M 130.
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
Erscheint Dien « Io g, Donnerktag und Samrtaj. Die «§inrü<rungSgedühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Psg. bi- Zeile, sonst I« P?g.
Amtliche Bekanntmachungen.
Königliches Dekret.
Der: Körrig
an das Staatsministerium.
Wegen der um der Höchstseligen Königin-Witwe Olga^ Majestät stattfindenden Landestrauer bestimme Ich auf den Antrag des Staatsministeriums was folgt:
Die Landestrauer um der Höchstseligen Königin- Witwe Olga Majestät dauert von heute an 6 Wochen.
Während dieser Zeit haben die in Zivildiensten stehenden Staatsdiener in denjenigen Fällen, in welchen sie in Uniform erscheinen, einen Flor um den linken Arm, schwarze Beinkleider und schwarze Handschuhe zu tragen.
Im übrigen trauern sämtliche Zivilbeamte, wenn sie nicht in Uniform erscheinen, während der gedachten Zeit mittelst Anlegung eines Flors um den linken Arm.
Die Ministerien und Landeskollegien haben während der Trauerzeit bei amtlichen Erlassen und sonstigen Ausfertigungen, die Bezirksstellen bei Berichten an Vorgesetzte Behörden und im Verkehr mit auswärtigen Stellen schwarz geränderten Trauerpapiers sich zu bedienen. Außerdem ist im amtlichen Verkehr während der Trauerzeit ein schwarzes Siegel zu benützen.
Vom Tage des Hinscheidens bis zum Tags der Beisetzung und nach derselben noch weitere drei Tage findet in sämtlichen Kirchen des Landes täglich
Donnerstag, den 3. November 1892.
vormittags von 11-11'/- Uhr, in der Residenzstadt Stuttgart und in der Stadt Ludwigsburg noch weiter nachmittags von 4—4'/- Uhr, Trauergeläute mit allen Glocken in angemessenen Unterbrechungen statt.
Für die gleiche Zeitdauer hat jede öffentliche Lustbarkeit und Musik mit Ausnahme der Kirchen- und Trauermusik zu unterbleiben.
Die Wiedereröffnung von Schauspielen kann nach dem Tage der Beisetzung von dem Minister des Innern gestattet werden.
Wegen des Trauergebets und des Trauergottesdienstes, sowie wegen der Trauer bei Hofe und bei dem Königlichen Armeekorps bleibt besondere Verfügung Vorbehalten.
Sämtliche Staatsminister sind mit der Vollziehung dieser Verfügung beauftragt.
Marienwahl, den 31. Oktober 1892.
W i 1' H e rn.
MUlrracht. Faber. Tarwcy. Schund. Riecke. Schott von Schotteustrin.
Die obigen allerhöchsten Anordnungen werden hiemit zur allgemeinen Kenntnis gebracht; die Ortsbehörden werden insbesondere auf die Bestimmungen hinsichtlich des Trauergeläutcs und des Verbots der öffentlichen Lustbarkeiten hingewiesen.
Calw, den 1. November 1892.
K. Oberamt.
Lang.
67. ZahrM
LbonnrmentSpreiS vierteljährlich iv der Stadt *0 Pfg. uut 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1- 1b, sonst i> ganz Württemberg Dtt. 1. 85.
Bekanntmachung.
In Gechirrgen ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen.
Calw, den 31. Oktober 1892.
K. Oberamt.
Lang.
Bekanntmachung.
In Schmieh ist die Maul- und Klauenseuche wieder erloschen.
Calw, den 2. November 1892.
K. Oberamt.
Lang.
— Der Staatsanzeiger widmet der verewigten Königin Olga folgenden die Stimmung des Volkes wiedergebenden Nachruf:
Stuttgart, 30. Oktober. Durch den Tod Ihrer Majestät der Königin Witwe ist das Württembergische Königshaus und das ganze Württem- bergische Land in tiefste Trauer versetzt worden.
Schon seit Wochzn mußte man für das durch schwere Krankheit bedrohte Leben Ihrer Majestät fürchten; nachdem in der letzten Woche eine Erleichterung eingetreten war, nahm die Krankheit in den letzten zwei Tagen einen raschen Verlauf und brachte der hohen Dulderin am gestrigen Sonntag abend die Erlösung.
Wenige Wochen über ein Jahr hat Ihre Majestät die Königin Olga im Witwenstande verbracht, nachdem Sie fünfundvierzig Jahre mit Ihrem königlichen Gemahl vereint gewesen war und siebenund-
IseuiLket on.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
Die nächste Scene spielte im Spital; die junge Mutter lehnte müde und bleich auf ihrem Lager und hielt ihr Kind in den Armen, als Peter Patterson erschien und mit rohem Lachen erklärte, das Kind sei das seine. Wie eine gereizte Löwin fuhr das zarte, kindlich aussehende Weib auf; sie rief Gott zum Zeugen, daß Patterson ein Lügner und Betrüger sei und während der Elende hinausgewiesen wurde, sank Minnie ohnmächtig auf ihr Lager zurück.
- Im nächsten Akt erschien Minnie Merle, so wie das Publikum sie jetzt kannte; das Gesicht von goldenen Locken umrahmt. Sie spielte mit ihrem etwa einjährigen Kinde und dasselbe hoch emporhaltend, sagte sie mit thränenerstickter Stimme:
„Mein Liebling, Du wirst Deinem Vater täglich ähnlicher!"
War es Zufall, daß die Künstlerin bei diesen Worten zu der Prosceniums- loge aufblickte und ihre Augen diejenigen Robert Douglas' zu durchbohren schienen?
Jetzt folgte das Souper, bei welchem Minnie von der zweiten Heirat des Gatten erfuhr und wie mit einem Schlage änderte sie ihr Wesen. Der glühende Wunsch nach Rache sprach aus den haßflammenden Augen und die herrliche Stimme der Künstlerin hatte nie so hinreißend geklungen, als da sie beim Haupte ihres verlassenen Kindes schwur, ihm sein Recht und seinen Namen zu wahren.
Sodann begann die Laufbahn der Schauspielerin — die Scene in der Bibliothek des Pfarrhauses folgte — weiter und weiter entwickelte sich das ergreifende Thema und schließlich spielte sich jene Scene, welcher das Pariser Publikum bei der Aufführung von »Kenilworth" zugejubelt, nochmals ab. In atemloser Spannung verfolgte man jede Bewegung Amy Robsart's; die Scene stellte eine Bühne und
einen Theil des Zuschauerraums dar und der in der Prosceniumsloge sitzende Mann hätte in die Erde sinken mögen, als er auf der Bühne seinen Doppelgänger gleichfalls in der Prosceniumsloge erblickte.
Jetzt folgte der Auftritt im Hotel, in welchem der treulose Gatte zweier Frauen die Künstlerin, deren Identität mit seiner ersten Gattin er nicht ahnt, aufsucht und sie mit seiner Liebesbeteuerung verletzt und Robert Douglas, fragte sich mit bitterem Hohn, wie cs nur geschehen konnte, daß er Minnie damals nicht erkannte.
Das Zusammentreffen der kranken Künstlerin mit dem unglücklichen kleinen Mädchen, welches der zweiten Ehe ihres Gatten entsprossen war, bildete fast den ergreifendsten Auftritt des aufregenden Stückes; auf den Knieen liegend pries Minnie mit aufgehobenen Händen das Walten der Nemesis und Robert Douglas fühlte sich völlig vernichtet.
Die Schürzung des dramatischen Knotens nahte sich ihrer Vollendung und im stummen Schweigen folgte das Publikum den einzelnen Phasen des Stückes. Der unnatürliche Plan, den Vater ihres Gatten zu heiraten, ließ die Zuschauer fast mit Grauen auf die Künstlerin blicken; die Unterredung in Pozzuoli und Neapel zwischen dem General und der Schausvielerin waren wortgetreu wiedergegeben und Robert Douglas sah es in dem schuldbewußten Gesicht des alten Herrn, daß die Darstellung sich auf wirkliche Vorgänge stütze.
Der Heiratskovtrakt wurde vorgelesen; der General hatte sich so weit wie möglich in den Hintergrund der Loge zurückgezogen, aber Robert Douglas verwandte keinen Blick von der Bühne — er dachte nur, fühlte nur mit Minnie, seinem verstoßenen, grausam geschävigten-Hfleibe.
Das Publikum atmete völlig erleichert auf, als gerade vor der Unterzeichnung des Kontraktes die Nachricht einlief, daß die Komödie überflüssig geworden, indem Peter Patterson beschworen, daß seine früheren Aussagen Lügen gewesen und gleichzeitig der zweite Trauzeuge. Gilbert Andre. wieder aufgetaucht war. Und jetzt folgte die letzte Scene: die verleugnete Gattin, die inzwischen herangewachsene Tochter