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Amts- und Anzeigeblall für den Bezirk (Lalw.
Erscheint Dien r ta g, Donnerstag und SamStag. Die EinrückungLgebühr beträgt tm Bezirk und nächster Umgebung 9 Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Samstag, den 5. November 1892.
Lbonn-mentiprei« »tertiljührlich tu der Stadt »0 Psg. uu so Pfg. LrSgerlohn, durch die Pofi bezogen Mk> I- rö, sonst t^ ganz Württemberg Mk. l. Sb.
Amtliche Bekanntmachungen.
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zum Gedächtnis
Ihrer Mafestnt der Königin Olga.
Am Sonntag, den 6. ds. Mts., vormittags V-10 Uhr, wird in der hiesigen evangelischen Stadtkirche ein Trauergottesdienst für Ihre Majestät die verewigte Königin Olga abgehalten werden, wozu wir geziemend einladen. Die an dem Zug in die Kirche sich Beteiligenden sammeln sich am Rathaus.
Calw, den 4. November 1892.
Oberamtmann Dekan
Lang. Braun.
An die Ortsnorstrher
betr. die Behandlung der Nachbarschaftsstraßen vor Eintritt des Winters.
Im Hinblick darauf, daß durch nicht rechtzeitiges und übermäßiges Beschottern der Straßen im Spätjahr die ordnungsmäßige Benützung derselben nach eingetretenem Schneefall infolge der Verhinderung der Bildung einer glatten Schneebahn beeinträchtigt wird und daß hiedurch größere Straßenstrecken ihrer "wesentlichen Gebrauchsbestimmung längere Zeit entzogen werden, hat das Kgl. Ministerium des Innern durch Erlaß vom 23. Oktober 1880 die Bezirksstellen angewiesen, darüber zu wachen bezw. die ihnen zunächst zukommende Anordnungen zu treffen, daß bei der Beschotterung der Staats- und Nachbarschaftsstraßen
die thunlichste Rücksicht nicht nur auf den Verkehr mit Räderfuhrwerken, sondern auch auf die ungehinderte Benützung einer sich bildenden Schneebahn genommen wird.
Hienach ist deshalb die Vornahme zusammenhängender stärkerer Beschotterungen auf die ganze Breite einer Straße und in größerer Ausdehnung zu unterlassen, sofern nicht ein sofortiges Einmalzen der Straße stattfindet. Kann zur geordneten Instandsetzung einzelner kurzer, besonders stark angegriffener Strecken der Fahrbahn eine Ausbesserung derselben auf die ganze Breite nicht umgangen werden, so ist eine solche so frühzeitig als es die Witterung gestattet, vorzunehmen, damit das eingebrachte Material noch rechtzeitig zu einer festen Decke eingefahren werden kann. Ueberhaupt ist darauf zu achten, daß zuerst die größeren Ausbesserungen und dann die kleineren insoweit als die Witterung und die vorgeschrittene Jahreszeit sie noch zulässig erscheinen lassen, vorgenommen werden.
In rauheren Gegenden und auf Straßen mit geringem Verkehr hat das Einbringen von Schotter und Kies von der zweiten Hälfte des Monats November an, von dringenden Fällen abgesehen, ganz zu unterbleiben; die erforderlichen Arbeiten sind im folgenden Frühjahr so zeitig vorzunehmen, daß der Verband der Beschotterung mit dem Straßenkörper sich in der günstigeren Jahreszeit noch vollzieht und damit das, was im Spätjahr wegen der Witterung nicht für die Unterhaltung vollständig geschehen konnte, möglichst vollständig nachgeholt wird.
Bei dem Eintritt stärkeren Frostes ist darauf zu sehen, daß nicht nur einzelne Rollsteine, sondern
auch das zu kleineren Ausbesserungen verwendete Material, welches sich mit der Fahrbahn noch nicht verbunden hat, von der Straße wieder beseitigt und auf dem dazu bestimmten Nebenweg, bezw. auf den vorhandenen Lagerplätzen untergebracht werden.
Vielfach trägt auch eine unzweckmäßige Behandlung des Schneebahnens seitens der hiezu verpflichteten Gemeinden die Schuld an einer unvollkommenen Schlittenbahn, indem häufig eine nur mäßig hohe Schneedecke mit einem unverhältnismäßig schweren Bahnschlitten fast bis auf die Straßenoberfläche beseitigt wird, was die baldige Bildung offener Stellen auf derselben zur unvermeidlichen Folge hat. Diesem Uebelstande kann vorgebeugt werden, wenn der zu schwere Bahnschlitten auf Läufer von 6 bis 8 om Höhe gestellt wird.
Die Ortsvorsteher werden angewiesen, mit Nachdruck darauf zu dringen, daß auch bei den jetzt oorzunehmenden Ausbesserungen an Nachbarschaftsstraßen nach obigen Anordnungen verfahren wird.
Calw, den 2. November 1892.
K. Oberamt.
Lang.
Bekanntmachung,
betr. den Baumsatz und die Beseitigung des Baum-Ueberhangs an Staats- und Nachbar- schaftsstratzen.
Die Ortsvorsteher werden veranlaßt, für sofortige Ergänzung der fehlenden Bäume an den Staats- und Nachbarschaftsstraßen zu sorgen oder, wenn die Grundeigentümer den Baumsatz erst im Frühjahr ausführen wollen, darauf zu dringen, daß noch im Laufe des
Aeuitteton.
Nachdruck verboten.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
«O Minnie — ich ahnte nicht, daß es sich so verhielt," stammelte der alte General; „es ist gar zu entsetzlich!"
Minnie antwortete nicht, sie zog Regina, die bisher von den Falten der Portiere verdeckt gewesen, an sich und führte sie dem General zu.
„Nene Douglas," sagte sie laut und feierlich, „wessen ist dies Kind? Prüfen Sie ihre Züge — ist sie eine M-rle, eine Patterson oder eine Douglas?"
Wie gebannt blickte der alte Mann auf Regina, die in all ihrer Schönheit und Lieblichkeit vor ihm stand. Sie trug noch das weiße Cachemirgewand, in welchem sie das Theater besucht; ein weißer Jasminzweig schlang sich durch die dunklen Locken und ein Strauß derselben Blüten schmückte ihre Brust. Die veilchenblauen Augen schimmerten feucht und gleich köstlichen Perlen lagen schimmernde Thränen auf den bleichen Wangen des Mädchens.
„Pauline Douglas," stotterte der General, Regina wie eine überirdische Erscheinung anstarrend, „sie ist das getreue Abbild meiner Schwester — eine Doualas vom Scheitel bis zur Zehe!"
„O Minnie — ist dies unser Kind — Deine und meine Tochter?" rief Robert Douglas tief erschüttert und unwillkürlich die Arme nach Regina ausstreckend.
„Zurück," sagte Minnie rauh, und stöhnend ließ Robert Douglas die erhobenen Arme sinken, ober bevor die Mutter es hindern konnte, hatte Regina sich von ihrer Hand losgerissen und den Vater umschlingend, rief sie schluchzend:
„O Beter — em einziges Mal nimm mich in Deine Arme und nenne mich Tochter — jahrelang habe ich mich nach meinem Vater gesehnt!"
Seiner selbst kaum mächtig, zog Rodert Douglas das liebliche Müschen in seine Arme und während ein heißer Thränenstrom aus seinen Augen brach, murmelte er innig: „Gott segne Dich, meine Tochter!"
Ein schwerer Fall ließ die im Zimmer Anwesenden erschreckt aufdlicken — der General war zu Boden gesunken und lag in totenähnlicher Ohnmacht zu Minnie's Füßen.
XXXII. Kapitel.
Der General erholte sich nicht wieder; die Ohnmacht ging nach wenigen Stunden in den Todesschlaf über und er ward als Leiche aus der Wohnung der Schauspielerin getragen.
Zehn Tage waren seit der Vorstellung des Dramas „Dolorosa" verflossen, als der Künstlerin eines Morgens, während sie mit Regina im Salon saß, eine Karte gebracht wurde. Em Blick auf das verstörte Gesicht der Mutter zeigte Regina, wessen Besuch gemeldet wurde und sobald Frau Douglas mit unsicherer Stimme den Bef.hl gegeben, den Herrn hereinzuführen, erhob sich das Mädchen, um das Zimmer zu verlassen.
„Regina, willst Du dieser letzten Unterredung nichr beiwohnen ?" fragte die Mutter fast bittend.
„Nein, Mutter." sagte Regina kanlt, „das Unrecht, was mir angethan worden, habe ich vergeben, aber die Dir zugefügte Schmach vermag ich nicht zu vergessen und so gehe ich — Gott tröste Euch Beide!"
(Fortsetzung folgt.)