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zwanzig Jahre an Seiner Seite die Krone getragen hatte.

Was die hochselige Königin vom ersten Tage an, da die russische Kaiserstochter als junge Gemahlin des Kronprinzen Karl in Ihre zweite Heimat einzog, bis an Ihr Lebensende dem Königshause und dem württembergischen Volke gewesen ist, das wird immer unvergessen bleiben.

Ein leuchtendes Vorbild war Königin Olga in allen weiblichen Herrschertugenden. Auf Jahrhunderte hinaus wird die Frucht der edlen Liebeswerke, die Sie über unser teures Vaterland ausgestreut, nicht untergehen. Nie hat eine Fürstin mehr als Sie den schönen Namen der Landesmutter zur Wahrheit ge­macht, nie hat für die Armen und Schwachen ein wärmeres und treueres Herz auf einem Throne ge­schlagen.

Großes hat die hochselige Königin in solcher Fürsorge gethan, nicht minder Großes für die Er­ziehung der weiblichen Jugend, für die Heranbildung von Geist und Gemüt und für Brauchbarmachung zu allerlei Berufen.

Auf das gesamte geistige Leben unseres Vater­landes hat Königin Olga den edelsten Einfluß geübt; Ihre Frömmigkeit hat dem religiösen Leben, Ihr hoher, weitschauender und feingebildeter Geist der Kunst und Wissenschaft die größten Dienste geleistet; Ihr edler Sinn, Ihre wahrhaft Königliche Denkart ist Hoch und Nieder stets ein leuchtendes Vorbild gewesen.

Als echte Patriotin hat Sich die Königin Olga in den schweren Tagen, wo unter blutigen Opfern das Reich erstritten wurde, mit voller Aufopferung dem edlen Frauenberuf hingegeben, die Wunden, die der Krieg schlägt, zu verbinden.

Wer zählt die Landeskinder, denen die hohe Entschlafene persönlich in Not und Elend beigestanden, die Sie im Unglück ausgerichtet, deren Kindheit und Jugend Sie beschirmt hat! Kaum ein württembergischer Unterthan wird sein, der nicht von eigenem Schauen das Bild der hohen, allhelfenden Frau im Herzen trägt. In die tiefe Trauer, die das Land Württem­berg um die hohe Entschlafene trägt, mischt sich darum das Gefühl des Dankes für alles, was Sie an uns gethan.

Das württembergische Volk wird seine Königin Olga niemals vergessen!

Tages-Neuigkeiten.

Calw, 2. Nov. In Zwerenberg ist ge­stern Nacht das im abgeteilten Eigentum stehende zweistöckige Wohnhaus mit Scheuer des Schneiders Georg Friedrich Hornbacher und der Kaufmanns­frau Karoline Lutz vollständig niedergebrannt. Mit Mühe konnte das nebenanliegende Gasthaus zum Ochsen gerettet werden. 4 Rindviehstücke, dem Horn­bacher gehörig, konnten nicht mehr herausgebracht werden und erstickten. Demselben ist auch an Geld

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ca. 180 ^ verbrannt. Die Abgebrannten sind ver­sichert. Ueber die Entstehungsursache des Feuers ist bis jetzt nichts bekannt.

In der an einer Landpostbotenroute liegen­den Landgemeinde Neu Heng st ett, Postbezirk Calw, wird am 7. November 1892 eine Posthilfstelle ins Leben treten.

Hirsau, 31. Okt. Von schönem mildem Wetter begünstigt, fand am Sonntage die Ein- weihungder ihrer ursprünglichen Gestalt entsprechend erneuten Ortskirche Hirsaus statt. Ebenso freund­lich und einladend, wie sie in das liebliche Nagold­thal hinabgeschaut, ebenso mutet ihr Inneres nun in Formen und Farben Gemüt und Auge an. Darum fand die Weihe bei Einheimischen und Fremden gleich freudigen Anteil. Der Ort selbst prangte in reichem Flaggen- und Blumenschmuck; ein reizender Föhren­gang mit Triumfbögen und Inschriften führte durch den ganzen Klosterhof bis zur Kirche. Diesen Gang beschritten die Teilnehmenden unter Glockenklang um '/»10 Uhr in langem Zuge: voran die muntere Kinder­schaar mit ihren Lehrern, dann im Ornat die Geist­lichkeit, Prälat v. Wittich, Dekan Braun von Calw und sein Bruder, der Stuttgarter Hofprediger, der Ortsgeistliche und seine benachbarten Kollegen, hier­nach die Dorfältesten mit den heiligen Gefässen, die Bautechniker, die Bezirksbeamten von Calw und Hirsau, die bürgerlichen Kollegien, die Ehrengäste, die sonstigen Gemeindemitglieder, Männer und Frauen. Vor dem bisherigen Betsaale wurde Halt gemacht und feier­licher Abschied genommen, sodann auch vor der Thüre der erneuten Kirche, wo der Regierungsbaumeister Bareis, in Vertretung des abwesenden Meisters v. Sautter, die Schlüssel des Gotteshauses dem Orts­geistlichen übergab. Dieser, den Segen Gottes über Haus und Gemeinde ausrufend, öffnete nun und als­bald füllten sich unter den feierlichen Klängen der Orgel die Räume bis auf den letzten Platz. Ein wohlgeschulter Liederkranz und Singchor nebst dem Gesang der Gemeinde trat in die Pausen der geist­lichen Vorträge ein. Diese wurden von der gemüt­vollen, herzlichen Begrüßung des Dekans Braun er­öffnet ; dann folgte die Predigt des Ortsgeistlichen von der neuen Kanzel herab; das Schlußgebet mit ernster, würdevoller Mahnung hatte der Superintendent Präl. v. Wittich übernommen. Im Gasthof zum Rößle wurde das Mittagsmahl eingenommen, be: welchem sich über 50 Personen beteiligten und das durch ernste wie launige Reden und Toaste gewürzt wurde. Der erste galt S. Maj. dem Könige. Das Mahl endigte erst gegen 4 Uhr, wo die Glocken zu neuem Gange nach der Kirche und zwar zu einer liturgischen An­dacht mahnten. Diese wurde von dem Dekan und dem Pfarrer Hahn geleitet und wiederum durch er­hebende Gesänge unterbrochen. Unter der Refor­mationseiche wurden die Kinder mit Gebäck erfreut und den Erwachsenen eine von Pfr. vr. Klaiber ver­faßte Festschrift dargeboten, die an ihrer Spitze ein

Weihelied von Oberreallchrer Th. Beyttenmiller ent­hält, der auch als Ehrengast geladen und eingetroffen. war. Nur zu schnell rückte für die Fremden die Stunde der Abreise heran, während die Zurück­gebliebenen sich noch zu einer geselligen Zusammen­kunft vereinigten. So schloß die schöne unvergeßliche Feier'in ungestörter Harmonie. Schw. M.

Stuttgart, 31. Okt. Bei der Sitzung der Gemeindekollegien eröffnete Gemeinderat Dr. Schall dieselbe mit nachstehenden Worten: Geehrte Herren!. Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich Ihnen die schmerzliche Nachricht mitzuteilen, welche heute früh schon durch den Mund der Glocken verkündigt wurde, daß Ihre Majestät unsere vielgeliebte Königin Olga gestern abend durch einen sanften Tod von Ihrem schweren Leiden erlöst worden und in die ewige Ruhe eingegangen ist. Mit unserem Kgl. Haus - trauert die ganze Einwohnerschaft der Haupt- und Residenzstadt schmerzbewegt um dis hohe Entschlafene.. Vor 46 Jahren als Prinzessin aus fernem fremdem Lande von unserem damaligen Kronprinzen heimge­führt, hat sich diese wahrhaft königliche Frau eine neue, unvergängliche Heimat in den Herzen aller unserer Mitbürger erworben. Ihrem unermüdlichen Wirken auf dem Gebiet der Armenfürsorge und des Schulwesens sind bleibende Denkmäler in einer Reihe von Anstalten gesetzt, die durch Ihre Anregung,. Förderung und Unterstützung ins Leben gerufen sind. Ich nenne nur die Olgakrippe zur Bewahrung und Verpflegung kleiner Kinder und Säuglinge, die Olgaheilanstalt für kranke Kinder und Lehrlinge, das Kgl. Olgastift, und erinnere Sie an die große Zahl von Vereinen und Wohlthätigkeitsstiftungen, welche sich des Protektorats und der reichsten Beihilfe Ihrer Majestät zu erfreuen hatten: den Kleinkinderrettungs­verein, den Frauenverein zur Versorgung verwahrloster Kinder, die Nikolauspflege für blinde Kinder, die Augenheilanstalt für Unbemittelte, die Kleinkinder- und Industrieschule in Berg, das Stuttgarter Frauen­heim und viele andere. Das schönste Denkmal aber ist die tiefe Verehrung, die warme und wahre Liebe,, womit tausend Herzen hoch und nieder, arm und reich, auch über das Grab hinaus die hohe Frau in treuem und gesegnetem Andenken behalten werden!

Milwaukee, 29. Okt. Gestern abend brach in einer Liqueurfabrik eine Feuersbrunst aus. Da ein starker Wind wehte, standen bald größere Häuser- Komplexe am Broadway und an der Buffalostraße in Flammen. Beim Eintreffen der Feuerwehr brannte bereits das ganze Stadtviertel. Dichte Feuermassen flogen weithin und verhinderten, an den Brandherd heranzukommen. Das Feuer zerstörte das Ostviertel Milwaukee's in einer Ausdehnung von einem Quadrat- Kilometer. Fabriken, Handelshäuser, (darunter viele Holzhäuser) und die Gasanstalts-Werkstätten der Chicago-Nordwest-Eisenbahn sind verbrannt. Die Be­wohner der meisten Häuser sind Deutsche, Iren,

wurden in ihre Rechte eingesetzt; das mit Hypotheken überlastete Fomiliengut fiel der Schauspielerin, als der Besitzerin der Hypotheken, zu und sowohl der General und sein Sohn, wie auch die unglückliche zweite Gattin samt 'dem verwachsenen Kinde erschienen um Gnade bettelnd vor der Rächerin. Aber die langen Jahre des Kummers und der Vernachlässigung hatten jedes wärmere Gefühl im Herzen der verstoßenen Gattin erstickt und ihren Verderbern fluchend, nahm sie Besitz von dem Fümiliengut und starb dort in den Armen ihrer Tochter.-

Der Vorhang war zum letzten Mal gefallen, nachdem das enthusiasmierte Publikum die Künstlerin unzählige Male vor die Lampen gerufen und ihr reiche Blumenspenden zugeworfen hatte. Gleich einer Königin hatte die schlanke Gestalt inmitten der Bühne gestanden und ihr triumphierender Blick suchte die Prosceniums- loge, deren Insassen bleich und entgeistert auf die weltbedeutenden Bretter starrten.

Robert und sein Vater waren unter den Letzten, die das Haus verließen;> schweigend bestiegen sie ihren Wagen und auf die Frage des Dieners, wohin ge­fahren werden sollte, nannte Robert Douglas kurz das Hotel der Schauspielerin.

O, nicht dorthin nicht heute,* stöhnte der General fassungslos.

Ja heute, noch in dieser Stunde soll Minnie erfahren, wie Alles zusammen­hängt." rief Robert leidenschaftlich;ich habe mich schwer an ihr versündigt, aber ganz so verächtlich, wie sie mich glaubt, bin ich denn doch noch nicht! Vater Du sagtest mir, sie sei eine Dirne Du untersingst ihre Briefe an mich und verhehltest mir, daß ich Vater war! O mein armes, verlassenes Kind! Vater, mag Gott cs Dir vergeben, was Du mir gethan, ich kann es nicht!"

Der Wagen hielt vor dem Hotel, in welchem die Künstlerin Wohnung ge­nommen ; die Herren wurden von einem Diener in einen glänzend erleuchteten Salon geführt; Robert Douglas schritt ruhelos auf und ab, während der General wie ge­brochen in einen Sessel sank. Nach einer Weile ward die schwere Sammetportiere zurückgeschlagen und die Künstlerin trat ins Gemach. Ihre Besucher mit trium­phierendem Blick messend, sagte sie langsam und jedes einzelne Wort schwer betonend:

Nur der Schuldige versteht die Bedeutung des Liens tslcsl, welches in Flammenschrift an die Wand gezeichnet wurde giebt es eine Rechtfertigung für die an einem schuldlosen Weibe, an einem verlassenen Kinde begangenen Sünden?"

Der General versuchte zu sprechen, doch kein Laut entrang sich seinen bebenden Lippen, Robert Douglas aber trat auf die Künstlerin zu und sagte mit gebrochener Stimme:

Minnie Gott ist mein Zeuge, daß ich bis zum heutigen Abend nicht wußte, daß mir jenseits des Ozeans ein Kind lebte; ich wußte nicht anders, als daß Du das Weib Peter Pattersons seiest und mit ihm in Kalifornien lebtest er schrieb uns seiner Zeit, daß er stets Dein begünstigter Liebhaber gewesen! Seit jenem Tage, da ich von Dir Abschied nahm, habe ich keinerlei Nachricht von Dir erhalten; als mein Vater und Patterson mir hinsichtlich Deiner Mitteilungen machten, welche mir unglaublich erschienen, schrieb ich an den Eymnasialdirektor und bat um wahrheits­getreue Auskunft über Dich und Deinen Verbleib. Die Antworten, welche ich noch besitze, lauteten übereinstimmend; Dein guter Name sei völlig zerstört. Deine Groß­mutter habe sich von Dir losgcsagt und Du selbst seiest mit Patterson nach Kali­fornien ausgcwandert. Diese Auskunft war geradezu niederschmetternd für mich; ich zweifelte nicht länger und verwünschte Deine Falschheit. Vater bei Deiner wie bei meiner Ehre beschwöre ich Dich, bestätige die Wahrheit meiner Aussage es ist das Wenigste, was Du thun kannst, nachdem Du mich um mein LebenSglück gebracht!"

Frau Orme" begann der General mit zitternder Stimme,ich,"

Weg mit dem Namen Orme" unterbrach Minnie ihn flammenden Blicks; die Schauspielerin Olivia Orme ist heute abend auf der Bühne gestorben von nun an soll die Welt mich als Minnie Douglas kennen. Ja jetzt heiße ich so Ha! ha! ha! Minnie Douglas!"

Sie lachte bitter auf und hielt dem General die Hand, an welcher der Trau­ring mit dem Totenkopf funkelte, vor Augen. (Fortsetzung folgt.)