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vom letzten Samstag auf Sonntag hat ein Arbeiter, der an einem Neubau beschäftigt ist, einen Einbruch in einer hiesigen Wirtschaft verübt, wozu er die Ge- legenheitdurch öfteren Besuch derselben ausgekundschaftet hatte. Da der Dieb hier kein Geld, auf welches er jedenfalls die erste Absicht hatte, vorfand, unternahm er einen weiteren Einbruch in der Nachbarschaft, um sich dort Bedürfnisse für ein Nachtlager, Heu und einen Teppich, zu holen. Diese Beute legte er sich in oben erwähntem Neubau zurecht, wurde aber von den Bestohlenen frühzeitig entdeckt, für seine Mühe gründlich abgelohnt und sofort der Polizei zu weiterer Behandlung übergeben.
Cannstatt, 5. Nov. Gegen den Reisenden Julius Mager, wohnhaft zu Cannstatt, der vor einigen Wochen als Verfasser und Absender anonymer Po st karten vom Schöffengericht Tübingen zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt worden war, kam heute hier eine Privatklagesache des Versicherungsinspektors Ackermann wegen des gleichen Vergehens in nichtöffentlicher Sitzung des Schöffengerichts zur Verhandlung. Mager hatte die Thäterschaft, nachdem er in Tübingen trotz langen Leugnens überführt worden, für diesen Fall wohl oder übel eingestehen müssen, während noch andere ähnliche Fälle gegen ihn schweben; er erhielt eine Geldstrafe von 120 ev. 12 Tage Gefängnis und sämtliche Kosten auferlegt.
Freudenthal, 7. Nov. Am Donnerstag Abend gesellte sich zu dem vom Bietigheimer Markt heimkehrenden Handelsmann A. Aron von hier ein Unbekannter und begleitete denselben. Als sie beim Löchgausr Wald angekommen waren, ging derselbe auf die Seite und schoß dem Aron eine Kugel in den Hals. Auf dessen Hilfegeschrei kamen Leute, die zufällig im Walde Eichel lasen, herbei, so daß der Angreifer flüchten mußte. A. begab sich nach Hause, das Geschoß konnte bis jetzt noch nicht entfernt werden.
Nordheim, 6. Okt. Gestern früh entging der Personenzug 4 Uhr 18 Min. (Heilbronn-Stuttgart) bei Klingenberg einer großen Gefahr. Nahe am Dorf waren neben dem Bahndamm in einem Garten eine Herde fetter Hämmel über Nacht eingepfercht. Durch irgend welchen Umstand wurden dieselben aufgeschreckt, drückten die Umzäunung durch und gerieten auf das Geleise, eben als der Zug heranbrauste. Die ge- ängstigten Tiere rannten auf dem Geleise weiter. Der Zug ereilte sie und warf alles vor sich nieder. Teils zermalmt, teils schwer verletzt lagen etliche 60 Stück auf und neben dem Bahndamm. Durch das Ueberfahren der Tiere wurde der Zug zum Stehen gebracht. Dem Schäfer ist ein sehr bedeutender Schaden entstanden.
Ellwangen, 7. Nov. Vor einigen Wochen verbrachte man eine Frau aus Dalkingen, die über den Tod ihres Mannes tiefsinnig geworden war, in das hiesige Bezirkskrankenhaus. Gestern fand man die Unglückliche im Krankenzimmer erhängt. Dieselbe hinterläßt 6 Kinder.
Crailsheim, 7. Nov. Der Württemberg. Schutzverein für Handel und Gewerbe hatte die Kaufleute der Bezirke Aalen, Crailsheim, Ellwangen, Gera- bronn, Mergentheim auf gestern Nachmittag zu einer Besprechung hierher in den Saal des Gasthof zum Lamm eingeladen, die zahlreich besucht war. Den Vorsitz führte Herr Bankier Max Dorrer sen. aus Ellwangen. Herr Albert Treiber aus Stuttgart gab ein ausführliches Referat über die Ziele und Zwecke des Vereins mit besonderer Betonung der ins Leben gerufenen Agitation gegen Hausieren und Detailreisen. Der Redner erntete lebhaften Beifall seitens der Versammlung. Kaufmann Müller aus Stuttgart wies darauf hin, daß bei dem zu erwartenden Gesetz, betr. die Beschränkung des Haufierwesens, ganz notwendig auch das Verbot des Detailreisens mit behandelt werden müsse, weil sonst der gleiche Unfug fortbcstehe, nur unter anderer Firma. Die etwa 5 Hausierorte Württembergs haben seither solch ganz besondere Bevorzugung erfahren, daß so zu sagen das ganze Land ihnen in der Hausierbesteuerungsfrage geopfert worden sei. Auf eine Anfrage des Hrn. Klenk aus Crailsheim erwiedert Hr. Treiber, daß der Schutzverein die Beobachtung mache, daß die Versandtgeschäfte von Jahr zu Jahr weniger lohnend werden, je mehr Betriebe an diesem mit kolossalen Spesen verbundenen Knochen herumnagen. Immerhin werde der Verein aufklärend auf das Publikum auch nach dieser Richtung zu wirken suchen. Der Aufforderung zum Beitritt in den Verein hat der größere Teil derjenigen Besucher, die nicht schon vorher Mitglieder waren, entsprochen. Der Vorsitzende, Hr. Dorrer, schloß die Versammlung mit warmen Worten, nachdem er noch hervorgehoben hatte, daß denen nicht zu helfen sei, die sich nicht selbst helfen.
Münsingen, 5. Novbr. In vergangener Nacht brannte die Scheuer der Baumwirtswitwe Autenrieth hier mit vielen Vorräten an Heu, Stroh, Haber, Holz vollständig nieder. Der Brand entstand etwa um 1 Uhr und es brannte das Gebäude an allen vier Ecken zugleich und zwar sofort so heftig, daß von Löschen keine Rede mehr war. Es wird Brandstiftung angenommen.
Frankfurt a. M., 5. Nov. Ein internationaler Bandit stand heute in der Person des am 26. November 1865 zu Syvney geborenen Charles O'Connel vor den Geschworenen. Er ist beschuldigt, hier am 1. Juli d. I. einen Raub gegen den 15jährigen Lehrling Müller im Bankhaus Gebrüder Wolfs begangen und den Dienstmann Volk zu töten versucht zu haben. Der Angeklagte, der nur englisch spricht, weshalb die Verhandlungen durch einen Dolmetscher geführt werden, ist ein Bankdieb schlimmster Sorte und bereits in Amerika mit 3'/- Jahren 6 Monaten und 18'/, Jahren Gefängnis bestraft worden, welche Strafen er nur teilweise verbüßt hat; es gelang ihm wiederholt, zu entfliehen. Hier hat er in Gesellschaft eines anderen Banditen, der bisher nicht hat ermittelt werden können, am
1. Juli vormittags gegen 10 Uhr den Lehrling Müller, welcher 224,000 ^ auf der Reichsbank geholt hatte, überfallen und ihm 157 Tausendmarkscheine abgenommen. Müller konnte noch um Hilfe rufen, worauf die Gauner die Flucht ergriffen. O'Connel wurde heftig verfolgt und schoß auf den Dienstmann Volk, glücklicherweise ohne zu treffen. Auf dem Gerichtstische lagen der Revolver, ein Dolch, eine große Menge Dietriche, falsche Bärte, 2 Flaschen mit Flüssigkeiten u. s. w. Der Angeklagte wurde zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Wildpark-Stytion, 7. Nov. Das Kaiser- paar ist um 8 Uhr nach Stettin abgereist.
Kiel, 8. Nov. Der Kaiser und die Kaiserin trafen abends 8^/« Uhr hier ein, von dem Prinzen Heinrich und den Spitzen der Admiralität auf dem Bahnhofe empfangen, und fuhren unter dem Jubel der Bevölkerung zum Schloß.
Kiel, 8. Nov. Der Kaiser wohnte heute vormittag um 10 Uhr der Vereidigung der Marinerekruten im Exerzierhause der 1. Matrosendivision bei. Der Kaiser und der Vizeadmiral Knorr richteten an die Mannschaften Ansprachen. Nach der Feier nahm der Kaiser an einem Frühstück im Marineoffizierskasino teil.
— In Berichten aus Wittenberg war gerügt worden, daß am Tage der Einweihung der Schloßkirche dieselbe unmittelbar nach Beendigung des kirchlichen Weiheaktes geschlossen worden und jenen zahlreichen Festteilnehmern nicht zugänglich gewesen sei, welche dem Festakt aus räumlichen Gründen nicht beiwohnen konnten. Wie nun der „Nordd. Allg. Ztg." telegraphisch aus Wittenberg gemeldet wird, hat der Kaiser durch Telegramm befohlen, alsbald Veranstaltung zu treffen, daß die Schloßkirche am Tage jedermann unentgeltlich zugänglich gemacht werde.
— Der „Reichsanzeiger" schreibt: Infolge der Cholerafreiheit Hamburgs sind die hinsichtlich der Meldepflicht behufs polizeilicher Beobachtung der angekommenen Personen, sowie der zur Einfuhr und Durchfuhr bestimmten Gegenstände gegen das Ham- burgische Staatsgebiet getroffenen Blaßnahmen vollständig aufgehoben.
An der Grenze. Eine heitere Schmugglergeschichte ist dieser Tage an der deutsch-belgischen Grenze vorgekommen. Der in der Gegend sich aufhaltende Bischof und seine Begleitung fuhren in zwei Landauern in amtlichen Geschäften über die Grenze, wo sie drei Tage verbleiben wollten. Aber schon am nächsten Tage verbreitete sich das Gerücht, er wolle schon nach eintägigem Aufenthalte zurückreisen, und wirklich fuhren bald daraus drei feine Landauer über die Grenze, und einer der Insassen erteilte der Volksmenge und den Grenzbeamten den „oberhirtlichen" Segen. Als am dritten Tage der wirkliche Bischof durchkam, sahen die belgischen Zöllner ein, welcher Streich ihnen gespielt worden war: der erste, vermeintliche Bischof war der Führer einer
hier sein! Küsse mich, mein Liebling, bevor Du ihm entgegengehst — heute bist Du noch mein — morgen hat ein Anderer nähere Rechte auf Dich!"
Regina umarmte die Mutter und ging dann dem Bräutigam entgegen, Herr Palma war indes nicht allein gekommen und nachdem er Regina begrüßt, sagte er strahlenden Blickes:
„Lilly — ich habe Dir ein kostbares Hochzeitsgeschenk mitgebracht — Dein Vater ist am Leben und hat mich begleitet!"
Im nächsten Augenblick lag Regina schluchzend an der Brust des Vaters, der scheu im Hintergründe gestanden hatte und der jetzt halb beschämt flüsterte:
„O, Regina — ich verdiene Deine Liebe nicht — kannst Du mich wirklich willkommen heißen?"
„Ob ich es kann! O Vater — Du weißt nicht, wie ich mich nach Dir gesehnt habe! Und auch die Mutter wird nun endlich wieder ruhig werden; sie hat es nicht verwinden können, daß sie Dir die Vergebung vorenthalten und es war ihr ein ewiger Vorwurf, daß Du aus dem Leben geschieden seiest und sie das Versäumte und so schwer Bereute nicht wieder gut machen könne! Aber wie kommt es, daß so lange Zeit verstrich, bevor Du uns aufsuchtest und wie wurdest Du gerettet, Vater?
„Durch ein Wunder, mein Liebling," entgegnete Robert Douglas tiefernst; „ich bin der Einzige, der dem Tode entronnen ist! Die Keffelexplosion, die das Schiff in Brand setzte, schleuderte mich west hinaus ins Meer; auf einer Planke, die ich aufgefischt, trieb ich tagelang umher, bis ich das Bewußtsein verlor. Als ich es endlich wiedererlangte, befand ich mich an Bord eines nach Kalkutta bestimmten Ostindienfahrers ; man hatte mich aufgefischt und sich des Hilflosen liebreich angenommen. In Kalkutta angelangt, lag ich lange krank und Wochen vergingen, bevor ich die Reise nach New-Aork antreten konnte."
„Aber weshalb schriebst Du nicht, um uns Deine Rettung mitzuteilen?" fragte Regina vorwurfsvoll und zärtlich.
.Weil ich nicht wußte, ob man mich hier willkommen heißen würde", sagte Robert Douglas leise.
„O Vater — wie wenig kennst Du das Herz der Mutter", rief Regina lebhaft ; „sie verzehrt sich in Schmerz und Sehnsucht."
„Du liebliche Trösterin — willst Du's wagen, bei Deiner Mutter meine Sache zu führen?"
„Nein Vater — dessen bedarf es nicht, die Mutter sitzt hinter dem Hause auf der Veranda — gehe zu ihr — ich bürge Dir für den Empfang!"
Langsamen, zögernden Schrittes suchte Robert Douglas seine Gattin auf; als er sich der Veranda näherte, hörte er sie sagen:
,O, wie mir vor der Einsamkeit graut! Aber mich trifft nur die gerechte Strafe für den Starrsinn; als ich den Becher der Rache an die Lippen setzte, schmeckte der Trank süß und erst, als ich den vergifteten Kelch bis zur Neige geleert, empfand ich, was ich nicht nur ihm, sondern auch mir selbst angethan. Verwittwet — kinderlos, einsam — o mein verlorenes Leben! Nicht umsonst nannte ich jenes Drama Dolorosa — giebt's ein schmerzensreicheres Dasein als das meine!"
Die Stimme der Einsamen erstarb in bitterem Schluchzen, während es leise wie ein Hauch an ihr Ohr klang:
„O Minnie — darf der Gatte Deiner Jugend, der Vater Deines Kinder wirklich auf Vergebung hoffen?"
Mit einem Aufschrei, der wie Erlösung aus Todesnot klang, sank Minnie an die Brust dessen, den sie als verloren beweint und ein heißer Kuß vereinigte die so lange Getrennten!
Ende.