aufmerksam gemacht, daß im Lauf des Monats Dezember d. Js.
Bürgerausschutz-Ergänzungswahkei»
stattzufinden haben.
Calw, den 22. November 1892.
K. Oberamt.
Lang.
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Tages-Ueuigkeiten.
Calw. „11 nsere Stadt hat in den letzten Tagen eine praktische sowohl wie ornamentale neue Zierde erhalten durch Aufstellung einer sogen. Meteorologischen Säule an sehr geeigneter Stelle, wie solche die Hamburger Annoncen-Uhr-Actien-Ge- sellschaft in den verschiedenen Städten, Zoologischen Gärten und Bädern des Reichs (1500) bereits aufgestellt hat. Eine Eisensäule auf Sockel, bekrönt von stylvollem Dach, überragt von Windrose und Fahne, trägt zunächst eine große Uhr mit mitteleuropäiscyer d. h. genauer Eisenbahnzeit eine nicht zu unterschätzende Annehmlichkeit für das Publikum. Der Uhr gegenüber fungiert ein Aneroidbarometer mit stellbarem Zeiger, um den Stand und das relative Steigen und Fallen anzuzeigen. An den 4 Kanten der Säule befinden sich in Manneshöhe, durch dicke Glasröhren geschützt, ein Thermometer mit Skala, Celsius und Reaumur, Angaben für Sonnen- und Mond-Auf- und Niedergang, Tages- und Nachtdauer und sogar ein Nietermaß. Die Flächen aber der vier unter Glas stehenden Seiten geben verschiedene nützliche Informationen, als da sind: Einwohnerzahl der
größeren Städte des Reichs, Vergleichung der Münzen, endlich vergleichende Zeiten und einen Fahrtenplan für die abgehenden Eisenbahnzüge. — Die Wetterprognose, wo in Zeiten erhältlich, wird in einer besonderen Kassete unter dem Barometer eingestellt. — Macht das Ganze durch dieses reiche statistische und meteorologische Material einen angenehmen Eindruck, so wird es noch besonders attraktiv und verschönert durch eine Eigenart, die darin besteht, daß ein Uhrwerk in dem Gehäuse einen revolvirenden Apparat (Deutsches Reich-Patent) treibt, der ohne Unterbrechung zwanzig verschiedene Druck- oder Aquarell-Blätter ins Gesichtsfeld stellt und solche automatisch, jedes nach Verlauf von ca. 30 Sekunden, wieder verschwinden läßt, um es durch das nächste zu ersetzen. Dieselben sind dazu bestimmt, die entsprechende Anzahl Geschäfte aus allen Branchen, sowie bedeutende Hotels, Bade- und Luftkurorte in empfehlende Erinnerung zu bringen; demselben Zweck dienen auch die übrigen constanten Flächen an der Säule." (Siehe auch im Anzeigenteil.)
Stuttgart. In vorletzter Nacht wurde in die Arbeitsräume einer größeren Firma in derSilber - burgstraße eingebrochen. Die Diebe scheinen es auf Geld abgesehen zu haben, indem sie nämlich, als sie solches nicht vorfanden, die vorhandenen Waren und die Werkzeuge untereinander warfen und dann unverrichteter Dinge wieder abzogen.
Oberndorf a. N., 21. Nov. Zwischen einer größeren Anzahl von Arbeitern aus Norddeutschland und Bayern entstand dahier bei Gelegenheit eines Hochzeitstanzes in der verflossenen Nacht um geringfügiger Ursache willen Streit, der sich zu einem allgemeinen Kampf entwickelte, in dem das Messer seine unheilvolle Nolle spielte und mit Weinflaschen ein förmliches Bombardement eröffnet wurde. Noch
an 2 anderen Punkten der Stadt setzte es um dis gleiche Zeit blutige Händel ab. Zwei Fabrikarbeiter und ein Metzgergeselle wurden dabei derart zugerichtet, daß sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußten.
Pfullingen, 20. Nov. Die Nachricht, schreibt man dem N. Tgbl., bezüglich einer neuentdeckten Tropfsteinhöhle in einem Sandbruche des Sägmüllers Volk bedarf der Ergänzung, damit nicht allzuhohe Erwartungen in Ihrem Leserkreise erregt werden. In den hiesigen Tuffsandbrüchen am Südende der Stadt, in welchen in den oberen Lagen mehrere Hundert Alemannengräber sich befinden, kommen zahlreiche Tropfsteinbildungen vor, deren unterer Teil jedoch meist in Sand gebettet erscheint. Nun hat man aber in letzter Woche einen, wie es scheint, mehrere Meter langen, etwas über 1 Meter hohen und bald breiteren, bald schmäleren Gang, der von Sandeinschwemmungen freiblieb, angestochen. Von einer „Vorhalle" kann man nicht sprechen, da man in dem Gange nur kriechend sich fortbewegen muß. Die Tropfsteins zeigen gröbere, massige Umrisse und lassen aus stärkere Wassersickerungen von allerdings hervorragendem Eisengehalt schließen.
Bietigheim, 19. Nov. Privatier Gumprich erzielte am letzten Donnerstag bei einem Treibjagen im Oberwald ein seltenes Ergebnis. Die Strecke betrug 15 Rehe, 94 Hasen, 2 Füchse, 1 Marder, 33 Fasanen und 3 Feldhühner. — In Eutingen wurde ein Steinadler erlegt, der 2,40 m von einer Flügelspitze zur andern maß.
Bietigheim, 20. Nov. Auf Veranstalten der hiesigen Deutschen Partei fand heute im Gasthof zur Post eine Versammlung von Parteigenossen aus dem 1., 2. und 3. Wahlkreise statt.
. Auf der Tagesordnung stand hauptsächlich eine Frage, welche alle Herzen und Gemüter gegenwärtig bewegt.
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Neujahrszauber.
Novelle von Marie Bernhard.
(Fortsetzung.)
„Ist nicht Hedwig Althaus reizend?" fragte die klare Stimme neben mir.
Ich bejahte aus vollem Herzen. Ich erzählte, wie lange ich schon mit Hermann befreundet wäre, welche schöne Zeit wir drei soeben miteinander verlebt hätten und wie sehr ich Frau Hedwig verehrte und lieb hätte.
„Ihren Mann kenne ich weniger, ich glaube, er ist mir nicht sehr gewogen, er beurteilt mich nur nach dem, was ec von mir sieht — davon mag ihm vieles nicht gefallen. Hedwig aber trägt den Verhältnissen Rechnung, durch die ich geworden bin, was ich bin —"
„Ist das so etwas Absonderliches?" konnte ich mir nicht verwehren, dazwischen zu fragen.
„In den Augen der meisten Menschen ganz gewiß. Ein Mädchen, das keine schöne Handarbeiten macht, nicht malt, keine Kunststickerei versteht und statt dessen fährt und reitet, turnt und schwimmt, ein wenig lateinisch und sehr viel Naturwissenschaft und Heilkunde versteht, ist das nicht ein ganz abnormes Geschöpf?"
„Abnorm ist zu viel gesagt, aber ungewöhnlich!"
„Das ist ziemlich dasselbe! Aber sehen Sie, Herr Rechtsanwalt, meine Mutter starb, als ich noch ein ganz kleines Kind war, und hinterließ außer mir und einer bedeutend älteren Schwester noch einen Sohn, der meines Vaters Augapfel und Abgott war. Er war wunderhübsch und ungemein begabt, mein Vater, der das Gut von einem Onkel geerbt und der gar kein Landwirt ist, unterrichtete ihn selbst und sah eine große Zukunst für ihn voraus. Da, als mein Bruder vierzehn Jahre
alt war, starb er plötzlich an einem hitzigen Fieber, und mein armer Vater wurde beinahe wahnsinnig über diesen Verlust. Ich war damals ein kleines Geschöpf von sieben Jahren, und trotzdem ich Horst sehr lieb gehabt hatte, ich war eben zu sehr Kind, um ihn zu vermissen. Aber mein Vater that mir in der Seele leid, wie er so still verzweifelt vor sich hinbrütete, ich versuchte alles Mögliche, um ihn zu erheitern, sang ihm meine Kinderliedchen vor, schleppte all' mein Spielzeug herbei, kletterte auf seinen Schooß, küßte und streichelte ihn — alles umsonst! Endlich — aber ich werde Sie langweilen mit meiner Erzählung. Finden Sie nicht, daß es jetzt weniger schneit?"
Ich mußte das zugeben, bat sie aber eifrig, weiter zu berichten; von Langeweile sei gar keine Rede — im Gegenteil!
„Es ist freundlich von Ihnen, daß Sie Interesse daran nehmen. Danks sehr!" (Ich hatte ihr und mir wieder einmal sehr engerisch den Schnee abgeschüttelt und abgeklopft.) „Also endlich fiel ich auf ein gutes Mittel. Ich bat meinen Vater, mir Stunden zu geben, wie er es bei Horst gethan. Zu Anfang schüttelte er nur stumm den Kopf aber ich ließ mit Bitten nicht nach, und da fand er plötzlich, ich hätte große Ähnlichkeit mit dem Verstorbenen" (vie Sprecherin stockte verlegen, wohl eingedenk ihrer vor kurzem gemachten Bemerkung, der Bruder sei wunderhübsch gewesen) „und willigte ein. Zuerst lernte ich nur ihm zuliebe, weil ich saq, daß es ihn freute, dann bekam ich selbst immer mehr Lust dazu, und so kam es, daß ich ganz wie ein Knabe erzogen wurde, daß mein Vater mich allmählich „Horst den zweiten" nannte und wir beide unzertrennlich voneinander waren. Meine ältere Schwester, die eine ganz andere Richtung hat, war nicht einverstanden mü meiner Erziehung, sie heiratete aber sehr jung, und wir sind jetzt die besten Freundinnen. Wenn mein Vater das Landgut aufgeben und zur Stadt ziehen muß, werde ich Gelegenheit haben, zu sehen, ob ich wirklich so viel gelernt habe, wie man mir sagt, und dann werde ich das alles praktisch verwerten."